1870 / 390 p. 6 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

Der Ständerath wurde von seinem Präsidenten, Stock, aus Luzern, ohne Rede eröffnet. Im Uebrigen beschäftigten sich beide Räthe heute mit der Vereidigung der neu eingetretenen Mitglieder und der Geschäftsvertheilung.

Belgien. Brüssel, 9. Dezember. In der gestrigen Sitzung der Repräsentantenkammer interpellirte der De⸗ putirte Rogier das Ministerium über den Rücktritt des Staats⸗ Ministers Malou. Der Minister d'Anethan entgegnete, daß die Demission des Ministers keine politischen, sondern nur per⸗ sönliche Motive habe. An diese Antwort knüpfte sich eine län⸗ gere Diskussion. b

Der Kriegs⸗Minister hat den Gesetzentwurf, das Kontin⸗ gent für 1871 betreffend, auf den Tisch des Hauses nieder⸗ gelegt. Nach demselben ist das Kontingent der Armee auf 100,000 Mann, das der Miliz auf 12,000 Mann bestimmt, e venen 11,000 Mann aktiv, 1000 Mann der Reserve über⸗ wiesen sind.

(W. T. B.) In der Repräsentantenkammer stellte heute Vleminex eine Anfrage bezüglich eines neuer⸗ lich seitens Preußens bei der luxemburgischen Regierung gethanen Schrittes. Der Minister des Aeußern, Baron d'Anethan, antwortete, daß allerdings durch die Regie⸗ rung des Norddeutschen Bundes Klagen formulirt worden seien, bezüglich der Art, in welcher das Großherzogthum Luxemburg die Grundsätze der Neutralität in Anwendung bringe. Wahr⸗ scheinlich werde auf diese Benachrichtigung eine Antwort Luxemburgs und über diesen Gegenstand eine weitere Verhand⸗ lung erfolgen. Belgien hat sich hierin nicht zu mischen. d'Anethan hält es nicht für thunlich, der Kammer gegenwärtig das Aktenstück vorzulegen, welches ihm durch den esandten zugegangen sei.

Im weiteren Verlaufe der Sitzung kam die Petition französischer in Belgien internirter Gefangener zur Verhand⸗ lung. Letztere stellen darin das Verlangen, daß ihnen die Rück⸗ kehr nach Frankreich gestattet werde. Die Petitionskommission beantragt Ueberweisung an die Regierung. Der Minister des Aeußern, Baron dAnethan, weist diesen Antrag zurück, indem er bemerkte, daß es gefährlich wäre, den bisher verfolgten Weg zu verlassen. Die Gefahren seien keine nur eingebildeten. Die der bööe Regierung zugegangene Benachrichtigung müsse für Belgien eine Warnung sein, nicht nachzulassen in der Erfüllung der Pflichten der Neutralität, sondern sich den⸗ selben auch fernerhin hinzugeben. Die Neutralitätspflichten nicht erfüllen, würde heißen, das Land einen bedenklichen Fehler begehen lassen und der Regierung gleichzeitig eine zu schwere Verantwortlichkeit auferlegen. Er, d⸗Anethan, lehne die letztere für seine Person entschieden ab, wie er auch diesen Fehler nicht begehen werde.

Die Kammer beschließt mit 72 gegen 7 Stimmen, die Petition dem Nachrichten⸗Bureau zugehen zu lassen, was einer Verwerfung des Antrages der Petitionskommission gleichkommt.

Italien. Florenz, 9. Dezember. (W. T. B.) In der

Deputirtenkammer brachte Lanza eine Reihe von Hesezentwürfen ein, welche sich auf die Genehmigung des Dekretes über das

Mchiget in Rom, sowie auf die Verlegung der Hauptstadt

nach Rom innerhalb acht Monate beziehen. Für letztere Maß⸗ regel wurde ein Kredit von 17 Millionen geforderk. Ferner wurde ein Gesetzentwurf eingebracht, welcher dem Papste die Unverletzlichkeit seiner persönlichen Prärogative als Souverän garantirt. Die volle Unabhängigkeit der geistlichen Macht des Papstes soll gesetzlich festgestellt werden.

Der Minister für die öffentlichen Arbeiten brachte einen Gesetzentwurf ein, betreffend die Gotthardbahn. Sella legte das Budget vor, nach welchem sich durch die Kosten für die Ver⸗ legung der Hauptstadt ein Defizit von 24 Millionen Francs ergiebt.

Die »Opinione⸗ veröffentlicht den Wortlaut der Antwort des Ministers Visconti Venosta vom 24. November auf die Note des Fürsten Gortschakoff. In derselben heißt es: Italien könne nicht ohne Zustimmung der andern betheiligten Maͤchte sich das Recht anmaßen, Rußland von seinen Vertrags⸗Ver⸗ pflichtungen von 1856 zu entbinden. Venosta konstatirt, daß der Geist der Verträge von 1856 nicht verletzt sei, ungeachtet einiger theilweiser Aenderungen, welche getroffen seien, um die Lage der Bevölkerung im Hrient zu verbessern. Die Antwort sieht mit Befriedigung, daß Rußland die orientalische Frage nicht wieder aufnehmen, sondern an den Verträgen von 1856 festhalten wolle. Die Note hebt hervor, das ein vorheriges Einverständniß der Mächte, welche den Vertrag unterzeichneten, nöthig sei, um irgend eine Aenderung der Stipulationen zu be⸗ wirken, und bezieht sich schließlich auf die guten Beziehungen

Stocker V

Turjn, 9. Dezembex. T. B.) Die Kommission der Cortes ist durch den Prinzen von Carignan empfangen. Der größere Theil der Mitglieder begiebt sich morgen nach Genua, während einige der spanischen Deputirten nach Mailand gehen, um dem Prinzen Humbert ihre Aufwartung zu machen. 8

Asien. Bombay, 12. November. Da Syud Burgosch der neue Sultan von Zanzibar, den britischen Interessen nicht geneigt sein soll und Verwickelungen in Aussicht stehen, weil sein älterer Bruder, Syud Turki, vor kurzem bei Muscat einen Sieg davon trug, so wurde der englische Dampfer »Nymphe« von Bombay nach Zanzibar geschickt.

Die Nachrichten aus Afghanistan lauten für den Emir günstig. Die Truppen desselben haben Kandahax erxreicht. Sein rebellischer Sohn YNakub Khan ist erkrankt und wurde nach Ghirisk gebracht.

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Reichstags⸗Angelegenheiten.

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Berlin, 10. Dezember. Dem Reichstage des Norddeutschen Bundes sind von dem Kanzler des Norddeutschen Bundes diejenigen Schriftstücke vorgelegt worden, welche dem auswärtigen Amte des Norddeutschen Bundes in neuerer Zeit in Bezug auf den Traktat vom 30. März 1856 zugegangen sind. Es sind dies Schrei⸗ ben des Fürsten Gortschakoff an Herrn v. Oubril vom 19. Oktober 1870 (s. S. 4608 d. Bl.), desgl. an Baron Brunnow vom 20. Okto⸗ ber/1. November 1870 (s. S. 4661 d. Bl.), Schreiben des Earl Gran⸗

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ville an Sir A. Buchanan vom 10. November 1870 (s. S. 4641 d. Bl.), Schreiben des Fürsten Gortschakoff an Baron Brunnow vom 8. No⸗ vember 1870 (s. S. 4888 d. Bl.). Dabei ist in dem Schreiben he⸗ merkt, daß das Bundespräsidium den Zeitpunkt für günstig erachtet

Pasifer Frers⸗ Persecge⸗ vom 30. März 1856 zu richten, welcher ahin geht: 8 1r daß dieselben ihre Vertreter in London autorisiren möchten, zu einer Konferenz zusammenzutreten, um in derselben die Fragen zu erwä⸗ gen, welche sich an die von dem Kaiserlich russischen Kabinet durch besshn Cirkular vom 19./31. Oktober d J. gemachten Eröffnungen nüpfen.

Dieser Vorschlag hat die allseitige Zustimmung gefunden und das Praͤsidium wird hiervon dem Londoner Kabinet mit dem Er⸗ suchen Ffngatsß gehen, den Zusammentritt der Konferenz in London einzuleiten.⸗ G

Außer den vorbezeichneten enthält die Vorlage folgende in diesem Blatte noch nicht veröffentlichten Aktenstücke. 8—

Graf Beust an den Grafen Chotek in Petersburg.

„Wien, 16. November 1870. „Der russische Gesandte hat mir vor einigen Tagen die Abschrift einer Depesche übermittelt, von welcher Sie gleichfalls in der Beilage eine Abschrift erhalten.

Ich habe mich beeilt, sie unserem erhabenen Herrn, dem Kaiser und König, vorzulegen, und auf Befehl Sr. Majestät ermaͤchtige ich

Sie, die folgenden Bemerkungen zur Kenntniß des Fürsten Gortscha⸗

koff zu bringen.

Der Artikel 14 des Pariser Vertrages vom 30. März 1856 ent⸗ hält Felgenges: „Nachdem Ihre Majestäten der Kaiser aller Reussen und der Sultan eine Konvention zu dem Zwecke abgeschlossen haben, um die Zahl und Stärke jener leichten für den Küstendienst nothwendigen Fahrzeuge zu bestimmen, die sie im Schwarzen Meere zu verwenden sich vorbehalten, so ist diese Konvention dem gegenwaͤrtigen Vertrage beigeschlossen und sie wird dieselbe Rechtskraft und Bedeutung haben, als wenn sie einen integrirenden Bestandtheil desselben bildete. Sie kann weder aufgehoben noch modifizirt werden ohne die Zustimmung der den gegenwärtigen Vertrag mitunterzeichnenden Mächte.⸗ „Der letzte Absatz dieses Artikels erhält durch seine positive Fassung eine ganz besondere Bedeutung, indem er mit ansdrücklichen Worten und ausnahmsweise eine Stipulation beifügt, welche bisher noch immer bei allen internationalen Verhandlungen als selbstverständlich vorausgesetzt wurde. 1 Wir können daher über die absolute Rechtskraft dieses gegensei⸗ tigen Vertrages keinen Zweifel hegen oder gestatten, selbst dann nicht, wenn die eine oder die andere der Vertragsmächte sich in der Lage glaubte, die begründetsten Einwendungen gegen die Aufrechthaltun dieser oder jener Bestimmung eines Vertrages vorzubringen, von de man im Vorhinein erklärte, daß er ohne die Zustimmung aller Signatärmächte weder aufgehoben noch abgeändert werden könne. Nur um die Rücksicht nicht zu verletzen, die wir dem Kabinete von Petersburg schulden, wollen wir daher, ohne noch länger bei dieser kurzen Nachweisung (renvoi) zu verweilen, die unsere Ansicht über die uns gemachte Mittheilung zusammenfaßt, an eine Erörterung der Gründe gehen, auf welchen diese Mittheilung beruht. Die Depesche des russischen Staatskanzlers beginnt damit, eine gewisse Ungleichheit oder Ungerechtigkeit zu beleuchten, die in den Ver⸗ tragsbestimmungen liege, indem sie die Vertheidigungsmittel Rußlands im Schwarzen Meere beschränken, während sie der Türkei gestatten, eine unbegrenzte Zahl von Schiffen im Archipel und den Dardanellen zu unterhalten. Es ist nicht unsere Sache, den Ursprung und die Rechtskraft eines Vertrages zu erörtern, der nicht zwischen uns und Rußland abge⸗ schlossen wurde, sondern der eine gemeinsame Angelegenheit aller Gro mächte ist. Wir erlauben uns nur, dem Herrn Fürsten Gortschakoff bemerklich zu machen, daß ein derartiger Einwand allerdings die Un⸗

Italiens zu Rußland, welche dazu beitragen würden, ein Ein⸗ 8 verständniß der Mächte zu erzielen. gende riH iiEK.t.

terzeichnung eines Vertrages verhindern oder na geschehen 8 82

Su

hat, um einen Vermittelungsvorschlag an die Mitunterzeichner des

Nachdem der Gesandte Rußlands mir das Cirkularschreiben vom

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zeichnung als Basis benützt werden kann, um eine Modifikation des⸗ sülben zu verlangen, daß dieser Einwand aber nie eine willkürtiche

Lösung autorisiren kann. Wir wollen noch mehr sagen. Die Gründe, welche die russische Regierung anführt, um ein einseitiges Vorgehen u rechtfertigen, sind weit entfernt, die Tragweite desselben abzu⸗ schwächen eher noch geeignet, den Ernst der Erwägungen, die sich daran knüpfen, zu erhöhen. Der Grundsatz, den sie hier aufzustellen belieht, kompromittirt nicht nur alle bereits bestehenden, sondern auch alle künftigen Verträge, Vom Standpunkte dieses Grundsatzes können die Verträge leicht zu behandeln sein, er wird aber nie dazu dienen, sie dauerhaft zu machen. b

Indessen ruft uns das Kabinet von Petersburg Beeinträͤchti⸗ gungen (dérogations) ins Gedächtniß, denen der Vertrag von 1856 nicht entgangen sei.

Es wird von Revolutionen gesprochen, die sich in den Donau⸗ fürstenthümern ereignet, und die, dem Geiste und Wortlaut des Ver⸗ trages entgegen, zur Union der Fürstenthümer und zur Berufung eines fremden Fürsten geführt haben.

Es sei uns gestattet, hier einen Punkt anzuführen, der uns von wesentlicher Bedeutung scheint. Die Fürstenthümer der Moldau und Waglachei waren nicht Kompaziszenten des Vertrages von 1856. Sie befinden sich unter der Souzerenität der Ottomanischen Pforte. Ist wohl diese für die Aenderungen verantwortlich zu machen, die in jenem Lande sich ereignet, und die in den Augen der Kaiserlich russischen Regierung einen Vertragsbruch in sich fassen? Hat sie das Verlangen gestellt, daß man diese Verträge sanktionire, oder muß sie nicht vielmehr heute eine Vertragsübertretung sich gefallen lassen, die offenhar ihren Rechten und Interessen zuwiderläuft?

Es bleibt noch das Einlaufen einiger fremder Kriegsschiffe in das Schwarze Meer übrig. Diese Thatsache ist uns unbekannt, sofern es sich hier nicht um jene unbewaffnete Kriegsschiffe handelt, die Sou⸗ veraͤnen zur Eskorte dienten. V

Es kann wohl dem Kabinet von Petersburg nicht unbekannt sein, daß das Erscheinen dieser Kriegsschiffe einen sehr harmlosen Cha⸗ rakter an sich trug. Uebrigens war die russische Regiexung durch nichts verhindert, dagegen Klage zu führen, in dem Augenblicke als ihr dieselben mit den Bestimmungen des Vertrages nicht im Ein⸗ klange schienen.

Pie Regierung Sr. K. und K. apostolischen Majestät konnte daher nur mit peinlichem Bedauern den Entschluß vernehmen, den uns die Depesche des Fürsten Gortschakoff ankündigt, und für wel⸗ chen die Kaiserlich aussssche Regierung eine schwere Verantwortlichkeit übernimmt. Es ist ihr unmöglich, ihr äußerstes Erstaunen zu ver⸗ hehlen und sie muß die ernste Aufmerksamkeit des Kais. russischen Kabinets auf die Folgen eines Schrittes lenken, welcher nicht blos sich gewaltsam gegen einen von allen Großmächten unterzeichneten internationalen Vertrag vergeht, sondern der auch unter Verhältnissen geschieht, die mehr als je Europa jene Garantien zum Bedürfniß machen, die für seine Ruhe und seine Zukunft in der Heilighaltung der Verträge liegen. 8

Wollen Sig diese Depesche dem Herrn Fürsten Gortschakoff vor⸗ lesen und ihm eine Abschrift derselben einhändigen. 8

Genehmigen Sie ꝛc. .

ust an den Grafen Chotek in Petersburg. C164““ Wien, 16. November 1870

19,31. Oktober mitgetheilt, auf welches meine Depesche Nr. 1 vom vaaeaa.n Tage 12-. hat derselbe mir zugleich einige Absaͤtze einer anderen Depesche seines Kabinets vorgelesen, die sich auf denselben Gegenstand beziehen, aber einen mehr vertraulichen Charakter an sich tragen. b 8n diesem Aktenstücke drückt Fürst Gortschakoff, indem er an unsere freundschaftlichen Gefühle für den russischen Hof appellirt, die Hossnung aus, uns um so geneigter zu einer günstigen Beurtheilung seines Entschlusses zu finden, sich von den auf die Neutralisirung des Schwarzen Meeres bezüglichen Bestimmungen frei zu machen, als die K. und K. Regierung selbst, im Januar 1867, die Initiative zu einem Vorschlage ergriffen hatte, dessen Wirkung gewesen wäre, Rußland von jenen Einschränkungen zu befreien, welche ihm eben jene Bestim⸗ en auferlegen. . mungch 8 Fern Nowikoff geantwortet, daß wir ohne Zweifel stets den lebhaften Wunsch bezeugt haben, unsere guten Beziehungen mit dem Hofe von Petersburg zu befestigen und daß die vom Fürsten Gottschakoff in Erinnerung gebrachte Initiative vielleicht die eklatan⸗ teste Aeußerung dieses guten Willens von unserer Seite gewesen; aber daß ich mich eines Gefühls des Bedauerns nicht erwehren könne, wenn ich mir die mehr als kalte Aufnahme ins Gedächtniß rufe, welche der Schritt, von dem die Rede ist, gerade auf Seite jener gefunden, die sich ihm hätten geneigt zeigen sollen. Der Herr Kanzler kann nicht vergessen haben, daß er, anstatt in seinem Geiste ein sympathi⸗ sches Echo wachzurufen, von seiner Seite nur auf Kritik und Vor⸗ würfe stieß, auf die wir sicher nicht gefaßt sein konnten. 3 Der Vorgänger Ew. Excellenz konnte uns nur berichten, daß der Chef des russischen Kabinets unsere damalige Handlungsweise über⸗ stürzt gefunden, daß nach seiner Meinung unser Schritt ohne Noth⸗ wendigkeit den Argwohn des französischen Kabinets erregt habe, und daß die von uns perfochtene Idee einer Regelung orientalischer An⸗ gelegenheiten im Wege einer Konferenz ihm wenig geeignet scheine, ein befriedigendes Resultat zu sichern. Diese Art und Weise, auf ein ebenso loyales als wohlwollendes Zuvorkommen Antwort zu geben, mußte uns überraschen. Rußland hätte die Opportunität unseres Vorschlages, dem die Zustimmung Frankreichs und Englands fehlte, bestreiten koͤnnen; aber der Gedanke, der ihn eingab/ ein für Rußland wohlwollender und seinen Wünschen günstiger, ist einem offenbaren

Ich habe überdies den Verireter Rußlands auf den wesentlichen Unterschied aufmerksam gemacht, der zwischen der von uns im Jahre 1867 empfohlenen Kombination und der Erklärung besteht, die seine Regierung so eben abgegeben hat. 1 Nach den Bestimmungen unseres Vorschlages hätten die der Frei⸗

eit der russischen Aktion im Schwarzen Meere entgegenstehenden

indernisse beseitigt werden sollen in den vom Vertrage selbst festge⸗ etzten Formen, und nicht durch einen einseitigen Akt. Wenn wir die legale, von allen unterzeichneten Höfen einmuͤthig ausgesprochene Ab⸗ schaffung empfohlen haben, so folgt daraus keineswegs, daß wir eine willkuͤrlich und isolirt von dem verpflichteten Theile bekannt gegebene Nichtigkeitserklärung gutheißen müßten. Der Artikel 14 des Vertrages vom 30. März 1856 sagt ganz ausdrücklich, daß die von den zwei Uferstaaten an demselben Tage abgeschlossene Konvention ohne die Zustimmung der garantirenden Mächte weder gelöst noch geändert werden könne, und ich begreife nicht, wie die russische Regierung, in⸗ 8 dem sie heute behufs ihrer Befreiung von den Pflichten der Konven- tion einen der ehen citirten Klausel diametral zuwiderlaufenden Weg einschlägt, uns der Inkonsequenz beschuldigen kann, da es doch die Aus⸗ heenn liefer Klausel war, was die Grundlage unseres Programms bildete.

Endlich machte ich Herrn Novikoff aufmerksam, daß der zu jener Zeit von dem K. und K. Kabinet vorgeschlagene Schritt durchaus nicht derart beschaffen war, solche gefahrbringende Konsequenzen nach sich zu ziehen, wie sie in dem neuesten Akte des Petersburger Kabinets zu befürchten sind. Wenn Rußland mit Europas Zustimmung die Zurücknahme des Verbotes erlangt, welches die Entwickelung seiner maritimen Kräfte im Schwarzen Meere hindert, erringt es die Stellung wie⸗ der, die ihm an diesen Ufern gebührt, ohne deshalb eine Be⸗ unruhigung hervorzurufen. So stehen aber keineswegs heute die Dinge. Der Schritt, der eben gemacht wurde, kann nicht ver⸗ fehlen, die ernstesten Besorgnisse hervorzurufen. Im westlichen Europa brachte er bereits eine Erregung der Geister hervor, die der Sache des Friedens sehr abträglich ist; in der Levante wird dieser Hechach Rußlands, sich selbst Recht zu verschaffen, ohne Zweifel als Beweis betrachtet werden, daß diese Macht den Moment für gekom⸗ men erachtete, die Loͤsung der sogenannten orientalischen Frage in die Hand zu nehmen. Die so lebhafte Einbildungstraft der christlichen

Cölker in diesen Gegenden wird darin eines der lebhaftesten Aneiferungs⸗ mittel finden. Das hervorstehende Beispiel eines Staates, dessen An⸗ sehen in ihren Augen so groß ist, wird in Zukunft, so fürchten wir, bei ihnen alle Agitationen und Gewaltthätigkeiten rechtfertigen.

Der russische Kanzler werde nicht in Abrede stellen können, daß etwas vorhanden, was uns Grund zur Besorgniß giebt, und wird sich auch nicht wundern, daß wir die Ueberraschung sehr ernst nehmen, die er der polttischen Welt bereitet, Wir sehen in der von dem petersburger Kabinet eingenommenen Haltung zwar nicht eine direkte Bedrohung Europas, aber doch eine Ursache unangenehmer Störung, die seine Ruhe und Sicherheit in Gefahr bringt. Ich habe nie ein Geheimniß aus meiner Ueberzeugung gemacht, daß das Ueberein⸗ kommen von 1856 Rußland am Schwarzen Meere in eine Situation gebracht, die einer Großmacht wenig würdig, da sie die Rolle ab⸗ schwächt, die es in den Gewaͤssern zu spielen berufen ist, welche seine Ufer bespülen, und ich habe nichts unterlassen, ich kann dies behaupten, um für diese Ueberzeugung bei den anderen Garantiemächten Theil- nahme zu gewinnen. Ich war deshalb um so peinlicher berührt, die Kaiserliche Regierung, um ihren Beschwerden abzuhelfen, zu einem Mittel greifen zu sehen, das in jeder Beziehung mir zum Mindesten unglücklich gewählt erscheint. Das ist die Sprache, die ich Herrn Novikoff gegenüber aus diesem Anlasse geführt. Ich hielt es für nützlich, in der vorliegenden Depesche es zu wiederholen, welche Ew. Excellenz dem Fürsten Gortschäkoff mittheilen können und von der Sie ermächtigt sind, ihm eine Kopie zu geben, wenn er selbe wünschen sollte. 38 Empfangen ꝛc.

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Vereinsthätigkeit für die Armee.

Bekanntmachung. .““ Die opferwillige Thätigkeit der Vereine und unzähliger einzelner Personen hat sich während des Krieges mit Frankreich in größtem Umfange und in segenbringendster Weise entfaltet. Dadurch allein ist es möglich geworden, an den Stellen des Bedarfes Lazarethe und Depots, Nachtlager⸗, Verbands⸗ und Erfrischungs⸗Stationen zu errichten, warme Kleidungsstücke reichlich zu vertheilen, sowie die sämmtlichen, der freiwilligen Krankenpflege dienenden Anstalten dem Bedürfnisse ent⸗ sprechend zu versorgen, mit einem Wort die Leiden, welche der Krieg in seinem Gefolge hat, zu heilen oder wenigstens zu lin⸗ dern. Doch ist die Aufgabe hiermit noch nicht gelöst. Durch die Dauer des Krieges und die weite Ausdehnung des Kriegs⸗ schauplatzes hat das Bedürfniß einen unerwarteten Umfang an⸗ 8 genommen und seine zeitliche Begrenzung bleibt noch unabseh⸗ bar, da sich die Thätigkeit der freiwilligen Krankenpflege natur⸗ gemäß selbst über Waffenstillstand und Frieden hinaus er⸗

uß. . strecken mas. daß die Stimme, die sich an das warme Herz und die offene Hand des Deutschen Volkes für eine wahrhaft

ute und nationale Sache wendet, nie ungehört bleibt, und ich preche daher in der vollen Zuversicht reichen Erfolges von Reuem die Bitte aus, durch Zuwendung von Geldmitteln und

Beweis u serer guten Dispositionen gleichgekommen, die sicher einen Empfang verdient häͤtten

zweckentsprechenden Gaben jeder Art die Durchführung des

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