gungsfonds darf niemals verringert werden; doch bleibt dem Staate das Recht vorbehalten, Anleihen, welche demnächst im Laufe der Jahre 1868, 1869 und 1870 bewilligt werden möch⸗ ten, mit der durch das gegenwärtige Gesetz bewilligten Anleihe Behufs der Verzinsung und Tilgung zu einer und derselben Anleihe zu vereinigen, sofern für die neuen Anleihen derselbe Zinsfuß gewählt und die Höhe des Tilgungsfonds nach den⸗ selben Bestimmungen festgesetzt wird. Auch ist der Staat be⸗ fogt, sowohl den Tilgungsfonds zu verstärken, als guch die ammtlichen Schuldverschreibungen auf einmal zu kündigen. §. 7. Jede Verfügung der Staatsregierung über die im §. 1. Nr. 1 bis 11 bezeichneten Eisenbahnen resp. Eisenbahntheile durch Veräußerung bedarf zu ihrer Rechtsgültigkeit der Zustim⸗ mung beider Häuser des Landtages. §. 8. Die Ausführung dieses Gesetzes wird dem Finanz⸗ minister und dem Minister für Handel, Gewerbe und öffent⸗ liche Arbeiten übertragen. — “ Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Insiegel. EE1“ Gegeben Berlin, den 17. Februar 1868.
(L. S.) Wilhelm. Gr. v. Bismarck⸗Schönhausen. Frh. v. d. Heydt.
Gr. v. Itzenplitz. v. Mühler. v. Selchow. Gr. zu Eulenburg. Leonhardt.
EII1I1I WEIII111 8 8 Preußische Bank.
6 Wochen⸗Uebersicht
reußischen Bank vom 15. Februar 1868
Activa. 1) Geprägtes Geld und 86,340,000
Barren Thlr. Kassen⸗ “ „ Privatbanknoten 0 und Darlehnskassenschinne. *2 2,250,000 Wechsel⸗Bestände. . „ 68,099,000 Lombard⸗Bestände.. . „ 17,016,000 Staatspapiere, verschiedene Forderungen und Activa » 19,681,000
. Thlr. 133,125,000 7) Depositen⸗Kapitalieeen » 20,345,000 8) Guthaben der Staats⸗Kassen, Institute ind Privatpersonen, mit Einschluß des “ Giro⸗Verkehrs . l. Berlin, den 15. Februar 1868. Königlich Preußisches Haupt⸗Bank⸗Direktorium. von Dechend. Kühnemann. Boese. Rotth Gallenkamp. Herrmann.
b Banknoten im Umlaul.
Nichtamtliches.
Preußen. Berlin, 19. Februar. Se. Majestät der König nahmen heute die Vorträge der Hofmarschälle Graf Keller, Graf Pueckler und Graf Perponcher, des Geheimen Kabinets⸗ Raths von Muehler und des Geheimen Raths Bork entgegen, und ertheilten dem Grafen zu Stolberg⸗Stolberg Audienz. hre Maäjestät die Königin erschien gestern mit Sr. Majestät dem Könige auf dem Feste in der Kaiserlich französischen Botschaft.
— Se. Königliche Hoheit der Kronprinz nahm gestern militairische Meldungen entgegen, empfing den Ober⸗Ceremonien⸗ meister, Grafen von Stillfried; dinirte bei Ihren Königlichen Majestäten und erschien Abends in der Soirée des Kaiserlich französischen Botschafters. v6*“*
— Im weiteren Verlaufe der gestrigen Sitzung des. Ab⸗ geordnetenhauses wurde bezüglich der bereits in der gestri⸗ gen Nr. d. Bl. erwähnten Petitionen des Hans Hansen und Genossen der Antrag der Kommission angenommen. Dieser Antrag lautet: Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: in Erwägung, daß aus den vorbezeichneten Petitionen nicht erhellt, daß die Petenten sich mit ihren Ansprüchen bereits an die Königliche Staatsregierung gewandt haben, deren Entschei⸗ dung sie zunächst einholen müssen, bevor das Haus der Abge⸗ ordneten sich mit der Prüfung ihrer Forderungen befassen kann, über dieselben zur Tagesordnung überzugehen. Es folgte als 4. Gegenstand der Tagesordnung der erste Bericht der Kom⸗ mission für Petitionen. Abg. Struckmann berichtete Namens der Kommission über einige Petitionen von Offizieren der ehemaligen schleswig⸗holsteinschen Armee. Die Kommission beantragt: Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, der Königlichen Staatsregierung die Petitionen der ehemaligen Schleswig⸗Holsteinischen Offiziere zur Berücksichtigung zu überweisen. Vom Abgeordneten Dr. Francke wurde der Antrag gestellt: das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, die Köoöͤnigliche Staatsregierung aufzufordern, an die pensions⸗
—
berechtigten Offiziere der ehemaligen Schleswig⸗Holsteini⸗ schen Armee oder an deren Hinterbliebenen wenigstens für die Zeit vom 1. Januar 1864 bis zum 30. Juni 1867 ihre Pensionen nachzuzahlen. Der Antragsteller und der Abg. Dr. Löwe befürworteten letzteren Antrag, und auch der Bericht⸗ erstatter erklärte sich mit demselben einverstanden. Bei der Ab⸗ stimmung wurde zunächst der Kommissions⸗Antrag und hierauf auch der Antrag des Abg. Dr. Francke angenommen. Bei der Petition des Rentier Franz Schneider und Genossen in Kolberg, welche das Haus der Abgeordneten bitten, 1) ihnen die Erlaubniß zu erwirken, auf ihren im Festungs⸗Rayon erbauten zweistöckigen Häusern aufrechtstehende Dachfenster errichten zu dürfen, 2) dafür Sorge zu tragen, daß die Bestimmungen des Rayon⸗ gesetzes bald einer zeitgemäßen Revision unterzogen werden möchten, beschloß das Haus nach dem Kommissions⸗Antrag zur Tagesordnung überzugehen. Zur Petition des Kolonen Engel⸗ ker zu Hitzhausen, welcher darum bittet, dem Pastor Frank zu Arenshorst aufzugeben, sein (des Engelker) am 13. Juni 1865 geborenes Kind Sonntags in der Kirche vor versammelter Ge⸗ meinde nach der gesetzlichen Taufformel des Kirchengesetzes vom 5. Januar 1864 zu taufen, beantragte die Kommission: Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, in Erwägung, daß der Landtag keinen Beruf hat, in rein innere Angelegenheiten der evangelisch lutherischen Kirche der Provinz Hannover sich einzumischen, über die Petition des Hofbesitzers Engelker zu Hitzhausen zur Tages⸗Ordnung überzugehen.
Der Abg. Dr. Gneist stellte den Antrag, die Petition der Königlichen Staatsregierung zur Berücksichtigung zu überweisen und befürwortete denselben. Bei der Abstimmung erhielt der Kommissionsantrag die Majorität und ist somit der Antrag des Abg. Ur. Gneist gefallen. — Die weitere Berathung der Tagesordnung wurde nunmehr ausgesetzt und um 4 Uhr die Sitzung geschlossen.
— In der heutigen (52.) Plenar⸗Sitzung des Abgeord⸗ netenhauses, welche vom Präsidenten von Forckenbeck nach 10 ½ Uhr mit kurzen geschäftlichen Mittheilungen eröffnet wurde, war das Königl. btaatsministerium vertreten durch den Finanzminister Freiherrn von der Heydt den Minister der landwirthschaftlichen Angelegenheiten von Selchow und mehrere Regierungs⸗Kommissare.
Den ersten Gegenstand der Tages⸗Ordnung bildete folgende
Interpellation des Abg. Lasker: „Nach hier eingegangenen und durch einige Zeitungen veröffent⸗ lichten Privatberichten soll zu Jerusalem der dort der Gerichtsbarkeit des preußischen Konsulats unterworfene Arjeh Markus in seinem eigenen Hause von dem Konsul der vereinigten Staaten Nord⸗Amerikas gewaltsam ergriffen, körperlich mißhandelt und ins Gefängniß ge⸗ worfen worden sein. Als Grund des gewaltsamen Verfahrens und der Mißhandlungen wird angegeben, daß der amerikanische Konsul ein vierzehnjähriges Mädchen jüdischer Religion, die hinterlassene Waise eines geborenen preußischen Bürgers Namens Steinberg, welche unter der Vormundschaft des Arjeh Markus steht, wider den Willen des Vormundes und des Mädchens selbst, einer zum Christenthume übergetretenen Schwester der Letzteren zuführen wollte, durch Veran⸗· bassung. ns Arjeh Markus aber des Mädchens nicht habhaft wer⸗ en konnte.
Dem preußischen Konsulate wird vorgeworfen, daß es, obschon angerufen, demm Arjeh Markus keinen Beistand geleistet, sondern dast gnge ansschese Konsul in seinem gewaltsamen Verfahren unter⸗
abe.
Ich erlaube mir, an die Koͤnigliche Staats⸗Regierung die Anfrage zu rschten: I. Ob dieselbe von dem Vorfalle Kenntniß erhalten hat? II. Ob sie nach der ihr bekannt gewordenen Sachlage das Verfahren des preußischen Konsulats für gerechtfertigt hält? III. Entgegengesetzten Falles: Ob und welche Mittel die Königliche Staats⸗Regierung er⸗ griffen hat oder zu ergreifen gedenkt, um den bedrohten Pzetsogen wirk⸗ samen Schutz zu verleihen und die Beamten des preußischen Konsulats zur Rechenschaft zu zichen.
Der Interpellant führte seine Anfrage näher aus.
Der Finanzminister Freiherr von der Heydt erklärte hierauf:
Zunächst bemerkes ich, daß in Jerusalem ein preußisches Konsulat nicht mehr besteht, daß vielmehr das früher preußische Konsulat zu Jerusalenr jetzt Bundeskonsulat ist. Daraus er⸗ klärt es sich, daß der Staatsregierung keine Berichte zugegangen sind; sie wird aber Veranlassung nehmen, das Material an das Bundeskanzler⸗Amt zur weiteren Veranlassung abzugeben
Hierauf ging das Haus zum zweiten Gegenstand der Ta⸗ gesordnung über: Mündlicher Bericht der Kommission für Finanzen und Zölle über den Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Verwaltung der durch die Verordnung vom 15. September 1867 (Gesetz⸗Sammlung Seite 1646) geschlossenen Beamten⸗ öxgege ag und Waisen⸗Kassen und die Verwendung ibres Ver⸗ mögens.
Der Berichterstatter Abg. Schubarth befürwortete den Antrag der Kommission:
‚Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: dem vorstehend bezeichneten Gesetz⸗Entwurf mit der redactionellen Aenderung, daß der lette Satz des §. 2: »In allen auf die Höhe der Beiträge u. s. w.“
Betreff des Baues der Rechtsrheinischen burch nische Eisenbahn⸗Gesellschaft, berathen. Der Kommissions⸗Antrag:
89
der Regierungs⸗Kommissar, 1 er der Reck, die Königliche Staatsregierung und die Rheinische
als besonderes Alinea gefaßt werde, im Uebrigen aber unverändert
12
.
81
. i
überweisen, durch alle ihr nistrativmittel dafür Sorge Eisenbahn
geordneten von Guörard,
die verfassungsmäßige Zustimmung zu ertheilen.
Das Haus trat nach kurzer Diskussion diesem Antrage bei.
Es folgte der mündliche Bericht der Kommission für Finanzen und Zölle über den Gesetz⸗Entwurf, betreffend die Beschraänkung der in den neuen Landestheilen in Verwaltungs⸗ Angelegenheiten zur Erhebung kommenden Gebühren und Spor⸗ jeln. Der Berichterstatter, Abgeordneter Agricola, beantragte Namens der Kommission, dem vorbezeichneten Gesetz⸗Entwurfe unverändert die verfassungsmäßige Zustimmung zu ertheilen. Das Haus nahm diesen Antrag an.
Hiernächst trat das Haus in die Schlußberathung über den Gesetz⸗Entwurf ein, betreffend das Recht der im preußischen Unterthanen⸗Verhältniß stehenden Civilbeamten des Nord⸗ deutschen Bundes 188 Eintritt in die Allgemeine Wittwen⸗ Verpflegungs⸗Anstalt.
Der Referent, Abg. v. Benda, beantragte, dem vorbezeich⸗ neten Gesetzentwurfe die verfassungsmäßige Zustimmung zu ertheilen.
. Das Haus nahm das Gesetz ohne Debatte an. b
Hierauf folgte der Bericht der vereinigten Kommissionen für Finanzen und Zölle und für Handel und Gewerbe über verschiedene, Eisenbahnbauten betreffende Petitionen, und zwar zunächst zwei Petitionen der Stadtverordneten der Stadt Men⸗ den zum Zwecke der Herstellung eines Eisenbahn⸗Anschlusses von Menden an die Ruhrthalbahn.
Die Kommission hatte folgenden Antrag gestellt:
»Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen, die Petitionen der Stadtverordneten der Stadt Menden (II. 191 und II. 428) der König⸗ lichen Staats⸗Regierung mit der Aufforderung zur Berücksichtigung zu überweisen, daß ein angemessener Theil der der Staats⸗Kasse ver⸗ fallenen Köln⸗Soester Caution ad 500,000 Thlr. auf Grund des Cautions⸗Vertrages vom 15. März 1864 zur Subvention Behufs Herstellung eines Eisenbahn⸗Anschlusses an die Stadt Menden ver⸗ wendet werde.«
Der Abgeordnete v. Vincke (Minden) nahm folgenden, von der Kommission abgelehnten Antrag wieder auf:
»Die Staats⸗Regierung aufzufordern, die Verwendung der ver⸗ fallenen Caution des Deutz⸗Soester Eisenbahn⸗Unternehmens im Be⸗ trage von 500,000 Thlrn. nebst Zinsen gesetzlich regeln, und in diesem Sinne über einen aus dem genannten Fonds zu entnehmenden Bei⸗ trag zu den Grundentschädigungskosten für eine Eisenbahn von Frön⸗ denberg nach Menden dem Landtage eine Vorlage machen zu wollen.⸗
Bei der Abstimmung wurde der v. Vincke'sche Antrag an⸗ genommen. Demnächst wurde eine Petition von Bewohnern der Stadt Neuwied und der Bürgermeisterei Heddesdorf, in Bahn durch die Rhei⸗
8 Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: die Petition der
Königlichen Staatsregierung mit der dringenden Aufforderung zu zu Gebote stehenden gesetzlichen und Admi⸗ zu tragen, daß die bereits konzessionirte auf dem rechten Rheinufer von Ehrenbreitstein nach Sieg⸗ burg schleunig in Angriff genommen und vollendet würde. 3
wurde nach einer längeren Diskussion, an welcher sich die Ab⸗ Dr. Becker, Freiherr Raitz von Frentz, Frech, Boehmer und Dr. Hammacher betheiligten, und nachdem Ministerial⸗Direktor Freiherr von
Eisenbahn⸗Gesellschaft gegen die Angriffe mehrerer Vorredner in Schutz genommen hatte, angenommen.
uund Verden, Provinz Hannover, Gewährung einer staatlichen Zinsgarantie zu erbauende Eisen⸗ bahnen, nämlich zur Verbindung der Orte Harburg, Buvxte⸗
†
lude, Stade, Bremervörde,
7
Die letzten Petitionen, über welche die Kommissionen be⸗ richteten, betrafen verschiedene in den Herzogthümern Bremen auf Staatskosten oder durch
Beverstadt, Stubben, Geestemünde,
Brremerhafen einerseits und Harburg, Stade, Otterndorf, Cux⸗
89
8 einer Moselbahn, und befürwortete den Antrag der Kommissionen: das Haus der Abgeordneten wolle b “ ö 12
8
der Kommission ging PFrennerei⸗Besitzer Gustav- Bonn und Genossen:
Cüstriner Eisenbahn und von der
heafen mit Abzweigung nach Ritzebüttel andererseits, so wie von Hannover über Hameln nach Altenbeken.
Die Kommissionen beantragten den Uebergang zur Tagesordnung, welcher auch
vom Hause ohne Debatte beschlossen wird. Der Bericht der Kommission für Handel und Gewerbe
über Petitionen kam hiernächst zur Berathung. Auf Antrag
das Haus über die Petitionen der Kalk⸗
Die Königliche Staats⸗Regierung zu veranlassen, von dem beab⸗ sichtigten Bau einer Zweigbahn von Rüdersdorf nach der Berlin⸗ projektirten Errichtung einer Anzahl
von Kalköfen Behufs Betriebes des Kaltbrennerei⸗Geschäftes für fis⸗
und für
8
kalische Rechnung Abstand zu nehmen,
gleichfalls zur Tages⸗Ordnung über. Der Abgeordnete Dr. Becker erstattete den mündlichen Be⸗ richt der vexeinigten Kommissionen für Handel und Gewerbe Finanzen und Zölle über die Petition des Kommer⸗ zienraths Friedrich Bohn in Koblenz, betreffend Herstellung
ließen, über die Petition
1““ 8
des Kommerztenraths Fried. Bohn zur Tag zugehen. Das Haus trat diesem Antrage bei. Der mündliche Bericht der Kommission für die Agrar⸗ Verhältnisse über die Petition der Eingesessenen Marx Beckmann und Genossen zu Mehlbeck in Holstein, betreffend die Ablösung ihrer, der Gutsherrschaft zu leistenden Hand⸗ und Spanndienste, wurde von dem Referenten Abgeordneten Bening erstattet. Derfelbe begründete den Antrag der Kommission: „Das Haus der Abgeordneten wolle beschließen: die vorbezeichnete Petition der Königlichen Staats⸗Regierung zu überweisen, mit dem Antrage, dem Landtage den Entwurg zu einem He üher die Ablösung der Reallasten in Schleswig⸗Holstei gen. 8 Der Minister für landwirthschaftliche Angelegenheiten von Selchow erklärte sich mit diesem Antrage einverstanden und stellte die Vorlage eines solchen Gesetzes in Aussicht. Das Haus nahm rücksichtlich dieser Petition und mehrerer ähnlichen In halts den vorstehenden Antrag ohne Debatte an. Beim Schlusse unseres Blattes wurde der weite Bericht der Kommission für Handel und Gewerbe über Petitionen zur Debatte gestellt.
„— Ueber die Zustände im Regierungs⸗Bezirk Gumbinnen bringt die »Prov.⸗Corresp.« folgende Mittheilungen: Die Lage ist in der letzten Woche wenig verändert, nur die Klagen der kleinen Besitzer und Handwerker über Mangel an Lebensmitteln sind stärker geworden.
Das Wetter ist unbeständig. Regen und Schnee, verbunden mit starken Stürmen, haben gewechselt; in den letzten Tagen ist Frost ein⸗ getreten, der in den Nächten bis zu 10 Gr. sich gesteigert und das Ein⸗ gehen mehrerer öffentlichen Arbeitsstellen zur Folge gehabt hat; auch haben sich an Chausseebaustellen die erforderlichen Arbeiter trotz ge⸗ höriger Bekanntmachung und ausreichenden Verdienstes nicht gemeldet, wie z. B. auf der Staats⸗Chaussee Wischwill⸗Schmaleningken. Auf den Staats⸗Chausseen im Kreise Goldap ist eine große Zahl von Arbeitern, nachdem sie ihre Werkzeuge erhalten, davongegangen und bis jetzt zur Arbeit nicht zurückgekehrt. Ueberhaupt ist die Arbeits⸗ unlust in der Zunahme begriffen.
Die Typhus⸗Epidemie ist in entschiedener Abnahme begriffen und haben sich die gegen dieselbe ergriffenen Maßnahmen durchaus bewährt. Die Thätigkeit der Sanitäts⸗Kommissionen ist in vollem Gange. Die Sterblichkeit ist gering und darf der Gesundheitszustand im Regie-⸗ rungsbezirk als durchaus befriedigend bezeichnet werden.
Ueber den Schulbesuch laufen fast nur erfreuliche Nachrichten ein und ist das Gedeihen der Schuljugend in Folge der ihnen in den Schulen zu Theil werdenden Pflege sichtlich vorgeschritten.
Im Einzelnen wird Folgendes hervorgehoben:
Im Kreise Stallupönen herrscht der Typhus, namentlich in den Kirchspielen Pillupönen und Mehlkehmen, und ist in dem ersteren Orte die Kirchschule wegen der vielen typhuskranken Kinder geschlossen. Die Krankheit nimmt jedoch auch hier sichtlich ab, und sind durch die sorgfältige Krankenpflege unter Leitung von Johanniter⸗Rittern und Diakonissinnen bis jetzt verhältnißmäßig nur wenig Sterbefälle eingetreten.
„Die Privat⸗Hülfsvereine haben eine große Zahl von Kleidungs⸗ stücken an Kinder und Erwachsene vertheilen lassen.
„Aus dem Kreise Pillkallen lauten die Berichte der Pfarrer über die Organisation der Armenpflege in ihren Kirchspielen fast durchweg erfreulich, wenngleich sie fast sämmtlich noch eine Steigerung des Nothstandes befürchten.
Die Zufuhren an Getreide vom Bahnhofe Stallupönen und aus Polen dauern fort und steht ein Mangel an Nahrungsmitteln im Kreise nicht zu befürchten.
Von dem vom Kreise aufgenommenen Staats⸗Darlehn von 15,000 Thlrn. sind an 114 Kommunen Unterstützungen im etrage von 10,925 Thlrn. abgegeben worden. 1
Im Kreise Gumbinnen haben 102 Dorfschaften von dem Kreis⸗ Darlehn 6280 Thlr. erhalten. Es sind vom Kreis⸗Frauen⸗Verein in Gemeinschaft mit den Organen des Bürger⸗ und Bauernfreundes 92 Suppenanstalten eingerichtet und sind hier auch die Spinnereien besonders gut organisirt; es werden seßt über 4000 Spinner und Spinnerinnen beschäftigt, für welche bereits ca. 9000 Thlr. veraus⸗ gabt worden sind.
Die Stadt Gumbinnen hat 3000 Thlr. zu Straßenpflasterungen ausgesetzt, welche Summe aus Staatsfonds als zinsfreies Darlehn unter Garantie des Kreises bewilligt worden ist. Die Zufuhr an Steinen und Kies für dieselben hat wegen der ungünstigen Witterung eine Unterbrechung erlitten. Zu Reparaturen und anderen Bauten, Wegebesserungen u. s. w. sind etatsmäßig 2100 Thlr. und für die Armenpflege 2147 Thlr. bewilligt. Die städtische Spinn⸗ anstalt beschäftigt 434 Arbeiter und Arbeiterinnen. Die städtischen Suppenanstalten werden durch bestimmte monatliche Beiträge des Armen⸗Unterstützungs⸗Vereins, des Kreis⸗Frauen⸗Vereins und aus den zu Gunsten dieser Anstalten arrangirten theatralischen Vorstellungen u. s. w. erhalten. 1
Der zur Beschaffung billiger Lebensmittel gegründete Verein hat ca. 4000 Scheffel Kartoffeln aus den westlichen Provinzen und 100 Ctr. Roggenschrotmehl aus den Mühlenwerken zu Bromberg angekauft und läßt dieselben zum Kostenpreise ab.
Im Kreise Ragnit wird vielfach über die Zunahme der Arbeits⸗ unlust bei den arbeitsfähigen Männern geklagt. 1
Der am schwersten betroffene Theil des Kreises Niederung ist das Kirchspiel Lappienen. Der größte Theil desselben steht durch das eingetretene, mit starken Stürmen verbundene Regenwetter yunter Wasser, und der Verkehr unter den einzelnen Dorfschaften ist fast ganz
unterbrochen. Seitens des Kreises und der Privat⸗Vereine ist für die
ö“ v“ ““ “ vG“