Den bedeutendsten Zuwachs an Eisenbahnen in Norddeutschland erhielten Schlesien und Ostpreußen, in welcher ersteren Provinz Bres⸗ lau-Vossowska (16,92 M.) von der Rechten Oderuferbahn und Dittersbach⸗Altwasser (0,9 M.) von der Schlesischen Gebirgsbahn er⸗
net wurden, während hier von der Ostpreußischen Südbahn
Rastenburg⸗Lyck (10,2 M.) in Betrieb kam. — In Schleswig ist nur die kurze Strecke Rothenkrug⸗Apenrade (0,92 M.) dem Verkehr übergeben worden. 1 In Süddeutschland wurden die meisten Bahnstrecken von den Badischen Staatsbahnen (II,03 M.) eröffnet, nämlich Eugen⸗ Donaueschingen 4,71 M., Meckesheim⸗Rappenau 3,77 M. und Hoch⸗ hausen⸗Werthheim 2,58 M., dann folgen die Württembergischen Staatsbahnen mit 7,2 M., nämlich mit Pforzheim⸗Wildbad 3,11 M., Thalhausen⸗Rottweil 0 % M, Ulm⸗Blaubeuren 2,2 M. und Zuffenhausen⸗Ditzingen 1,0 M., sowie die Stuttgart⸗Berger Pferde⸗ bahn, während in Bayern nur die Pfälzische Nordbahnstrecke Land⸗ stuhl⸗Cusel (3,88 M.), dem Verkehr übergeben wurde.
Einen bei Weitem größeren Zuwachs als das Nerddeutsche und Süddeutsche hat das Oesterreichische Eisenbahnnetz im verflossenen Jahre erhalten, wovon der größere Theil auf Cisleithanien fällt, wo die Kronprinz⸗Rudolfsbahn mit den neueröffneten Strecken St. Valentin⸗Steyer, St. Michael⸗Villach, und St. Michael⸗Leoben zusammen 27,33 Ml.) und die Kaiser Franz Josefsbahn mit der Strecke Budweis⸗Pilsen (17,94 Ml.) die ersten Plätze einnehmen, woran sich dann die Strecken Schwabowitz⸗Preuß. Grenze bei Königshain von der Süd⸗Norddeutschen Verbindungsbahn (3,5 M.), die Prager Verbindungsbahn der Buschtéhrader Eisenbahn (0,165 M.) und die Südbahnstrecke Bruck⸗Leoben (2,18 M.), Welche die Kronprinz⸗Rudolfsbahn mit der Südbahn verbindet, an⸗
ießen.
In Ungarn und Siebenbürgen wurden die drei wichtigen Bahnen Kereßtur⸗Bares (9,3 M.) von der Oesterreichischen Südbahn, Fünfkirchen⸗Barcs (8,97 M.), welche in Verbindung mit der Mohacs⸗ Fünfkirchner Bahn eine neue wichtige Linie herstellten, sowie Arad⸗ Carlsburg von der I. Siebenbürger Eisenbahn in Betrieb gesetzt. Die letztgenannte Bahn, 27,76 M. umfassend, ist somit die längste Bahn, welche überhaupt im Jahre 1868 im Gebiete des Vereins Deutscher Eisenbahn⸗Verwaltungen eröffnet worden ist.
Außerdem wurden noch in der österreichischen Gesammt⸗Monarchie (abgesehen von Industriebahnen) Theile der Wiener, Pesther und Ofener Straßen⸗Pferdebahnen eröffnet, ohne daß über deren Längen uns bis jetzt etwas Genaueres bekannt geworden wäre.
Als Schlußresultat des Jahres 1868 ergiebt sich, daß im Ganzen 212,17s M. (gegen 172,42 M. in 1867, 155,04 M. in 1866, 151,72 Meilen in 1865 und 58 ½ M. in 1864) im Gebiete des Vereins er⸗ öffnet wurden, wovon 97,455 M. auf Oesterreich, 64,103 M. auf Norddeutschland, 22,11 M. auf Süddeutschland und 28,51 M. ein⸗ schließlich Ans⸗Flemalle auf die niederländischen Eisenbahnen fallen.
8 8 Der Weinbau an der Mosel und Saar.
Der im Auftrage der Königlichen Sesees zu Trier vom Re⸗
gierungs⸗Rathe Otto Beck unter Benutzung amtlicher Quellen heraus⸗ gegebenen Schrift »Der Weinbau an der Mosel und Saar⸗ entnehmen wir die nachfolgenden geschichtlichen und statistischen Notizen:
Die Einführung des Weinbaues an der Mosel wird gewöhnlich dem Kaiser Probus zugeschrieben, der von 276 bis 282 regierte; ohne Zweifel bestand derselbe jedoch schon zur Römerzeit, denn Eutrop und Vopiscus erzählen ausdrücklich, der Kaiser Probus habe in ganz Gallien und Pannonien den Weinbau fortzusetzen erlaubt, aber in Syrmien und Ober⸗Mösien durch seine Soldaten Wein⸗ berge neu angelegt und sie dann den Bewohnern der Provinz zum Bauen überlassen. Diese unbedingte Erlaubniß, den Weinbau fort⸗ Ffebeen. bezog sich auf das Edikt des Kaisers Domitian vom Jahre
2 n. Chr., daß in Italien Niemand neue Weinberge anlegen dürfe und daß in den Provinzen die Weinstöcke mindestens zur Hälfte aus⸗ gerottet werden sollten. Er war nämlich der Ansicht, daß wegen des umfangreichen Weinbaues der Ackerbau vernachlässigt würde; doch soll er, wie Sueton erzählt, auf die Ausführung dieses Ediktes nicht be⸗ standen haben.
Gegenwärtig sind es 1500 Jahre, daß Decimus Magnus Ausonius aus Bordeaugx, der Erzieher des Kaiser Gratian unter Valentinian J., in einer Mosella eine naturgetreue, heute noch zutreffende Beschreibung dieses Flusses lieferte und die schon damals rebenbepflanzten Hügel schönsten Ströme unseres vaterländischen Bodens besang. 3 »Strom, deß Rebenhügel bepflanzt mit duftendem Bacchus«
(amnis odorifero juga vilea consite Baccho) bezeichnet er wohl nicht bloß den Blütheduft der Rebe, welcher mit seinem, der Reseda ähnlichen Geruch das ganze Flußthal erfüllt, son⸗ dern auch die an der Mosel von jeher vorzugsweise gebaute Rebsorte, den Träger der edelsten Rhein⸗ und Moselweine, den bouquetreichen ve welcher von hier aus (aus dem Trierischen und Cölnischen) in das Rheingau, und namentlich im Jahre 1074 in den Rüdesheimer Berg verpflanzt worden ist.
Man sieht hieraus, daß der Weinbau ein uralter Kulturzweig der Moselgegend ist. Er hat 18 Jahrhunderte hindurch alle Verände⸗ rungen des Klimas, jeden Wechsel der Witterung ertragen, alle Um⸗ gestaltungen des Lebens, alle Störungen der Handelsbeziehungen glück⸗ lich überstanden.
Das eigentliche Weinland beginnt an der Mosel erst unterhalb
Trier bei Trittenheim, Piesport und Neumagen auf den der Morgen⸗
und Mittagssonne ausgesetzten, vor den rauhen Winden geschützten Bergabhängen des Schiefergebietes, wo (wie der Moselaner sagt) die
Rebe den ganzen Tag lang von der Morgensonne beschienen wird.
Außerdem produzirt man noch Wein von geringer Qualität und Quantität bei der Stadt Wittlich, sowie in den Kreisen Merzig, Saarlouis, Saarbrücken und St. Wendel. Von diesen Weinen ist der rothe von Blittersdorf (Kreis Saarbrücken) und der bei Langweiler und am Glane, bei Offenbach und Niederalben (im Kreise St. Wendel) wachsende am meisten geschätzt und gesucht. Er gedeiht aber nur selten und immernur in geringer Quantität. Zu den besten Lagen an der Mosel und den Nebenthälern derselben rechnet man: 1) im Stadtkreise Trier: den Thiergärtner, Avelsbacher, Olewig⸗Neuberger; 2) im Land⸗ kreise Trier: den Oberemmler (besonders den Rauler, Agritiusberger), Krettnacher, Niedermanniger (Euchariusberger), Könener (rother); im Ruwerthale: den Grünhäuser, Kaseler, Eitelsbacher; im Pfalzel: den Augenscheiner; 3) im Kreise Wittlich: den Piesporter⸗ Uerziger, Kien⸗ heimer und Kröver; 4) im Kreise Bernkastel: den Oligsberger und Neuberger, Braunenberger, den Doktor bei Bernkastel, den Josephs⸗ höfer bei Graach, den Wehlener, Erdener, Thronerhofberger und Zeltinger.
An der Saar und den Nebenthälern derselben im Kreise Saar⸗ burg gehören: der Wiltinger (besonders der Scharzhofberger), der Ockfener (besonders der Bocksteiner), der Schodener (besonders der Geisberger), der Ayler, Kanzemer, Wawerner (besonders der Gevpren— berger) zu den besseren Lagen.
Die an der Mosel und Saar üblichen Rebsorten sind Ries⸗ ling und Kleinberg; andere kommen nur ausnahmsweise vor. Erstere geben in guten Jahren den kräftigsten und bouquetreichsten Wein. Die Traube des Rieslings erlangt aber nur in günstigen Jahren ihre volle Reife und bleibt deren Wein bei weniger gutem Verlaufe der Jahreszeit hart. Die Rieslingsrebe ist jedoch viel weniger dem Erfrieren ausgesetzt, als der Kleinberger; außerdem ist sie in der Blüthe bei ungünstigem Wetter ausdauernder, wodurch sich in einem Durchschnitt von zehn Jahren das anscheinend erzielte ge⸗ ringere Quantum auszugleichen pflegt. Die schon vielfach angestellten Versuche mit weichen Traubensorten, als: Rouland, Traminer, Oest⸗ reicher und Burgunder wurden größtentheils wieder aufgegeben, weil der Wein dieser Traubensorten von dem Charakter der Saar⸗ und Moselweine zu sehr abweicht und deshalb zu wenig Beifall findet. Auch ist das Holz dieser Rebsorten so weich, daß es bei einigermaßen strengem Winter dem Erfrieren zu sehr ausgesetzt ist. An der Saar war der Riesling von jeher vorherrschend, während an der Mosel in früherer Zeit der Kleinberger am häufigsten vorkam. Seitdem man aber dem Weinbau größere Sorgfalt widmet, hat man auch an der Mosel dem Rieslingsbau ein weiteres Feld eingeräumt, so daß der Kleinbergbau mehr und mehr auf die schlechten Lagen beschränkt wird.
Die Eigenthümlichkeiten des Mosel⸗ und Saarweines sind im Wesentlichen dieselben, wie die des Rheinweines; während sich aber die letzteren vorzüglich durch Schwere und Süße auszeichnen, stehen dem Moselweine die feine Blume, dem Saarweine der duf⸗ tende Wohlgeschmack des Rieslings zur Seite. Die Mosel⸗ und Saar⸗ weine bilden Spezialitäten unter den Weinen, die sich einer von Jahr zu Jahr wachsenden Zahl von Konsumenten erfreuen. Zur Aufrecht⸗ haltung des guten Rufes dieser Weine haben die Weingüter⸗Besitzenden, die öffentlichen Anstalten, Korporationen und die größeren Gutsbe⸗ sitzer vornehmlich beigetragen. Durch sorgfältige Behandlung der Weinberge und der erzielten Weine haben sie sich das allgemeine Zu⸗ trauen der Käufer erworben und in Folge dessen Preise erzielt, die man früher nicht gekannt. Auch die kleineren Winzer haben ange⸗ fangen, ihre Weingärten besser zu bauen und zu unterhalten; sie sind 86 e der größeren Weinproduzenten und haben von diesen gelernt.
Nach den neuesten Grundsteuerfestsetzungen enthielt der Regierungs⸗ bezirk Trier 158 Weinbau treibende Gemeinden; der Gesammt⸗Flächen⸗ inhalt aller Weingärten belief sich auf 14,941,11 Morgen mit einem Reinertrage von 64,997,1s Thalern oder durchschnittlich 131 Silber⸗ groschen npro Morgen. Das meiste Weinland, 5481,01 Morgen, hatte der Kreis Bernkastel, es folgen dann die Kreise Trier (Land) mit 4167,42, Wittlich mit 2169,56, Saarburg mit 1928/,19, Trier (Stadt) mit 466,55, Saarlouis mit 310,41, St. Wendel mit 165,92, Merzig mit 128,84, Saarbrücken mit 108,19 und Bitburg mit 15,02 Morgen. Die durchschnittlichen Reinerträge der Weingärten in den einzelnen Kreisen sind pro Morgen folgendermaßen eschätzt: Trier (Stadt) 182 Sgr., Bernkastel 153, Saarbrücken 132, Peichr (Land) 130, Saar⸗ burg 119, Saarlouis 91, Wittlich 89, Merzig 77, St. Wendel 55, Bit⸗ burg 24 Sgr. Der durchschnittliche Weingewinn pro Morgen ist an der Saar zu sieben, im Stadt⸗ und Landkreise Trier zu neun und in den Kreisen Bernkastel und Wittlich zu zehn und einem halben Eimer angenommen. Im Durchschnitt beträgt der quantitative Er⸗ trag eines guten Mittelherbstes von einem Morgen Weinberg, dessen sämmtliche Rebstöcke in voller Tragbarkeit sind, etwas über 9 ½ Eimer. Aber abgesehen von den häusig nöthigen neuen Anlagen, welche erst nach Verlauf von vier Jahren tragfähig werden, müssen durchschnitt⸗ lich jährlich mindestens 5 Prozent der vorhandenen Rebstöcke erneuert werden und lassen erst wieder nach 4 Jahren Früchte erwarten. So liegt beständig über ½6 der Weinbergsfläche ertraglos.
Was die Ernteerträge der beiden letzten Dezennien betrifft, so hat der Weinbau während der Jahre 1847 bis 1856 inkl. ungünstige Re⸗ sultate ergeben, so daß die Moselaner übermäßig verschuldet waren und damals in manchen Ortschaften der größte Theil der Eigenthümer wechselte. Die Subhastationen waren zahlreich und viele Winzer wanderten aus. Allgemeine Muthlosigkeit und Niedergeschlagenheit herrschte, bis mit dem Jahre 1857 der Wendepunkt zum Besseren ein⸗ trat und seitdem mit Ausnahme des Jahres 1860 lauter gute, wenn auch außer 1865 in quantitativer Hinsicht kaum Mittelherbste erreichende Wein⸗ jahre aufeinander gefolgt sind. Dabei waren die 1857er, 1862er und 1865er Weine von ganz vorzüglicher Qualität. Ein Theil der 1857er Weine wurde bald nach dem Abstiche zu sehr hohen Preisen (das Fuder
ofberger zu 12 — 1300 Thlr., Oligsberger zu 14—1500 Thlr., Seenehes un⸗ Piesporter zu 900 — 1200 Thlr.) verkauft. Diese Preise sind aber nur als ausnahmsweise zu betrachten. Nach einer Durchschnittsberechnung sind von den besten Weinen der verschie⸗ denen Flußgebiete nach dem ersten Abstiche in den Jahren 1857 — 1860 pro Fuder von 871 Quart oder 14 ½ Eimer erzielt worden: in den Kreisen Vernkastel und Wittlich 141 Thlr. 20 Sgr., im Stadt- und Landkreise Trier 130 Thlr. 25 Sgr. und im Kreise Saarburg 185 Thlr.; danach stellt sich der Gesammt⸗Rohertrag der Weinberge erster Klasse pro Morgen für die Kreise: Bernkastel und Wittlich auf 97 Thlr. 23 Sgr.; Trier (Stadt und Land) auf 77 Thlr. 9 Sgr. und Saarburg auf 82 Thlr. 5 Sgr. 9 Pf. Bringt man hiervon die Kulturkosten, die im Einzelnen, besonders durch die Verschiedenheit der Zahl der Weinstöcke, welche auf einen Morgen gepflanzt worden, sehr von einander ab⸗ weichen, in Abzug, so berechnet sich der I Morgen in den Kreisen: Bernkastel und Wittlich auf 27 Thlr. Sgr. 2 Pf., Trier (Stadt und Land) auf 19 Thlr. 29 Sgr. 6 Pf. und Saarburg auf 28 Thlr. 3 Sgr. 1 Pf.
Um schließlich noch den Antheil, welchen der Weinbau an der Mosel und Saar an der gesammten Weinproduktion des preußischen Staats hat, näher zu bezeichnen, bleibt anzuführen, daß nach den An⸗ gaben der Mitglieder der pariser Industrieausstellung von 1867 die durchschnittliche jährliche Weinproduktion Preußens einschließlich der neu erworbenen Landestheile 462,922 Eimer betragen hat. Davon treffen auf Moselwein (Laurentiusberger, Braunenberger, Grünhäuser, Trarbacher, Zeltinger ꝛc.) 178,462 Eimer oder 40,35 pCt., auf Saar⸗ wein (Scharzhofberger, Wiltinger zc.) 20,000 Eimer oder 4,50 pCt. Der Weinbau beider Flüsse hat also 44,85 p„Ct. oder fast die Hälfte des gesammten Weingewinnes Preußens geliefert. Die übrigen Weingegenden hatten dagegen folgende Antheile an der Gesammtproduktion: Weine des engen Rheinthalers (Aßmannshäuser, St. Goarshäuser, Kreuzberger, Linzer, Ober⸗ weseler, Griesberger ꝛc.) 77,000 Eimer oder 15,25 pCt., Nahe⸗ wein 60,000 Eim. oder 12,75 pCt., Rheingauwein (Rüdesheimer, Geisenheimer, Johannisberger, Hochheimer, Markobrunner, Erbacher, Rauhenthaler, Hattenheimer ꝛc.) 55,500 Cim. oder 12,00 pCt., Nieder⸗ schlesischer (Grüneberger, Gubener, Bomster, Posenscher) 28,000 Eim. oder 6/25 pCt., Ahrwein 20,000 Eim. oder 4,50 pCt., Naumburger (Freiburger, Landwein von der Saale und Unstrut) 10,735 Eim. oder 2,33 pCt., Lahnwein 6000 Eim. oder 1,25 pCt., Frankenwein 3224 Eim. oder 0,70 pCt. und Havelwein (von Potsdam und Branden⸗
burg) 500 Eim. oder 0,12 pCt.
Adolf Menzel als Darsteller preußischen Fürsten⸗ und Kriegerlebens. (S. die Bes. Beilage zu Nr. 304 d. Bl. v. J. 1868.)
Nach dieser Unterbrechung kehren wir zur Betrachtung der
Oelgemälde zurück, in welchen der Künstler einzelne Thaten
oder Scenen aus dem Leben preußischer Fürsten, und unter diesen wieder vorzugsweise Secg Friedrichs II., zum Gegen⸗ stande durchgeführter und abgeschlossener Darstellungen gemacht hat. Es war auf der berliner Kunstausstellung des Jahres 1850, als das erste dieser seiner Hauptwerke erschien: »Friedrich der Große bei Tafel im Kreise seiner Freunde und Tischgenossen auf Sanssouci 1750. Dasselbe erregte großes Aufsehen. Das Lokal ist der Speisesaal zu Sanssouci. Durch die geöffnete Glasthür sieht man auf die Terrasse. An der gedeckten runden Tafel sitzen die begünstigten Tischgenossen König Friedrichs um diesen, den geistigen Beherrscher und Mittelpunkt ihres Kreises, gruppirt. Der König, dem Beschauer gegenüber, wendet sich lächelnd zu Voltaire, der, sein Wort mit einer Handbewegung begleitend, ersichtlich ein geistreiches Bonmot oder eine witzige treffende emerkung zum Könige hinüberschickt, deren Wirkung sich in den Mienen und dem Verhalten der übrigen Tischgäste ausdrückt. Zwischen ihm und Friedrich II. sitzt General von Stille; vor Voltaire, nach dem Vordergrund zu Keith Lord Marishal, gleichsam aus dem Bilde heraus zu einem nur vom Rücken sichtbaren Tafel⸗ genossen gewendet. Ganz zunächst dem Beschauer, diesseits des Tafelrundes, Marquis d'Argens, zu dem lachenden de la Met⸗ trie sprechend; zunächst dem Letzteren tiefer im Bilde Graf Rothenburg, dann, etwas vorgeneigt, um kein Wort Vol⸗ taire's zu verlieren, Graf Algarotti, und hinter diesem, wieder dem König zu seiner rechten Seite, Feldmarschall Keith. Einige aufwartende Lakaien und Kammerhusaren sind im Hintergrund des Saales sichtbar, der fast in seiner ganzen Höhe bis zum Anfang des kreisrunden Plafonds über den Säulen mit den von dort niederhängenden Kronleuchtern dargestellt ist. Das Bild ist bekanntlich für die ständische Galerie des Kunstvereins erworben. 8 Es folgte auf dasselbe, gleichsam als Ergänzung der darin versuchten Schilderung des Geisteslebens an König Friedrichs Hofe, jenes zweite, das den König in der anderen Richtung seines friedlichen Thuns zeigt, in welchem der Feldherr und Regent von den großen ernsten Arbeiten solchen Berufs auszuruhen
liebte: Friedrich II. als Künstler, als ausübender Musiker. Dies
Bild »Hofkonzert zu Sanssouci 1750⸗ bezeichnet, erschien vollen⸗
det auf der Ausstellung von 1852. Das auf demselben dargestellte Konzert war während der Anwesenheit der Königlichen Schwester, der Markgräfin von Bayreuth, am Hofe veranstal⸗ tet. Sie sitzt auf dem Divan an der hinteren Spiegelwand des glänzend von Kerzen und Kronleuchtern erhellten Musik⸗ saals, ganz versunken in das Zuhören eines Konzertstücks, in wel⸗ chem der König selbst, vor seinem Notenpult stehend, ein Solo auf der Flöte bläst. Während seines Spiels scheint das beglei⸗ tende Streichquartett und Piano (an welchem Emanuel Bach, wie Benda als erster Geiger, fungirt) zu pausiren, den Schluß der Flötenkadenz abwartend, um dann wieder als Orchester einzufallen. Des Königs Lehrer Quanz lehnt im Vordergrund in der Nische, seinem Fürstlichen Schüler mit froher Genug⸗ thuung zuhörend. Ein andrer künstlerischer Hörer, Graun, neben dem Divan der Markgräfin stehend „drückt in seinen Zügen ebenfalls lebhafte 6 an des Königs Spiel aus. Damen vom Hofe in den goldlehnigen Fauteuils sitzend „ und Hofchargen und Kavaliere vor und hinter ihnen stehend, bilden das übrige Auditorium. Das Werk bildet den schönsten Schmuck der Galerie Jacobs in Potsdam.
Im Jahre 1854 folgte das, gegenwärtig in der Galerie Ravené's befindliche Bild, welches »Friedrich den Gröoßen auf Reisen« darstellt. Es sollte den König zeigen, wie er nach ge⸗ schlossenem Frieden, nach dem durchgekämpften siebenjährigen Kriege sich als der unmittelbar und persönlich sehende und eingreifende Wächter und Pfleger des Landes⸗ und Volks⸗ wohls beweist. Auf einer seiner Inspektionsreisen durch das Land hat er in einem Dorfe Halt gemacht, wo manches Ge⸗ bäude in Trümmern liegt, die Arbeit der Zimmerleute und Maurer aber bereits begonnen hat, sie nun wieder aufzurichten. Der König ist ausgestiegen und eilt mit hastigem Schritt, zwischen den Fingern der einen Hand eine Prise, in der andern den Krückstock, auf den, zum Vortrag über die Neubauten hierher beorderten Brenkenhoff zu, welcher die Pläne in seinen Händen noch einmal überfliegt. Dabei umdraͤngen die herbeigeeilten Bewohner von Dorf und Rittergut den König, der es nicht wehren kann, daß die Bauern hier, die Edeldame dort, sich nach seinem Rockschooß bücken, und der sich eben so wenig aufzuhalten vermag bei dem ehrfurchtsvoll sich neigenden Gutsherrn, seinem jungen Sohn, dem Kadetten, der Tochter mit dem Teller voll Erdbeeren in der Hand, noch bei all den andrängenden Land⸗ leuten, den Weibern mit Bittschriften in den erhobenen Händen, der Dorfjugend mit ihrem Schulmeister. Ueber diesen gestalten⸗ reichen Gruppen werden zur Seite und im Mittel⸗ und Hintergrund die Baugerüste, schon vorgerücktere Neubauten, vereinzelte Gehoͤfte und die alten Bäume des Dorfes sichtbar.
Für den breslauer Kunstverein malte Menzel g gleichzeitig das Bild einer historischen Episode aus des Königs Leben: die Huldigung der Stände des neugewonnenen Schlesiens an den jugendlichen Sieger im ersten schlesischen Kriege am 7. November jenes Jahres. Bekanntlich war es bei dieser Ceremonie vom Marschall versäumt, für das Reichsschwert zu sorgen, auf welches der Huldigungseid geleistet werden mußte. Der König half diesem Mangel schnell entschlossen ab, indem er den eigenen Degen zog und statt jenes Schwertes hinhielt; durch den Kuß auf diesen Degenknopf und den Eid ist dann der Huldigungsakt vollzogen worden. Das Bild Menzels zeigt den König auf der für den Thron errich⸗ teten Estrade stehend, den Hut auf dem Kopf, in einfacher Uni⸗ form, den gezogenen Degen vorgestreckt in der Rechten, der Saal erfüllt mit den geistlichen und weltlichen Ständen des H. erzog⸗ thums in ihrer Amtstracht, einzelne Herren sich dem Throne nähernd und seine Stufen hinansteigend. . 8*
Die Organisation der amtlichen Statistik in England. 1
Eine statistische Centralbehörde giebt es in England nicht. Eine jede Behörde sammelt und bearbeitet selbstständig die statistischen Daten ihres Ressorts und publizirt sie in Gestalt regelmäßiger periodischer, meistens jährlicher oder halbjährlicher Berichte — Reports — der so⸗ genannten Blaubücher, wobei zu bemerken, daß diese in ihrem wei⸗ testen Sinne die sämmtlichen parlamentarischen Druckschriften um⸗ fassen. Diese periodisch erscheinenden Berichte sind äußerst zahlreich, und in der That giebt es jetzt wohl keinen Zweig des öffentlichen Dienstes mehr, der nicht jährlich, in einzelnen Fällen halbjährlich in dieser Weise Rechenschaft ablegte und über sich selbst Bericht erstattete. Einige dieser Berichte haben bereits ein ansehnliches Alter erreicht, die meisten sind jedoch jüngeren Ursprungs. Jene bereits seit einer längeren Reihe von Jahren regelmäßig erscheinenden Berichte sind hauptsächlich diejenigen über die Forsten (seit 45 Jahren), die öffent⸗ lichen Werke und Gebäude (40 J.), den öffentlichen Unterricht in Irland (35 J.), die Auswanderung (26 J.), die oͤffentlichen Archive 26 J), Irrenanstalten (21 J.), Armengesetze (20 J.) u. A. Diese Berichte waren wesentlich parlamentarischen Ursprungs, d. h sie wurden gelegentlich durch ausdrücklichen Beschluß des Parlaments ins Leben gerufen, nicht durch die Initiative der Regierung; ihrem ursprünglichem