1869 / 21 p. 6 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

Aenderungen, die der Entwurf erleidet, nicht die Einheitlichkeit des rinzips und den inneren organischen Zusammenhang der daraus ab⸗ eleiteten Rechtssätze durch Ausnahmen, Beschränkungen oder sonstige Ab⸗ weichungen alteriren. Denn, wie ziemlich allgemein anerkannt wird, ist es

einer der großen Mängel unserer privatrechtlichen Gesetzgebung, von der

Redaktion des A. L. R. herab, bis auf unsere Tage, daß so häufig die Ein⸗

heitlichkeit der Prinzipien und damit die Einfachheit des Rechtszustandes urchbrochen wird durch Ausnahmen, welche man beliebt hat, theils m einer angeblichen Billigkeit Rechnung zu tragen, die dann in der Regel auf der andern Seite zur Unbilligkeit führt, oder um einer unmittelbar hervortretenden Nützlichkeit einzelner Fälle zu genügen, wo man dann den einzelnen Fällen eine zu große Tragweite gegeben hat. Daher kommt die alles überwuchernde und doch niemals zu erschöpfende

Casuistik unserer Gesetzgebung, die stoffliche Ueberladung derselben und

der Mangel an durchsichtiger und übersichtlicher Erkennbarkeit des Rechts. Wollen wir uns aber jetzt in Preußen das Ziel stecken, wie wir es uns wohl stecken müssen, eine Einheit des Rechts für den Staat zu gewinnen und zugleich ein Rechtsvorbild für diejenigen deutschen Staaten zu werden, die mit uns geeinigt sind, so müssen wir mit diesem casuistischen Charakter der Gesetzgebung ganz und voll⸗ brechen. Nach dieser Richtung hin soll der Entwurf ein Ver⸗ uch sein, er soll das Immobiliarrecht möglichst auf einfache Grund⸗ sätze zurückführen, und man hofft dadurch sicherer zu erreichen, als durch eine casuistische Gesetzgebung, daß das Entstehen von Kontro⸗ versen und von verwickelten Rechtsstreitigkeiten vermieden werde. Mit dieser Eigenthümlichkeit des Entwurfs hängt eine andre zusammen, die vielleicht bei Manchen manche Besorgnisse erregt: der Entwurf vermeidet jede bevormundende Vorsorglichkeit gegen Leicht⸗ sinn oder Uebereilung, welche in unserer bisherigen Gesetzgebung, na⸗ mentlich im Allgemeinen Landrecht, manche verwirrende Detailvor⸗ schrift erzeugt hat, und indem sie fast niemals ihr Ziel erreicht, für alle Diejenigen eine große Belästigung ist, die gewohnt sind, ihre Rechtsangelegenheiten mit Sorgfalt und Umsicht zu betreiben, und sich nicht wollen gehindert sehen durch eine Menge formaler, schützender Vorschriften.

Wie bei jeder neuen Vorlage, so gewiß bei einer so wichtigen, tritt die Frage in den Vordergrund, ob das Material, welches hier zur Verarbeitung kommt, denn eigentlich schon reif ist, um es zu einem gesetzlichen Abschluß zu bringen. Die Königliche Staatsregierung hat nicht zweifeln können, diese Frage ohne Bedenken zu be⸗ jahen. Man kann in einer gemelsen Weise vielleicht berech⸗ tigt sein zu der Behauptung, daß das Material anfängt, überreif zu werden. Die öffentliche Diskussion hat sich mit allen den Fragen seit einer Reihe von Jahren in der umfassendsten Weise tief und breit beschäftigt, die Literatur ist angewachsen zu einer fast unüber⸗ sehbaren Masse, öffentliche Verhandlungen namentlich in beiden Häusern des Landtages haben stattgefunden, die Berichte aller derjenigen Behörden, welche bei dieser Frage interessirt und sachverständig sind, die Gutachten der Universitäten sind eingezogen. Der Entwurf von 1864, welcher veröffentlicht worden ist, hat alle die Fragen bereits zur Erörterung gezogen, die in dem jetzt vorliegenden Entwurfe zur Entscheidung ge⸗ bracht werden. Die Königliche Staatsregierung hat daher auch keinen Anstand nehmen können, jetzt den Entwurf sofort dem Hohen Hause vorzulegen, um seinen endlichen gesetzlichen Abschluß zu erreichen. Sie kann nur den Wunsch aussprechen, daß dieser gesetzliche Abschluß ohne weitere Verzögerung erreicht werden möge, zumal die Verhältnisse in den andern Provinzen es dringend wünschenswerth machen, mit Re⸗ formen für sie so schleunig als möglich vorzugehen.

Bei Ausarbeitung des Entwurfs ist man von einem allgemei⸗

nern Standpunkte ausgegangen, als er bei den bisherigen Entwürfen zu Grunde gelegen hat. Die Königliche Staatsregierung hofft, daß dieser allgemeine Standpunkt die Billigung des Hohen Hauses erfahren wird, daß insbesondere anerkannt werden wird, daß derselbe nicht blos ein nützliches, sondern jetzt ein nothwendig gebotener und darum keineswegs ein willkürlich gewählter ist. Es ist bereits vor Ihnen ausgeführt worden, daß jetzt innerhalb des preußischen Staates die drei großen Rechtsgebiete des gemeinen deutschen Rechts, des allge⸗ meinen Landrechts und des französischen Rechts, jedes in namhaften Landestheilen coordinirt und unvermittelt neben einander gelten. Es ist nicht meines Amtes, hier auf die großen Vortheile hinzuweisen, die es haben würde, wenn es gelänge, diese Dreigetheiltheit des Rechts zu überwinden und ein einheitliches Recht für den ganzen Staat zu ge⸗ winnen. Ich halte mich an das, wozu die Vorlage zu⸗ nächst Veranlassung bietet. Der Rechtszustand auf dem Gebiete des Immobiliarkredits bedarf in allen Provinzen des preußischen Staats tiefgreifender Reformen. Die Klagen, daß die Hypothekenordnung v. J. 1783 und das Allgemeine Landrecht jetzt veraltet sind, den heu⸗

tigen Bedürfnissen des Lebens und Verkehrs, den heutigen Wirthschafts⸗

methoden nicht mehr entsprechen, sondern überall hemmend und beengend in den Weg treten, sind von Jahr zu Jahr lauter und dringender ge⸗ worden. Daß der Zustand in den VLändern des gemeinen Rechts, soweit dieses auf den Grundsätzen des römischen Rechts beruht, weil ihm jede erkennbare kreditsichernde Oeffentlichkeit und Ein⸗ facheit der Nangordnung fehlt, dem Immobiliarkredit schädlich ist, bedarf keiner weiteren Ausführung. Daß auch das französische Recht mit seinem werthlosen Transtkriptions⸗ und Inskriptionssystem, mit seinen Privilegien und gesetzlichen Hypotheken dem Realkredit nicht

rderlich ist, beweisen die auf diesem Gebiete seit Jahren aufgewen⸗

ten Bemühungen, eine Reform zu erreichen. Relativ am leichtesten äßt sich nun eine solche Reform in denjenigen Landestheilen durchführen, in denen der Boden dazu schon am meisten vorbereitet ist, in den Gebieten, in denen die Hypothekenordnung und das Allgemeine Landrecht gilt, weil hier bereits did erste unerläßliche Voraussetzung, die Existenz von Grund⸗ und Hypothekenbüchern, gegeben ist, es also sich hier nicht sowohl um eine totale Neubildung als um eine Fortbildung, um eine Anknüpfung an schon Gegebenes handelt. Lediglich aus diesem äußern Grunde ist

354

Duplizität in der

8 8 W“ 89

8 —1 . 11“”“

in dem Eingange der Vorlage die Bestimmung gegeben, daß das vor⸗ geschlagene Gesetz zunächst für diese Landestheile gelten solle. Es ist aber die Absicht der Königlichen Staatsregierung, nach denselben Grundsätzen unverweilt die Reformen auch in den andern Provinzen einzuführen. Es versteht sich dabei von selbst, daß die des Ueber⸗ ganges vor der Einführung neuer Institutionen der orgfältigsten Prüfung unterbreitet wurde. Man würde daher den Entwurf, wie mir scheint, unrichtig beurtheilen, wenn man ihn blos messen wollte nach dem Maße derjenigen Bedürfnisse, die im Gebiete der Hypo. thekenordnung und des Allgemeinen Landrechts hervortreten. Hät. ten diese Bedürfnisse allein entscheidend sein sollen, so hätte die Reform eine viel nges begrenzte werden müssen. Man hätte sich begnügen können, eschränkungen, Hindernisse, einiges Veraltete hinwegzuräumen, Kontroversen, die in der Juoikatur hervorge. treten sind, zu entscheiden, hier und da formale Erleichterun. gen eintreten zu lassen. Hätte man diesen Weg beschritten, so hätte man von vorn herein verzichten müssen auf das Stre⸗ ben, ein einheitliches Recht für den Staat zu gewinnen. Man hätte namentlich auch verzichten müssen auf den Anschluß und auf den Ausgleich mit den neuen Gesetzgebungen in anderen Staaten des Norddeutschen Bundes, welche in neuerer Zeit auf diesem Gebiete be. reits Fortschritte gemacht haben, die wir erst noch zu erreichen haben.

Unter den Prinzipien, die dem Entwurf zu Grunde gelegt sind, sind wohl diejenigen, die der erste Abschnitt darbietet: »Vom Erwerbe des Eigenthums an Grundstücken«, am meisten die neuen, durch un⸗ seren bisherigen Rechtszustand am wenigsten vorbereiteten. Zwar kann man dies von dem an die Spitze gestellten Satze, daß das Grundeigenthum im Falle der freiwilligen Veräußerung nur durch Eintragung solle erworben werden können, nicht behaupten. Denn bekanntlich ist es bereits in der preußischen Rechtsliteratur vielfach be⸗ hauptet, daß dieser Satz, wenn auch unklar und einigermaßen verdun⸗ kelt, doch schon in der Hypothekenordnung und im Allgemeinen Land⸗ recht enthalten sei, und daß erst eine neuere romanisirende Richtung der Jurisprudenz auf den Abweg geführt habe, daß das Eigenthum an Grundstücken auch erworben werden könne durch Uebergabe unter einem Rechtstitel auch ohne die Eintragung, eine Jurisprudenz, die durch den vielbesprochenen Plenarbeschluß des Ober⸗Tribunals vom Jahre 1854 fest estellt worden ist. Mag nun die Polemik gegen diese Ansicht eine mehr oder weniger gerechtfertigte sein, so steht doch wohl so viel zu hoffen, daß man sich mit dem atze, daß durch die Eintragung und nur durch sie das Eigenthum am Grundstück erworben werde, am ehesten befreunden, daß er am leich· testen bei uns Eingang finden könne; denn er ist doch nur die Vollendung, wenn ich mich so ausdrücken darf, der letzte Ruck einer stehengebliebenen Entwicklung zu ihrer Vollendung. Man hat wohl behauptet, daß diese Theorie der Eintragung nichts weiter bedeute, als

daß sie indirekt die jetzt seit Jahrzehnten in Preußen suspendirte

zwangsweise Berichtigung des Besitztitels wieder einführe, und man befürchtet, daß dadurch alle die Uebelstände und folgeweise alle die Klagen wieder hervorgerufen werden, welche früher bestanden vor Suspension dieser Vorschrift. -

das eigentliche Wesen der zwangsweisen Berichtigung des Besitztitels und ihr begriffliches Verhältniß zur Eintragungstheorie vollständig. Beide haben mit einander nichts weiter gemein, als die rein äußerliche Thatsache, daß in dem einen und dem andern Falle der Name des Eigenthümers in das Hypothekenbuch eingetragen werden muß; im Uebrigen unterscheiden sie sich wesentlich. Die dem preußischen Recht eigenthümliche Einrichtung der zwangsweisen Berichtigung des Besitz⸗ titels ist ihrer Natur nach gar kein Institut des Privatrechtes, sie ist eine polizeiliche Einrichtung im Interesse der öffentlichen Ordnung. Weil nach den Grundsätzen des Allgemeinen Landrechts durch Ueber⸗ gabe das Eigenthum erworben wird, und nur Derjenige in das Hy⸗ pothekenbuch als Eigenthümer eingetragen werden durfte, der sein er⸗ worbenes Eigenthum nachwies, so sehlte es Denen, die ihr Eigen⸗ thum schon erworben hatten, an einem drängenden Antriebe, wenn nicht besondere Interessen dazu nöthigten, diese Eintragung zu be⸗ wirken; sie war für sie unter Umständen überflüssig. Nun existirten aber bereits in Preußen die Grund⸗ und Hypothekenbücher. Sie hatten und mußten haben den Zweck, eine sichere und vollständige Auskunft über die Eigenthumsverhältnisse zu bieten. Fehlte nun den Eigenthümern der Antrieb, sich selbst zur Eintragung zu melden, so war die Gefahr vorhanden, daß die Grund⸗ und Hypothekenbücher ihre Bestimmung des vollständigen Eigenthumnachweises verloren und es mußte folge⸗ weise zum Zwange geschritten werden, um sie zu nöthigen, diese Ein⸗ tragung vorzunehmen. Der Zwang wurde ausgeübt durch Ordnungs⸗ strafen. Schon dies Moment beweist, daß die ganze Einrichtung nicht organisch in das Privatrecht hineingehört. Natürlich wurde dies Alles als schwerfällig und weitläufig, als lästig empfunden, eine Menge be⸗ rechtigter Klagen traten hervor, die denn in den dreißiger Jahren zur Suspension führten. Ganz anders verhält es sich dagegen mit der vom Entwurf adoptirten Eintragungstheorie. Hier wird Niemand ge⸗ zwungen, sich eintragen zu lassen, denn es kann ja auch Nie⸗ mand gezwungen werden, Grundeigenthum zu erwerben. Wer aber Grundeigenthum erwerben will, muß den Erwerbakt in derjenigen Form, unter derjenigen formellen Voraussetzung vollenden, die das Ge⸗ setz für den Erwerbakt vorschreibt. Wer also Grundeigenthum erwerben will, muß sich eintragen lassen, ob er es will, bleibt ihm überlassen; von Ordnungsstrafen, um es herbeizuführen durch Zwang, ist nicht die Rede. Es wird also auch derjenige, dem auf Grund eines Veräußerungsvertrages das Grundstück übergeben worden ist, nicht, wie er es nach dem Landrecht ist, wirklicher oder wahrer Eigenthümer im Gegensatz zu einem fingirten oder Bucheigenthümer. Die Person des Eigenthümers bei demselben Grundstücke, wonach es möglich ist, daß zwei verschiedene Eigenthümer bei demselben Grundstück existiren mit entgegengesetzten Interessen, ist von vornherein unmöͤglich gemacht. Es wird aber wohl

8- 2 11“

8

Meines Erachtens verkennt eine solche Behauptung

ugegeben werden können, daß wenn wir darnach streben, ein einheit⸗ siches Recht auch für andere Provinzen zu gewinnen, wir mit einer so unklaren und durchaus ungesunden Theorie, wie die, welche zur Duplizität des Eigenthums führt, nicht vorschreiten dürfen, und daß von anderen Landestheilen ihnen die Aufnahme eines solchen Instituts nicht zugemuthet werden kann. Neu aber und in unserem bisherigen Rechts⸗ zustande nicht vorbereitet ist die in den Entwurf aufgenommene Auf⸗ lassungstheorie. Die Auflassung, ein Institut des deutschen Rechts, seit Rezeption des römischen Rechts auf einen lokalen und provin⸗ ziellen Geltungsbereich zurückgedrängt, hat in neuerer Zeit eine ent⸗ schiedene Vorwärtsbewegung gemacht, sie hat sich durch nam⸗ hafte Gesetzgebungen ein bedeutendes Terrain der Geltung zurück⸗ erobert; eine neue Gesetzgebung über das Immobiliarrecht ist daher genöthigt, sich zu diesem Institut in ganz bestimmtes Verhältniß zu setzen; sie muß es daher entweder bestimmt annehmen oder ganz ab⸗ lehnen, ein Ignoriren ist nicht mehr möglich. Die Königl. Staats⸗ regierung hat dieses Rechtsinstitut aufgenommen, sie mußte schon von dem allgemeinen Standpunkte aus, der für die Vorlage maßgebend gewesen ist, zu diesem Resultate gelangen, namentlich von dem Stand⸗ punkte, partikularrechtliche Unterschiede zu überwinden und zu einer Rechtseinheit innerhalb des ganzen Staates und in weiterer Aussicht innerhalb des Norddeutschen Bundes zu gelangen. Unmöglich kann man nämlich denjenigen Staaten, die mit uns vereinigt sind, die durch ihre neuere Ges⸗ etzgebung die Auflassungstheorie angenommen haben, zumuthen, um der Rechtseinheit willen dieselbe wieder aufzugeben und zu einem von ihnen überwundenen Standpunkt wieder zurückzukehren. Es trat aber auch zur Anerkennung dieses Instituts eine andere Erwägung hin⸗ zu. Das Institut der Auflassung hat sich nach dem übereinstimmenden Gutachten aller Autoritäten überall da, wo es eingeführt ist, durchaus bewährt, weil es in der einfachsten, klarsten und sichersten Weise das Eigenthum von den Grundstücken feststellt und erkennbar macht, weil es hindert einen Rückfall in die römischrechtliche Traditionstheorie und die bevormundende Prüfung der Legalität der Rechtsakte. War aber einmal das Institut anerkannt, so ergaben sich daraus die weiteren Konsequenzen, die der Entwurf zieht, von selbst: das Absehen von dem Veräußerungsgeschäft, das Absehen von der Tradition und die Beseitigung der über das Maß hinaus gespannten sogenannten Schlechtgläubigkeit in dem Gebiete des Sachenrechts, wie sie das All⸗ gemeine Landrecht aufstellt.

Die Motive haben sich über diese speziellen Fragen so ausführlich verbreitet, daß ich Ihre Aufmerksamkeit ungebührlich in Anspruch neh⸗ men würde, wenn ich auf diese Details hier noch weiter eingehen wollte. Was der zweite Abschnitt in dem Gesetzentwurfe bietet, giebt auch wenig Veranlkassung zu allgemeinen Bemerkungen, er entspricht am meisten dem jetzt bestehenden Recht und die Ausnahmen, die von der Eintragungstheorie gemacht worden sind, sind so sehr durch das praktische Bedürfniß geboten, daß ein erheblicher Widerspruch da⸗ gegen kaum zu erwarten steht. Von⸗ größerer Wichtigkeit dagegen sind die Bestimmungen des dritten Abschnitts von dem Hy⸗ pothekenrecht. Es ist auf Seite 67 der Motive summarisch zusam⸗ mengestellt, worin die Abweichung des Entwurfs dem jetzigen Rechte gegenüber besteht. Indem ich mir erlaube, auf diese Stelle mich zu⸗ rückzubeziehen, möchte ich nur drei Bemerkungen allgemein hervor⸗ heben. Einmal der Entwurf beschäͤftigt sich ausschließlich in dem Ab⸗ schnitt mit dem Recht der Individual⸗ Hypotheken. Die neuerdings vielfach aufgeworfene Frage, ob sich Prinzipal⸗Grundschulden konstituiren lassen und ob sie in das Rechtssystem aufgenommen werden können oder sollen, ist eine Frage von außerordentlich großer Tragweite, denn sie hat die Bedeutung, ein ganz neues Recht und ein dem bis⸗ herigen Rechte völlig unbekanntes Institut zu schaffen, sie bedarf einer sorgfältigen dogmatischen Ausarbeitung im Einzelnen; die Frage also, ob Grundschulden in dieser Weise konstituirt werden können, ist eine von dem Entwurf abliegende. Es ist auch, wie mir scheint, nicht zulässig, in diesen Entwurf Promessen aufzunehmen, daß künf⸗ tige Gesetze derartige Verhältnisse regeln werden, denn wenn sie sich bewähren, wenn sie ein wahres Bedürfniß sind, wenn sie sich dog⸗ matisch rechtfertigen lassen, dann wird die Gesetzgebung sie auch schaffen mit oder ohne dergleichen Versprechungen. Es würde aber dem Charakter eines kodifizirenden Gesetzes wenig entsprechend erscheinen, wenn man in demselben nicht diejenige Materie, die in dasselbe hineingehört, voll⸗ ständig normirte, und dafür auf andere Gesetzen, die erst noch kommen sollen, und bei denen erst noch eine Reihe ganz anderer Fragen zu er⸗ örtern ist, verweisen wollte. Man hat zweitens in der neueren Zeit hauptsächlich seine Polemik gegen das bestehende Hypothekenrecht daraus hergeleitet, daß eine Hypothek ein sogenanntes accessorisches Recht ist. Unter dem Begriff des accessorischen Rechts versteht man nach unserm jetzigen Rechte, daß die Hypothek nicht sowohl die Be⸗ stimmung hat, einen andern obligatorischen Anspruch zu sichern, also ihren Zweck nicht in sich selbst trägt, sondern in einem außerhalb ihrer liegenden Rechte, daß sie hauptsächlich die Bestimmung hat, ihre Gültigkeit aus der Gültigkeit des Anspruchs zu empfangen, den sie sichern soll, daß ihre Gültigkeit also eine von der Gültigteit des Anspruchs abhängige ist. Diese Theorie, wesentlich dem römischen Recht entlehnt, gilt in unserm preußischen Recht, gegen sie hauptsächlich richten sich die Angriffe. Diese Angriffe sind berechtigt, übrigens auch nicht ohne historische Anknüpfungen, denn von jeher war die deutschrechtliche Entwickelung eine andere. Zwar soll die Hypothek immer das Zurücktehren eines hingegebenen Kapitals und die fortdauernden Leistungen, die aus solchem Kapital hervorgehen, sichern; insofern wird jede Hypothek, man mag sie kon⸗ struiren, wie man will, und ihr einen Namen beilegen, welchen man will, ein Sicherungsrecht sein, sie wird außerhalb ihrer ihren Zweck haben; aber sie soll ihre Gültigkeit in sich selbst tragen, der Akt der Bestellung der Hypothek soll sie gültig machen, und das ist das, was der Entw urch seine Be⸗

22

355

5 82 5 u 88

stimmungen zu erreichen trachtet. Trägt die Hypothek ihre Gültigkeit in sich selbst, so ist ihre Verfolgbarkeit gesichert und es sind alle Fra⸗ gen leichter zu lösen, die aufgeworfen werden, und alle Wünsche leichter zu erfüllen, die hervorgetreten sind, um ihre Begebbarkeit, ihre Verkehrsfähigkeit zu erleichtern. Dadurch wird einem Bedürfnisse entgegengekommen von Seiten der Gläubiger, von Seiten der Kapi⸗ talisten, die nun nicht mehr der Gefahr ausgesetzt sind, in weitläufige Rechtsstreitigkeiten verwickelt zu werden, wenn sie ihre Hypothek ver⸗ wirklichen wollen Drittens aber mußte auch dem Bedürfniß der Grundbesitzer insoweit Genüge geschehen, als anzuerkennen ist, daß dem Grundbesitzer das leichteste Mittel geboten werden muß, den Werth seines Grundstücks für seinen Kredit auszunutzen. Das positive Recht hat in Preußen bereits durch die sogenannte Hypothek des Eigenthümers

die seit dem Anhangsparagraphen 52 und seit der Deklaration vom Jahre 1824 eingeführt ist, aber nicht in unser sonstiges Hypothekensystem organisch hineinpaßt, schon den Anfang gemacht. Lassen wir es einen häuslichen Streit der Juristen sein, wie sich die Hypothek des Eigen⸗ thümers eigentlich juristisch konstruiren läßt, ob es logisch juristisch denk⸗ bar ist, daß Jemand, der das allumfassende Recht in seinem Grund⸗ stück besitzt, auch noch nebenbei außer dem naturalen Grundstück dasselbe als Kapital in seiner Kassette liegen haben kann, und ob er, wenn er derartige Hypotheken in seinem Kasten hat, deswegen wirklich noch außer und neben dem Eigenthum ein besonderes Recht an seinem Grundstück hat. Soviel steht jedenfalls fest und ist durch die Er⸗ eragg festgestellt, daß ein entschiedenes Bedürfniß dahin drängt, dem Grundbesitzer die Möglichkeit zu geben, je nach dem Grade seines Kreditbedürfnisses Hypotheken mit verschiedenen Prioritäten zu be⸗ geben. Der Entwurf will diesem Gedanken eine systematischere und in seine Grundprinzipien hineinpassende Entwicklung gewähren; er hat die Hypothek des Eigenthümers nicht bloß in dem Fall angenommen, den das bisherige Recht schon kennt, daß eine an den Eigenthümer zurückgefallene Hypothek ihm zur weiteren Begebung zur Disposition gestellt ist, sondern er hat auch gestattet, daß der Eigen⸗ thümer von Hause aus auf seinen eigenen Namen Hypotheken be⸗ stellen kann und giebt ihm dadurch die Möglichkeit, die Hypotheken, je nachdem er es nach seinem Kreditbedürfniß nöthig hat, in einzelnen Points zu begeben. Ist parallel der Auflassungstheorie im Hypo⸗ thekenrecht entscheidend die sogenannte Konsenstheorie, d. h. daß die Hypothek ihre Gültigkeit nur aus dem Bewilligungsakt des Eigen⸗ thümers entnimmt, so ergiebt sich von selbst und mit Noth⸗ wendigkeit, daß die im vierten Abschnitt enthaltene Aufhebung des Legalitätsprinzips eintreten muß; es hat nicht blos keine Nützlichkeit mehr, sondern es fehlt auch die Möglichkeit, die außerhalb des Auf⸗ lassungsaktes, außerhalb des Bestellungsaktes der Hypothek oder hinter diesem Akte liegenden Rechtsgeschäfte weiter zu prüfen. Unter den vielen Kontroversen, die auf diesem Gebiete gegenüberstehen, und bei der großen Meinungsverschiedenheit, die sich immer noch geltend macht, wenn von einer Reform des Hypothekenrechts gesprochen wird, ist doch wohl, wie mir scheint, die rage, ob das Legalitätsprinzip, wie es bisher das preußische Recht verstanden hat, auf⸗ zugeben sei oder nicht, im Wesentlichen ziemlich einstimmig dahin beantwortet, daß es aufgegeben werden müsse. Wie esagt: daß es dem preußischen Juristen schwer wird, das bisherige echtssystem in so erheblicher Weise zu ändern, ist eine sehr natürlich und erklärliche Erscheinung. Wer wollte der Gesetzgebung, die, in der e Fride⸗ ricianischen Zeit conzipirt, damals so wesentliche Fortschritte gegen⸗ über dem Zustande des gemeinen Rechts darbot und so wesentliche Dienste für die Entwickelung der Staatseinheit Preußens geleistet hat, jemals Anerkennung und Hochachtung versagen? Aber Gesetz⸗ bücher stehen still, die Bedürfnisse des Lebens und des Ver⸗ kehrs entwickeln sich unablässig und stetig auf fortschreitender Linie. Wo diese Bedürfnisse durch die stehen gebliebenen Ge⸗ setze nicht mehr befriedigt werden können, wo den Gesetzen die Dehnbarkeit fehlt, sich den neuen Verhältnissen anzuschließen und sie zu normiren, da müssen die Gesetze geändert werden. Wir leben in einer Periode, wo dieser Schritt, er mag uns schwer oder leicht werden, gethan werden muß. Das System des Allgemernen Land⸗ rechts ist schon vielfach, theils durch einzelne Gesetze von geringerem Umfange und Tragweite, theils insbesondere durch die umfassende Gesetzgebung auf dem Gebiete des merkantilen Verkehrs e ändert, und eine noch viel umfassendere Umgestaltung steht ihm . vor, sobald der Norddeutsche Bund seine Aufgabe in Betreff des Obli⸗ hantee8649. gelöst haben wird. Wie viel wird da noch übrig leiben? Die eine Reform zieht die andere nach sich! Wir müssen den Muth haben, das Ueberlieferte durch Neues zu ersetzen. Wie nun auch dem jetzigen Gesetzesvorschlage der endliche Abschluß zu Theil werden wird, wie mannigfach und erheblich auch die Aenderungen und Besse⸗ rungen sein werden, immerhin wird dieser Abschluß ein Zeugniß dafür abzulegen haben, ob wir in Preußen Einsicht, Kraft und Willen haben, ein nationales, einheitliches Recht zu schaffen, die fremden Rechtsstoffe auszuscheiden, oder ob wir noch ferner in partikularisti⸗ schen Unterscheidungen stecken bleiben wollen.

8 Verkehrs⸗Anstalten.

Am 19. Januar hat die baupolizeiliche Revision der von der Magdeburg⸗Halberstädter Bahn erbauten Strecke Halberstadt⸗Vie⸗ nenburg stattgefunden. Die Betriebseröffnung der neuen Strecke ist für die ersten Tage des nächsten Monats in Aussicht genommen.

Flensburg, 23. Januar. Das »Amtsblatte enthält eine Be⸗ kanntmachung, nach welcher die Projektirungsarbeiten einer direkten Bahn: Berlin⸗Schwerin⸗Lübeck⸗Kiel⸗Flensburg demnächst begonnen werden. 8 88

9 8 11. 1“ 1u“