1871 / 5 p. 6 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

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Kirchenregierung nur in einem (über das Vokationsrecht hinaus⸗ ehenden) Rechte der Kirchengemeinde beruht, die im §. 1 be⸗ immte Besetzungsweise durch Erklärung des Landes⸗Konsisto.

riums in Kraft gesetzt werden, sobald der Kirchenvorstand

solches beantragt und die Mehrheit der bisher Wahlberechtigten in ordnungsmäßig zu dem Ende berufener Versammlung zu⸗ immt.

st 3. Von der Geltung dieses Gesetzes sind ausgenommen: ) Stellen in Personal⸗ und Anstalts⸗Gemeinden; 2) Stellen,

deren Jahresertrag auf 500 Thaler noch nicht gebracht ist;

3) Stellen, mit denen eine General⸗ oder Spezial⸗Superinten⸗

dentur verbunden ist, so lange die Verbindung dauert.

Im letzten Falle aber soll auf dieselbe Zeit, wenn in der Kirchengemeinde eine zweite, von der Kirchenregierung frei zu besetzende Stelle besteht, für diese der Kirchengemeinde das Wahlrecht (§. 1) in jedem Besetzungsfalle zustehn.

§. 4. Als Besetzungsfall gilt jede Anstellung, welche eine Pfarrstelle oder ständige Pfarrgehülfenstelle fest, wenn auch nur bedingt (Gehülfen mit Hoffnung auf Nachfolge) verleiht. Auf Anstellungen anderer Art leidet dies Gesetz keine An⸗ wendung. 1 Jeder Besetzungsfall gilt erst mit der Einführung des Geist⸗ lichen in das Amt als vollendet. §. 5. Das durch dies Gesetz gewährte Wahlrecht berech⸗ tigt, unter den nachfolgenden Bestimmungen, zu einer Auswahl aus allen Geistlichen, welche in der evangelisch⸗lutherischen

Kirche der Provinz Hannover im geistlichen Amte stehen, und aus allen vom Landes⸗Konsistorium als anstellungefaäbig für ein solches Amt erkannten Kandidaten, mit der Beschränkung, daß 1) auf Pfarrstellen von mehr als 1200 Thlr. Jahresertrag

nur solche, welche das 45. Lebensjahr, 2) auf Pfarrstellen von

mehr als 1000 Thlr. Jahresertrag nur solche, welche das 40. Lebensjahr, 3) auf Pfarrstellen von mehr als 800 Thlr. Jahresertrag nur solche, welche das 35. Lebensjahr zurückgelegt haben, gewählt werden dürfen; 4) das Landes⸗Konsistorium jüngere Jahrgänge der Kandidaten, nach der Zeit der Prüfung ro ministerio berechnet, so lange von der Wählbarkeit aus⸗ chließen kann, als aus älteren Jahrgängen mehr als 20 an⸗ stellungsfähige Kandidaten übrig sind. 1 ““ Ueber alle wählbaren Geistlichen und Kandidaten soll beim Landes⸗Konsistorium fortlaufend ein der Einsicht der Kirchen⸗ vorstände offenliegendes Verzeichniß, mit Angabe des Lebens⸗ alters der Verzeichneten, geführt werden. § 6. Den Geistlichen und Kandidaten ist jede Bewerbung um Stimmen bei der Wahl, bei Strafe der Nichtbestätigung ihrer Wahl und, im Falle späterer Entdeckung bei Strafe dis⸗ ziplinarischer Ahndung bis zur Dienstentlassung, verboten. Doch ist denselben unbenommen, bei der Kirchenbehörde (nicht beim Kirchenvorstande) sich für die Stelle bereit zu melden. §. 7. Tritt ein Besetzungsfall ein, für welchen der Kirchen⸗ gemeinde nach diesem Gesetz das Wahlrecht zusteht, so hat, sobald der Ertrag der Stelle festgestellt ist (§. 15), die Kirchenregierung dem Kirchenvorstande mitzutheilen, welche Personen nach §. 5, für die Stelle überhaupt wählbar sind und welche derselben für die Stelle sich bereit gemeldet haben. 8 Nach Berathung mit dem Superintendenten hat darauf der Kirchenvorstand alle zu einer guten Wahl nöthigen Er⸗ mittelungen anzustellen. Dabei steht ihm namentlich zu, De⸗ putirte aus seiner Mitte zu entsenden, um über solche, welche vorläufig für die Stelle in Aussicht genommen werden, an Orten ihrer früheren Wirksamkeit Zuverlässigeres zu erkunden. Auch haben dem Kirchenvorstande zur Förderung seiner Aufgabe die Kirchenbehörden jede erbetene Unterstützung inner⸗ halb ihrer Zuständigkeit bereitwillig zu gewähren. Der Kirchenregierung bleibt es übrigens vorbehalten, zu den Verhandlungen hier, wie bezüglich des §. 11 an Stelle des Superintendenten oder neben demselben einen beson⸗ deren Bevollmächtigten zu beauftragen, auch diesen und den Superintendenten mit näherer Anweisung für die Verhandlun⸗ gen zu versehen. §. 8. Sind die Vorbereitungen (§. 7) beendet, so hat zu⸗ nächst der Kirchenvorstand eine Auswahl zu treffen. Dieselbe erfolgt mittelst schriftlicher Stimmgebung in einer unter dem Vorsitze eines Bevollmächtigten der Kirchenregierung abzuhal⸗ tenden Sitzung des Kirchenvorstandes, an welcher jedoch Ge⸗ hülfen eines Pfarrgeistlichen, welche nach besonderer Anordnung der Kirchenregierung statt desselben in den Kirchenvorstand ein⸗ getreten sind, und die in Vakanzfällen oder in Fällen dauernder Behinderung von der Kirchenregierung benannten stellvertreten⸗ den Geistlichen niemals, auch in Kirchengemeinden, in welchen mehrere Pfarrstellen bestehen, die Inhaber nachfolgender Stellen dann nicht theilzunehmen haben, wenn die Besetzung ehenden Stelle in Frage steht.

ntscheidet sich sodann der Kirchenvorstand mit

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Stimmeneinhelligkett für eine Person aus der Zahl der nach §. 5 im vorliegenden Falle überhaupt Wählbaren und wird dagegen innerhalb einer vom Kirchenvorstande vorzuschrei⸗ benden Frist nicht wenigstens von drei wahlberechtigten Kirchen⸗ Gemeindegliedern (vergl. §. 11) beim Kirchenvorstande Wider⸗ spruch erboben, so gilt diese Person ohne Weiteres als für die Stelle erwählt. Trifft der Kirchenvorstand aber eine solche einhellige Entscheidung nicht, oder wird dagegen solcher Wider⸗ spruch erhoben, so hat der Kirchenvorstand drei geeignete Per⸗ sonen zu benennen, unter welchen die Kirchengemeinde aus⸗ wählt.

Kann oder will er drei geeignete Personen nicht benennen, so ist hiervon dem Landes⸗Konsistorium Anzeige zu machen, welches solchen Falls berechtigt ist, die Benennung des Kirchen⸗ vorstandes zu ergänzen, beziehungsweise zu ersetzen. Macht dasselbe von dieser Befugniß keinen Gebrauch, so hat die Kirchen⸗ gemeinde unter den nach §. 5 im vorliegenden Falle überhaupt Wählbaren freie Auswahl, unbeschadet übrigens der Zulässig⸗ keit einer die Wahl nicht beschränkenden Empfehlung der einen oder anderen Person seitens der Kirchenregierung oder des Kirchenvorstandes.

§. 10. Die nach §. 9 Benannten oder Empfohlenen kön nen zur Abhaltung eines sonn⸗ oder festtäglichen Hauptgottes⸗ dienstes und einer Katechisation vor der Kirchengemeinde, bevor diese wählt, aufgefordert werden, falls der Kirchenvorstand dies für zweckmäßig erachtet.

§. 11. Die nach §. 9 von der Kirchengemeinde vorzuneh⸗ mende Wahl erfolgt mittelst schriftlicher Stimmgebung in einer Versammlung derselben, für welche §. 5, S. 1 und §§. 7, 10, 11 und 12 der Kirchenvorstands⸗Ordnung vom 9. Oktober 1864 sinngemäß gelten.

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Der Kirchengemeinde muß bei Abkündigung derselben er-

öffnet werden, unter welchen Personen sie zu wählen hat. Die Wahl wird durch den Superintendenten geleitet.

Bei der Wahl entscheidet relative Mehrheit der an der Ab⸗ sttmmang Theilnehmenden. Bei Stimmengleichheit entscheidet das Loos.

§. 12. Der Name des Gewählten (§. 9 S. 1 und §. 11) soll an dem der Wahl folgenden Sonntage in der Kirche ver⸗ kündet werden.

Hat er nicht schon nach §. 10 vor der Wahl einen Gottes⸗ dienst vor der Gemeinde abgehalten, so muß er zunächst die Aufstellungspredigt halten; andernfalls fällt diese weg.

Jedes konfirmirte Kirchengemeindeglied, auch wenn dasselbe sonst zu den kirchlich Stimmberechtigten nicht gehört, ist berech⸗ tigt, Einwendungen gegen die Wahl vorzubringen, wodurch die Einführung des Gewählten bis zur Erledigung der Einwen⸗ dungen verschoben wird.

Die Frist zur Vorbringung solcher Einwendungen läuft mit dem Sonntage ab, welcher auf die Aufstellungspredigt wenn diese wegfällt, auf den Sonntag, an welchem der Name des Gewählten verkündet ist folgt. Sie ist der Gemeinde bei Verkündung des Namens des Gewählten kund zu machen.

§. 13. Jede Wahl bedarf der Bestätigung der Kirchen⸗ regierung. 8 b b

Zur Entscheidung über dieselbe hat nach Ablauf der zur Vorbringung von Einwendungen bestimmten Frist der Kirchen⸗ vorstand unter Begutachtung der letztern bei Vorlegung der Wahlakten Bericht zu erstatten.

Die Bestätigung darf nur verweigert werden, wenn ent⸗ weder bei der Wahl ordnungswidrig verfahren ist (vgl. auch §. 6) oder der Gewählte für unfähig zur ordnungsmäßigen Versehung des zu besetzenden Amts erkannt wird.

Eine Versagung der Bestätigung wegen Unfähigkeit des Gewählten für das Amt, vorausgesetzt, daß derselbe nach §. 5 zu den überhaupt Wählbaren gehört, kann beim Widerspruche des Kirchenvorstandes in der Instanz des Landes⸗Konsistoriums, von diesem nur unter Mitwirkung des Ausschusses der Landes⸗ synode erkannt werden. Die Mitwirkung erfolgt in der im 8 66 Nr. 2 der Synodal⸗Ordnung vom 9. Oktober 1864 be⸗

immten Weise.

§. 14. Haben mehrere Kirchengemeinden denselben Pfarrer (vereinigte Muttergemeinden, Mutter⸗ und Tochtergemeinden), so sollen bei Anwendung dieses Gesetzes deren Kirchenvorstände mit Ausschluß jedoch der Kirchenvorstände solcher Tochter⸗

gemeinden, deren Mitglieder bei der Wahl der Kirchenvorsteher in der Muttergemeinde mitberechtigt sind als gemeinschaft⸗ licher Kirchenvorstand (§. 43 der Kirchen⸗Vorstands⸗Ordnung

vom 9. Oktober 1864) handeln und die Kirchengemeinden in vereinigter Versammlung die Wahl vornehmen.

§. 15. Die Kirchenregierung stellt unter Benehmen mi dem Kirchenvorstande jedes Mal vor der Wahl den anzuneh menden Ertrag der Stelle fest. Diese Feststellung ist für die im §. 5 unter 1 riebene Beschränkung der Wählbar⸗ keit maßgebend.

Hoffnung der Nachfolge ꝛc. nach dem Zeitpunkte fällt, mit welchem das Gesetz in Kraft tritt.

gemeinde.

und beigedrucktem Königlichen Insiegel.

Pfarrstellen der evangelisch⸗lutherischen Kirche der Provinz

Freie Wohnung oder ein dafür gewährtes Aequivalent bleiben bei dem Anschlage außer Ansatz. Fehlt es daran, so werden statt dessen von dem ermittelten Ertrage 10 Prozent abgesetzt, jedoch nie mehr als 120 Thlr.

§. 16. Die Kosten des Wahlverfahrens sollen von den Parochial⸗Kirchenkassen, soweit diese dazu ausreichen, und wenn nicht im Falle der Unzulänglichkeit Dritte ganz oder theilweise für sie einzutreten haben, sonst von den Kirchengemeinden ge⸗ tragen werden.

Diäten und Reisekosten gebühren im Falle nothwendiger Reisen den Mitgliedern der Kirchenvorstände (vgl. §. 7 S. 3) und bei Gastpredigten (§. 10) den Geistlichen und Kandidaten nach den im §. 85 der Kirchenvorstands⸗ und Synodal⸗Ordnung vom 9. Oktober 1864 für Mitglieder der Bezirks⸗Synoden vorgeschriebenen Sätzen.

§. 17. Die durch dies Gesetz geordnete neue Besetzungs⸗ weise gilt nur für diejenigen Besetzungsfälle, deren Anfang Tod oder sonstiger Dienstabgang des bisherigen Stellinhabers, endgültige Entscheidung über Beiordnung eines Gehülfen mit

Dabei beginnt der im §. 1 vorgeschriebene Wechsel des Wahlrechts der Kirchengemeinde und der freien Besetzung durch

die Kirchenregierung 8 denjenigen Theil aller in Betracht V

kommenden Stellen, deren Inhaber an einem mit den Buch⸗ staben A— K einschließlich beginnenden Orte ihren Wohnsitz haben, mit der freien Besetzung der durch die Kirchenregierung für den übrigen Theil mit der Besetzung durch Wahl der Kirchen⸗

§. 18. Das Landes⸗Konsistorium ist ermͤchtigt, daß zur Ausführung dieses Gesetzes Erforderliche anzuordnen.

Demselben steht dabei insbesondere auch zu, zur Ausübung der den Kirchengemeinden und ihren Vorständen gewährten Be⸗ fugnisse angemessene Fristen, äußersten Falls unter dem Nach⸗ theile vorzuschreiben, daß diese Befugnisse für das Mal vom Landes⸗Konsistorium oder der von demselben zu bezeichnenden Stelle wahrgenommen werden sollen.

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift

Gegeben Hauptquartier Versailles, den 22. Dezember 1870. (L. S.) Wilhelm. von Mühler.

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Kirchengesetz, betreffend die Verbesserung ungenügend dotirter

Hannover. 8 Vom 22. Dezember 1870. Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen ꝛc., verordnen über die Verbesserung ungenügend dotirter Pfarr⸗ stellen der evangelisch⸗lutherischen Kirche der Provinz Hannover unter Zustimmung der hannoverischen Landessynode was folgt: K§. 1. Pfarrstellen, deren Diensteinkommen, abgesehen von freier eeeig weniger als 500 Thaler beträgt, sollen bis zu diesem Betrage verbessert werden. 8 §. 2. Eine Verbesseruug bis zum Betrage von 600 Thlrn. kann, sofern die Mittel (§. 4) ohne Schwierigkeit zu beschaffen sind, für Pfarrstellen, welche aus besonderen Gründen einer Erhöhung des Diensteinkommens über 500 Thaler hinaus be⸗ dürfen, als namentlich:

1) für Pfarrstellen in Städten oder Orten mit städtischen

erkehrs- und Lebensverhältnissen; 2) für Pfarrstellen an

olchen Orten, wo die Preise der nothwendigen Lebensbedürf⸗ nisse ungewöhnlich hoch sind; 3) für Pfarrstellen an Kirchen⸗ gemeinden mit mehr als 1500 Seelen, 4) für Pfarrstellen, auf denen der Dienst mit ungewöhnlichen Anstrengungen verbun⸗ den ist, von der Kirchenregierung verfügt werden.

.3 Dauernd vereinigte Pfarrstellen gelten bei Anwen⸗ dung dieses Gesetzes für eine Pfarrstelle. Auf Pfarrgehülfen⸗ tellen findet dasselbe keine Anwendung. §. 4. Die Beschaffung des zur Erreichung des Mindest⸗ inkommens erforderlichen Zuschusses, welcher auf Grund des ermaligen Dienstanschlages in der Regel ein für alle Mal fest⸗ estellt wird, liegt, vorbehaltlich der etwa kraft besonderen Rechtstitels gegen Dritte zu verfolgenden Ansprüche, der be⸗ reffenden Kirchengemeinde ob und erfolgt, so weit nicht durch Verhandlung mit dem Kirchenvorstande anderweite Mittel zur Verfügung gestellt werden, durch Zahlungen der Parochial⸗ Kirchenkasse, so weit diese dazu ausreicht, und wenn nicht im Falle der Unzulänglichkeit Dritte anz oder theilweise für sie

einzutreten haben, sonst durch Leistungen der Kirchengemeinde. §. 5. Die auf Grund der vorstehenden Bestimmungen ab⸗ ugebenden Verfügungen und Entscheidungen stehen den Pro⸗ inzial⸗Konsistorien zu, von welchen der Rekurs an das Landes⸗

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Zustimmung des Ausschusses der Landessynode entscheiden kann.

Ueber das Verhältniß, nach welchem vereinigte Kirchen⸗ gemeinden zu dem Verbesserungs⸗Zuschusse beizutragen haben, entscheiden, wenn eine zwischen den betheiligten Kirchenvorständen nicht erreicht wird, die Provinzial⸗Konsistorien nur nach Anhörung des Ausschusses der Bezirkssynode, das Landes⸗Konsistorium nur nach Anhörung des Ausschusses der Seneee t diej

§. 6. Soweit diejenigen allgemeinen Fonds, welche aus schließlich oder theilweise zur Verbesserung von Peareflchen be⸗ stimmt sind, die Mittel dazu darbieten, sollen aus denselben zur Ausführung dieses Gesetzes Beihülfen, namentlich für solche Gemeinden bewilligt werden, welchen durch Beschaffung der erforderlichen Zuschüsse eine unverhältnißmäßige Belastung

7. as Landes⸗Konsistorium wird mit Ausführun

dieses Gesetzes beauftragt. 1 .

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen Instegel.

Gegeben H. O. Versailles, den 22. Dezember 1870.

E. S.) Wilbelm.

Ni tliches.

Frankreich. (Köln. Z.) Die Ballon⸗Nachrichten aus Paris reichen bis zum 30. Dezember. Die Räumung des Mont Avron hatte auf die Bevölkerung äußerst entmuthigend gewirkt, zumal man bis dahin sicher gewesen war, daß die preußischen Geschütze gegen die französischen nichts ausrichten könnten. Am 28. hatte man in Paris noch fest geglaubt, daß das Bombardement, welches die Preußen am 27. begonnen, ohne allen Erfolg bleiben werde. Ein Schreiben vom 28. sagt darüber: »Alle Unterhaltungen haben das gestrige Bom⸗ bardement zum Gegenstande. Es ist konstatirt, daß der Feind vollständig Fiasco gemacht hat. Er hat 4000 Schüsse ab⸗ gefeuert, vielleicht eine Million Franken verausgabt, und das ganze Resultat besteht darin, daß er uns 60 Mann getödtet und verwundet, und was die Vertheidigung anbelangt, uns nur unbedeutenden Schaden zugefügt hat. Im Allgemeinen freut sich das Publikum, daß der Feind von der Defensive zur Offensive übergeht. Das Handwerk wird schwer und das Leben hart sein für die preußischen Soldaten, und dann wird es uns auch gestattet sein, kleine Scherze auszuführen, auf die er wenig vorbereitet ist. Der Ton der Briefe vom 29., an welchem Tage die Räumung des Mont Avron bekannt war, ist dagegen ein ganz andrer. Mit dem Verluste dieser Stellung waren auch die furchtbaren Entbehrungen, welche die Pariser auszuhalten haben, wieder fühlbarer geworden und die Klagen über die Leiden, welche Hunger und Kälte verursachen, wieder hervorgetreten. „Die Nachrichten über das Bombardement⸗ so sagt ein Brief vom 29. „sind nicht gut. Es scheint, daß die preu⸗ ßische Artillerie sich der unseren überlegen gezeigt hat und wir gezwungen gewesen sind, letzte Nacht das Plateau Avron zu räumen, das für unsere Infanterie unhaltbar geworden war. Diese Lage flößt für die Zukunft einige Unruhe ein. Außerdem leidet die Bevölkerung furchtbar durch die Kälte; gestern fanden einige Excesse statt; man wollte sich des Holzes auf den Bauplätzen bemächtigen. Die Excesse wurden mit Mühe unter⸗ drückt. Man ist noch nicht entmuthigt; aber es ist nichtsdesto⸗ weniger wahr, daß wir irgend einer guten Nachricht bedürfen, um uns vor der Demoralisation zu bewahren. Das Publikum ist außerdem unzufrieden. Man klagt die Regierung der Unvor⸗ sichtigkeit und der Unentschlossenheit an. Wenn wir seit dem Monat, während welchem wir den Mont Avron besetzt gehal⸗ ten haben, dort die nothwendigen Arbeiten verrichtet hätten, so würden wir nicht genöthigt gewesen sein, ihn auf solche Weise aufzugeben. Es scheint mir, daß die Preußen immer an Alles denken und wir immer etwas vergessen. Es ist wahrscheinlich, daß die Regierung Erklärungen abgeben oder mit Energie auftreten wird. Unsere Lebensmittel gehen zu Ende; man muß sich beeilen.«

Dem »Journal de Bruxelles« wird in einer Korrespon⸗ denz aus Bordeaux vom 31. Dezember gemeldet, daß die Bauern sich weigern, die außerordentlichen Steuern und die Kriegs⸗ kontributionen zu bezahlen. Die durch den Unterhalt der mo⸗ bilisirten Nationalgarde der Bevölkerung auferlegten Lasten erzeugen lebhafte Unzufriedenheit. Es ist zweifelhaft, ob der fällige Januar⸗Coupon der Rente eingelöst werden wird.

Italien. Florenz, 5. Januar. (W. T. B.) Die »Opinione« bezeichnet die von ausländischen Blättern ge⸗ brachte Mittheilung, daß Lonyay beauftragt sei, wegen Abschluß einer italienisch⸗österreichischen Allianz zu verhandeln, für un⸗

Konsistorium geht, so jedoch, daß die letztgenannte Behörde für Verbesserung einer Stelle über 500 Thaler (§. 2) nur mit

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begründet. Die Mission Lonyays bezwecke ausschließlich nur die Regelung finanzieller Frag3en.