1868 / 299 p. 12 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

schaft als preußischer Unterthan u. s. w. leitete der Regierungs⸗ Kommissar, Geheime Regierungs⸗Rath Graf zu Eulenburg, durch folgenden Vortrag ein:

Die Einheit der Vorschriften über die Erwerbung und den Ver⸗ lust des preußischen Staatsbürgerrechts ist eben so sehr ein staatsrecht⸗ liches Erforderniß als ein praktisches Bedürfniß. Eines weiteren Be⸗ weises wird dieser Satz nicht bedürfen. Dagegen wird es sich empfeh⸗ len, etwas näher zu erörtern, ob es zweckmäßig und nothwendig ist, auf dem von der Königlichen Staatsregierung zur Geltendmachung jenes Grundsatzes eingeschlagenen Wege in der That vorzugehen.

Die Vorschriften über die Erwerbung des Staatsbürgerrechts in den neu erworbenen Landestheilen der Monarchie weichen sowohl unter einander, wie auch von den Grundsätzen des preußischen Indigenatge⸗ setzes vom 31. Dezember 1842 in wesentlichen Punkten ab, sowohl in Be⸗ iehung auf die Erwerbsgründe, als auf diejenigen Umstände, durch welche

er Verlust des Staatsbürgerrechts herbeigeführt wird, und ebenso sehr in Beziehung auf den Inhalt derjenigen Rechte, welche dadurch erworben werden. In den meisten jener Länder giebt es neben der Erwerbung des Staatsbürgerrechts durch Verleihung auch diejenige durch die Er⸗ langung des Wohnrechts in einer Gemeinde, und in einem der neu⸗ erworbenen Landestheile besteht der eigentliche Inhalt des Indigenat⸗ rechtes lediglich in der Befugniß zur Erlangung öffentlicher Aemter, sofern diese Befugniß nämlich erlangt wird durch ausdrückliche Ver⸗ leihung, während alle übrigen in dem Indigenate enthaltenen Befug⸗ nisse lediglich im Wege der Erwerbung des Gemeindebürgerrechtes und des eine Zeit lang fortgesetzten Wohnsitzes erlangt werden können. Es kommt außer dieser Verschiedenheit der Gesetzgebung in Betracht, daß der eigentliche Gegenstand aller dieser Gesetze in den neu erworbenen Landestheilen nicht mehr vorhanden ist; es giebt kein Indigenat von Hannovper, es giebt kein Indigenat von Kurhessen, es giebt kein In⸗ digenat von Schleswig⸗Holstein mehr; alle diese sind aufgegangen in das eine allgemeine preußische Indigenat, und demnach sind die Ge⸗ setze, welche die Einzel⸗Indigenate betreffen, gegenstandslos geworden. Nichtsdestoweniger ist aber an die Stelle dieser Gesetze nicht ohne Wei⸗ teres das preußische Indigenatgesetz getreten. Man hat bei einem prak⸗ tischen früheren Anlasse die Behauptung aufgestellt, daß zugleich mit der Einführung der preußischen Verfassung auch von selbst das Gesetz über den Erwerb und den Verlust der preußischen Staatsangehörigkeit Geltung in einem neu erworbenen Landestheile erlange. Man hat sich dafür berufen auf den Art. 3 der preußischen Verfassungsurkunde, in welchem gesagt ist, »die Verfassung und das Gesetz« bestimmen die Bedingungen des Erwerbes und des Verlustes des preußischen Staats⸗ bürgerrechts. Diese Ansicht ist indessen nicht aufrecht zu erhalten.

Jener Artikel verweist nur darauf, daß die Staatsangehörigkeit gesetzlicher Regelung unterworfen werden soll, führt aber keineswegs das darüber bestehende Gesetz ohne Weiteres in den neuen Landes⸗ theilen ein. Auch die spätere preußische Gesetzgebung hat diesen Grund⸗ satz verlassen, denn bei Erwerbung des Jadegebiets ist durch ein förm⸗ liches Gesetz das preußische Indigenatsgesetz dort eingeführt worden.

Es bleibt noch übrig, einen Blick darauf zu werfen, wie scch die Sache im Verhältniß zur Gesetzgebung des Norddeutschen Bundes stellt. Nach Art. 4 unter Nr. 1 der norddeutschen Bundesverfassung ist das Staatsbürgerrecht unter den Gegenständen aufgezählt, welche der Regelung durch die Bundesgewalt unterworfen werden. Es unter⸗ liegt aber keinem Zweifel, und hat bei verschiedenen praktischen An⸗ lässen bereits seinen Ausdruck gefunden, daß mit einer solchen Bestimmung die Befugniß der Territorialgesetzgebung, denselben Gegenstand auch ihrer Regelung zu unterwerfen, nicht aufge⸗ hoben wird. Das Letztere ist in dem vorliegenden Falle empfehlens⸗ werth, weil nicht zu übersehen ist, wann dringendere legislative Aufgaben es der Bundesgewalt gestatten werden, auf diesen Gegen⸗ stand einzugehen. So viel läßt sich jetzt schon sagen, daß in der näch⸗ sten Session des Norddeutschen Reichstags ein Indigenatgesetz für den Norddeutschen Bund nicht vorgelegt werden wird, und wenn es später vorgelegt werden wird, so bleibt immer noch die Frage übrig, ob die Territorialgesetzgebung über denselben Gegenstand gänzlich entbehrlich werden wird.

Wenn es hiernach als nothwendig und Müecgchrhcg. sich empfiehlt, diesen Gegenstand nunmehr im Wege der preußischen Gesetzgebung zu regeln, so bietet sich als die natürliche Grundlage dafür das bisherige preußische Indigenatsgesetz vom 31. Dezember 1842 dar, welches sich in einer mehr als fünfundzwanzigjährigen Anwendung in allen haupt⸗

sächlichen Punkten vollkommen bewährt und sich als praktisch gezeigt hat, selbst für solche Gebiete, die in ihrer Gemeindeverfassung, in ihrer Heimathsgesetzgebung, dem südlichen Theil unserer neuen Erwerbungen näher stehen als den alten Provinzen, ich meine Hohenzollern, und es ergiebt sich daraus, daß eine unmittelbare Anwendung auch auf die neuen Gebiete erhebliche Bedenken nicht hat, um so weni⸗ ger als der Weg der Einführung bereits wesentlich geebnet ist durch das Bundesgesetz über die Freizügigkeit und einer weiteren Ebnung in kurzer Zeit durch das Heimathsgesetz des Norddeutschen Bundes entgegensieht, dessen Vorlegung in der nächsten Session des Reichstags bevorsteht. Um nun die Anwendung des Gesetzes vom 31. Dezember 1842 in den neu erworbenen Landes⸗ theilen zu ermöglichen, könnten zwei Wege eingeschlagen werden: ein⸗ mal der, daß das mehrerwähnte Gesetz einfach dort eingeführt, oder der, daß das Gesetz einer neuen Redaktion unterworfen und nunmehr für die ganze Monarchie neu erlassen wird. Es mußte der letztere Weg betreten werden, da nur auf diesem der an die Spitze gestellte Grundsatz einer Einheit der gesetzlichen Vorschriften über diesen Gegen⸗ stand zu erreichen war; denn nicht allein, daß durch einige Ver⸗ änderungen in der preußischen Gesetzgebung und durch das praktische Bedürfniß sich die Nothwendigkeit herausgestellt hat, das Gesetz vom 31. Dezember 1842 in einzelnen Punkten zu ändern, so hat auch der Einfluß der Bundesgesetzgebung es mit sich geführt, daß dasselbe auch

in einigen wesentlicheren Punkten einer Modifikation unterworfe werden muß. n In ersterer Beziehung was nämlich die Abänderungen an⸗ langt, welche in Folge der veränderten preußischen Gesetzgebung und des praktischen Bedürfnisses nothwendig geworden sind 9 werde ich mich dessen enthalten können, jetzt schon all die Punkte, die hier in Betracht kommen, zu erwähnen. Sie sind in den Motiven des Gesetzentwurfs bei den bezüglichen Paragraphen speziell angegeben und näher begründet. Dagegen glaube ich mit wenigen Worten der wichtigeren Modifikationen gedenken zu müssen, welche durch die Bundesverfassung nothwendig geworden sind. Sie beziehen sich zu⸗ nächst auf Dasjenige, was durch die Bundesgesetze über die Erfüllun der Militärpflicht angeordnet ist. 9 Hiermit hangt in einigen Paragraphen eine veränderte Fassun zusammen, betreffend Landwehr, Reserve, Beurlaubtenstand und Einigeg der Art. Außerdem kommen zwei Punkte in Betracht, welche in Gegensatz stehen zu dem, was in dem gegenwärtigen Indigenatsgeseze bestimmt ist. Hier ist vorgeschrieben, daß Angehörige der deutschen Bundesstaaten nur dann naturalisirt werden dürfen, wenn sie einen Nachweis über die Erfüllung der Militärpflicht in ihrem Heimaths. staate beibringen, und daß, wenn preußische Unterthanen in deutsche Bundesstaaten auswandern, ihnen die Entlassung erst er⸗ theilt werden soll, wenn der betreffende deutsche Bundesstaat eine Auf⸗ nahmezusicherung ertheilt hat. Mit der Hinfälligkeit der deutschen Bun⸗ desakte und dem Inslebentreten des Norddeutschen Bundes konnte diese Bestimmung nicht mehr aufrecht erhalten werden. Es ergab sich aber, in Bezug auf den ersteren Punkt im Interesse der Erfüllung der Militärpflicht, in Beziehung auf den letzteren Punkt zur Vermei⸗ dung der staatlichen Heimathlosigkeit als wünschenswerth, jene Bestimmungen aufrecht zu erhalten gegenüber den süddeutschen Staa⸗ ten und dies hat in dem neuen Gesetze seinen Ausdruck gefunden. Ferner, meine Herren, ist in Folge des Bundes⸗Paßgesetzes die Unter⸗ scheidung hinfällig geworden, welche in dem gegenwärtigen Indigenats⸗ gesetze darauf begründet ist, ob Jemand mit oder ohne Erlaubniß den preußischen Staat verläßt. Der Paß ist nicht mehr eine Erlaubniß, sondern lediglich eine Legitimation. Demnach kann von einer Er⸗

laubniß als Grundlage jener Unterscheidung nicht mehr die Rede sein..

Der Unterschied aber, von welchem Zeitpunkt ab die zehnjährige Frist berechnet werden soll, nach deren Ablauf Jemand, der im Ausland sich befindet, das preußische Indigenat verliert, ist auch jetzt noch darnach bemessen worden, ob Jemand sich im Besitze eines Passes befindet oder nicht, weil in der Nachsuchung eines Passes die stillschweigende Erklärung zu erkennen ist, daß der Betreffende auch ferner dem preußischen Unterthanenverbande angehören will. Sodann hat nothwendig Berücksichtigung finden müssen ich glaube es ist im Interesse der Abkürzung, wenn ich das jetzt schon erwähne der neuerdings abgeschlossene Vertrag zwischen dem Norddeutschen Bunde und den Vereinigten Staaten von Nordamerika. Sein Inhalt geht dahin, daß, wenn ein Deutscher nach Nordamerika oder ein Amerikaner nach Norddeutschland kommt, sich 5. Jahre dort aufhält und zugleich das Staatsbürgerthum erwirbt, derselbe so angesehen werden soll, als ob das bisherige Unterthanenverhältniß zu seinem Heimathslande ge⸗ löst worden sei. Diese fünfjährige Frist stimmt mit der vorerwähn⸗ ten zehnjährigen Verlustfrist nicht überein; es ist daher ein Zusatz vorgeschlagen, nach welchem im Falle solcher Staatsverträge der Ver⸗ lust der Unterthanenschaft nach fuͤnfjäͤhriger Frist eintreten soll, wenn gleichzeitig dazu tritt die Erwerbung des fremden Staatsbürgerrechtes, ein Umstand, welcher bisher für sich allein den Verlust des preußischen Indigenats nicht begründete.

Endlich, meine Herren, ist die Anwendung von drei Paragraphen des Gesetzes ausgeschlossen worden auf die Angehörigen des Norddeut⸗ schen Bundes; es sind die §§. 19, 20, 21. Es sind dadurch ausge⸗ schlossen die Bestimmungen, erstens daß ein Unterthan, welcher nach erfolgter Aufforderung Seitens der Regierung nicht aus dem Auslande zurückkehrt, der Unterthanenschaft verlustig erklärt wird. Es ist zwei⸗ tens ausgescheossen die zehnjährige Verlustfrist; es ist endlich ausge⸗ schlossen die Beschränkung des Eintritts in die Dienste eines anderen Staates des Norddeutschen Bundes. Das lettere ist eine nothwendige⸗ Konsequenz des Art. 3 der Virfoftung des Norddeutschen Bundes, wonach eben für Angehörige des Bundes der Eintritt in die Dienste jedes norddeutschen Bundesstaates unbedingt freigestellt worden ist.

Ich erlaube mir, Ihnen hiernach die Annahme des Gesetzes zu empfehlen, und behalte mir vor, bei den einzelnen Paragraphen die etwa noch nothwendigen Erläuterungen zu geben.

In Betreff des Antrags des Herrn von Kleist⸗Retzow, hinter §. 10 folgenden neuen Paragraphen einzuschieben: »„Zur Erwerbung des Gemeinde⸗Bürgerrechts ist die Eigenschaft als preußischer Unterthan nothwendig,« erklärte der Regierungs⸗ Kommissar, Geheime Regierungs⸗Rath Graf zu Eulenburg:

Ich bedaure, mich dem Antrage des geehrten Herrn Vorredners nicht anschließen zu koͤnnen. Der bisherige §. 12 bestimmte, daß, bevor eine Gemeinde Jemand als Mitglied aufnehmen dürfe, er preußischer Staats⸗ bürger geworden sein müsse. Der Paragraph ist weggelassen worden aus einem doppelten Grund. Erstens giebt es nach der bestehenden Gemeindegesetzgebung bei den Landgemeinden eine ausdrückliche Auf⸗ nahme als Mitglied gar nicht. Er ist also für die gesammten alten Landestheile der Monarchie insofern ohne Anwendung. Er⸗ ist 9* zweitens weggelassen worden, weil er seinem Inhalte nach in diese Gesetz nicht hineingehört. Unter welchen Umständen das Gemeinde⸗ bürgerrecht erworben und ausgeübt werden kann, darüber sollte vein Erachtens und nach der Meinung der Königlichen Staats⸗ regierung in einem Gesetze über Erwerb und Verlust 9. preußischen Staatsangehörigkeit nicht entschieden werden; Cg; wenn vermöge eines Paragraphen, den man hier hin ufügt, nii. mehr in Schleswig⸗Holstein der entgegengesetzte Grundsatz, der dor

Ich begnüge

Katechismus Lutheri benutzt.

weiß ich überhaupt Nichts. mir irgend welche Id - worden von unserer jetzigen Behörde. Das aber weiß ich, daß die frühere nassauische Behörde schon vor 12 Jahren

der Minister Dr. von Mühler

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ilt, ohne Weiteres aufgehoben werden sollte, so würde das o 8 vichende Vorbereitung geschehen und daher nicht ohne Bedemnen 7 Aber auch nach einer anderen Seite muß ich darauf aufmerksam machen, daß ein prinzipieller Grund, welcher hier angeführt ist, in dieser Tragweite nicht zutrifft. Es ist gesagt worden: zu den politi⸗ chen Wahlen müsse man Staatsbürger sein, folglich auch für die Ge⸗ meindewahlen und alles Aehnliche. Ich kann diese Konsequenz nicht ugeben auf dem Boden unserer Gesetzgebung, auf einem anderen Gebiete. In Bezug auf die kreis⸗ und provinzialständischen Rechte aben auch Ausländer ihre Stimmen abgeben können, trotzdem dies für den Landtag der Monarchie nicht zulässig ist. Ich würde da⸗ her bitten, den vorgeschlagenen Paragraphen nicht anzunehmen.

Im Hause der Abgeordneten erwiderte der Minister der geistlichen 2c. Angelegenheiten Dr. von Mühler in der gestrigtn Diskussion über den Etat der Schullehrer⸗Seminarien dem Abg. Dr. Braun (Wiesbaden):

Dem Vortrage des Hrn. Vorredners bin ich im Stande eine öffentliche Erklärung entgegenzusetzen, welche der Direktor des genannten Seminars in Usingen am 16. November d. J. in öffentlichen Blättern hat bekannt werden lassen. mich, sie hier vorzulesen. Sie lautet:

FhHerr Dr. Schirm hat in dem nassauischen Kommunallandtag zum Beweise für seine Behauptung, daß man die Schulregu⸗ lative in Nassau einführen wolle, als Faktum angeführt, am hiesigen Seminare sei der bisher in Gebrauch gewesene Landes⸗ latechismus beseitigt und dafür der kleine Katechismus Lutheri eeingeführt worden. Dem gegenüber diene zur Nachricht, daß der Landeskatechismus am hiesigen Seminare

bis zu diesem Augenblicke nie beseitigt war. Meines

Wissens wurde früher Jahre lang der kleine lutherische Ka⸗

techismus neben dem Landeskatechismus berücksichtigt.

8 Es wäre erwünscht, wenn diejenigen Herren, welche etwas

darüber wissen, einmal vor die Oeffentlichkeit träten, um die

Aichtige Auskunft zu ertheilen. Hoffentlich stimmt deren schrift⸗ liches Zeugniß mit dem, was ich mündlich von ihnen gehört

habe, überein. Im Anschluß an die seitherige Praxis habe ich neben dem Landeskatechismus den vorerwähnten 1s Dies geschah jedoch nicht, um die Regulative einzuschmuggeln, auch nicht, um einer mir völlig fremden und den gedeihlichen Bestand eines Seminars gefähr⸗ denden rabies theologica zu fröhnen, sondern aus Gründen, über welche ich mich mit jedem didaktisch gebildeten Manne ohne

Schwierigkeit zu verständigen gedenke. Da jedoch die mir vor⸗

gesetzte Behörde zu Cassel den Mitgebrauch dieses Katechismus bedenklich gefunden hat, so ist derselbe seit Anfang dieses Winter⸗ semesters von mir beseitigt und dient nur der gesetzlich einge⸗

ührte Landeskatechismus allein als Grundlage bei meinem

Katechismusunterricht. Was die Kirchenlieder anbetrifft, so wird auf Anordnung derselben Behörde ebenfalls seit Anfang dieses Semesters ganz an der früheren Ordnung festgehalten. Weiter erwähne ich, daß alle im §. 10 des Edikts vom 4. März 1817 genannten Lehrgegenstände im hiesigen Semi⸗ nare unterrichtlich behandelt werden. Hiernach wird der Un⸗ befangene im Stande sein, die Beweiskraft der von Herrn Dr. Schirm angeführten Fakta zu würdigen. Von beabsichtigter Einführung der Regulative in Nassau Weder privatim noch offiziell ist hierauf bezügliche Absicht kund gegeben

sehr wesentliche Bestimmungen für den Unterricht am hiesigen Seminar fast wörtlich aus dem preußi⸗ schen Regulativ für die Seminarien und aus den

Aktenstücken entnommen und als maßgebend hierher

befördert hat. Den Beweis liefert ein zu den hiesigen Akten

gehöriges Regierungs⸗Reskript vom 26. Mai 1856.

Deer Seminar⸗Direktor Ich enthalte mich jeder weiteren Konklusion und mache die Herren nur darauf aufmerksam, daß diejenigen Momente, aus denen der Herr Abgeordnete geglaubt hat, gegen das Ministe⸗ rium und gegen die höheren Behörden Polemik führen zu

können, in keiner Weise dieselben betreffen, indem das Ministe⸗

rium erst aus diesen Mittheilungen Kenntniß erhalten hat von demjenigen, was geschehen ist, und nicht die entfernteste Ein⸗ wirkung von seiner Seite vorliegt.

Im weiteren Verlaufe der Diskussion des Etats gab z auf den Antrag des Abg. von Hennig die nachstehende Auskunft über den Umbau des Neuen Ruseums zu Berlin:

D¶Die Angelegenheit des Umbaues des Daches an dem Neuen

Museum und die damit in Verbindung stehende Veränderung der inneren Räume hat mit großem Recht die Aufmerksamkeit des Hauses im vorigen Jahre erregt. Die Staatsregierung ist sich ihrer Verpflichtung bewußt gewesen, diese Frage nach

allen Seiten auf die gründlichste Weise vorzubereiten und jede Uebereilung fernzuhalten, die einem so großen und wichtigen Kunstwerk, wie unser Museum und sein Inhalt ist, Schaden bringen könnte. Die Staatsregierung hat zunächst die tech⸗ nische Prüfung der Frage nach allen Seiten hin zu erschöpfen gesucht, sie hat eine Kommission gebildet, welche aus anerkann⸗ ten Architekten und Künstlern zusammengesetzt war, damit die architektonische und die künstlerische Seite sich gegenseitig unterstütze in der Klarlegung derjenigen Momente, welche nach jeder Richtung in Betracht zu kommen haben. Nach⸗ dem das Gutachten dieser gemischten Kommission abgestat⸗ tet war, ist dasselbe den obersten Instanzen, die wir in der Monarchie für die Kunstthätigkeit und das Bauwesen haben, mitgetheilt worden, nämlich dem Senat der Akademie der Künste und der Abtheilung für das Bauwesen im Handels⸗ Ministerium. Auch diese beiden höchsten Stellen für die Archi tektur und die Kunst haben ihr Gutachten abgegeben. Absolu übereinstimmend sind diese Gutachten nicht mit einander; si stimmen aber in den Hauptpunkten überein, daß die Einführun von Oberlicht unter allen Umständen das Vorzüglichere sei un daß es nicht gerathen sein würde, bei der Gelegenheit des Um baues des Daches die Möglichkeit zu versäumen, mit der Ein richtung von Oberlicht vorzugehen. Trotzdem, meine Herren daß das theoretische Gutachten der Sachverständigen in der Hauptmomenten übereinstimmt, würde es doch vielleicht bedenk lich sein, nach diesen theoretischen Gutachten vorzugehen, wenn daraus etwa ein unwiederbringlicher praktischer Schaden hervor gerufen würde. Glücklicherweise liegt aber die Sache so, daß die nichtzu befürchten ist. Das Dach muß jedenfalls umgedeckt werden Ob dabei Zink⸗ oder Glasplatten zur Verwendung kommen ist kaum ein finanzieller Unterschied. Man ist also jedenfalls in der Lage, Oberlicht zu erlangen. Die zweite Frage betriff die Beseitigung des Seitenlichts durch sogenannte blinde Fenster Diese werden nach dem Gutachten in der Weise hergestellt, daß die tiefen Fensternischen des Museums durch Bretterwände von innen verkleidet werden. Nach außen hin ist diese Verkleidung nicht bemerkbar. Sie Alle wissen, meine Herren, und haben es auf der Kunstausstellung im Akademiegebäude gesehen, da der sogenannte Ecksaal in der Akademie Oberlicht hat un daß in demselben vier Fenster, zwei nach den Linde und zwei nach der Universitätsstraße, geblendet sind ohne daß es den von außen Vorübergehenden auch nur einen Moment auffällt und ohne daß die architektonische Harmonie des Gebäudes durch die innere Blendung Schaden leidet. Es ist also die Möglichkeit gegeben, mit der Einführung von Ober⸗ licht vorzugehen, ohne irgend welchen irreparablen Schaden hervorzubringen, denn wenn es sich aus der Erfahrung und Anschauung zeigen sollte, daß das Oberlicht nachtheiliger wirkt, als das jetzige Seitenlicht, und daß es also in der Anwendung beschränkt werden müsse, so ist dies ohne namhaften Kosten aufwand zu bewirken, es ist nur nöthig, die Bretterverkleidung welche die inneren Nischen der Fenster deckt, wieder zu entfernen und sie so anzubringen, daß sie das Oberlicht deckt, und alsdanr ist der Zustand genau so hergestellt, wie er jetzt ist. Nun laubt die Königliche Staatsregierung, ohne sich jetzt schon schlüssig machen zu können, in welchem Umfange das Oberlicht eingeführt werden soll, es verantworten zu können, wenn die technischen Behörden nach allen Seiten anrathen, den Versuch mit dem Oberlicht zu machen, diesen Versuch nicht von der Hand zu weisen. Sie wird vielmehr mit der Einführung von Oberlicht zunächst versuchsweise vorgehen und dadurch biete sich auf die unschädlichste Weise Gelegenheit, bei denjenigen Sälen, deren Fenster in die inneren Höfe des Museums mün⸗ den. Dort wird man den Erfolg vor Augen haben. Erweist sich das Oberlicht günstig, so kann man in dem Maße fort⸗ schreiten, wie es das praktische Bedürfniß fordert, erweist es sich als ungünstig, so ist jeden Augenblick und ohne namhaften Verlust die Möglichkeit gegeben, zu dem jetzigen System zurück⸗ zukehren. Ich glaube daher, daß das Haus in diesem Punkte der Staatsregierung und den künstlerischen und architektonischen Autoritäten, die ihr zur Seite stehen, wohl das Vertrauen schenken darf, daß sie nicht unbesonnener Weise etwas verder⸗ ben werde, was zur Zierde der Residenz und zur Ehre des Staates gereicht.

Mit Bezug auf den Antrag des Abg. Dr. Bender, die erste Rate für das Siegesdenkmal auf dem Königsplatz zu Berlin nicht zu bewilligen, erklärte der Minister Dr. v. Mühler:

Meine Herren! Es ist eine große historische Thatsache, daß alle Nationen, die auf sich und auf ihre Geschichte etwas gehalten haben wenn sie aus großen, gewaltigen Krisen, in denen es sich um ihre Existenz gehandelt hat, siegreich hervorgegangen sind, auch das Andenken derselben mit großer monumentaler Schrift für ihre Nachkommen aufgezeichnet haben. In diesem Sinne hat das alte Rom, als es in dem Kampfe um die Seeherrschaft mi

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Karthago seinen Nebenbuhler überwand, die columna rostrat-

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