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Die Rechtsanwalte und Notare Becherer in Namslau und Loewy in Ostrowo sind unter Beilegung des Notariats im Departement des Kammergerichts als Rechtsanwalte an das hiesige Stadtgericht, mit Anweisung ihres Wohnsitzes hier⸗ selbst, versetzt worden.
Der Notar Portmans in Castellaun ist in den Friedens⸗ gerichts⸗Bezirk Ratingen, im Landgerichts⸗Bezirke Düsseldorf, mit Anweisung seines Wohnsitzes in Natingen, versetzt worden.
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9 Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten. Dem dirigirenden Arzt an der Charité, Professor Dr. Jo⸗ seph Meyer, ist die Direction der medizinischen Poliklinik der hiesigen Universität übertragen worden. eA“
Abgereist. Se. Excellenz der Staats⸗Minister und Minister des Königlichen Hauses, Freiherr von Schleinitz, nach München.
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Summarische Uebersicht über die Zahl der Studirenden auf der Königlichen vereinigten Friedrichs⸗Universität Halle⸗Wittenberg im Sommer⸗Semester 1868.
Im Winter⸗Semester 1867/68 sind immatrikulirt gewesen 847. Nach Aufstellung dieser Nachweisung wurden noch immatrikulirt 30, zus. 877. Davon sind abgegangen 254. Es sind demnach geblieben 623. Dazu sind in diesem Semester gekommen 211. Die Gesammtzahl der im⸗ matrikulirten Studirenden beträgt daher 834. Die evangelisch⸗theo⸗ logische Fakultät zählt 286 Inländer, 30 Ausländer, zus. 316. Die juristische Fakultät zählt 53 IJnländer, 3 Ausländer, zus. 56. Die medizinische Fakultät zählt 105 Inländer, 3 Ausländer, us. 108. Die philosophische Fakultät zählt: a) Inländer mit em Zeugniß der Reife 182, b) Inländer mit dem Zeugniß der Nichtreife nach §. 35 des Prüfungs⸗Reglements vom 4. Juni 1834 1, c) Inländer ohne Zeugniß der Reife nach §. 36 desselben Reglements 103, 6) Ausländer 68, zus. 834. Außer diesen immatrikulirten Studirenden besuchen die hiesige Universität als nur zum Hören der Vorlesungen berechtigt: 1) nicht immatrikulirte Pharmaceuten 25, 2) Hospitanten —. Die Gesammtzahl der nicht immatrikulirten Zu⸗ hoͤrer ist demnach 25. Es nehmen mithin an den Vorlesungen über⸗ haupt Theil 855909.
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MNichtamtliches.
Preußen. Berlin, 18. Juni. Se. Königliche Hoheit
der Kronprinz ist von der Inspizirungs⸗Reise nach Stettin, Pyritz und Stargard gestern, Mittwoch Nachmittag 4 Uhr, im Neuen Palais zu Potsdam wieder eingetroffen.
— Se. Excellenz der Minister⸗Präsident Graf von Bis⸗ marck⸗Schönhaufen ist, nach eingegangener telegraphischer Nach⸗ richt, gestern Abend um 8 Uhr auf Schloß Varzin angekommen.
— Heute Mittag trat der Ausschuß des Bundesrathes des Deutschen Zollvereins für Rechnungswesen zu einer Sitzung zusammen.
— Der Ausschuß des Bundesrathes des Deutschen Zoll⸗ vereins für Zoll⸗ und Steuerwesen hielt heute Mittag eine
— Heute Mittag fand eine Sitzung des Königlichen Staatsministeriums statt.
— Im weiteren Verlaufe der gestrigen Sitzung des Reichstages des Norddeutschen Bundes wurde die Be⸗ rathung über den Bericht der Kommission für Handel und Gewerbe über den Lasker⸗Miquél'schen Gesetz⸗Entwurf, betreffend den Betrieb der stehenden Gewerbe, fortgesetzt.
Abg. Lasker gab in seinem und im Namen des Abg. Mi⸗ quél hierauf die Erklärung ab, daß er den §. 2 zurückziehe.
Die Generaldebatte wurde geschlossen, nachdem der Antrag des Grafen von Kleist (das von den Bundesregierungen ur⸗ sprünglich vorgelegte Gewerbegesetz) bei der Abstummung abge⸗ lehnt worden.
Zu §. 1 lag der Antrag der Abgg. M. und vor: den Worten im §. 1 ⸗das den Zuͤünften« hinzuzufügen die Worte: und den kaufmännischen Corporationen.
8 HüneFesknt Abg. Dr. Stephani empfahl denselben zur An⸗ ahme.
An der Debatte betheiligten sich die Abgg. Wiggers (Berlin Graf Bassewitz, v. Hennig und Dr. E““ 1
Die Debatte wurde geschlossen und §. 1 mit dem Amende⸗ ment Wiggers angenommen. §. 2 wurde, nachdem der Refe⸗ rent Stephani erklärt hatte, daß in der Kommission über diesen
J. Wiggers
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Paragraphen nichts beschlossen sei, und der Herr Bundeskom⸗ missar über denselben eine Erklärung abgegeben hatte, abgelehnt Zu §. 3 lagen Anträge vor: “ Il von dem Abg. Grafen Solms (Laubachhazk;
in §. 3 des Kommissions⸗Entwurfs nach dem Worte »Aerztes noch das Wort: »Veterinär⸗Aerzte« aufzunehmen. G
2) von den Abgg. Hr. Friedenthal und Stumm:
dem §. 3 folgenden Zusatz hinzuzufügen: »Soweit die Landes. gesetze den selbstständigen Betrieb des Maurer⸗ und Zimmer⸗Hand. werks von dem Nachweise der Qualificatton abhängig machen, behäͤlt es bis auf Weiteres dabei sein Bewenden. « 1
3) von dem Abg. Stumm: 8 im §. 3 hinter »Notare« einzuschalten: »Markscheiderr. —4) von dem Abg. Dr. Braun (Wiesbaden): dem §. 3 am Schlusse folgenden neuen Absatz hinzuzufügen:
»So weit in Betreff der Schiffer und Lootsen auf Strömen in Folge von Staatsverträgen besendere Anordnungen getroffen sind, be⸗ hält es dabei sein Bewenden.«
Abg. Graf Solms begründete seinen Antrag.
Die Abgg. Wagener, v. Unruhe (Magdeburg), Stumm, Heubner und der Staatsrath v. Müller nahmen an der Dis⸗ kussion Theil.
Hierauf wurde der Antrag auf Schluß der Debatte ange⸗ nommen. Zuletzt erhielt der Abg. Lasker als Ankragsteller das Wort. Nach einer Bemerkung des Referenten wurde, nachdem
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hatte, der des Abg. Dr. Braun (Wiesbaden), so wie der §. 3 selbst angenommen, der Antrag der Abgg. Stumm und Dr. Frie⸗ denthal wurde abgelehnt. f 1.gec I. angenommen. Zu §. 5 lag folgender Antrag der Abgg. Schulze (Berlin
und Dr. Waldeck vor: 88 i b
Dem §. 5 des Entwurfs folgende Fassung zu geben: »Alle Ver⸗ bote und Strafbestimmungen gegen Arbeitgeber oder Arbeiter sämmt⸗ licher Gewerbszweige, — mit Ausnahme der Seeschifffahrt und des Gesindedienstes, einschließlich jedoch der Landwirthschaft, des Berg⸗ und Hüttenbetriebs, der Stromsch fffahrt, des Tagelohndienstes, — wegen Verabredungen und Vereinigungen zum Behufe der Erlangung günstiger Lohn⸗ und Arbeitsbedingungen, insbesondere mittelst Ein⸗ stellung der Arbeit oder Entlassung der Arbeiter, werden aufgehoben. Jedem Theilnehmer steht der Rücktritt von solchen Vereinigungen und Verabredungen frei und es findet aus letzteren weder Klage noch Einrede statt. Jeder Gewerbetreibende und Arbeitgeber darf hinfort Gesellen, Gehülfen, Lehrlinge und Arbeiter jeder Art und in beliebiger Zahl halten. Gesellen sind in der Wahl ihrer Meister und Arbeitgeber unbeschränkt. Hierdurch werden jedoch die wegen Beschränkung und Ueberwachung der Beschäftigung von Kindern in den Fabriken ergangenen Gesetze nicht berührt. Ebenso verbleiben die Landesgesetze in Betreff der Berechtigung der Apotheker, Gehülfen und Lehrlinge anzunehmen, in Kraft. Die Strafbestim⸗ mungen gegen die in §. 1 bezeichneten Personen wegen Verletzung der Dienst⸗ und Arbeitsverträge werden aufgehoben. Unberührt hiervon bleiben diejenigen Landesgesetze, welche den Gerichten oder anderen Behoöͤrden die Befugniß ertheilen, über die aus dem Dienst⸗ oder Ar⸗ beitsvertrag entstandenen Streitigkeiten vorläufig zu entschriden und ihre Entscheidungen zu vollstrecken.« b
Hierauf wurde der Antrag auf Schluß der Debatte ange⸗ nommen, desgleichen §. 5, nach einer Bemerkung des Referenten und nachdem der Antrag der Abgg. Schulze und Dr. Waldeck abgelehnt war.
Zwischen §. 5 und 6 beantragte der Abg. Dr. Braun (Wiesbaden) folgenden Paragraphen einzuschalten:
»Der Betrieb eines Gewerbes, zu dessen Beginn nach Maßgabe der bestehenden Landesgesetze eine polizeiliche Genehmigung nicht erfor⸗ derlich ist, kann fortan nur im Wege der Bundesgesetzgebung von einer solchen Genehmigung abhängig gemacht werden.⸗
Derselbe wurde ohne Debatte angenommen. e“
Zu §. 6 lagen folgende Anträge des Abg. Dr. Braun (Wiesbaden) vor:
.1) »Den §. 6 wie folgt zu fassen: Das gegenwärtige Gesetz findet keine Anwendung auf die Bestimmungen der Landesgesetze: 1. u. s. w. bis Nr. 5 wie in den Anträgen der Kommission, Nr. 6 über den e- öffentlicher Fähren, Nr. 7 wie in den Anträgen der Kom⸗ mission.«
2) »Anstatt der Worte der Vorlage in Nr. 4 zu setzen: über den Verlust der Befugniß zum Halten von veea 88 Folge straf⸗
Zrichterlichen Erkenntnisses.«
Der §. 6 wird hierauf ohne Debatte nach den Anträgen des Abg. Dr. Braun angenommen. 1 Nunmehr folgte die Spezial⸗Debatte über die Anträge des Abg. Graf v. Kleist und Genossen: Für den Fall der Ablehnung der von ihnen als Amendement eingebrachten Regierungs Vorlage dem Gesetze folgenden Paragraphen hinzuzufügen: §. 7. Mit Geldbuße bis zu zehn Thalern oder Gefäng⸗ niß bis zu 8 Tagen werden bestraft: Gesellen, Gehülfen und Fabrik⸗ arbeiter, welche ohne gesetzliche Gründe eigenmächtig die Arbeit ver⸗ lassen, oder ihren Verrichtungen sich entziehen, oder dch groben Unge⸗
horsams, oder beharrlicher Widerspenstigkeit schuldig machen. § 8. Verabredungen unter Gewerbetreibenden, welche darauf
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erichtet sind, ihre Gehülfen, Gesellen oder Arbeiter zu gewissen Hand⸗ ungen oder Zugeständnissen dadurch zu bestimmen, daß sie die Arbeit
der Abg. Graf zu Solms⸗Laubach seinen Antrag zurückgezogen
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einstellen, oder die ihren Anforderungen nicht nachgebenden Gehülfen, Gesellen oder Arbeiter entlassen oder zurückweisen, sind nichtig.
§. 9. Wer Andere durch Anwendung körperlichen Zwanges, durch Drohungen, durch Ehrverletzung oder durch Verrufserklärung bestimmt oder zu bestimmen versucht, an solchen Verabredungen (§. 169) Theil zu nehmen, oder ihnen Folge zu leisten, oder Andere durch gleiche Mittel hindert oder zu hindern versucht, von solchen Verabredungen zurückzutreten, wird mit Gefängniß bestraft.
Nach kurzen Bemerkungen des Abg. von Blanckenburg wurde der Schluß der Debatte angenommen.
Es erhielt noch als Antragsteller der Abg. Miquél das
ort. 6 Der Referent Abg. Dr. Stephani empfahl die Ablehnung der Anträge.
Abg. Graf v. Kleist zog den Antrag §. 7 zurück, worauf auch die heiden anderen Paragraphen, die den §§. 169 und 170 der Re⸗ gierungsvorlage entsprechen, abgelehnt wurden.
Auf den Vorschlag des Vorsitzenden der 10. Kommission wurden die sich auf das eben angenommene Gesetz bezüglichen Petitionen als erledigt betrachtet. “
Schluß der Sitzung 5 Uhr 20 Minuten.
— Die heutige (26.) Sitzung des Reichstags des Norddeutschen Bundes wurde um 9 ¼ Uhr durch den Präsidenten Dr. Simson eröffnet. Von den Mitgliedern des Bundesraths waren anwesend: Der Präsident des Bundes⸗ kanzler⸗Amts Delbrück, Vice⸗Admiral Jachmann, Ministe⸗ rial⸗Direkter Günther, Geh. Regierungs⸗Rath Graf zu Eulen⸗ burg, Staats⸗Minister von Friesen, Ministerial⸗Direktor Dr. Weinlig, Geheimer Legations⸗Rath Hofmann, Staats⸗ Rath von Müller, General⸗Major von Bilguer, Minister von Watzdorf, Drost von Oertzen, Staats⸗Rath Bucholtz, Geh. Rath von Liebe, Regierungs⸗Rath Dr. Sintenis, Senator Gildemeister, Senator Dr. Kirchenpauer.
Vor der Tagesordnung begründete der Abg. Duncker die folgende von ihm eingebrachte Interpellation: 1 1
In Berlin verlangen die Lokalbehörden auch noch im gegenwär⸗ tigen Augenblick von Angehörigen des Norddeutschen Bundes, welche sich hier niederzulassen beabsichtigen, die Naturalisation als Preuße und deshalb den Auswanderungskonsens der Heimathsbehörde, über⸗ haupt werden dem ganzen Anmeldeverfahren zur Niederlassung ledig⸗ lich die Bestimmungen des preußischen Gesetzes vom 31. Dezember 1842 zum Grunde gelegt. Ich richte deshalb an den Herrn Bundes⸗ kanzler die Frage: 1) Wie vermag derselbe gegenüber dem Art. 3 der Verfassung des Norddeutschen Bundes und den maßgebenden Bestim⸗ mungen des seit fast sechs Monaten in Kraft stehenden Bundessesetzes über die Freizügigkeit vom 1. November 1867, diesen unter den Augen der höchsten Bundesbehörden thatsächlich bestehenden Zustand zu recht⸗ fertigen? 2) Ist derselbe bereit, die zur Ausführung des Freizügigkeits⸗ gesetzes von den einzelnen Bundesregierungen erlassenen Verordnungen und Instructionen, so wie die deshalb von Seiten des Bundes⸗Präsi⸗ diums etwa erlassenen Anordnungen und Verfügungen dem Reichs⸗ tage zur Kenntnißnahme vorzulegen?
Der Präsident des Bundeskanzler⸗Amtes Delbrück beant⸗ wortete die Interpellation dahin: v“
Es heißt in dem Art. 17 der Verfassuntg;;;
»Die Ueberwachung der Ausführung der Bundesgesetze steht dem Bundespräsidium zu, und diese Function wird durch den Bundeskanzler ausgeübt.« —
Stände in der Verfassung statt »die Ueberwachung der Ausführung der Bundesgesetzee »die Ausführung der Bundesgesetzee so würde der Herr Interpellant mit seinen Ausführungen vollständig Recht haben. Es würde als⸗ dann eben der Bund als die ausführende, als die eigentlich verwaltende Instanz in der vorliegenden Frage hingestellt sein. Das ist nicht der Fall. Es ist dies nicht der Fall, weil es überhaupt dem ganzen Geist der Verfassung widersprochen haben würde. Die Verwaltung in diesen Angelegenheiten, also in allen Angelegenheiten, die nicht ausdrücklich durch die Verfassung zu Bundes⸗Angelegenheiten gemacht sind, steht nach wie vor den einzelnen Regierungen zu. Dem Bunde steht nichts zu, als die Ueberwachung dieser Verwaltung, so weit sie sich auf Bundesgesetze bezieht. Zum Zwecke der Ausübung dieser Ueberwachung in Beziehung auf das Freizügigkeitsgesetz hat, wie ich bereits im Laufe dieser Session auf eine von ande⸗ rer Seite gestellte Interpellation zu bemerken die Ehre hatte, das Bundeskanzler⸗Amt sofort nach Emanation des Freizügig⸗ keitsgesetzes die sämmtlichen Bundes⸗Regierungen ersucht, ihm diejenigen Anordnungen, seien es gesetzliche, reglementarische oder administrative, mitzutheilen, welche in Beziehung auf die Ausübung des Freizügigkeitsgesetzes erlassen sind. Dieser Aufforderung ist von Seiten sämmtlicher Bundesregie⸗ rungen entsprochen und das Bundeskanzler⸗Amt hat bei Gele⸗
enheit der ihm gemachten Mittheilungen in einigen Fällen eranlassung gehabt, seine Bedenken gegen die von den einzelnen Regierungen getroffenen Anordnungen auszusprechen, Bedenken, die darauf beruhten, daß die getroffenen Anordnungen als mit dem Freizügigkeitsgesetz nicht völlig vereinbar erschienen. Diesem Bedenken ist in allen Fällen Abhülfe geschaffen worden.
Das ist das, was von Seiten des Bundes⸗Präsidiums generell geschehen ist, um die Ausführung des Freizügigkeitsgesetzes zu überwachen, und ich glaube, daß generell in dieser Beziehung nicht mehr geschehen konnte.
Speziell sind sehr zahlreiche Fälle vorgekommen, wo ein⸗ zelne Betheiligten, weil sie glaubten, durch das Verfahren der Behörden dieses oder jenes Bundesstaates in den ihnen durch das Freizügigkeitsgesetz garantirten Rechten beeinträchtigt zu sein, sich beschwerend an das Bundeskanzleramt gewendet haben.
Von diesen Beschwerden war ein guter Theil unbegründet; unbegründet deshalb, weil die Betheiligten die Freizügigkeit, wie sie durch das Gesetz begründet ist, mit der gewerblichen Freizügigkeit verwechselt hatten, die durch das Gesetz vom ersten Kovember noch nicht begründet worden, oder weil sie die Frei⸗ zügigkeit mit der erst neuerdings gegründeten Befugniß zur Eheschließung verwechselt hatten. Andre Beschwerden erachtete das Bundeskanzleramt für begründet. Sie sind zum Gegen⸗ stand der Correspondenz mit den betheiligten Regierungen ge⸗ macht worden und es ist ihnen — ich glaube es schwebt noch dieser oder jener Fall — in den übrigen Fällen von Seiten der betheiligten Regierungen, in den Fällen, wo das Bundes⸗ kanzleramt die Beschwerden für begründet erachtet hatte, Ab⸗ hülfe geschafft worden.
Aus der eben von mir bezeichneten, auf den Vorschriften der Verfassung beruhenden Stellung des Bundeskanzlers zu der Ausführung der Bundesgesetze überhaupt und des Freizügigkeits⸗ gesetzes insbesondere folgt von selbst, daß der Bundeskänzler weder eine Veranlassung noch ein Recht hat, von Amtswegen sich darüber zu vergewissern — ich wiederhole von Amts⸗ wegen — ob von den einzelnen Lokalbehörden denjenigen Anordnungen nachgelebt wird, welche die Regierungen zur Aus⸗ führung des Freizügiakeitsgesetzes erlassen haben. Das ist Sache der Regierungen. Dafür tragen die Negierungen die Verant⸗ wortlichkeit und dafür kann die Verantwortlichkeit des Bundes⸗ kanzlers erst dann eintreten, wenn derselbe von den Betheiligten angerufen wird. Angerufen ist er in Beziehung auf die in Berlin obwaltenden Verhältnisse bisher noch von keinem Be⸗ theiligten. Das ist die allgemeine Stellung.
as nun speziell die von dem Herrn Interpellanten besprochenen Berliner Verhältnisse anlangt, so bin ich aus den vorhin von mir bezeichneten Gründen durchaus nicht im Stande, zu bejahen oder zu verneinen, daß dieses oder jenes Formular hier in Berlin in Anwendung gebracht wird. Ich habe aber — und das schließt sich an die Interpellation zunächst in ihrem Wortlaut an — darauf aufmerksam zu machen, daß man zwei verschiedene Verhältnisse vollkommen aus einander zu halten hat, nämlich einmal die Niederlassung an einem be stimmten Ort, also in dem vorliegenden Falle in Berlin, und zweitens die Naturalisation, die in Folge der Niederlassung oder in Verbindung mit derselben an einem bestimmten Orteverlangt wird. Der Hr. Interpellant scheint allerdings davon auszugehen, daß durch Art. 3 der Bundesverfassung im Grunde genommen die einzelnen Staatsangehörigkeiten aufgehört haben. Wäre dies seine An⸗ sicht, so würde ich sie als eine vollkommen irrige zu bezeichnen haben. Der Art. 3 der Verfassung, weit entfernt, die einzelnen Staatsangehörigkeiten aufzuheben und in dem allgemeinen Bundesindigenat aufgehen zu lassen, hat im Gegentheil das Bundesindigenat, wie er es definirt, an die Angehörigkeit in den einzelnen Staaten als Folge geknüpft. Die Staatsange⸗ hörigkeiten in den einzelnen Staaten bestehen nach wie vor fort; auf die Erwerbung derselben bezieht sich das Freizügig⸗ keitsgesetz gar nicht. Ueber diese Frage existirt überhaupt noch kein Bundesgesetz; diese Frage ist deshalb ausschließlich nach den be⸗ stehenden Landesgesetzen zu beurtheilen. In den beiden von dem Herrn Interpellanten angeführten conereten Fällen ist nach seiner eigenen Darstellung ganz unzweifelhaft der Antrag der beiden Betheiligten auf Naturalisation gerichtet gewesen; ob sie zu diesem An⸗ trage durch den betreffenden Polizeibeamten irrthümlich verleitet worden sind, das muß ich dahin gestellt sein lassen. Ihr A trag aber, wie er vorlag, war, wie gesagt, auf Naturalisation gerichtet, und ich wiederhole, in Beziehung auf die Naturali sation bestimmt das Freizügigkeitsgesetz gar nichts, darüber gelten die betreffenden Landesgesetze.
Wenn in der Interpellation hervorgehoben wird, daß zum Zweck der Naturalisation der Auswanderungs⸗Konsens verlangt worden ist, so ist das thatsächlich richtig. .
Es ist in den meisten Bundesstaaten angeordnet, daß, wenn ein Fremder die Naturalisation nachsucht, er alsdann entweder die Zusicherung seiner Heimathsbehörde, daß er den Auswanderungs⸗Konsens erhalten solle, oder den Auswanderungs⸗ Konsens selbst beizubringen habe. Die Frage, ob dies von Bundesangehörigen noch zu verlangen sei, ist in den einzelnen Bundesstaaten verschieden beantwortet worden, und diese Ver⸗ schiedenheit der Auffassung innerhalb einzelner Bundesstaaten
dahin geführt, daß durch eine vor etwa 8 oder 10 Tagen