betreffend die im Oktober v. J. beantragte Aufhebung
des Einzugs⸗ und Bürgerrechtsgeldes, zur Verhandlung. Nach längerer Diskussion wurde der Antrag: das Einzugsgeld vom 1. Zuli d. J. ab aufzuheben und den Magistrat um Zu⸗ stimmung zu diesem Beschluß zu ersuchen, bei namentlicher Abstim⸗ mung mit 23 gegen 21 Stimmen angenommen, dagegen der An⸗ trag auf Aufhebung des Bürgerrechtsgeldes mit 23 gegen 21 Stim⸗ men abgelehnt.
Posen, 28. April. (Pos. Ztg.) Am 26. d. M. gaben die vpereinigten Domkapitel dem Herrn Erzbischof Grafen Ledochowski zu Ehren ein Diner, zu welchem die Spitzen sämmtlicher hiesiger
örden geladen und erschienen waren. Der kommandirende Ge⸗
Herr von Steinmetz, brachte das Hoch auf den Herrn Erz⸗ bischof aus.
Trier, 27. April. (Tr. Ztg.) Gestern Nachmittag starb, in seinem 64. Lebensjahre, der Rentner Herr Peter Schöͤmann, seit 1862 Mitglied des Abgeordnetenhauses für den Wahlbezirk Trier.
Mecklenburg. Schwerin, 28. April. (Mecklenb. Ztg.) Ihre Königliche Hoheit die Frau Prinzessin Karl von Hessen⸗ Darmstadt ist gestern Abend von Darmstadt über Ludwigslust, von wo Se. Köͤnigliche Hoheit der Großherzog Hoͤchstdieselbe hierher geleitete, zum Besuch am Großherzoglichen Hofe angekommen. Ihre Königliche Hoheit die Frau Großherzogin⸗Mutter war bereits um 6 ½ Uhr mit dem Bahnzuge von Ludwigslust zurückgekehrt.
Sachsen. Gotha, 28. April. (Goth. Ztg.) Im Land⸗ tag, welcher heut vertagt wurde, erklärte auf die Interpellation be⸗ züglich der deutschen Frage der Staatsminister v. Seebach, daß er sich leider außer Stande befinde, die gewünschte Auskunft zu geben, weil der fragliche Gegenstand verfassungsgemäß vor den gemeinschaftlichen Landtag gehöre. Die Staats⸗ regierung werde übrigens gewiß nie zurückbleiben, wenn es gelte, die deutschen Verfassungsverhältnisse in einer den Wünschen der Nation entsprechenden Weise umzugestalten und vielmehr stets bereit sein, diejenigen Opfer zu bringen, ohne welche dieses Ziel aller⸗ dings für alle Zukunst uncrreichbar bleiben werde. — Die Auf⸗ bebung der Justizämter Thal und Nazza hat der Landtag heut noch mit großer Majorität abgelehnt.
Reuß. Gera, 28. April. (Weim. Ztg) Das im vorigen Monate vom Landtage beschlossene neue Preßgesetz, durch welches das frühere Gesetz über die Regelung der Presse vom 5. Juli 1852 wesentliche Abänderung erfahren, ist so eben zur Publication gelangt. Es ist dasselbe mit der Gewerbe⸗ Ordnung vom 11. April 1886 n Einklang gebracht und ist fortan zum Gewerbebetriebe eines Buch⸗ und Steindruckers, Buch⸗ oder Kunsthändlers, Anti⸗ quars, Leihbibliothekars, Inhabers von Lesekabinetten, Verkäufers von Flugschriften und Bildern, nur noch persoͤnliche Caution erforderlich. Eine solche kann auch einem Ausländer ertheilt werden. Die genannten Preßgewerbe dürfen auch nach dem Tode des In⸗ habers für Rechnung der Wittwe oder minderjähriger Kinder duͤrch Stellvertreter fortgesetzt werden. Dasselbe gilt auch während der Dauer einer Kuratel, oder einer von dem Gewerbetreibenden zu verbüßenden Haft. Außerdem ist noch das gleichzeitig vom Land⸗
rtage berathene Statut für Errichtung einer Pensionskasse für die Wittwen und Waisen der Subalternbeamten publizirt, so wie ein Ministerialreskript; die Emission von Landrentenbriefen betreffend, veröffentlicht worden.
Frankfurt a. M. In einem Telegramm aus Frank⸗ furt a. M., den 28. April, meldet das »Dr. Journ.⸗: Die Sitzun⸗
des außerordentlichen Ausschusses für die Bundesreform sollten heute beginnen, wurden aber wegen Abreise des preußischen 8. nach Berlin abbestellt.
Baden. Karlsruhe, 27. April. Ihre Königliche Hoheit Prinzessin Friedrich von Hessen ist mit ihren Lindern 88. Prinzessin Elisabeth und dem Prinzen Alexander, heute Nachmittag
sum 15 Iorer E’ der Großherzogin, von 1 en kommend, dahier eingetroffen und im Großherzogli abgestiegen. (Karlsr. Ztg.) g v 2 88 ain
Bayern. München, 27. April. Seine Majestät der König bat dem Prinzen Otto aus Anlaß von dessen heute er⸗ langter Großjährigkeit den Ritterorden vom heil. Hubertus verliehen und denselben vom Oberlieutenant zum Hauptmann im Inf.⸗Leib⸗ w— ,— 5ü- gr Theilnahme an der Feier des Tages
artete Ankunft⸗ es Königs Otto von Grie enl Vormittag erfolgt. “
29. April. (W. T. B.) Das Wiener Kabinet hat den aus⸗ wärtigen Mächten die Erklärung abgegeben, daß seine Rüstungen 2 gerichtet sind, welches sich zum Angriff auf Venetien
Oesterreich. Wien, 28. April. Die „Wiener Abendpost⸗ meldet, daß der Kaiser von Hesterreich dem Ossip Iwanow . . sarow in Anerkennung seines großen Verdienstes durch glückliche Abwehr des gegen den Kaiser von Rußland versuchten Attentates, bas Komthurkreuz des Franz⸗Joseph⸗Ordens verliehen habe.
Ein Wiener Telegramm der „Postzeitung⸗ meldet: Die 14
11““ 8 8
S
Grenz⸗Infanterie⸗Regimenter sind um je 2 Bataillons und das
Bataillon Titeler Grenz⸗Infanterie ist um ein zweites Bataillon 8
vermehrt worden. 82 29. April. Die „Wiener Zeitung⸗ meldet in ihrem amt⸗ lichen Theile, daß der Finanzminister durch ein Gesetz vom 24. April
ermächtigt worden sei, zur Beschaffung von Geldmitteln behufs Er⸗
füllung der Verpflichtungen des Staats im Jahre 1866, gegen Ver⸗
pfändung von unbeweglichem Staatseigenthum, ein Darlehn von
nominal 60 Millionen Gulden in Silbermünze bei einem Hypo
theken⸗Kredit⸗Institute in Pfandbriefen des Instituts aufzunehmen, dieselben bestmöglichst zu veräußern und so lange eine Veräußerung der Pfandbriefe nicht zweckdienlich erscheint, dieselben als Deckung
für auszugebende Tresorscheine bis zur Hälfte des Nominalwerthes der noch nicht veräußerten Pfandbriefe zu verwenden. — Di Staatsschulden ⸗Kontrolkommission wird die Schuldverschreibungen oder Tresorscheine kontrasigniren.
Die „Wiener Zeitung⸗ bringt gleichzeitig einen diese Operation erläuternden Artikel, worin es heißt:
Im Finanzgesetze für das Jahr 1866 ist unter den Staatseinnah⸗ men, Kapitel 39, der Betrag von 14,899,555 Fl. als Einnahmen aus der Veräußerung vom Staatseigenthume angeführt worden.
Mit dem allerunterthänigsten Vortrage vom 29. Dezember 1865, mit welchem bei Vorlage des Finanzgesetzes die Lage des Staatshaus⸗ halts bei Beginn des Verwaltungsjahres 1866 einer umständlichen Er⸗ örterung unterzogen worden ist, wurde aber angedeutet, daß eventuell statt des Verkaufs vom Staatseigenthume die Beleihung desselben stattzufinden hätte, wenn dieser letztere Modus dem Staatsschatze größere Vortheile bieten würde. Diese Eventualität tritt nun heran. Der Staatshaushalt bedarf zur Deckung seiner laufenden Verbindlichkeiten prompter Geldmittel, welche ihm die kurrenten Einnahmen nicht vollständig liefern, und er vermag dieselben nicht durch die Veräußerung vom Staatseigenthume zu beschaffen, weil die Zeitumstände dem Verkaufe großer Grundkomplexe äußerst ungünstig sind und im besten Falle für die einzuzahlenden Kauf⸗ schillinge längere Termine bewilligt werden müssen, also der Erlös dann nicht zur Hand wäre, wenn er benöthigt wird. Die Finanzverwaltung hat daher das Projekt der Geldbeschaffung mittelst eines umfassenden Domaͤnen⸗
beleihungsgeschäftes ernst in das Auge gefaßt und glaubt in selbem ein ausgiebiges und zweckmäßiges Mittel zur Deckung des nächsten Staats⸗
erfordernisses, beziehungsweise des im Dienste des Verwaltungsjahres 1866
ch ergebenden Defizits gefunden zu haben. Die Basis der Operation bildet das mit einem Bodenkredit Institute abzuschließende Hypothekar⸗ darlehensgeschäft, wobei der Staat mit seinem unbeweglichen Eigenthume an Staatsgütern und Forsten in das privatrechtliche Verhaältniß eines Hypothekarschuldners zu einer Hypothekenbank tritt. Das Boden⸗ kredit⸗Institut belehnt die Staatsdomainen oder den Staats⸗ forst unter denselben Bedingungen, Vorsichten, Sicherstellungen und Rechsfolgen, unter denen es Privatpersonen auf Immo⸗ bilien Darleihen vermittelt, das heißt, es giebt dem Staate gegen inta⸗ bulationsmäßige Schuldverschreibungen und die gewöhnlichen Annuitäten 1“ “ weil sie dieselben Sicherheiten bieten, auch die⸗ e wie . pot Pfandbriefe eines cedi 8 überhaupt Pfandbriefe eines Bodenkredit⸗Institutes Nachdem sich dann die »Wiener Zeitung« über die „Vortheile einer solchen Finanzmaßregel⸗ geäußert, sagt sie:
In gewöͤhnlichen Zeiten des Friedens und der Ordnung hat die Ver⸗ werthungsolcher Schuldverschreibungen durchaus keinen Anstand, weil Pfand⸗ briefe einer soliden Hypothekar⸗Anstalt, welche statutenmäßig ausgefertigt sind ein sehr beliebtes Effekt bilden, das hauptsächlich für feste Kapitalsanlagen gesucht wird und in seiner Eigenschaft als mobile Hypothek, besonders wenn es auf klingende Münze lautet, vor anderen Kreditspapieren bevorzugt zu werden pflegt, daher man über das günstige Endresultat dieser auf voll⸗ kommen civilrechtlicher Basis sich bewegenden, den Stempel der Solidität in sich tragenden Operation nicht in Zweifel sein kann. Nur wären hiefür ruhige normale Verhaͤltnisse eine Vorbedingung. Insolange die⸗ selben nicht eingetreten sind, im Gegentheile die politische Lage schwierig und verwickelt bleibt und die hiedurch hervorgerufene Gedrücktheit und Unsicherheit sämmtlicher europäischer Geldmärkte anhaäͤlt, muß das feste Placement der zu creirenden Werthpapiere, falls dieselben nicht verschleudert werden sollen verschoben bleiben, und es tritt vorläufig an die Stelle der festen Bege⸗ bung die im Gesetze in Aussicht genommene Vornahme einer Zwischen⸗ operation, welche in der Emission von Tresorscheinen besteht, die auf Ordre lautend, auf 3 Monate laufend und von 3 zu 3 Monaten pro⸗ longirbar zu 6 pCt. pro anno verzinslich, in Appoints zu wenigstens 10,000 Fl. ausgestellt, unter der Controle der Kommission zur Controle der Staatsschuld bis zur Hälfte des Betrages der ausgefertigten Pfand⸗ briefe herausgegeben und durch die letzteren fundirt werden.
1 Wie der Pariser „Moniteur⸗ meldet, ist der Dampfer »Tam⸗ pico⸗-, der allgemeinen transatlantischen Compagnie gehörig, zu Triest den 27. April, von St. Nazaire kommend, angelangt. Er 1. 8b 1.Sn 1909 an Bord nehmen, welche
österreichisch⸗mexikanische Legion besti —
8 —— 8 s g bestimmt und zu Laybach
Lemberg, 27. April. (Telegraphischer Landtagsbericht der »Wi Zeit. «). Alle noch rückständigen Petitionen werden göbrricht fer zchlustes an den Landesausschuß ewiesen. Kabath referirt Namens des Landesaus⸗ schusses in der Sprachenfrage; er proponirt einen Zusatz zur Geschäftsord⸗ nung/ wonach der Marschall in polnischer Sprache amtiren solle, die S und ruthenisch zu vertheilen, bei Berathung und
ntragstellung beide Sprachen zulässig, die Ausschußberichte in beiden Sprachen zu vertheilen, die Beschluͤsse aber polnisch zu fassen wären und nur polnischen Berichte als Grundlage zur Beschlußfassung zu dienen hätten. — Er proponir ferner als Zusatz zur Instruction des
8 8 ““
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Landes Ausschusses, daß dieser polnisch amtire. Es eröffnet sich eine hitzige Generaldebatte. Gegen den Ausschußantrag spricht der Ru⸗ tbene Dobrzanski, für denselben Skrzynski, jedoch unter Ankündigung von Amendements. Goluchowski proponirt einen Zusatz wonach bei dritter Lesung auch über den ruthenischen Text zu beschließen, jedoch bei Zweifeln der polnische Text entscheidend sei. Schließlich Guszalewicz (Ruthene) gegen die Vorlage, Referent Kabath dafür. Goluchowski proponirt sodann die Enbloc⸗Annahme mit seinem Amendement, welcher Antrag nach heftiger Debatte bei namentlicher Abstimmung angenommen wird. Endlich referirt Kabath Namens des Landesausschusses über den eigenen Antrag wegen Publizirung der Landesgesetze, indem er die Veröffentlichung im polnischen Urtext mit deutscher und ruthenischer Uebersetzung vorschlaͤgt. Der An⸗ trag wird mit einer Redactions Aenderung angenommen. Krzeczunowicz referirt dann Namens der Spezialkommission in der Katastral⸗Angele⸗ enbeit und schlägt eine Bitte an Se. Majestät um eingehende Re⸗ vision der verfaßten Schätzungsoperate durch Lokalkommissionen mit Bei⸗ ziehung von Delegirten des Landes⸗Ausschusses, ferner einen neuerlichen Re⸗ dlamationstermin und die Bestellung einer eigenen Centralbehörde zur Ent⸗ scheidung hierüber mit Beiziehung von Landesvertretern, endlich die Beauf⸗ tragung des Landes⸗Ausschusses zur Bestellung einer Delegation behufs Be⸗ treibung dieser Angelegenheit beim Ministerium vor. — Die Vorlage wurde einhellig angenommen. Der Regierungs⸗Kommissar verspricht unter Beifall die Unterstützung der Landesregierung.
— 28. April. Nach einem feierlichen Hochamte mit Tedeum fand die Schluß⸗Sitzung der heurigen Landtags⸗Session statt. Ein gewähltes zahlreiches Publikum war anwesend. Abg. Golejewski bringt
einen Protest gegen den gestrigen geschäftsordnungswidrigen Vorgang bei
Annahme des Goluchowski'schen Antrages in der Sprachenfrage ein. — Zyblikiewicz kündigt eine Gegenerklärung an. Vorkowski referirt Namens 68 Landesausschusses über die Reform der Landtags⸗Wahlordnung und hlägt vor, um eine diesfällige den besonderen Verhältnissen und Bedürfnissen es Landes entsprechende Regierungsvorlage zu ersuchen, welche insbesonders eine ermehrte Vertretung der Städte bezwecken solle. Auf Verlangen Ludw. Wod⸗ ick's soll über letzteren Absatz (vermehrte Städtevertretung) besonders abge⸗
stimmt werden; er spricht gegen den Absatz, denn es sei eine gründliche und
nicht theilweise Wahlreform nöͤthig. Pawlikow beantragt einen Zusatz gleichzeitiger Vermehrung der Vertretung der Landgemeinden; Ka⸗ piszewski einen Bildungscensus, Lawrowski besondere Vertretung des in
Stanislau konzentrirten Handels auf dem Dniester und in Dukla wegen
des dort konzentrirten ungarischen Handels. Bei der Abstimmung fallen alle A mendementsz; der erste Absatz wird angenommen, der zweite (auf die Städte bezügliche) fällt bei namentlicher Abstimmung.
Fürst Sapieha giebt hierauf eine Uebersicht der Arbeiten des Landtags der beendigten Session, wofür das Land Ursache habe, seinen Vertretern dankbar zu sein, drückt seinen Dank der Statthalterei, dem Regierungs⸗ Commissair und vor allem Sr. Majestät dem Kaiser aus, welchem ein dreimaliges stürmisches Hoch ausgebracht wird. Der Statthalter drückt dem Landtage die volle Anerkennung der Regierung aus und schließt mit den Worten: »Auf frohes Wiedersehen!« Bischof Monasterski dankt dem Landes⸗ marschall und dem Regierungs⸗- Commissair für ihr Wirken. Sämmtliche Redner wurden von oftmaligen Beifallsbezeugungen unterbrochen.
Pesth, 28. April. In der heutigen Sihung des Repraͤsentanten⸗ hauses wurde das Resultat der Wahl der drei Kommissionen;: für die siebenbürgischen Angelegenheiten, für die Nationalitätenfrage und die Haus⸗ ordnung kundgemacht. Für die ersteren wurden je 40, für die letzteren 35 Mitglieder gewählt. Nachdem hierauf die siebenbürgischen Deputirten Karl Morschner, Fried. Eitel und Georg Teutsch ohne Debatte verifizirt worden waren, zeigte der Präsident an, daß heute die Bogen aufgelegt werden, in welche die Mitglieder des Hauses ihre Namen mit dem Bemerken einzutragen haben, für welche der noch zu bildenden 5 Kommissionen sie gewählt zu werden wünschen⸗
Großbritannien und Irland. London, 27. April. Im Unterhause fragte gestern H. Seymour den Unterstaatssecre⸗ tair des Auswärtigen, ob die Regierung etwas über einen angeblichen Ein⸗ fall italienischer Freiwilligen auf österreichisches Gebiet vernommen habe, und ob dies Faktum mit der zeitweiligen Weigerung des Kaisers von Oester⸗ reich, den Grafen Arese und den Signor Venosta zu empfangen, zusammen⸗ hänge. Layard erwiedert, die Regierung habe keinen Grund, zu glauben, daß an dem Gerücht von jenem Einbruch etwas Wahres sei, und eben so keinen Grund, zu glauben, daß der Kaiser von Oesterreich sich geweigert habe den Grafen Arese und den Signor Venosta zu empfangen. — Der Schatz⸗ kanzler sagte, daß er, da nach der allgemeinen Voraussetzung die Debatte über die Reformbill morgen Abend zu Ende gehen werde, die Absicht an⸗ zeigen könne, Donnerstag ächsten Woche sein Budget vorzulegen. Lowe aufnimmt, sagt, daß die Regierung die Antwort auf die Frage nach dem Prinzip ihrer Bill schuldig geblieben sei. Sollte das Stimmrecht um seiner selbst willen verliehen werden, oder als Mittel zur Erreichung ferner liegen⸗ der Zwecke? Welches sei das wirkliche Prinzip? An der irrationellen Me⸗ thode, welche die Regierung bei Einbringung ihrer Maßregel befolgt habe/ liege es, daß man sich von der Art, wie die Bill wirken werde, keine klare Vorstellung machen könne. Er wisse Genaues weder über die Anzahl, noch üͤber die Vertheilung der zu schaffenden neuen Wähler. Die Regierung
halte die erforderliche Information absichtlich zurück, weil sie, wie der
Schatzkanzler selbst in einer Rede in Liverpool angedeutet habe, dem
Hause nicht traue. Sie wolle das Haus zwingen, die Katze im Sa zu kaufen; sie habe keine Achtung vor seiner Ehre und Würde; umgekehrt, sie suche es in den Augen der Nation zu erniedrigen. Nachdem der Redner auf diese Beschwerde mehrmals mit Bitterkeit zurückgekommen ist/ bemüht er sich nachzuweisen, daß die vorgeschlagene Reform die Erwählung der Majorität des Hauses den arbeitenden Klassen in die Hand geben müßte. Die Arbeiter seien, wie der Schatzkanzler entdeckt habe, ohne Zweifel Christen und Geschöpfe von Fleisch und Blut. Dies Argument passe zum Theile auf das ganze schöne Geschlecht, und nach dem Fleisch⸗ und Blutprinzip könnte man auch ein Parlament aus Ochsen und Kälbern zusammensetzen. Allem Anscheine nach gehe die Regierung von der Doktrine der Mensch
1“ 8 8 rechte aus und von dem Prinzip, daß man das Stimmrecht Jedem gewäh⸗ ren müsse, der zu seiner Ausübung befähigt sei, ohne an die Folgen, ohne an irgend eine Rücksicht der Zwe jenlichkeit zu denken. Eine gefährlichere Doktrine koͤnne es nicht geben. Derselbe Mill, der jett die Vertretung der arbeitenden Klassen nicht groß genug finde, habe Anno 1852 und noch 1860 in seinen Schriften gezeigt, daß diese Klassen für das Stimmrecht nicht gebildet genug seien. Zur Charakteristik der arbeitenden Klassen weist er auf die Gewerkvereine hin, die sich weniger damit abgäben, die Meister oder Arbeitgeber als die besten, kalentvollsten und fleißigsten unter den Arbeitgebern zu bekämpfen. Diesen Klassen fehle nichts als der Ein⸗ fluß auf das Parlament, um das größte Unheil zu stiften und das Land auf die unaufhaltsame Rutschbahn der Demokratie zu reißen. Als die Hauptübel der Demokratie bezeichnet er, daß bankerotte Leute ins Parla⸗ ment kommen, Leute, die zur Politik greifen, weil sie jeden andern Berufs⸗ zweig sich abgeschnitten haben, daß im Parlament die Neigung, Kriege anzu⸗ fangen, und der Haß gegen den Freihandel vorherrscht. — Lord Royston betrachtet die Bill als ein bloßes Mittel der Regierung, sich am Ruder zu
halten. Wenn sie jetzt gestürzt würde, wäre es nur eine gerechte Vergeltung für den Verrath, den sie an der Reformsache im Jahre 1859 beging, als sie, um Lord Derby zu verdrängen, seine treffliche Bill mit systematischer Opposition bekämpfte. — Auf Lord Cranborne's Motion wird die De⸗
batte vertagt.
— 28. April. In der gestrigen Sitzung des Unterhauses erreichte die siebenmal vertagte Debatte über den Antrag auf zweite Lesung der Reformbill endlich ihren Schluß. Der Prinz v. Wales und der Her⸗ zog v. Cambridge finden sich während der letzten Rede, der des Schatz. kanzlers, auf der Gallerie des Sprechers ein und bleiben bis nach der Abstimmung. — Lord Carnarvon nennt es unerhöͤrt, daß der Schatze kanzler das Haus der Gemeinen, da wo es keinen Vertheidiger hatte, auf seiner Tour in Lancashire nämlich, schonungslos angegriffen habe. Man verleumde die conservative Partei systematisch, indem man ihr die gehässigsten Meinungen uͤber den Charakter der arbeitenden Klassen andichte. Die arbeitenden oder viel⸗ mehr die ärmeren Klassen hätten, gleich den höhern oder eigentlich reicheren Ständen, ihre Tugenden und Fehler. Aber diese von Bright angeregte Bill würde ohne Zweifel die politische Uebermacht einer Klasse in die Hand geben, die nach ihren eigenen öffentlichen Bekenntnissen noch nicht die Fähig⸗ keit besitze, einen rechten Gebrauch von ihr zu machen. Er halte es daher fur Pflicht und Schuldigkeit des Hauses, gegen das weitere Vorgehen mit der Maßregel entschieden zu protestiren. — Earl Grosvenor, der für die Bill spricht, ist der Ueberzeugung, daß es wenige liberale Mitglieder gebe, die nicht lieber die Wahlkoͤrperfrage zugleich mit der Censusfrage be⸗ handeln möchten, wenn es möglich wäre, und der Schatzkanzler selbst gehöre
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mit zu ihnen. (Der Schatzkanzler nickt beistimmend.) Disraeli, der sich
der die vertagte Debatte ü Lesung der Reformbill wieder
gegen zehn Uhr Abends unter anhaltendem Beifall der Opposition erhebt, beginnt mitz einer Kritik der für die Einbringung der Bill angeführten Gründe Parlamentserklärungen und ministerielle Verheißungen aus früheren Jahren — darin beständen die angeblich zwingenden Motive. Aber kein Parlamen sei durch die Schritte seiner Vorgänger gebunden außer in so weit dieselben Gesetzesform angenommen hätten, und auch Gesetze könnten revidirt und amendirt werden. Und ferner — — Wenn es ein Parlament gebe, das in dieser Frage freie Hand habe, so sei es das gegenwärtige. Was die mi⸗ nisteriellen Verheißungen betreffe, so habe Lord Russell, als Vertreter der Whigpartei, nicht nur seine Versprechungen erfüllt, sondern dies sogar mit⸗ großen Opfern gethan. Lord Russell und Lord Derby hätte beiden in glei⸗ chem Sinne gegen die Methode stückweisen Reformirens angekämpft, nur daß merkwürdiger Weise Lord Russell jetzt als Premier doch eine stückweise Reformmaßregel vorschlage. Die jetzige Lage sei auf folgende Weise ent⸗ standen: vor 16 oder 18 Monaten habe der Schatzkanzler, als das Haus an einem Sommernachmittage den langweiligen Censusgegenstand erörtete, plötzlich eine bemerkenswerthe Rede gehalten und das Stimmrecht auf die Theorie der Menschenrechte gegründet, daran die Erklärung knüpfend, daß die arbeitenden Klassen nur einen unendlich kleinen Antheil an der Vertretung besäßen. Diese Erklärung habe die Partei der fortgeschrittenen Reformers aufgegriffen und zu ihren eigenen Zwecken benutzt, und nun habe man das Ergebniß vor Augen: eine bruchstückweise Ma regel, die er ohne den ver⸗ sprochenen Zusatz nicht begreifen oder ergründen, deren Folgen er nicht be⸗ rechnen oder errathen koͤnne. Sie würde zu solcher Verwirrung führen, daß die Minister nicht einmal nöthigenfalls das Parlament auflösen könnten, ohne vorher eine Extrasession im Herbst zu halten, um ihre eigene Bill umzuarbeiten. Allein, ohne Wahlkörpergesetz angenommen, würde sie die Anomalien in der Vertretung der Grafschaften nicht nur fortbestehen lassen, sondern vergrößern. Wenn die Regierung mit ihrer Politik durchdringen sollte, so würdezwar England das wolle er nicht bestreiten, immerhin noch ein gro⸗ ßes Parlamentbesitzen, unter dessen Mitgliedern die größten Grundbesitzer, Fabri⸗ kanten und einige Kaufleute sein würden, aber bald wäre seine Macht über die Exekutive dahin. In dem Maße, als dieser Einfluß zu schwin⸗ den begänne, würden die großen Grundbesitzer und Fabrikanten aufhören Parlamentsmitglieder zu sein. Dann würde man dem Hause der Gemeinen sagen, daß es nicht mehr sei, was es einst gewesen. Man würde das Stimmrecht wieder weiter ausdehnen, und das Parlament würde sich mit obskuren und selbstsüchtigen Mittelmäßigkeiten füllen die zu nichts gut wären als Unheil zu stiften, je nach dem Gebot des Tagesdemagogen. Obgleich er es für wünschenswerth halte, den gebildetsten Theil der arbeitenden Klassen in die Vertretung aufzunehmen, so könne dieser Zweck nicht durch einen Census von 7 L. erreicht werden. Es handle sich um die englische Ver⸗ fassung, nichts Geringeres stehe auf dem Spiele. Nach dem Geist der englischen Verfassung müsse das Haus ein Haus der Gemeinen bleiben, nicht ein Haus des Volkes oder des bunten großen Haufens werden. Freilich fordere die Bill nicht dazu auf, im Geiste der englischen, sondern der amerikanischen Verfassung zu handeln. Die so schmählich verleumdete Torypartei habe für Besserung der Lage von Gruben⸗ und Fabrikarbeitern gewirkt, wo ein Bright ihr energisch entgegentrat. Er habe eine Zeit lang gedacht, daß Bright stolz darauf sei⸗ dem Hause der Gemeinen anzugehören, so wie das Haus in mancher Be⸗ ziehung stolz auf ihn war, und deshalb berühre es ihn peinlich, den Hohn
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