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ei Villiers die Meldungen von beiden Seiten; zu dieser Zeit Z“ derselbe bei der Feldwache des 2. Jäger⸗Bataillons Nr. 13 west⸗ lich Villiers Gelegenheit, die feindliche Vedettenlinie etwa 600 Schritt vpor diesem Ort, in welchem Chassepotgeschosse hineinschlugen, wahr⸗ unehmen. Das Gros der 24. Inf.⸗Division stand mit General⸗ Lieutenant von Nehrhoff am östlichen Ende des von 2 Bataillonen des 5. Infanterie⸗Regiments Nr. 104 und 3 Compagnien des 2. Jäger⸗ Bataillons Nr. 13 besetzten Noisy⸗le⸗Grand. Die 4. schwere Batterie hatte vergeblich versucht, den Sturm auf Brie von einer Aufstellung im Park von Noisy aus zu unterstützen. Durch zu rasch sich verbrei tende Tageshelle bloßgestellt, hatte sie nach wenigen Schüssen gegen die sich ansam⸗ melnden Massen unterhalb des Forts Nogent vor dem konzentrischen Granatfeuer weichen müssen. Von den Reserven war um 39 Uhr Morgens das Schützen⸗Regiment Nr. 108 von la Grenouillére an den östlichen Ausgang von Villiers herangezogen worden. An seine Stelle trat zu den beiden schweren Batterien der 4. Fuß⸗Abtheilung der Corps⸗Artillerie das 3. Bataillon Leib⸗Grenadier⸗Regiments Nr. 100. Die 3. Fuß⸗Abtheilung der Corps⸗Artillerie mit der leichten Batterie der 4. Abtheilung und 2 Munitionskolonnen stand westlich Champs. 1 Von 9 Uhr an wurde das Gefecht um und bei Champigny, in welches außer den Württembergern, die 3. Infanterie⸗Division von unserer Seite und die bei Joinville übergegangenen Kolonnen feind⸗ licherseits eintraten, heftiger und nahm an Intensität immer mehr zu. General⸗Major von Reitzenstein hatte Villiers noch mit 6 Com⸗ pagnien, hauptsächlich im Park stehend, befetzt, außerdem befand sich dort die auf Feldwache befindlich gewesene 4. Compagnie 2. Jäger⸗ Bataillons Nr. 13. — Die immer mehr anwachsenden feindlichen Massen drohten Brie auch von der Rückseite völlig zu umfassen. Um diesem vorzubeugen und die dort hart bedrängten beiden Ba⸗ taillone 8. Infanterie⸗Regiments Nr. 107 zu degagiren, er⸗ hielt das 1. Schützen⸗Bataillon hinter Villiers um 9 Uhr 45 Minuten den Befehl, an Villiers vorbei auf Brie vor⸗ zugehen. Gleichzeitig erhielt General v. Nehrhoff die Ordre, in die⸗ selbe Lücke zwischen Noisy und Villiers ebenfalls ein Bataillon vorzuschicken, wozu das 3. Bataillon des Regiments Nr. 107 mit dem Führer der 48. Infanterie⸗Brigade, Obersten v. Tettau, sich in Bewegung setzte. Leßterer erhielt den Auftrag, mit den schon im Gefechte begriffenen Theilen seiner Brigade auch die Führung der vom Schützen⸗Regimente engagirten Abtheilungen zu übernehmen. Das 1. Schützen⸗Bataillon stieß früher, als man vermuthete, nach⸗ dem es kaum den letzten Abschnitt seitwärts Villiers passirt hatte, auf den Feind, der die Compagnie⸗Kolonnen in der linken Flanke befeuerte. Es wurde dadurch, trotz des Befehls, auf Brie zu gehen,
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87 S nach das bald nachgesandte 2. Schützenbataillon dann folgte. Der Ueber⸗ macht trotzend, ging das Bataillon unter Hurrah von Abschnitt zu Abschnitt vor und draͤngte den Feind von der Weinbergshöhe zurück. Auf der folgenden, unmittelbar uͤber der Marne liegenden Höhe setzte ¹er sich jedoch fest und schien sich den beiden Schützenbataillonen gegen⸗ über nach und nach auf 4 Regimenter oder 2 Brigaden zu verstärken. Verluste in mehr als gewöhnlicher Höhe waren die Folgen der zum Granatfeuer getretenen verheerenden Infanteriesalven. Es lagen ganze Schützengruppen hinter kleinen Deckungen und Abschnitten, und vom Regiments⸗Commandeur, Obersten Freiherrn v. Hausen, auf⸗ gefordert, weiter vorwärts zu gehen, wurde demselben nur zu bald die schmerzliche Ueberzeugung, daß es Verwundete oder Todte waren.
Es mochte etwa 11 Uhr Morgens sein. Die Meldungen vom äußersten rechten Flügel aus Brie kamen spärlich, besagten aber alle, daß der Ort noch im Besitz des 8. Infanterie⸗Regiments sei, wie die⸗ ses auch bis Nachmittags der Fall gewesen ist. Aber das terrassen⸗ förmig zur Marne absallende Terrain gestattete fast nirgends eine Uebersicht. Meldungen erforderten beträchtliche Zeit, und es hat erst nach dem Gefecht das Detail festgestellt werden können.
Zu der Zeit, wo die Offensive an den Brückenbarrikaden zum Stehen gekommen, waren bereits die meisten der wenigen, den beiden Bataillonen von St. Privat und Sedan noch übrig gebliebenen Offi⸗ ziere todt oder verwundet. Das ganze 8. Regiment rückte mit 34 Offizieren in den Feldzug, verlor bei St. Privat 17, bei Sedan 8 und am 2. Dezember 12 von den bei dem 1. und 2. Bataillon be⸗ findlichen 17 Offizieren. Es wäͤre auch frischen und vollständig mit Führern besetzten Bataillonen die Wegnahme der durch steigende Ueber⸗ macht vertheidigten Brückenstellen unmöglich gewesen, aber an das seiner Offiziere beraubte, dezimirte Häuflein trat jetzt die Frage heran, was zu thun. Vor sich die Unmöglichkeit des Vorgehens, hinter sich den verschmähten Rückzug, blieb Nichts übrig, als das ge⸗ wonnene Terrain, den größten Theil des Dorfes, zu behaupten. Die der Lisiére nahe Befindlichen zogen sich an die links vorgehenden Ab⸗ theilungen heran. Das Gros blieb im Dorfe und ihre Degagirung wurde durch das sich immer mehr um Villiers und Champigny kon⸗ zentrirte Gefecht weiter hinaus geschoben. Dabei begann die Mu⸗ nition zu mangeln, und der Versuch, solche heranzuführen, mußte wegen des den Weg zwischen Noisy und Brie in allen Richtungen kreuzenden Feuers aufgegeben werden. Weniger dieses mörderische Feuer, als die schon am 1. Dezember ausgesprochene Absicht, keine größeren Abtheilungen an den Besitz von Brie zu wagen, welche unter allen Umständen in ein nachtheiliges Gefecht ver⸗ wickelt werden mußten, veranlaßten Se. Königliche Hoheit den Prinzen Georg, dem General von Nehrhoff den Befehl zu ertheilen, den Major v. Bosse direkt nicht weiter zu unterstützen, diesem vielmehr anzuweisen, nöthigenfalls Brie wieder zu räumen. Aber auch der Feind, im Dorfe nicht mehr bedrängt, zog allmählich seine Kolonnen hinter dem Dorfe weg nach Süden und es entstand in Brie auf beiden Seiten von Mittag an eine Art von Stillstand, welchen der Major v. Bosse mit dem größeren Theile der übrig ge⸗ bliebenen Mannschaft benutzte, um sich mit seiner Division wieder zu
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Spezialverlustlisten 55 Offiziere, 1996 Mann. 11“ 8 11““ 1
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vereinigen, ohne dabei von dem Feinde, der vielmehr ebenfalls Brie freiließ, irgend wie gedrängt zu werden. Eine andere kleinere Abthei⸗ lung hatte sich in den Gehöften des weitläufig gebauten Dorfes fest. gesetzt und blieb darin bis 5 Uhr Nachmittags, wo sie durch erneutes Vorgehen des Feindes von der Brücke her abgeschnitten wurde.
Als die beiden tapferen Bataillone am Morgen in Brie ein⸗ brachen, hatten sie in kürzester Zeit etwa 200 Gefangene zurückgeschickt. Wie sie eine der schwersten Aufgaben lösten, darüber hat der Feind geurtheilt, wenn ein gefangener Offizier sagt: ⸗IIs criaient toujours, ils venaient comme une avalanche — et tout était fini.“ Im Centrum hielten die beiden Schützenbataillone bis 12 Uhr Mittags ihre Positionen auf der Weinbergshöhe, durch wirksames Feuer dem Feinde beträchtlichen Verlust zufügend. 1
Hier trat kurz vor Mittag eine die französische Kriegführung er⸗ neut charakterisirende Episode ein. Eine feindliche Abtheilung in der ungefähren Stärke von 2 bis 3 Bataillonen winkte in einer Entfer⸗ nung von circa 100 Schritten mit weißen Tüchern, Kopfbedeckungen und Gewehren. Das Feuer schwieg momentan, einzelne Gruppen kamen herüber und gaben sich gefangen, andere standen zöͤgernd und mißtrauisch zwischen beiden Tirailleur⸗Linien. Der Oberst Freiherr v. Hausen, welchem die perfide Weise des Gegners im Laufe des Feld⸗ zuges allerdings bekannt geworden war, ritt nichtsdestoweniger bis ungefähr 50 Schritte vor die feindliche Linie und rief ihnen zu, daß das Feuer aufhören werde und sie Aufnahme finden würden. War es nun Mißverständniß, war es absichtliche Täuschung, oder erkann⸗ ten sie die Schwäche der diesseitigen Abtheilung, genug, die Fran⸗ zosen begannen alsbald um so lebhafter zu feuern, und das Infanteriegefecht, durch einschlagende Granaten sekundirt, begann mit größerer Wuth und in fast unmittelbarer Nähe, und verzehrte den Rest der noch gebliebenen und nicht unmittelbar zu ersetzenden Muni⸗ tion. Schon vorher war auch das 3. Schützen⸗Bataillon dem Regi⸗ mente nachgeschickt worden und dieses traf gerade rechtzeitig ein, um durch Besetzen der Weinbergshöhe die erschöpften im Kampfe begriffe⸗ nen Bataillone abloͤsen zu können. Wenn auch eine Anfangs unter⸗ nommene theilweise Offensive des 3. Bataillons naturgemäß keinen Erfolg haben konnte, so wagte der Feind doch nicht, seine schützende Höhe zu verlassen und das Gefecht blieb bis zum allgemeinen Rück⸗ zug des Feindes, etwa 3 Uhr Nachmittags, stehend. 8
Das Schützen⸗Regiment, dem sich die 4. Compagnie 13. Jäger⸗ Bataillons von Villiers aus angeschlossen hatte, hat die Offensive des feindlichen linken Flügels mit vielleicht fünffach geringerer Anzahl offensiv gebrochen; es wird allen Regimentern als Muster aufgestellt werden können. Die Verwendung der zahlreich zur Verfügung stehenden Artillerie in erster Gefechtslinie, d. h. vorwärts Villiers⸗ Noisp, war unmsglich, weil die vorgelegenen Höhen nicht allein im wirksamsten und flankirenden Granatfeuer liegen, sondern auch na⸗ mentlich deshalb, weil auf ihnen die Batterien nicht über 600 Schritt Schußfeld haben; es wurde aber gegen 11 Uhr die 7. schwere Batterie seitlich Villiers vorgezogen, um einen etwa nothwendig werdenden Rückzug der Schützen aufzunehmen, und die 8. schwere Bäͤtterie nahm mit der Divisions⸗Artillerie der 24. Diviston Aufstellung südlich Noisy und vorwärts la Grenouilliére. Beide Artillerie⸗Aufstellungen wurden sehr bald vom Feinde erkannt und namentlich die 7. schwere Batterie stark beworfen.
„Es bleibt noch übrig zu erwähnen, daß zwischen 11 und 12 Uhr Mittags das nach Villiers herangezogene 3. Bataillon des Leib⸗ Grenadier⸗Regiments Nr. 100 (Major v. Süßmilch⸗Hornig) die Be⸗ setzung des vor dem Orte gelegenen Parkes übernahm, nachdem Generalmajor v. Reitzenstein gemeldet hatte, daß die dort postirten sechs Compagnien des 7. württembergischen Infanterie⸗Regiments dringend der Ablösung bedurften. Dieses Grenadier⸗Bataillon bil⸗ dete von 12 ½ Uhr an gemeinschaftlich mit dem 2. Bataillon des 42. Regiments unter Oberst v. d. Knesebeck die Besatzung von Villiers.
Der Feind war bei der Ablösung des württembergischen 7. In⸗ fanterie⸗Regiments mit seinen Tirailleuren bis auf 300 Schritt an die Parkmauer herangekommen und es gelang den ganz in der Stellung aufgelösten vier Compagnien des Leib⸗Grenadier⸗Regiments Nr. 100, denselben nicht allein zurückzutreiben, sondern auch einen etwa 2 Uhr Nachmittags unternommenen Versuch, mit Kolonnen vorzugehen, zu vereiteln. Eine gegenüber aufgestellte Kanonen⸗ und eine Mitrailleusen⸗Batterie konnten wegen der deckenden Mauer keinen Schaden thun. Zwischen 3 und 4 Uhr schwieg mit kom⸗ mender Dunkelheit das Infanteriegefecht, der Feind ging auf der ganzen Linie zurück; das Granatfeuer dauerte bis in die sinkende Nacht. Der heiße und blutige Kampf scheint einem zweiten Durch⸗ bruchsversuch des Feindes entgegengekommen zu sein. Es wird kaum nöthig sein, auch hier die bewunderungswürdige Tapferkeit noch be⸗ sonders hervorzuheben, in welcher die im Gefecht gewesenen Truppen des XII. Köntglich sächsischen Armee⸗Corps und der Königlich würt⸗ tembergischen 1. Feld⸗Brigade mit einander wetteiferten. Der Verlust des XII. Armee⸗Corps am 2. Dezember beträgt nach Ausweis der
— Französischerseits sind vom Kriegsschauplatz fol⸗ gende Nachrichten eingegangen:
— Ein Tagesbefehl des General Thomas, der jetzt in der »Indép. belge« veröffentlicht wird, giebt nähere Auskunft über die Gründe, welche die Auflösung des Bataillons der Tirailleurs de Belleville veranlaßt haben. Dieses Bataillon wurde auf
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seinen wiederholt ausgesprochenen Wunsch, gegen den Feind ge⸗ führt zu werden, als eines der ersten, equipirt und am 25. No⸗ —
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vember nach Creteil geschickt, um hier die Vorposten zu stellen. Am 28., als der Bataillons⸗Commandeur Lamperidre eben die Ronde in den Trancheen beendet hatte, floh ein großer Theil der 1. und 2. Compagnie in völliger Auflösung aus den Trancheen. Die Flüchtigen werfen die Schuld ihrer Panique auf den Kapitäne Bellandier, der zuerst davongelaufen sei. Am andern Tage wurde das Bataillon nach Charenton zurückgezogen; später weigerte sich das Bataillon, den Vorpostendienst wieder zu übernehmen. Am 5. beantragte der Brigade⸗Commandeur, Oberst Le Mains, die sofortige Zurückberufung des Bataillons nach Paris, weil zwischen diesem Bataillon und dem 147. Ba⸗ taillon Nationalgarden (aus Belleville) ein Haß besteht, der schon die Erbauung einer Barrikade zwischen beiden Bataillonen nöthig gemacht habe, und weil das Bataillon am Morgen seinen Posten auf dem rechten Flügel verlassen hatte. Von 457 Mann des Vataillons waren am 4. 61 mit Sack und Pack nach Paris zurückgekehrt. Außerdem zeichnet sich das Bataillon durch Mangel an Disziplin und durch die Unfähigkeit seiner Offiziere und Unteroffiziere vor allen übrigen aus.
London, 17. Dezember. (W. T. B.) Nach Mittheilungen aus Havre vom 17. d. ist die mili⸗ tärische Lage dort unverändert. In der Nähe von Havre und
Honfleur besfinden sich keine preußischen Truppen mehr. Französische Kanonenboote kreuzen fortwährend an der Küste zwischen Cher⸗
bourg und Havre.
Bordeaux, 17. Dezember. (W. T. B.) (Auf indirektem
Wege.)
Nach hier eingetroffenen Nachrichten ist die Armee des General Chanzy gestern nicht angegriffen worden. — Die Nach⸗ richt, daß ein Adjutant Trochu's hier eingetroffen, ist unrichtig. — Eine ministerielle Depesche an die Präfekten vom heutigen Tage meldet, daß der Großherzog von Mecklenburg am Mittwoch Freteval angegriffen und die Ortschaft in der Nacht besetzt habe; dieselbe wurde jedoch am folgen⸗ den Tage von den Franzosen wieder besetzt. Der Groß⸗ herzog von Mecklenburg griff alsdann die französischen Trup⸗ pen vor Vendôme an, wobei ihm kräftiger Widerstand geleistet wurde; der Kampf dauerte bis zur Nacht und sollen die Ver⸗ luste des Feindes sehr beträchtlich sein. Versailles ist Vendöme bekanntlich von den Franzosen in⸗ zwischen geräumt worden.) — Aus Havre vom 15. d. wird gemeldet: Der Feind scheint bedeutendere Truppenkräfte in der Umgegend zu konzentriren und trifft Vorbereitungen, ein ver⸗ schanztes Lager bei Mpetot zu errichten.
— Nach Berichten aus Lyon vom 11. Dezember werden fortwährend große Massen Truppen zur Loire⸗Armee abgesandt. Auch die Legion der »Rächer von Lyon« steht auf dem Punkte abzumarschiren. Dieselbe hat Genie und Artillerie. — Die elsässer Legion, die Mühlhauser genannt, befindet sich in Lyon, wo sie weiter organisirt wird.
In Toulon und Marseille werden augenblicklich achtzig Dampfschiffe in Bereitschaft gesetzt, um arabische Truppen aus
Königsberg i. Pr., 17. Dezember. (W. T. B.) Wie aus Pillau gemeldet wird, war dort eine amtliche Benachrichtigung eingegangen, nach welcher am 10 d. fünf ranzösische Kriegsschiffe auf der Fahrt von Skagen nach Korsoer
— In dem Artikel über die Feier des 100 jährigen Ge⸗ burtstages L. van Beethovens in der gestrigen Nummer des »Staats⸗Anzeigers« (Seite 5098) ist der Schlußsatz durch ein Versehen des Setzers unvollständig gegeben. Derselbe muß lauten: »Nach dem Programm kamen die Sinfonien in A-dur und C-moll und das große Violin⸗Konzert zum Vortrag.⸗
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Straßburg, 15. Dezember. Die wiedergewonnene alte
Reichsstadt, die jetzt das edelste Pfand der schwer erkämpften deutschen
Einheit geworden, war, wie schon kurz gemeldet, zum ersten Rast⸗ punkte der Adreßdeputation des Reichstags außerhalb der bisherigen deutschen Grenze bestimmt. Hier begrüßten die Männer, welche rüstig an der Konsolidirung und Sicherung des neu er⸗ worbenen Besitzes des deutschen Volkes arbeiten, die Abge⸗ sandten, denen die welthistorische Mission geworden ist, in der »Stadt des großen Königs«, der einstigen Residenz des Fürsten, der am meisten zur Herabwürdigung des alten deutschen Reiches beigetragen, dem Oberbefehlshaber der deutschen Armeen, dem Heldenkönige von Preußen des Reichstags Botschaft zu über⸗
(Nach Berichten aus
bringen. Das Generalgouvernement im Elsaß und Deutsch Lothringen wollte nicht unterlassen, durch eine festliche Feier sowohl den unmittelbar Betheiligten, wie auch allen Deutschen im Vaterlande den erhebenden Gedan⸗ ken zum Bewußtsein zu bringen, daß gerade dieses Zu⸗ sammentreffen in Straßburg in schönster Weise die Erfolge dieses gewaltigen Krieges veranschaulicht, nach Außen die Er⸗ werbung einer den Frieden sichernden Grenze und den An⸗ schluß eines lange entfremdeten deutschen Stammes „ nach Innen die Erfüllung des noch vor Kurzem fast chimärisch er⸗ scheinenden Einheitswunsches der deutschen Nation. Die Depu⸗ tation wurde demnach von den Delegirten des General⸗ Gouverneurs und des Civilkommissars am Bahnhof empfangen und begrüßt und in das Hotel zur Stadt Paris begleitet, wo der General⸗Gouverneur Graf von Bismarck⸗Bohlen und der Civilkommissar, Regierungs⸗Präsident von Kühlwetter, nebst einer zahlreichen Versammlung von Mitgliedern der hiesigen deutschen Militär⸗ und Civilbehörden sie erwartete. Unter den Klängen der Militärmusik begann nun das Festmahl. Die Reihe der Toaste eröffnete der General⸗Gouverneur mit demjeni⸗ gen, der in jeder Versammlung deutscher Männer der erste ist, nämlich mit einem Hoch auf Se. Majestät den König, »so Gott will, bald unseren Kaiser.« Begeistert stimmte die Ver⸗ sammlung ein, während die Musik mit der preußischen Natio⸗ nalhymne einfiel. Alsdann nahm der Civilkommissar das Wort zu folgender Rede:
„DZu den historisch denkwürdigen Tagen, an welchen dieses Jahr so reich ist, dürfen wir auch den heutigen Tag zählen Am 14. Dezem⸗ ber des Jahres 1870 machen die Abgesandten des Reichstages Halt in der ehrwürdigen Stadt Straßburg, um dann, weiter wandernd, un⸗ serem Allergnädigsten König und Herrn eine Botschaft zu überbringen an den Thoren der fränkischen Hauptstadt. Diese Botschaft, wir wissen es, ist die Frucht des freien Entschlusses freier Fürsten und Souveräne, sie enthält die Erfüllung lang und sehnsüchtig gehegter Wünsche des Volkes, ausgesprochen durch den Mund seiner Vertreter.
Ja, heute dürfen wir als erstanden das Deutsche Reich begrüßen, nicht ein Römisches Reich deutscher Nation, sondern ein ureignes Deutsches Reich, frei von fremdartigen Elementen, wie es deutsche Patrioten sich bis jetzt geträumt. Und ist es denn wirklich nicht ein bloßer Traum, der Herz und Sinn berückt? Nein, es ist Wahrheit! Ausgeträumt hat der alte Schläfer auf dem Kyffhäuser, des Reiches Macht und Herrlichkeit ersteht von Neuem. Noch fassen wir nicht
des Ereignissos Bedeutung in seiner aanzen Graße: * Überrascht uns nicht, doch das Auge muß geblendet sich erst an die äußere Erscheinung des Bildes gewöhnen, das längst in unserer Seele schlummerte. Und wie auch die Dinge kommen und sich gestalten mögen, frohlocken und jubeln dürfen wir heute, daß der allmächtige Gott unser geliebtes theures deutsches Vaterland bis hierhin geführt und sichtlich ge⸗ schützt hat.
Des Reichstags Abgesandte bringen ihre Botschaft an der Seine Strand, wohin sie von des Reiches Oberhaupt entboten worden. Klingt das nicht wieder wie eine Mähr' in eines Dichters Phantasie geboren? Im Lande des Erbfeindes deutscher Größe, an den Thoren seiner fast bezwungenen Hauptstadt soll das neue Band geknüpft wer⸗ den zwischen den deutschen Fürsten und dem deutschen Volke, fest und unzerreißbar, weil unter dem Schirm und Schutz des deutschen Fürsten, dessen Macht vom Fels zum Meere begründet ist. Auch das ist keine Mähre. Vor unsern Augen liegt das Gemälde der beispiellosen Siege unserer ruhmbekränzten Heere entrollt, welche das Frankenland bis über seine Hauptstadt hinaus bezwungen und Deutschlands Ehre und Unüberwindlichkeit besiegelt haben.
Die Abgesandten des Reichstages machen Halt in der ehrwürdi⸗ gen Stadt Straßburg, bis vor Kurzem der festen Burg fränkischen Trutzes und Uebermuthes, jetzt Hauptstadt des deutschen Elsasses und von Deutsch⸗Lothringen. Das war die erste Frucht jener Siege: herausgegeben ist der seit fast zwei Jahrhunderten festgehaltene Raub an deutschem Lande, und schon seit Monaten sitzen hier in ernster Arbeit und geräuschloser Emsigkeit deutsche Männer, denen die Auf⸗ gabe gestellt ist, die von der Mutter Herz losgerissene, aber nie ver⸗ loren gegebene Tochter in der Mutter Arme als deutsches Kind zu⸗ rückzuführen. Wie einst Lothringen vor tausend Jahren ein Zer⸗ setzungsmittel ward am alten deutschen Reich, so soll das neue Elsaß⸗ Lothringen — so Gott will — der Kitt werden für Deutschlands dauernde Einigung. Denn deutsch ist das Land und deutsch sein Sinn, und seine Söhne werden ihren rheinischen Brüdern gleich sein, deren Väter vor 55 Jahren das Glück hatten, dem Scepter der Hohen⸗ zollern unterworfen zu werden.
Im Namen des General⸗Gouvernements im Elsaß und Deutsch⸗ Lothringen heiße ich Sie, meine hochverehrten Herren Abgeordnete, als unsere lieben Gäste herzlich willkommen. Ihre Sendung ist eine glänzende, inhaltreiche, folgenschwere; kommende Geschlechter werden Sie beneiden und die Geschichte wird Ihre Namen in ihre Bücher eintragen. Der Himmel segne Ihren Weg und lasse aus den Stapfen Ihrer Füße reiche Blüthen und Früchte erstehen! Und als die nächste zur Reife gekommene Frucht möge dem deutschen Volke werden — ein dauernder und gesicherter Friede!
Meine Herren, auf der Reichsboten Wohl ein volles Glas. Sie leben hoch! —
Hierauf ergriff der Präsident Simson das Wort. Er erinnerte daran, daß nicht nur die Preußen, sondern alle Deutsche mit Stolz und Dankbarkeit ihre Wünsche für die Herrscher des Hauses Hohenzollern erheben mußten; kein anderes Geschlecht