Wahlreform zum Ausgange ihrer Vorschläge machen, weil nur von weiter zu wandeln« und den Widerstand »allmälig und schrittweise⸗
einem in Detail klar vorliegenden Reformprojekte ein Schluß auf die erwarteten Erfolge und somit auf den Werth des ganzen Programms möglich ist. Ein Programm aber, dessen Kern sich selbst als ein ungelöstes Problem darstellt, darf wohl mit Fug und Recht als ein „proble⸗ matisches Projekt« bezeichnet werden.
Die Versicherungen, daß die Majorität des Ministeriums, ehe sie über die Frage der Wahlreform einen definitiven Beschluß faßt, sich mit den Mitgliedern des Reichsraths besprechen und die gestellten Anträge nicht einem zweifelhaften Schicksale in den Verhandlungen und Beschlüssen des Reichsraths aussetzen werde, sind wahrlich zu dürftiger Natur, als daß sie dem ganz und gar in der Luft schweben⸗ den Wahlreform⸗Projekt irgend einen Halt zu leihen vermöchten. Wenn übrigens die Minister der Majorität auch hier wieder Anlaß nehmen, zu erklären, daß sie Ew. Maäjestät keine Anträge unterbreiten werden, welche den verfassungsmäßigen Boden verlassen, so mag die Versicherung der Verfassungstreue an
dieser Stelle allerdings durch die Erinnerung an die That⸗ sache gerechtfertigt sein, daß nicht alle Mitglieder der Ma⸗ jorität bei den Verhandlungen über die Wahlreform im Mi⸗ nisterrathe die verfassungsmäßigen Rechte der Landtage geziemend beachten zu wollen schienen.
Die ehrfurchtsvollst unterzeichneten drei Minister der Minorität müssen aber das auf dem noch ungelösten Probleme einer unbestimm⸗ ten Wahlreform beruhende Programm der Majorität auch als ein gefährliches Projekt erklären.
Mit anerkennenswerther Offenheit sprechen es die Minister der Majorität aus, daß sie bei der Durchführung der heute noch ihnen selbst ganz unklaren Wahlreform den doppelten Zweck verfolgen, einerseits die sich von der verfassungsmäßigen Mitwirkung ausschlie⸗ ßende Opposition »allmälig und schrittweise zu beugen« und anderer⸗ seits den Reichsrath zu stärken und den Angriffen der Oppo⸗ sition gegenüber in seiner Existenz und Wirksamkeit unabhängiger zu machen.«
Daß die durchgeführte Wahlreform für sich allein auf die Opposition nicht den mindesten sänftigenden Einfluß üben, ja daß der Versuch der Wahlreform für sich allein selbst jene Fraktion der nationalen Opposition in ihrem Widerstande schärfen wird, welche bisher ihre Mitwirkung im Reichsrathe nicht versagte, wird kaum ernstlich bestritten werden wollen.
In der ohne Zugeständnisse an die nationale Opposition durch⸗ geführten Wahlreform erblickt die nationale Opposition nur die Ver⸗ wirklichung deutscher Unterdrückungsgelüste. Die, wenn auch ganz unbegründete Voraussetzung dieser letzteren wird genügen, um die nationale und separatistische Opposition noch mehr aufzustacheln.
Zuletzt werden die in ihren Erwartungen unbefriedigten Polen endlich dennoch den Reichsrath verlassen und damit das äußerste ihnen zu Gebote stehende Pressionsmittel versuchen. Ihr Aufbruch wird das Signal für die Slovenen und Tiroler geben, und verlassen und ver⸗ ödet wird, nicht die volle Vertretung der Westhälfte des Reichs, son⸗ dern die deutsche Partei im Abgeordnetenhause tagen. Wenig wird s ihr nützen, daß sie sich etwa der Zahl nach verdoppelt hat; sie wird doch nicht die Völker der Westhälfte des Reiches, sie wird einzig und allein nur die gefügige deutsche Regierungspartei ertreten; denn eine befruchtende Opposition würde diesem Rumpf⸗ arlamente zum tödtlichen Verderben gereichen. vermeidlich zur völligen Stagnation führenden Gestaltung der Volks⸗ vertretung eine Stärkung des Reichsrathes erblicken zu wollen, wäre doch etwas allzu sanguinisch. 8 Die Anwendung des Nothwahlengesetzes aber würde theils zu einer doch noch lückenhaften, theils zu einer dem verfassungsmäßigen Grundcharakter des Reichsrathes widerstreitenden Vertretung führen ünd könnte eben deshalb in keinem Falle als ein dauerndes Auskunfts⸗ mittel angesehen werden.
Und mit welchen Mitteln gedenkt wohl die Majorität des Mi⸗ nisteriums den Widerstand der Czechen vallmälig und schrittweise« zu beugen? Das Programm der Majorität schweigt darüber und wir begreifen dieses Schweigen. Schon ein Mal und zwar noch ehe von irgend einer Seite Verständigungsversuche gemacht worden waren, sah sich die Regierung genöthigt, zur Verhängung von Ausnahms⸗ maßregeln zu schreiten, welche die Lage in jeder Beziehung nur erschwerten und verschlimmerten. Die Majorität des Ministeriums erhebt den Vorwurf, daß durch die angestellten Vermittelungsversuche die Kraft der Regierung geschwächt worden sei und daß man es un⸗ möglich gemacht hat, zu erproben, welchen Erfolg das feste und ruhige Beharren einer in sich einigen Staatsverwaltung auf dem Boden der Verfassung erzielen kann. Die ehrfurchtsvollst Unterzeichneten aber dürfen aus ihrer Erfahrung und Ueberzeugung entgegnen, daß die Re⸗ gierung schon längst wieder zur Verhängung von Ausnahmsmaßregeln gedrängt worden wäre, wenn nicht die angebahnte Verständigung, deren „klägliches Mißlingen« in diesem Augenblicke wenigstens noch nicht behaup⸗ tet werden darf, durch den Einfluß der maßgebenden Persönlichkeiten zu einiger Mäßigung geführt hätte. Ist aber erst das Programm der Majorität des Ministeriums eine Wahrheit geworden, dann wird es nicht lange währen und die wieder heftiger und kühner hervortreten⸗ den Ausschreitungen werden abermals zur Suspendirung der ver⸗ fassungsmäßigen Rechte nöthigen. Oder glaubt die Majorität des Ministeriums, mit Preßfreiheit, Vereins⸗ und Versammlungsrecht und den keine Schuld entdeckenden czechischen Geschwornen » allmälig und schrittweise« den fort und fort zunehmenden und immer unversöhnlicher anwachsenden Widerstand beugen zu können? Und wer vermag die Bürgschaft dafür zu bieten, daß die Verhängung des Ausnahmszustan⸗ des sich nicht auch noch in anderen Provinzen als nothwendig her⸗ ausstellen wird? Und woher schöpft die Majorität der Regierung die Gewißheit, daß ihr die äußeren Verhältnisse des Staates die lange
Muße gewähren werden, um den »Weg der Geduld und Ausdauer
In einer solchen un⸗
zu beugen?
Die ehrfurchtsvollst Unterzeichneten müssen es als eine wesentliche Lücke in den Ausführungen der Majorität bezeichnen, daß sich die Letztere der Erwägung der unmittelbaren und fernen Konsequenzen ihres Programms völlig entzieht. Für diesen empfindlichen Mangel dürfte es kaum tröstende Beruhigung gewähren, wenn, wiewohl aller⸗ dings richtig, darauf hingewiesen wird, daß die Schwierigkeit der Lage es nicht gestatte, Erfolge mit Sicherheit zu verbürgen, am allerwenigsten aber eine solche Bürgschaft für einen raschen Erfolg abzugeben. Die nächsten Konsequenzen und die letzten Erfolge sind eben verschiedene Dinge; aber die voraussichtlichen nächsten Kon⸗ sequenzen scheinen gerade dem Programme der Majorität gegenüber klar anzudeuten, daß es von dem gehofften schließlichen Erfolge kaum gekrönt werden dürfte. .
Für die ehrfurchtsvollst Unterzeichneten gebricht es daher an allen Momenten, welche geeignet wären, ihnen zu dem Programm der Majorität Vertrauen einzuflößen. Dazu kommt aber noch die Er⸗ wägung, daß es uns scheinen will, als ob das Programm der Majorität der Regierung nicht auch von der Majorität der Bevoͤlkerung acceptirt würde. Zwar auf die Majorität des Reichsrathes in seiner gegenwärtigen Zusammensetzung mag die Majorität des Ministeriums mit Sicherheit zählen können. Ob aber auch nur diese Majorität eine sehr bedeutende sein wird, steht denn doch noch in Frage. Wenigstens ist in dem Subkomite des Adreßausschusses des Abgeordnetenhauses die Majori⸗ tät nicht auf dem Standpunkte des Programms der Regierungs⸗ Majorität, und im Adreßausschuß selbst dürften sich die Stimmen nach den Richtungen der beiden Fraktionen der Regierung mit 8 gegen 7 Stimmen gegenüberstehen. Säßen aber alle jene Abgeord⸗ neten im Hause, welche sich von demselben ferne halten, dann wäre die Majorität wohl unzweifelhaft für diejenige Anschauung, welche eine Verständigung mit der nationalen Opposition wünscht, und in noch höherem Maße würde dieser Erfolg durch einen Appell an die Wähler zu Tage treten.
Mit diesen Bemerkungen glaäͤuben aber die ehrfurchtsvollst Unter⸗ zeichneten auch bereits die Richtung angedeutet zu haben, in welcher, auf streng verfassungsmäßigem Wege und auch mit einiger Voraus⸗ sicht auf Erfolg, jene Ziele anzustreben wären, in deren Nothwendig⸗ keit die Schwierigkeiten der gegenwärtigen Situation wurzeln. Schon aus dem, was wir über das Programm der Majorität des Mini⸗ steriums zu bemerken uns ehrfurchtsvollst erlaubten, geht hervor, daß wir die Lage des Reiches, wie sie sich in der Unfertigkeit der ver⸗ fassungsmäßigen Zustände seiner Westhälfte, in der stets zu größerer Leidenschaftlichkeit anwachsenden nationalen Opposition und bei der Unzuverlässigkeit dauernder friedlicher äußerer Verhält⸗ nisse darstellt, als eine bedenkliche betrachten müssen. Wir sind nicht der Meinung, daß nach den jüngsten Vorgängen selbst eine absolute Stabilität, also auch der Verzicht auf die Wahlreform, es möglich machen würde, den bisherigen Weg „mit Geduld und Ausdauer wei⸗ ter zu wandeln«. Wir glauben aber auch andererseits dargethan zu haben, daß die ohne Bewerkstelligung eines Verständnisses mit der na⸗ tionalen Opposition isolirt durchgeführte Wahlreform diese Opposition nicht beugen, sondern kräftigen, den Reichsrath nicht stär⸗ ken, sondern seiner allmäligen Selbstauflösung entgegenführen würde. Wir halten die absolute Herrschaft der Verfassungs⸗ partei über die gesammte nationale Opposition für durch⸗ aus unausführbar; gerade die verfassungsmäßigen Freiheiten, deren sich auch die Opposttion erfreut, werden nothwendig zur Ent⸗ ziehung derselben, zum Ausnahmszustande und letztlich zur offenen Auflehnung führen. Es kann endlich nicht unbeachtet bleiben, daß die Diskussion der Verfassungsfrage schon durch die Resolution des galizischen Landtages unvermeidlich geworden ist. Und wenn auch die Majorität des Ministeriums nur von einigen, die Verfassung selbst nicht berührenden administrativen Zugeständnissen wissen will, so wird gerade dieser letztere Umstand die Diskussion nur um so lebhafter und um so leidenschaftlicher gestalten, je mehr die galizischen Abgeordneten von den allzu weit gehenden gefährlichen Forderungen der Resolution ablassen, dagegen aber mit blos ad n ketbeh Zugeständnissen sich voraussichtlich nicht begnügen würden.
Angesichts dieser Perspektive halten es die ehrfurchtsvollst Unter⸗ zeichneten für ihre patriotische Pflicht, auszusprechen, daß die Herbei⸗ führung einer Verständigung mit der gesammten nationalen Opposi⸗ tion und die Heranziehung dieser letzteren zu gemeinsamer verfassungs⸗ mäßiger Wirksamkeit als die dringendste Angelegenheit der Regierung Ew. Majestät anzusehen und zu behandeln sein dürfte.
Auch die unterzeichnete treugehorsamste Minorität stimmt mit der Majorität darin überein, daß eine Aenderung der Wahlgesetze bezüg⸗ lich der Abgeordneten in den Reichsrath sehr wünschenswerth erscheine.
Die ehrfurchtsvollst unterzeichnete Minorität ist aber aus den umständlich dargelegten Gründen der Meinung, daß die gehofften wohlthätigen Folgen der Wahlreform nur dann zu erwarten sind, wenn mit ihr zugleich jene Aenderungen des Grundgesetzes über die Reichsvertretung zu Stande kommen, welche der nationalen Oppo⸗ sition nach ihren Anschauungen die Betheiligung an der gemeinsamen verfassungsmäßigen Wirksamkeit möglich machen.
Die ehrfurchtvollst Unterzeichneten sind aber auch weit entfernt davon, zur Herbeiführung des Verständnisses mit der nationalen Op⸗ position einen anderen als den legalen, den streng verfassungsmäßigen Weg zu empfehlen. Noch weit mehr als bei der Wahlreform, be⸗ züglich deren die Kompetenz der Landtage nicht ignorirt werden kann und darf, fallen alle Aenderungen an der Reichsverfassung, ins⸗ besondere an dem hier zunächst in Betrachtung kommenden Grund⸗ gesetze über die Reichsvertretung, in die ausschließliche und volle Kom⸗ petenz des Reichsrathes. Ja die ehrfurchtsvollst Unterzeichneten möchten, belehrt durch die unangenehme Erfahrung, welche die Regierung mi
der Befragung der 17 Landtage über die Wahlreform machte, auch nicht einmal eine bloße gutächtliche Befragung der Landtage im Sinne der Landesordnungen bevorworten. Nur indem der Reichsrath es ist, der über Aenderungen an der Verfassung entscheidet, wird allen
föderalistischen Ausschreitungen, allen Selbständigkeitsgelüsten einzelner Länder, welche auch wir ablehnen, eine gebieterische
Schranke gezogen. Schon die beabsichtigte Wahlreform allein würde es, wegen der
Bedeutung derselben an sich und nach ähnlichen Präzedenzfällen in anderen konstitutionellen Staaten, vollständig rechtfertigen, daß zur
Durchführung dieses hochwichtigen Aktes und bei der sowohl dem Reichsrathe als auch den Landtagen diesfalls zustehenden Kompetenz sowohl die Landtage als auch das Abgeordnetenhaus des Reichsrathes erneuert würden. Um so mehr geboten erscheint jedoch diese Erneue⸗ rung dann, wenn die Aenderung der Verfassung nicht blos auf das Wahlsystem beschränkt bleiben soll.
Sie wird aber vollends dem gegenwärtigen Reichsrathe gegenüber, der unvollständig und jeder über die Wahlreform hinausgehenden Verfassungsänderung abgeneigt ist, schlechterdings unvermeidlich, einer⸗
seits als in dem gegenwärtigen Falle vollkommen gerechtfertigter
Appell an die Bevoölkerung selbst, andererseits als ein Mittel, um die bisher fern Gebliebenen zum Eintritt in den Reichsrath zu bewegen.
Denn wird der nach Auflösung des jetzigen Reichsrathes und aller V
Landtage sofort einzuberufende ordentliche Reichsrath mit der solennen Erklärung einberufen, daß vor allem die Reform der Wahlgesetze und die zur allgemeinen Durchführung der Verfassung als nöthig erkannten Aenderungen derselben die vorzugsweisen Verhandlungsgegenstände bilden werden, dann darf nach der durch vielfache Informationen ge⸗ wonnenen Ueberzeugung der ehrfurchtsvollst Unterzeichneten und bei sonst zweckmäßigem Vorgehen der Regierung dem Zusammentritt des vollen Reichsrathes mit ziemlicher Gewißheit entgegengesehen werden.
Die Denkschrift der Majorität weist nun zwar auf die Unannehm⸗ barkeit der czechischen Deklaration, sowie darauf hin, daß von czechi⸗
scher Seite die Hand zur Verständigung bisher nicht geboten wurde. Dagegen erlauben sich jedoch die ehrfurchtsvollst unterzeichneten Mit⸗
glieder der Minorität zu erwiedern, daß die exorbitanten Forderungen, V
welche im leidenschaftlichen Kampfe der Parteien und unter dem Einflusse der zum Theil bis zum tiefsten Haß gesteigerten per⸗ sönlichen Antipathien erhoben werden, kein Maß für die gegen⸗ seitigen Zugeständnisse bieten, deren Gewährung bei einer fried⸗ lichen, vom Geiste und dem Willen zur Verständigung an⸗ gebahnten Vereinbarung angehofft werden darf. Denn das auch von der nationalen Opposition durchwegs anerkannte Interesse aller Volksstämme Oesterreichs an dessen Erhaltung wird, besonders bei gleichzeitiger Betheiligung der Abgeordneten aller Länder und Stämme an den Verhandlungen im Reichsrathe, jedes etwa noch auftauchende Sondergelüste in bescheidene, der Einheit und Macht des Ganzen nicht abträgliche Grenzen einschränken.
Die Denkschrift der Majorität spricht ferner von dem ekläglichen Mißlingen« aller bisher angestellten »Ausgleichsversuche« und meint, daß diejenigen, welche die Verständigung in die Hand nehmen zu müssen erachteten, kein Programm zu Tage gefördert haben, welches auch nur in ihrem eigenen Kreise als durchführbar, viel weniger als geeignet hätte betrachtet werden können, von den Gegnern angenom⸗ men zu werden.
Von eigentlichen Ausgleichsversuchen kann wohl strenge ge⸗ nommen überhaupt nicht, sondern es kann nur von Annäherungs⸗ versuchen gesprochen werden, die in der That nicht ohne gute Wir⸗ kung waren. Ueber einen »Ausgleich« konnten einzelne Personen, welche immer ihre Stellung sein möge, einfach schon darum nicht ver⸗ handeln, weil sie sich wohl bewußt waren, daß der »Ausgleich« nur auf verfassungsmäßigem Wege erfolgen könne, und auf diesen die dem⸗ selben widerstrebende Opposition hinzuleiten, mußte »das vorzüglichste Ziel aller Vermittlungsversuche« sein.
Schon aus diesem Grunde erklärt es sich, warum bisher auch
von Aufstellung eines den Ausgleich seinem Inhalte nach schon
jetzt präcis definirenden Programmes keine Rede sein konnte. Wenn die Minorität bezüglich des Ausgleichs noch kein materielles Programm aufgestellt hat, so darf sie der Majorität entgegnen, daß diese sich wiederholt in feierlichen, den Ministerrathsprotokollen bei⸗
liegenden Erklärungen gegen jeden Ausgleich ausgesprochen und damit V
die Minorität doch gewiß nicht zur Aufstellung eines Programms über den Ausgleich aufgefordert und ermuntert hat. Hat die Mino⸗ rität bisher die Aufstellung des materiellen Ausgleichsprogramms
unterlassen, so befindet sie sich nur in gleicher Lage mit der Majorität,
welche bezüglich der Wahlreform, die doch den Mittelpunkt ihrer nächsten Regierungsaktion bilden soll, ein Programm erst in der Zu⸗
kunst zu finden hofft. Die gleiche Hoffnung dürfen aber die ehrfurchts⸗
vollst Unterzeichneten auch bezüglich einer eventuellen Vorlage über den Ausgleich an den sprechen, obgleich es die ehrfurchtsvollst Unterzeichneten bedünken will, daß es doch noch leichter sein dürfte, trotz der verwirrenden Gutachten der Landtage, eine Vorlage über die Wahlreform zu Stande zu bringen. Gleichwohl wird es bei ernstlichem und redlichem Wil⸗ len zur Verständigung nicht unmöglich sein, trotz der galizischen Re⸗ solution und der czechischen Deklaration eine Vorlage zu erzielen, welche als Ausgangspunkt der Diskussion dienen und angenommen werden wird, und aus welcher im Reichsrathe selbst das eigentliche Programm erst erwachsen kann, wie es ja im Grunde auch bei der Berathung der Dezemberverfassung der Fall war. Der zu erzielende Ausgleich soll ja ein Kompromiß aller Länder und Stämme West⸗ Oesterreichs sein, er kann also auch nur durch sie selbst und beziehungs⸗ weise durch ihre Vertreter vereinbart werden, ein Gesichtspunkt, der bei der Wahlreform gewiß nicht geltend gemacht werden kann.
Die ehrfurchtsvollst Unterzeichneten verkennen übrigens die Schwie⸗ rigkeiten nicht, welche bezüglich eines streng konstitutionellen Vorgangs
rechtfertigen könnte.
zu üben.
zeichneten von ihren Aemtern den Weg zu dem weiteren streng kon⸗
Statistik, Handels⸗ und Schiffahrtsstatistik von 1868;, ferner
einzuberufenden neugewählten Reichsrath aus-
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175 bei der Auflösung des gegenwärtigen Reichsraths in diesem Augen⸗ blicke obwalten. Noch liegt von diesem Reichsrath in dieser Session
keine Kundgebung vor, welche seine Auflösung aus irgendeinem Grund Der korrekte Vorgang erheischt es, die Antwort des Reichsraths auf die Thronrede abzuwarten. Allein durch das neue Programm der Majorität, in welchem dieselbe von dem Pro gramme der Thronrede zurücktrat, wurde eine neue schwierige Lage erzeugt. Die Majorität der Regierung, welche auch die Majoritä des gegenwärtigen Reichsraths für sich haben dürfte, steht nun dem Reichsrathe gegenüber nicht mehr für die Thronrede ein. Es kann dies den Reichsrath berechtigen, bei seiner Antwort gleichfalls von der Voraussetzung auszugehen, daß das Programm der Thronrede Aller⸗ böchsten Orts aufgegeben sei. Die ehrfurchtsvollst unterzeichnete Mino
rität kann unter diesen Umständen die Haltung der Adreßdebatten und
die Richtung der Adressen des Reichsraths schwer ermessen; sie wäre aber auch nicht in der Lage, hierauf irgendeinen Einfluß zu nehmen un Die ehrfurchtsvollst unterzeichnete Minorität glaubt daher daß vorläufig die Allergnädigste Enthebung der ehrfurchtsvollst Unter . stitutionellen Vorgange ebnen und erleichtern wird. Die ehrfurchts⸗ vollst Unterzeichneten stellen hienach die allerunterthänigste Bitte: Ew. Majestät mögen die auf der innigsten Ueberzeugung und dem patrio⸗ tischesten Gefühle der ehrfurchtsvollst Unterzeichneten begründete Dar legung, welche dieselben in Folge des Allerhöchsten Befehles Ew. Majestät hiemit zu unterbreiten wagen, huldvollst entgegenzunehmen allergnädigst geruhen. . 8 8 .““ Wien, am 26. Dezember 18è699. ““ aoccca1 — (W. T. B.) Gutem Vernehmen nach hat die Minori⸗ tät des Ministeriums dem Kaiser ihre Bereitwilligkeit er⸗ klärt, bis zur Beendigung der Adreßdebatte im Herrenhause im Amte zu bleiben, alsdann würde die Entlassung derselben wahr 1 scheinlich sofort erfolgen. 1 Triest, 13. Januar. Der Lloyddampfer »Jupiter« ist heute Nachmittag nach einer 120stündigen Fahrt mit der Bombay⸗ post aus Alexandrien hier eingetroffen. 1 Fiume, 12. Januar. (N. Fr. Pr.) In der Congre⸗ gation wurde der Bericht der Regnikolar⸗Deputirten vor⸗ gelesen. Er lautet: »Indem die Forderungen der kroatischen Delegirten als unannehmbar zurückgestoßen wurden, haben diese ihr Mandat niedergelegt, daher die Verhandlungen eine
Unterbrechung erlitten. Die ungarischen Delegirten werden dem
Parlamente die Nothwendigkeit auseinandersetzen, daß die ungarische Regierung die direkte Administration von Fiume übernehme.« Die Congregation zollte den Delegirten Beifall und machte deren Operat zu ihrem eigenen. Sie petitionirt um Trennung von Croatien.
Schweiz. Bern, 12. Januar. (Aus den Bundes⸗ rathsverhandlungen.) Auf Anzeige der österreichisch⸗unga⸗ rischen Gesandtschaft, daß die griechische Submarin⸗Telegraphen⸗ gesellschaft Ralli und Binney dem internationalen Telegraphen⸗ vertrage vom 21. Juli 1868 beizutreten wünsche, antwortete der Bundesrath, daß er dem Beitritt der gedachten Gesellschaft seine Zustimmung ertheile.
Von dem niederländischen General⸗Konsulat Reihe statistischer Veröffentlichungen mitgetheilt:
ward eine
Allgemeine
ein Bericht der zur Untersuchung des Zustandes der in nieder⸗
ländischen Fabriken arbeitenden Kinder von dem Ministerium des Innern eingesetzten Kommission, endlich ein Gesetz nebst Verordnung, das in jüngster Zeit zum Schutze der Auswan⸗ derer erlassen wurde.
Großbritannien und Irland. London, 12. Januar. Dem »Scotsman« zufolge hat die Regierung sich in letzter Zeit eingehend mit der Frage beschäftigt, auf welche Weise sich eine Verbesserung des Oberhauses in seiner Eigenschaft als Rechts⸗ tribunal erzielen lasse, und wird, obwohl die Verhandlungen bisher noch zu keinem bestimmten Ergebniß gediehen sind, bei Beginn der nächsten Session einen Gesetzesvorschlag Betreffs dieses Punktes vorlegen.
— Der General-Major Prinz Eduard, Herzog zu Sachsen, soll, dem Vernehmen der »Engl. Cor.« nach, das Kommando über die durch Beförderung des General⸗Lieute⸗- nants Hamilton vakant gewordene Garde⸗Brigade erhalten. 3
Ffrankreich. Paris, 13. Januar. Der Kaiser hat heute die Kasernen besucht und wurde seitens der Truppen überall mit lebhaftem Zurufe empfangen. b — Das „»ZJournal officiel« veröffentlicht die Ernen⸗ nung des Präfekten des Sommedepartements d'Auribeau zum Staats⸗Rath und General-⸗Direktor im Ministerium des Innern an Stelle des zum Rhone Präfekten ernannten Herrn Mougard⸗Sencier, ferner die Ernennungen des Abtheilungs⸗ chefs im Ministerium des Innern Blanc zum Staats⸗Rath und General-⸗Sekretär des Ministeriums des Innern (an de Bos⸗ redons Stelle) und des General⸗Sekretärs des Justiz⸗ und Kultus⸗ Ministeriums Philis, zum Staats⸗Rath. ECCEö19