1871 / 81 p. 6 (Königlich Preußischer Staats-Anzeiger) scan diff

kommenden Klassen⸗ und Einkommensteuer, der halben Gewerbesteuer,

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sowie der halben Grund- und Gebäudesteuer. Das Einkommen, welches aus außerhalb belegenem Grundbesitz oder betriebenem Ge⸗ werbe fließt, ist außer Berechnung zu lassen.

Das Einkommen, welches die außerhalb des Bezirkes des Ge⸗ sammt⸗Armenverbandes wohnenden Personen mit Einschluß der juri⸗ stischen Personen, der Aktiengesellschaften und Kommanditgesellschaften auf Aktien aus dem innerhalb dieses Bezirkes belegenen Grundbesitz oder betriebenen Gewerbe beziehen, wird hinsichtlich der Klassen⸗ und Einkommensteuer besonders veranlagt.

Den einzelnen Gemeinden bleibt die Aufbringung des auf sie vertheilten Kostenbeitrages nach den Vorschriften der Gemeinde⸗ Verfassungsgesetze überlassen.

§. 11. Die einen einheitlichen Ortsarmenverband gegenwärtig noch nicht bildenden, aus mehreren Gemeinden oder Gutsbezirken zusammengesetzten Kommunalverbände (Bürgermeistereien, Aemter, Sammtgemeinden) können unter Zustimmung des Kreistages in den Formen, welche für die Beschlußfassung über die gemeinschaftlichen Angelegenheiten dieser Verbände vorgeschrieben sind, als Gesammt⸗ Armenverbände eingerichtet werden. Die Bestimmungen der Gesetze über die Verwaltung der gemeinschaftlichen Angelegenheiten der ge⸗ dachten Kommunalverbände sind alsdann auch für die Verwaltung der gemeinsamen Armenpflege maßgebend.

§. 12. Gemeinden oder Gutsbezirke, welche einem der in den 9 und 11 gedachten Verbände nicht angehören, können mittelst gegenseitiger Vereinbarung als Gesammt⸗Armenverbände eingerichtet oder einem bestehenden Gesammt⸗Armenverbande einverleibt werden. Die Art der Beschlußfassung über die gemeinschaftlichen Angelegen⸗ en. die Vertretung des Gesammt⸗Armenverbandes nach außen, die ormen der Verwaltung und die Aufbringungsweise der Kosten der e“ Armenpflege sind in diesem Falle durch ein von der ezirksregierung zu bestätigendes Staͤtut zu regeln

§. 13. Die Bestimmungen der §§. 3 bis 5, betreffend die Bil⸗ dung besonderer Deputationen und die Verpflichtung zur Annahme unbesoldeter Stellen, sowie die Bestimmungen des §. 6 kommen auch

bezüglich der Gesammt⸗Armenverbände und deren Vertretung zur

Anwendung.

14. Die Wiederauflösung eines Gesammt⸗Armenverbandes kann nur in den Formen, welche für die Beschlußfassung über die gemeinschaftlichen Angelegenheiten vorgeschrieben sind, und nur mit Genehmigung der Bezirksregierung vorgenommen werden.

§. 15. Jede Einrichtung und jede Wiederauflösung eines Ge⸗ sammt⸗Armenverbandes ist durch das Amtsblatt zur öffenilichen Kenntniß zu bringen.

§. 16. I[d. Umwandelung und räum liche Begrenzung der, dem Bundesgesetze vom 6. Juni 1870 nicht entsprechenden Ortsarmen⸗ Verbände] Die in einigen Landestheilen bestehenden Ortsarmen⸗ Verbände (Armenkommunen u. s. w.), welche den Vorschriften des Bundesgesetzes über den Unterstuͤtzungswohnsitz vom 6. Juni 1870 nicht entsprechen, werden in Ortsarmen⸗Verbände nach Maßgabe jenes Gesetzes umgebildet. Dieselben erhalten ihre räumliche Begren⸗ zung durch Beschluß der in Gemäßbeit des §. 18 zu bildenden Peen. missionen unter Bestätigung der Bezirksregierung nach vorgängiger Anhörung der Betheiligten. Die räumliche Begrenzung geschieht in der Weise, daß diejenigen Verbände, welche schon jetzt mehrere ganze Gemeinden oder Gutsbezirke umfassen, als Gesammt⸗Armenverbände in Gemäßheit des §. 10 des gegenwärtigen Gesetzes einzurichten sind.

„§. 17. Das Vermögen der im §. 16 gedachten Ortsarmen⸗Ver⸗ bände (Armenkommunen u s. w.) geht zur bestimmungsmäßigen Ver⸗ wendung auf die neu zu bildenden Ortsarmenverbände über, unter Wahrung aller bestehenden Rechte der Religionsgesellschaften, Stif⸗ tungen und sonstigen juristischen Personen und unter Vorbehalt des Rechtsweges für dieselben.

Die Theilnahmerechte der neu zu bildenden Ortsarmenverbände an dem vorgedachten Vermögen bestimmen sich in Ermangelung be⸗ sonderer Rechtstitel oder einer anderweitigen Vereinbarung der Be⸗ theiligten zunächst nach dem Maßstabe, nach welchem die Betheiligten zu diesem Vermögen im Durchschnitt der letzten zehn Jahre beigetragen eben und wenn ein solcher Maßstab nicht nachweisbar ist, nach der

eelenzahl.

Eine Vertheilung des bisher ungesondert verwalteten Armen⸗

vermögens ist nur zulässig, wenn sie nach der von der Bezirksregie⸗ rung zu treffenden Entscheidung mit den bestimmungsmäßigen Zwecken des Armenvermögens vereinbar ist. Wo die Vertheilung nicht statt⸗ 8 kann eine gemeinschaftliche Verwaltung nach Maßgabe der §§. 10, 12 und 13 eingerichtet werden.

§. 18. Die zur Ausführung der Vorschriften der §§. 16 und 17 erforderliche Regu irung der Vermögensverhältnisse erfolgt durch Kom⸗ missionen, bestehend aus einem von dem Ober⸗Präsidenten zu ernen⸗ nenden Vorsitzenden und aus zwei oder vier weiteren, gemäß Beschluß der Provinzialvertretung zu wählenden Mitgliedern. Die Provinzial⸗ vertretung beschließt über die Zahl der zu bestellenden Kommissionen. Gegen die Beschlüsse der Kommissionen bleibt den Betheiligten der Rechtsweg vorbehalten. G

§. 19. (e. Aufzuhebende örtliche Armenbehörden.) Es werden diejenigen besonderen Behörden (Armenkommissionen, Hospitienkom⸗ missionen, Armenverwaltungen, Pflegschaftsräthe ꝛc.) hierdurch aufge⸗ hoben, welche in einigen Landestheilen, insbesondere im Bezirk des Appellationsgerichtshofes zu Cöln, für die Verwaltung der örtlichen Armenpflege neben den, durch die Gemeinde⸗Verfassungsgesetze ange⸗ ordneten Gemeindebehörden bestehen. Auf die letzteren gehen alle, aus Gesetzen, Verordnungen und anderen Titeln entspringenden Rechte und Pflichten der gedachten besonderen Armenbehörden über, insbe⸗ sondere ist das unter ihrer Verwaltung stehende Vermögen, soweit

dasselbe bisher zu bestimmten Stiftungszwecken zu verwenden war, auch fernerhin in gleicher Weise zu verwenden. 6

„H. 20. Soweit bisher, insbesondere im Bezirk des Appellations⸗ gerichtshofes zu Cöͤln, von den nach § 19 aufzuhebenden besondere Armenbehörden Armenfonds und Armenanstalten ungesondert ver waltet wurden, welche für die Armenzwecke mehrerer Gemeinden be stimmt sind, kommen die Vorschriften der §§. 21 bis 23 zur An wendung. . 1

§. 21. Sind die Armenfonds und Armenanstalten für die Ar⸗ menzwecke mehrerer Landgemeinden bestimmt, so geht deren Verwal⸗ tung auf diejenigen Behörden über, welche nach den Gemeinde⸗Ver⸗ fassungsgesetzen fuüͤr die Verwaltung der gemeinschaftlichen Angelegen⸗ heiten der Landgemeinden angeordnet sind. Der Artikel 15 des Ge⸗ setzs vom 15. Mai 1856, betreffend die Gemeindeverfassung in der Rheinprovinz (Gesetz Samml. S. 435 ff.), kommt entstehenden Falles mit der Maßgabe zur Anwendung, daß die in dem letzten Satze dieses Artikels erwähnten Rechte des Vorsitzes und der Verwaltung demjenigen Bürgermeister zustehen, in dessen Amtsbezirke die betref⸗ fende Armenbehörde ihren Sitz gehabt hat.

§ 22. Sind die Armenfonds und Armenanstalten für die Armen⸗ zwecke mehrerer Stadtgemeinden oder für die Armenzwecke von Stadt⸗ und Landgemeinden bestimmt, so geht deren Verwaltung auf die Behoöͤrden derjenigen Gemeinde über, in welcher die aufzuhebende Armenbehörde ihren Sitz gehabt hat. In Fällen dieser Art ist den betheiligten Außengemeinden eine Mitwirkung bei der Verwaltung der Armenfonds und Armenanstalten nach Maßgabe der Bestimmun⸗ gen der §§ 10, 12, 13 einzuräumen.

§. 23. Die zur Ausführung der Vorschriften der §§. 19 bis 22 Forderiiche erfolgt nach Maßgabe der Bestimmungen der

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111X““ Religionsgesellschaften, den Stiftungen und sonstigen juristischen Personen verbleibt in allen Fällen die Verwaltung des ihnen zugehörigen Armenvermögens, insoweit diese Verwaltung gegen⸗ wärtig noch nicht auf die gemäß § 19 aufzuhebenden Armenbehörden übergegangen ist. Insoweit den Religionsgesellschaften, den Stiftungen und sonstigen juristischen Personen schon nach den bisherigen Gesetzen ein Anspruch auf Rückgewähr des in die Verwaltung der aufzuheben⸗ den Armenbehörden übergegangenen Vermögens zusteht, bleiht ihnen die Verfolgung desselben im Rechtswege vorbehalten.

§. 25 Aufsichtsrecht der Staats⸗Regierung.) Der Staats⸗ Regierung steht nach Maßgabe der Gemeinde⸗Verfassungsgesetze die Aufsicht über die Verwaltung der Ortsarmenverbände zu. Sie hat insbesondere auch in den Fällen der §L. 19 ff. darüber zu wachen, daß das Armenvermögen seinen bestimmungsmäßigen Zwecken nicht entfremdet werde. 1

§. 26. (B. Landarmenverbände.) Die bestehenden Landarmen⸗ verbaͤnde werden in ihren gegenwärtigen Grenzen bis auf Weiteres beibehalten, jedoch wird der Kreis Meisenheim dem Landarmenver⸗ bande des Regierungsbezirks Coblenz und die Enklave Kaulsdorf dem Landarmenverbande der vormals sächsischen Kreise der Regierungs⸗ Bezirke Merseburg und Erfurt und des Kreises Erfurt zugelegt. Einen besonderen Landarmenverband bilden außerdem 1) die Provinz Schleswig⸗Holstein, 2) die Provinz Hannover, 3) der kommunalstän⸗ dische Verband des Regierungsbezirks Cassel, 4) der kommunalstän⸗ dische Verband des Regierungsbezirks Wiesbaden mit Ausschluß des Stadtkreises Frankfurt a. M., 5) der Stadtkreis Frankfurt a. M, 6) der Regierungsbezirk Sigmaringen.

Für das Jadegebiet werden die Funktionen des Landarmen⸗ verbandes bis auf Weiteres vom Staate übernommen. 1

§. 27. Die Grenzen der Landarmenverbände können unter Zu⸗ stimmung der Betheiligten und, wo für den Bezirk eines Landarmen⸗ verbandes eine besondere Vertretung nicht besteht, unter Zustimmung der Provinzialvertretung, durch Königliche Verordnung geändert wer⸗ den Ohne diese Zustimmung ist eine solche Aenderung nur im Wege

der Gesetzgebung zulässig. 28. Die Verwaltung der Angelegenheiten derjenigen Land⸗

armenverbände, welche nur aus einer Gemeinde bestehen, erfolgt nach den für die Verwaltung der Angelegenheiten der Che se maß⸗ gebenden Vorschriften.

heiten der Landarmenverbände durch Königliche Verordnung, soweit es bisher noch nicht geschehen ist, den betreffenden kreis⸗, vüfe dse weise provinzial⸗ und kommunalständischen Verbänden und deren Organen nach Maßgabe der für diese Verbände und deren Organe gül⸗ tigen Verfassungsgesetze übertragen. Bis zum Erlaß der betreffenden Königlichen Verordnung bewendet es überall bei den zur Zeit be⸗ feenden Verwaltungsvorschriften, vorbehaltlich der Bestimmungen

§. 29. Die zur Erfüllung der Verpflichtungen der Landarmen⸗ verbände aufzubringenden Kosten werden auf die betreffenden Kleise nach dem Maßstabe der in ihnen aufkommenden direkten Staats⸗ steuern (§. 70) vertheilt, sofern nicht die Vertretung eines Landarmen⸗ verbandes mit Genehmigung der Minister des Innern und der Finanzen eine andere Aufbringungsweise beschließt. Den Vertretun⸗ gen der Kreise bleibt die Beschlußfassung über die Aufbringungsweise des auf die letzteren vertheilten Kostenbetrages überlassen.

In der Provinz Hannover werden die vorgedachten Kosten auf die Amtsverbände beziehungsweise auf die nicht zu einem Amts⸗ Feriges 1Se vertheilt.

m Regierungsbezirk Sigmaringen erfolgt die Vertheilung au die Ober⸗Amtsbezirke. Die Auforingungsrweie der auf beit 8 vertheilten Kostenbeträge wird bis zur Einführung von Kreis⸗ und Provinzialvertretungen durch eine Versammlung der Ortsvporsteher

Bürgermeister, Stadtschultheiß, Vogt) des Ober⸗Amtsbezirks unt Vorsitze des Obet⸗Amtmanns besimmmt. 8

In allen anderen Fällen wird die Verwaltung der Angelegen⸗

. 30. Die Bestimmungen des §. 29 treten in den Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Posen, Schlesien, Sachsen, West⸗ falen und in der Rheinprovinz erst mit dem 1. Januar 1873 in Gel· tung. Mit demselben Tage treten in der Provinz Schlesien die zur Zeit dort geltenden gesetzlichen Bestimmungen, betreffend die Erhebung von Abgaben für das Landarmen⸗ und Kotrigendenwesen bei Erb⸗ und Besitzveränderungsfällen, außer Kraft.

§. 31. (Pflichten und Rechte der Landarmenverbände.) Die Land⸗ armenverbände sind befugt, die Kosten der öffentlichen rmenpflege, welche die Fürsorge für Geisteskranke, Idioten, Taubstumme, Sieche und Blinde verursacht, unmittelbar zu uͤbernehmen. Kreise oder Ar⸗ menverbände, welche für einen der unmittelbar zu übernehmenden Zweige der Armenpflege bis dahin in ausreichender Weise gesorgt haben, können nicht gegen ihren Willen verpflichtet werden, an der betreffenden Einrichtung des Landarmenverbandes Theil zu nehmen oder zu den Kosten derselben beizutragen. Die auf besonderen gesetz⸗ lichen Bestimmungen oder Titeln beruhenden Verpflichtungen einzelner Landarmenverbände, sowie die Verpflichtung der Ortsarmenverbände zur vorläufigen Unterstützung der in ihrem Bezirke (§. 28 des Bundes⸗ gesetzes) der Hülfsbedürftigkeit anheimfallenden Personen werden hier⸗ durch nicht berührt. . 1

Die vorstehende Bestimmung findet gleichmäßig auf die aus mehreren Gemeinden oder Gutsbezirken zusammengesetzten Kommu⸗ nalverbände (Bürgermeistereien, Aemter, Sammtgemeinden), so wie auf die Amtsbezirke und Kreise Anwendung. Diese Verbände koͤnnen überdies auch die Fürsorge für Kranke unmittelbar übernehmen.

§ 32. Die in einigen Landestheilen bereits bestehenden Ver⸗ bände von Gemeinden und Gutsbezirken zur Bestreitung der Kosten einzelner besonderer Zweige der öffentlichen Armenpflege (außerordent⸗ liche Armenlast) hleiben als solche aufrecht erhalten; bezüglich der Verwaltung der Angelegenheiten derselben kommen die §§. 9, 10, 13 bis 15 gleichmäßig zur Anwendung.

Ohne Zustimmung der Betheiligten findet die Bildung solcher Verbande nscht ferner statt. 1

8 33. Die in einigen Landestheilen bestehenden Verpflichtungen des Staats zur Bestreitung einzelner besonderer Zweige der öffent⸗ lichen Armenpflege werden insoweit aufgehoben, als diese Verpflich⸗ tungen nicht auf besonderen Rechtstiteln beruhen.

Desgleichen werden aufgehoben die Bestimmungen. des Aus⸗ schreibens des vormaligen Kurhessischen Staatt⸗Ministeriums vom 15. Oktober 1822 (Kurhessische Gesetz⸗Samml. S. 45), sowie die Be⸗ stimmungen in §. 1 Nr. 5 des Gesetzes, betreffend die Erweiterung der Verwendungszwecke der Einnahmen aus dem vormals Kurhessischen Staatsschatze vom 25. März 1869 (Gesetz⸗Samml. S. 525).

F. 34. Die Landarmenverbände sind befugt, die ihrer Fürsorge ge⸗

setzlich anheimfallenden Personen demjenigen Ortsarmenverbande gegen Entschädigung zu überweisen, welcher nach §. 28 des Bundesgesetzes vom 6. 1 1870 zur vorläufigen Unterstützung derselben ver⸗ pflichtet ist. 8 Die Landarmenverbände sind verpflichtet, in ihren Armenhäausern, soweit es der Raum gestattet, gegen Entschädigung die der Fürsorge der Ortsarmenverbände gesetzlich anheimfallenden Personen auf An⸗ trag dieser Verbände aufzunehmen.

§. 35. Die für den Betrag der Erstattungsforderungen der Ar⸗ menverbände maßgebenden Tarife werden von dem Minister des In⸗ nern nach Anhörung der Provinzialvertretung beziehungsweise der Kommunal⸗Landtage aufgestellt. Bei den gegenwärtig in Geltung stehenden Tarifen bewendet es, bis sie in vorgedachter Weise abgeän⸗ dert worden sind.

36. Die Landarmenverbände sind verpflichtet, denjenigen, hrem Bezirke angehörigen Ortsarmenverbänden eine Beihülfe zu ge⸗

ähren, welche den ihnen obliegenden Verpflichtungen zu genügen unvermögend sind. Ob und welche Beihülfe zu leisten ist, entscheidet nach Anhörung des Kreistages endgültig die Deputation für das

Heimathwesen (§. 40), zu deren Sprengel der betreffende Ortsarmen⸗ verband gehört Die Beihülfe kann in Geld oder mittelst Bereit⸗ stellung von Pflegeanstalten oder in sonst geeigneter Weise gewährt werden.

Die in einigen Theilen des Regierungsbezirks Cassel bestehenden Verbände zur Unterstützung solcher Gemeinden, welche die Lasten der öffentlichen Armenpflege für sich allein nicht aufzubringen im Stande sind, werden insoweit aufgehoben, als diese Verbände nicht gleich⸗ zeitig zur Verfolgung anderer Zwecke eingerichtet sind, beziehungsweise insoweit auf sie nicht gleichzeitig der § 32 Anwendung findet. Auf das Vermögen dieser Verbände, soweit dasselbe lediglich zur Unter⸗ stützung der vorgedachten Gemeinden bestimmt ist, kommen die Vor⸗ schriften der §§. 17 und 18 zur Anwendung. 8

§. 37. Muß ein Deutscher, welcher keinen Unterstützungswohnsitz hat, auf Verlangen ausländischer Staatsbehörden (§. 33 des Bundes⸗ gesetzee) aus dem Auslande übernommen werden und ist bei der Uebernahme der Fall der Hülfsbedürftigkeit vorhanden oder tritt der. selbe innerhalb sieben Tagen nach erfolgter Uebernahme ein, so liegt die Verpflichtung zur Erstattung der Kosten der Unterstützung be⸗ ziehungsweise zur Uebernahme des Hülfsbedürftigen demjenigen Land⸗ armenverbande ob, innerhalb dessen der Hülfsbedürftige seinen letzten Unterstützungswohnsitz gehabt hat. Läßt sich dieser Unterstützungs⸗ wohnsitz nicht ermitteln, so ist derjenige Landarmenverband zur Tra⸗ gung der Kosten verpflichtet, in dessen Bezirk die Hülfsbedürftigkeit hervorgetreten ist.

§. 38. Die Landarmenverbände sind verpflichtet, die in ihrem Bezirke festgenommenen, auf Grund der Bestimmungen des §. 361. Nr. 3 bis 8 des Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund vom 31. Mai 1870 verurtheilten und nach verbuüßter Strafe der Landes⸗ Polizeibehörde überwiesenen Personen, auf dahin gehenden Beschluß dieser Behörde in ein Arbeitshaus unterzubringen. Die Kosten des

Transvportes der vorgedachten Personen aus dem Gerichtsgefängniß in das Arbeitshaus, sowie der ihnen etwa Behufs dieses Transporte zu gewährenden unentbehrlichen Bekleidung fallen dem Staate zur Last, wogegen die Landarmenverbände die Kosten der Verpflegung in der Anstalt, der bei der Entlassung aus dieser, wenn nöthig, zu ge⸗ währenden Bekleidung und entstehenden Falls der Beerdigung in so weit zu tragen haben, als diese Kosten durch den aufkommenden Arbeitsverdienst nicht gedeckt werden.

§. 39. Die Landarmenverbände sind fortan, soweit es bisher noch der Fall ist, nicht mehr verpflichtet, die Kosten der Vollstreckung

erichtlich erkannter Freiheitsstrafen bezüglich der im § 38 gedachten Personen zu tragen.

40. (Verfahren in Streitsachen der Armenverbände.) 1 Entscheidung von Streitigkeiten, welche gegen einen preußischen Armen⸗ verband von einem anderen deutschen Armenverband erhoben werden, wird für jede Provinz oder für einen oder mehrere Regierungs⸗ oder Landdrosteibezirke eine Behörde eingesetzt, welche den Namen „»Depu⸗ tation für das Heimathwesen« führt und am Hauptorte der Provinz oder am Sitze einer Bezirksregierung oder Landdroster ihren Sitz hat.

§. 41. Die Deputation für das Heimathwesen besteht aus einem richterlichen Beamten, einem Verwaltungsbeamten und ferneren drei von der Provinzialvertretung zu wählenden Mitgliedern.

Der richterliche Beamte wird aus den etatsmäßigen Mitglieder eines am Sitze der Deputation befindlichen Gerichtskollegiums, der Verwaltungsbeamte aus den am Sitze der Deputation ungirenden etatsmäßigen Mitgliedern der Regierung oder des Polizei⸗Präsidiums zu Berlin, beziehungsweise der Landdrostei, oder aus der Zahl der dem Ober⸗Präsidenten beigeordneten Räthe für die Dauer ihres Haupt⸗ amtes am Sitze der Deputation von dem Könige ernannt.

Die drei anderen Mitglieder werden aus den Angehörigen des Sprengels der Deputation für die Dauer von drei Jahren gewählt und von dem Vorsitzenden durch Handschlag an Eidesstatt verpflichtet.

In gleicher Weise wird für jedes Mitglied ein bestimmter Stell⸗ vertreter ernannt, beziehungsweise gewählt.

Dem Vorsitzenden der Deputation und dessen Stellvertreter er⸗ nennt der König aus der Zahl der Mitglieder.

§. 42. Die Anwesenheit von drei Mitgliedern, einschließlich der beiden ernannten Beamten, genügt für die Beschlußfähigkeit der Depu⸗ tation. Sind vier Mitglieder anwesend, so nimmt das dem Lebens⸗ alter nach jüngste Mitglied an der Abstimmung keinen Antheil.

§. 43 Die Mitglieder der Deputation sind für ihre Entschei⸗ dungen nach den für richterliche Beamte geltenden Grundsätzen ver⸗ antwortlich. Die ernannten Mitglieder unterliegen in dieser ihrer Eigenschaft den für richterliche Beamte geltenden isziplinarvorschrif⸗ ten. Das Verfahren wird von demjenigen Gerichtshof geleitet, wel⸗ cher für den Bezirk des betreffenden Appellationsgerichts den Diszi⸗ plinarhof bildet. Die gewählten Mitglieder der Deputation unter⸗ liegen keinem Disziplinarverfahren. 1b .

Der äußere Geschäftsgang bei den Deputationen wird durch ein Regulativ geordnet, welches der Justiz⸗Minister und der Minister des Innern gemeinsam zu erlassen haben. In dem Regulativ sind ins⸗ besondere auch die Grundsätze festzustellen, nach welchen die Stellver⸗ treter in Gemäßheit dieses Gesetzes einzuberufen sind.

§. 44. Die gewählten Mitglieder der Deputation erhalten eine ihren Auslagen entsprechende Entschädigung. Ueber die Höhe der⸗ selben beschließt die Provinzialvertretung, im Regierungsbezirk Sig⸗ maringen bis zur Einführung einer solchen die Regierung daselbst. Der Entschädigungsbetrag wird von dem Landarmenverbande und, wo mehrere Landarmenverbände betheiligt sind, im Verhältniß der in denselben aufkommenden direkten Staatssteuern aufgebracht. Die übrigen Kosten der Deputation für das Heimathwesen fallen dem Staate zur Last.

§. 45. Die Klage wegen eines abgelehnten Anspruchs ist bei der Deputation anzubringen, zu deren Sprengel der in Anspruch genom⸗ mene Armenverband gehört. .

§. 46. In der der Deputation einzureichenden Klageschrift ist der Armenverband, dessen Verurtheilung verlangt wird, und der Gegen⸗ stand des erhobenen Anspruchs genau zu bezeichnen; es ist insbeson⸗ dere ausdrücklich auszusprechen, ob die Uebernahme des betreffenden Hülfsbedürftigen oder welche sonstige Leistung verlangt wird.

§. 47. Die Klageschrift wird der Gegenpartei mit der Aufforderung zugefertigt, ihre schriftliche Gegenerklärung innerhalb vier Wochen nach der Zustellung einzureichen, widrigenfalls die in der Klageschrift be⸗ haupteten Thatsachen für zugestanden und die damit überreichten Ur⸗ kunden für anerkannt würden erachtet werden.

Die Gegenerklärung wird dem klagenden Armenverbande zuge⸗ fertigt, geeigneten Falles mit der dieselbe Verwarnung enthaltenden Aufforderung, seine weitere Erklärung innerhalb vierzehn Tagen nach der Zustellung einzureichen. Geht eine solche weitere Erklärung ein, so wird sie der Gegenpartei zur Kenntnißnahme zugefertigt.

Die vorgedachten Fristen können auf Antrag der betreffenden Partei ver werden.

M48. Der Klageschrift und den im §. 47 gedachten weiteren Erklärungen der Parteien sind die als Beweismittel in Bezug ge⸗ nommenen Urkunden im Original oder in Abschrift beizufügen. Ben allen Schriftstücken und deren Anlagen sind Duplikate einzu⸗ reichen.

§. 49. Die Deputation für das Heimathwesen ist befugt, Unter⸗ suchungen an Ort und Stelle zu veranlassen, Zeugen und Sachver⸗- ständige zu laden und cidlich zu vernehmen, überhaupt den angetrete⸗ nen Beweis in vollem Umfange zu erheben.

Hinsichtlich der Verpflichtung, sich als Zeuge oder Sachverständi⸗- ger vernehmen zu lassen, kommen die entsprechenden Bestimmungen der bürgerlichen Prozeßgesetze zur Anwendung. Die Deputation

erkennt auf die im Ungehorsamsfalle zu verhängenden Strafen, vor⸗ 71