1870 / 23 p. 6 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

Von diesem Standpunkte aus hat auch die Regierung kein Bedenken getragen, sich bei diesen Debatten zu betheiligen und von diesem Standpunkte aus tritt sie auch dem Gutachten der Ma⸗ jorität bei, welches eben nur darauf hinausläuft, Uebereinstimmung er Kammer mit den Wünschen zu konstatiren und sie da⸗ durch zur Kenntniß der Regierung zu bringen. Sehr zweifel⸗ haft würde es aber für die Fegferung sein, wie sie sich dann zu verhalten hätte, wenn durch Innahme des Minori⸗ tätsgutachtens die Sache heute in eine, formell ganz an⸗ dere Stellung gebracht würde und wenn in Folge dessen ein ständischer Antrag von beiden Kammern in einer ständischen Schrift an die Re⸗ gierung gelangte und die Regierung dann verfassungsmäßig verpflichtet wäre, auf Grund von §. 113 der Verfassungsurkunde darauf zu ant⸗ worten. Ich will in diesem Augenblicke diesen Punkt nicht weiter aus⸗ führen, denn es ist ja möglich, daß diese ganze Frage zweck⸗ und gegen⸗ standslos würde, ich muß aber für alle Fälle der Regierung das Recht wah⸗ ren, auf diesen Punkt zurückzukommen und ausdrücklich erklären, daß die Regierung der Bestimmung in §. 109 der Verfassungsurkunde gegenüber durch ihr gegenwärtiges Verhalten und ihre Anwesenheit in der Kammer nicht anerkennen will, daß dieser Gegenstand zur Kompetenz der Kammern gehöre, wenigstens nicht insofern, daß darauf verfassungs⸗ mäßige Anträge gestellt werden könnten. Etwas Anderes ist es, wenn die Kammer sich nur über die Sache aussprechen und ihre Ansichten der Regierung kundgeben will. egs 8

Nachdem seitens des Herrn Kriegs⸗Ministers vom militärischen Gesichtspunkte aus über die May'schen Anträge gesprochen worden ist, bleibt mir nur noch wenig übrig in Bezug auf den Standpunkt, den ich hier zu vertreten habe, zu bemerken. Ich kann hierbei ein doppeltes Bedauern nicht unterdruüͤcken, einmal darüber, daß sich die Debatte, wie mir scheint, über die Bedeutung des vorliegenden Gegen⸗ standes hinaus weit in das politische Gebiet verlaufen hat, und da⸗ durch der Sache selbst möge nun die Abstimmung ausfallen, wie sie wolle eine Bedeutung beigelegt worden ist, die ursprünglich wohl nicht im Sinne des Herrn Antragstellers, nicht im Sinne der Zweiten Kammer und, wie ich wenigstens glaube, auch nicht im Sinne der Minorität Ihrer Deputation gelegen hat.

Ich muß aber auch ferner mein Bedauern darüber aussprechen, daß sowohl die Vertheidiger der Minorität, als auch das Deputations⸗ gutachten selbst, es als eine so ganz klare und zweifellose Thatsache ange⸗ nommen haben, daß fast alles Das, was uns gegenwärtig in Sachsen drückt, die Stagnation des Handels und der Gewerbe u. s. w., allein und ausschließlich, wenigstens hauptsächlich von dem vermehrten Militäraufwand herrühren solle und ihm zur Last gelegt werden müsse. Einen nähern Beweis dieser Behauptung habe ich vermißt, ich habe nichts davon gehört, ich habe nur gehört, daß alle diese Herren es als zweifellose Thatsache hingestellt haben, daß diese Nothstände, die zum Theil bei uns anzuerkennen sind, nur von dem großen Präsenzstande der Armee herrüͤhren, und mit dessen Beseitigung ohne Weiteres auch beseitigt werden könnten. Ich muß doch um die Erlaubniß bitten, hier etwas näher auf Das einzugehen, was in dieser Beziehung im Minoritätsgutachten gesagt worden ist, da das das einzige Greifbare ist, was mir vorliegt. Da ist nun gesagt worden: die Stagnation im Handel und Verkehr, die vollkom⸗ mene Vertrauenslosigkeit, die jetzt herrschen soll, seien Folgen des gegen⸗ wärtigen Zustandes unserer Militärverfassung. Nun, meine Herren, ich habe die Ehre, seit einer geraumen Reihe von Jahren an den saͤchsischen öffentlichen Angelegenheiten in verschiedenen Stellungen Theil zu nehmen und ich habe Perioden in Sachsen gekannt, wo die Ver⸗ trauenslosigkeit und die Stagnation in Handel und Gewerbe in einem ungleich höheren Grade vorhanden war, als jetzt, und das war zu Zeiten, wo wir einen sehr geringen, einen viel ge⸗ ringeren Präsenzstand hatten, als jetzt. Schon damals wurde oft geklagt und man konnte das immer hören, daß wir zu viel Militär hätten, und daß den auf Verminderung gehenden Anträgen von dem vorigen Kriegs⸗Minister immer widersprochen worden. Ich kann somit unmöglich zugeben, daß der gegenwärtige Militärzustand des Nord⸗ deutschen Bundes irgendwie einen erheblichen Einfluß auf die gegen⸗ weärtige momentan und in einzelnen Zweigen stattfindende Stagnation ausüben könne. Ich muß überhaupt läugnen, daß im Allgemeinen eeine solche vorhanden ist, sie mag vielleicht in einzelnen Geschäfts⸗ zweigen bestehen, im Allgemeinen kann ich es nicht zugeben. Wir 1b brauchen nur den außerordentlichen Aufschwung anzusehen, der in dem 8 Postverkehre, in dem Telegraphenverkehre eingetreten ist, seitdem diese Verkehrsmittel auf den Norddeutschen Bund übergegangen sind, und es deshalb moͤglich wurde, die Porti und Tarifgebühren zu ermäßigen. Ich kann auch nicht zugeben, daß eine allgemeine Stagnation ein⸗ getreten sei, wenn ich den jetzigen großartigen Eisenbahnverkehr betrachte. 8 muß also sehr bezweifeln, ob dieses Anführen ein vollkommen begründe⸗

tes ist, und möchte glauben, daß man da doch weit über die Wahrheit und über

8 die wirklichen Verhältnisse hinausgeht, wenn man dies sagt, und der Miiliäärverfassung die Schuld daran beimißt. Meine Herren! Ver⸗ trauenslosigkeit ist allerdings ein Grund, daß die öffentlichen Verhält⸗ nisse, insbesondere Handel und Verkehr zurückgehen, daß Handel und Wandel stocken können. Aber, meine Herren, daß eine schlagfertige Armee, wie das Vorhandensein einer kräftigen Militärorganisation zur Vertrauenslosigkeit führen könne, das vermag ich nicht einzusehen. Im Gegentheile, ich habe immer gefunden, daß in Zeiten und in Staaten, wo durch eine kräftige Armee eine Sicherheit der Existenz, der Ruhe und Ordnung nach innen und außen gegeben ist, Handel und Gewerbe mehr blühen, als in Ländern und in Zeiten, wo eine solche Garantie nicht vorhanden ist, oder war. Ferner behauptet die Minorität, daß sich in Folge der Militärorganisation Mangel an Arbeitskräften zeige. Meine Herren! Die Klage über den Man⸗ el an Arbeitskräften ist in Sachsen eine sehr alte; sie ist eit vielen Jahren gehört worden, sie taucht von Zeit zu Zeit

setzen werde.

Kammern Bewilligungen gemacht worden sind,

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Ich erinnere mich, diese Klage schon vor 10 bis 20 Jahren gehört zu haben, als wir noch nicht daran dachten, eine so große Anzahl Militär präsent zu halten wie im gegenwärtigen Augenblicke. Ueber Mangel an Arbeitskräften habe ich wenigstens in der Industrie jetzt nicht klagen hören. Bei der Landwirthschaft hat dieser Mangel aber schon seit langer Zeit bestanden, und ich weiß nicht, ob er hier in neuerer Zeit erhöht worden ist. Gegenwärtig aber bekomme ich aus vielen Theilen des Landes, namentlich aus dem Gebirge, die dringendsten Bitten, doch nur recht bald mit den Eisen⸗ bahnbauten anzufangen, weil es an Arbeit für die arbeitslustigen Hände fehlt. Mag das auch nicht überall in demselben Maße vor⸗ handen sein soviel muß ich entschieden behaupten: ein erhöhter Mangel an Arbeitskräften hat sich seit der neuen Militärorganisation bei uns noch nicht gezeigt. Endlich, meine Herren, erwähnt die Mino⸗ rität auch noch der Steuerüberbürdung. Meine Herren! Ich muß offen gestehen, es hat mir wehe gethan, diesen Grund hier zu finden. Wie man in dem Augenblicke, wo wir unser Budget bereits soweit übersehen können, daß wir alle Verbindlichkeiten, die dem Staate obliegen, vollständig erfüllen können, wo ferner mit reicher und freigebiger Hand von Seiten der die selbst über das Verlangen der Regierung hinausgehen, insbesondere für Schulen und Zwecke des öffentlichen Unterrichts, und bereits übersehen können, daß wir trotz alledem in der Lage sind, die geringen außerordentlichen Steuerzuschläge, die wir bis jetzt noch gehabt haben, abzuschaffen wie man da von einer Steuerüberbürdung, von Steuerdruck sprechen kann, ist mir in der That unbegreiflich. Für mich und im Namen der ganzen Regierung kann ich den Wunsch aussprechen, man möge die Leute im Lande, die Steuerpflichtigen fragen, ob sie im Vergleiche mit andern Ländern sich für überbürdet halten. Man möge nur hin⸗ ausgehen und dort nachforschen, und ich bin sehr ruhig daruüͤber, welche Antwort da ⸗gegeben werden wird. Das sind also alles keine Motive, welche es nothwendig machen könnten, diesen Antrag jetzt zu stellen. Nun hat Herr v. Zehmen in seinen Ausführungen sich auf den be⸗ kannten Statistiker Dr. Engel berufen, welcher neuerdings nachgewiesen habe, welche außerordentliche Kosten der Militäraufwand in Europa verursacht. Ja, meine Herren, das ist freilich sehr richtig, große Kosten werden dadurch verursacht. Die Frage ist nur: sind diese Kosten zu ersparen? werden diese Kosten ganz zwecklos aufgewendet? Nun, meine Herren, es ist doch wohl keine Frage, daß, wenn dieser Aufwand nicht gemacht würde, wenn wir, wie im Mittelalter, keine stehenden Heere hätten, wenn die Staaten sich nur mit kleinen Mitteln, mit leicht zusammengebrachten und schnell. wieder ent⸗ lassenen Heeren einander bekämpften, wenn noch der Grundsatz gälte, daß der Krieg den Krieg ernähren müsse, daß dann auch keine solche öffentliche Ordnung herrschen, keine solche Sicherheit vorhanden wäre, wie jetzt, und dann auch Handel und Wandel nicht in der Weise blühen würden, wie jetzt, weil sie dann immer fürchten müßten, daß Kriege ausbrechen und Unruhen entständen. Die stehen⸗ den Heere mit ihrer Organisation über ganz Europa hinweg, mögen sie auch vielleicht in dem Augenblicke und mit Rücksicht auf die jetzige Lage etwas über das für die Dauer und bleibend nöthige Maß in allen europäischen Staaten, nicht blos im Norddeutschen Bunde, hinausgehen, sind doch ganz entschieden ein roßes Schutz⸗ mittel, eine gute Garantie dafür, daß der Frieden nicht 2 leicht gestört werden wird. Es ist ganz mit Unrecht gesagt worden: die Armeen seien unproduktiv, denn wenn sie auch selbst nichts produziren, so schützen sie doch die Produktion. Gerade wie der Richter, welcher Recht spricht und die Ordnung aufrecht hält, indem er Recht und Gerech⸗ tigkeit schützt, dadurch auch indirekt, aber ganz wesentlich dazu bei⸗ trägt, die Produktion zu schützen und zu ermöglichen, gerade so thun es die stehenden Heere auch nach anderen Richtungen hin und in anderer Weise, und darum soll man nicht ohne Weiteres die stehen⸗ den Heere als die Ursache alles Unglücks und aller Noth, die etwa drückt, bezeichnen und anklagen. Nun aber frage ich noch, wenn es auch recht wünschenswerth wäre, daß in Europa eine allgemeine Re⸗ duktion der stehenden Heere eintrete, daß, wenn solche paradiesische Zu⸗ stände herbeiführen könnten, um die Armeen nicht mehr brauchten ich will das einmal zugeben —, glauben denn die Herren, daß durch den vorliegenden Antrag dieser Zweck auch nur entfernt und annähernd erreicht werden könnte? Wollen Sie dem Nord⸗ deutschen Bunde zumuthen, daß er allein seine Armee vermindere mit⸗ ten unter den großen Armeen der übrigen europäischen Staaten rings umher? daß er allein sich wehrlos mache, oder wenigstens seine Wehr⸗ kraft bedeutend vermindere. Gewiß wollen Sie das nicht, meine Herren! oder glauben Sie etwa, daß dieser Antrag dazu beitragen könne, daß deshalb Frankreich oder Oesterreich oder Rußland leichter als außerdem zu bewegen sein würden, mit ihren Armeen herunter zu gehen? Gewiß glauben Sie das auch nicht! Nein, meine Herren, seien Sie überzeugt, der Antrag ist völlig zwecklos und erfolglos. Es ist nicht ein übler Wille oder eine Unlust der Regierung, nicht eine über⸗ triebene Aengstlichkeit oder Besorgniß, wenn sie auf diesen Antrag nicht eingehen will, sondern es ist ihre innige Ueberzeugung, es ist ihre Kenntniß der pofitiven Verhältnisse, wie sie in Europa bestehen, welche einen solchen Antrag der Regierung in diesem Augenblicke ganz nutz⸗ los, ja sehr bedenklich erscheinen lassen. Es ist schon erwähnt worden, daß bis zum Jahre 1871 nichts an der Militärorganisation zu ändern. ist. Ich will nur noch darauf aufmerksam machen, daß die zur Zeit auf eine feste Verbindlichkeit darüber, wie sie im Jahre 187 sich aussprechen und wirken wird, nicht übernehmen kann. Es wird das ganz davon abbängen, wie die Verhältnisse dann sind; di wird abhängen von der Lage der europäischen Verhältnisse über⸗ haupt, und wird dann zus erwägen sein, ob es möglich sein wird, dann eine Verminderung des Heeres eintreten u. lassen. Dessen aber können Sie, meine Herren, versichert sein, daß Niemand ich sage hier ganz allgemein Niemand aum bloßer

immer auf.

Organisation, die Bunde ist zu fest

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Lust an vielen Soldaten eine unnöͤthige Last dem Lande auflegen oder beibehalten wird. Ich kann bestimmt versichern, daß diese Frage von allen Seiten, die dabei betheiligt sind, rein objektiv aufgefaßt werden wird, und daß, wenn dann die Verhältnisse es gestatten, wenn es ohne Nachtheile geschehen kann, dann gewiß auch alle billige Rücksich⸗ ten auf eine Erleichterung der Militärlasten genommen werden wird. Aber irgend eine Verbindlichkeit 2 Jahre vorher darüber zu überneh⸗ sie sich 2 Jahre später aussprechen wird, dazu können Sie die Regierung nicht bringen, das wird sie nicht thun.

Ich habe, meine hochgeehrten Herren, vorhin gesagt, daß ich be⸗ daure, daß die Frage auf ein weiteres politisches Gebiet übergeführt worden ist. Ich muß in dieser Beziehung noch ein paar Worte be⸗ merken. Ich halte die Frage, wie sie jetzt vorliegt, an und für sich, und wenn man sie nicht künstlich dazu macht, nicht für eine weit⸗ tragende, politisch gefährliche Frage. Nein! ich bin weit davon ent⸗ fernt, den Antragstellern in jener Kammer und der Majorität, die dort dafür gestimmt hat, ich bin weit entfernt, der diesseitigen Depu⸗ tation irgend andere Gründe unterzulegen, als die, die sie selbst an⸗ geführt haben. Ich bin weit entfernt, ihnen (um einmal das hier schon gebrauchte Wort auch wieder zu gebrauchen) die Absicht einer »Demonstration⸗ unterzuschieben. Aber wenn ein geehrter Redner vorhin gefragt hat: was heißt denn eigentlich eine „»Demonstration!« so will ich bei dieser Gelegenheit wenigstens meine Ansicht hier⸗ über aussprechen. Ich nenne »Demonstration« eine Erklärung oder Handlung, von der Derjenige, welcher sie abgiebt oder theilt, im Voraus ganz gewiß weiß und davon überzeugt ist, daß sie gar keinen Erfolg hat und gar keinen Erfolg haben kann, die er aber dennoch thut, weil er irgend einen andern Zweck damit verbindet. Das nenne ich eine Demonstration, ohne daß ich damit irgend einen gehässigen Nebenbegriff für Den, der sie macht, verbinden will. Ja, ich gebe sogar sehr gern zu, daß der Privatmann, welcher Das, was er sagt und thut, auch allein zu vertreten hat, wohl in die Lage kom⸗ men kann, seiner Ehre wegen, will ich einmal sagen, eine Demonstra⸗ tion zu machen. Aber in öffentlichen Verhältnissen, meine Herren, verhält sich das doch anders. Eine Regierung, eine Kammer, die wohl weiß, daß Alles, was sie spricht und thut, nicht von ihr allein zu vertreten ist, sondern daß die nachtheiligen oder guten Folgen ihrer Beschlüsse und ihrer Erklärungen das ganze Land treffen, die sollte sich doch sehr in Acht nehmen und sehr erwägen, ob es gut gethan. ist, eine sogenannte Demonstration zu machen, ob es gut gethan ist, sich die Genugthuung zu verschaffen, sagen zu können, »ich habe meine Pflicht gethan, denn ich habe meine Meinung ausgesprochen«, ohne

sich Rechenschaft davon zu geben, welche Folgen das baben könnte.

den alten Spruch: Quidquid delirant Der ist nicht so ganz unpassend in der gegenwärtigen Situation. Also, meine Herren, ich muß warnen vor den Ansichten, die dahin gehen, zu sagen, »Wir sind es uns selbst schuldig; wir müssen das aussprechen, mögen die Folgen sein, welche sie wollen.« Ich bitte Sie dringend, Das, was ich gesagt habe, zu berücksichtigen. Ich glaube nicht, und das erwähne ich ausdrücklich, im jedes Mißverständniß zu vermeiden, ich glaube nicht, daß bei den naßgebenden Faktoren des Norddeutschen Bundes dieser Antrag, er mag angenommen werden oder nicht, von irgend einem ent⸗ schieden nachtheiligen Einfluß für uns sein könnte. Nein, meine Herren, der Norddeutsche Bund steht zu fest in seiner Zugehörigkeit Sachsens zum Norddeutschen duͤrch die Natur der Verhältnisse bedingt und egeben, die Gesinnung der sächsischen Regierung und die Art und Weise, wie sie ihr Verhältniß zu dem Bunde auffaßt und handhabt, st zu bekannt und zu unzweifelhaft nachgewiesen, als daß igh irgend⸗ vie es für möglich halten könnte, daß durch eine Diskussion eines olchen Gegenstandes und durch die Abstimmung in dieser Kammer daran irgend etwas geändert werden könnte. Aber, es ist heute be⸗ reits von andern Seiten erwähnt und hervorgehoben worden, einer Mißdeutung ist dieser Antrag in hohem Grade fähig, einer Mißdeu⸗ ung ist er fähig, wenn man über die nächsten Antragsteller hinaus auf die ursprüngliche Tendenz, auf den ursprünglichen Grund, auf dem er gewachsen ist, zurückgeht. Einer Mißdeutung ist er fähig, ich will mich darüber nicht näher aussprechen, und es nur an—⸗ deuten, weil es, von ganz verschiedenen Standpunkten ausgehend, verschiedene Ansichten und verschiedene Parteien giebt, denen die gegenwärtige Stellung Sachsens im Bunde unangenehm ist, in deren Pläne und Absichten dieselbe nicht paßt, und welche daher versuchen, jeden kleinen Anstoß, der Mißtrauen erwecken könnte, her⸗ vorzuheben, zu vergrößern, i

Ich erinnere Sie an reges plectuntur Achivi’«

in, immer mehr und mehr auf die Spitze zu treiben, um dadurch Kapital für ihre Sache, für ihre Zwecke zu machen. 8

Ich glaube nun, auch solche Mißdeutungen sollte eine Kammer

veermeeiden, und ich muß daher dringend bitten, daß Sie sich dem

Antrage Ihrer Majorität anschließen, dem materiell von Jedem zu⸗ gestimmt werden kann, der auch materiell mit der Minorität über⸗ einstimmt, in Bezug auf die formelle Behandlung der Sache, in Bezug auf die Lage, in welche Sie die Regierung bringen, wenn er angenommen wird, aber doch himmelweit von dem der Minorität

verschieden ist.

Ich könnte hiermit schließen, meine Herren, wenn mir nicht eine Aeußerung des Herrn Kammerherrn v. Erdmannsdorff Anlaß gäbe, noch im Namen der Regierung eine bestimmte Erklärung abzugeben. Herr Kammerherr v. Erdmannsdorff hat geradezu ausgesprochen, daß er das Vertrauen der Regierung, in Bezug auf ihre Stellung dem Norddeutschen Bunde gegenüber, in Bezug darauf, daß die Regierung die Interessen Sachsens dort gehörig vertrete und verthei⸗ dige, verloren habe. Er hat ausgesprochen, daß er früher dieses Ver⸗ trauen gehabt habe, aber von einem gewissen Punkte an habe er es nicht mehr. Ich weiß nicht, was der Herr Kammerherr v. Erd⸗

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Marktberichte. Stärkepreise. Viehpreise.

mannsdorff damit meint; ich muß aber auf das Bestimmteste ver⸗ sichern, daß die Vertreter der sächsischen Regierung Alles, was sie dem Bunde gegenüber gethan haben, sowohl durch ihre persön⸗ liche Wirkung in Berlin, als auf anderem Wege, einzig und allein in der festen persönlichen Ueberzeugung davon gethan haben, daß es zum Besten des Landes, zum Wohle des Königs und des Vaterlandes gereiche, und daß es für sie im hohen Grade schmerzlich ist, eine solche Beschuldigung anhören zu müssen, ohne daß ein nähe⸗ rer Beweis dafür gegeben wird. Ich muß einen solchen Vorwurf entschieden zurückweisen. Ansichten können sehr verschieden sein über Das, was zweckmäßig und nützlich ist, aber ich bitte Sie, zu glauben, daß die Regierung auch in der Lage ist, dies zu beurtheilen. Und so lange Sie glauben, meine Herren, daß die Männer, welche die gegen⸗ wärtige Regierung bilden, soviel Gewissenhaftigkeit und Ehrenhaftig⸗ keit besitzen, daß sie nicht wider besseres Wissen und Gewissen die Interessen des Königs und des Landes preisgeben werden, so lange glaubten sie auch erwarten zu dürfen, daß ihnen nicht öffentlich solche Beschuldigungen entgegen geschleudert werden würden.

Die Zweite Kammer setzte in ihrer heutigen Sitzung die Berathung über die Eisenbahnangelegenheiten fort. Für die Linie Limbach⸗Wüstenbrand⸗ Dresden⸗Schmiedeberg⸗Löbau bis zur Landesgrenze wurde der Bau auf Staatskosten empfoh⸗ len, für die Linie Schandau⸗Bautzen der Bau durch Privat⸗ unternehmer mit eventuellem Staatszuschuß von 150,000 Thlrn. Für die Linie Zittau⸗Görlitz, Zittau⸗Liegnitz, Berlin⸗Dresden, Bautzen bis zur Landesgrenze sollen gleichfalls Privatkonzessionen ertheilt werden. Der Finanz⸗Minister erklärte, der österreichisch⸗ sächsische Staatsvertrag werde nicht ohne angemessene Entschä⸗ digung aufgegeben werden. 1 6 8

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Von den Aktenstücken aus der Verwaltung des Evangelischen Ober⸗Kirchenrathes ist kürzlich das achtzehnte und neunzehnte Heft bei Wilhelm Hertz zu Berlin erschienen. Das achtzehnte Heft enthält Mittheilungen über das kirchliche Kollekten⸗ wesen, Ehesachen, Pfarramtliches, die Pfarrlandstiftung für die evan⸗ gelischen Pfarreien der Provinz Posen, Parochialverhältnisse, Dienst⸗ verfassung, Diakonie, Gottesdienstliches, Verhältniß der evangelischen Landeskirche zu anderen Religionsgesellschaften und das Stu⸗ dium der Theologie, sowie das Kandidatenwesen. In dem neunzehnten Heft werden die Aktenstücke, welche die Berufung von außerordentlichen Provinzialsynoden in den sechs östlichen Provinzen betreffen, veröffentlicht. Es sind dies die Allerhöͤchste Ordre vom 5. Juni 1869, die Verordnung vom 16. Juni 1869, die Instruktion des Epangelischen Ober⸗Kirchenraths vom 21. Juli 1869, das Cirkular desselben vom 21. Juli 1869, betreffend die Ausübung des landesherr⸗ lichen Ernennungsrechtes bei den Synoden, das Proponendum für die außerordentlichen Provinzialsynoden, Entwurf zur Provinzial⸗ Synodalordnung, ferner das Proponendum für die außerordentlichen Provinzialsynoden, betreffend die Revision der Gemeinde⸗ und Kreis⸗ Synodalverfassung, sowic die Geschäftsordnung für die Provinzial⸗ Synodalversammlung.

Die Nr. 4 der »Annalen der Landwirthschaft« in den König⸗ lich preußischen Staaten hat folgenden Inhalt: Nachtrag zu dem Ar⸗ tikel: »Die Frage der landwirthschaftlichen Interessenvertretung nach ihrer historischen Entwickelung und nach ihrem gegenwärtigen Stande.« Verwendung des Samens der gelben und blauen Lupine. Von Kette⸗Jassen. (Schluß.) Heupresse von Chapman in Boston. (Mit Abbild.) Agrarische Verhältnisse in Livland. Von Dr. jur. Beck⸗ haus. IV. Die Obliegenheiten der livländischen Bauern. Entschei⸗ dungen des Ober⸗Tribunals, die Landwirthschaft und derselben ver⸗ wandte Gebiete betreffend. (Band 72 des Archivs für Rechtsfälle.) Ueber eine neue Art der Verwendung der Dampfkultur⸗Apparate. Einfluß der Fütterung auf die Milchproduktion. Berichte und Kor⸗ respondenzen: Aus Paris, Mitte Janugr. Litteratur: Paul der Knecht. Von J. F. Heydenreich. Die Thierzucht von H. Settegast. Breithaupts Vermächtniß. Noth⸗ und Hülfsbuch für den Bürger und Landmann. 1. Theil. Der Landmann und sein Beruf. Wilhelm Schlitte: 1) Anleitung zur vortheilhaftesten und zugleich billigsten Sommerfütterung des Rindviehes. 2) Die Futterstoffe für die Winter⸗ fütterung des Rindviehes. 3) Der Düngermangel und seine Beseiti⸗ gung durch rationelle Samen⸗, Menge⸗ und Gründüngung. Die Hebung der Alpenwirthschaft. Von Dr. Gustav Wilhelm. L'Alliance, organe de publicité internationale rédigé en allemand et en francçais par Pistor Paillet. Notizen: Cyklus von Vorlesungen im land⸗ wirthschaftlichen Museum. Zur Proposition des Herrn v. Herford. Nachweisung der in der Zeit vom 1. August 1868 bis zum 31. Juli 1869 im preußischen Staate ausgegebenen Jagdscheine und sonstigen

agdlegitimationen. Meliorations⸗Arbeiten in den fiskalischen Moor⸗

istrikten von Ostfriesland. Konsolidationen im Regierungsbezirke Wiesbaden. Aufhebung der auf den 20. Februar und folgende Tage in Berlin anberaumten Mast⸗ und Zuchtvieh⸗Ausstellung. Zur Dampfkultur. Stand der Ninderpest in Ungarn und Siebenbürgen. Agrikultur⸗chemische Versuchsstation in Florenz. Landwirthschaftliche Abtheilung am Polytechnikum in Zürich. Neue Methode, Fleisch zu konserviren, nach Gamgee. Kongreß der Pferdezüchter Deutschlands. Kommissionsweiser Verkauf der Wollen auf dem Breslauer Woll⸗ markte. Große Ausstellung in Cordoba, Argentinien. Berichtigungen.

Statistische Nachrichten. In Stettin liefen im J. 1869 2251 Seeschiffe von 215,163 Lasten ein, gegen 2193 Schiffe und 204,536 L. in 1868; im J. 1869

also 58 Schiffe und 10,627 L. = 5 pCt. mehr als in 1868. Unter

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