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Preußen. Berlin, 20. Mai. Ihre Majestät die Kaiserin⸗ Königin ist am 17. d. Mts. von Coblenz nach Karlsruhe gereist
und unterwegs überall freudig empfangen worden. In Karlsruhe
besichtigte Ihre Majestät nach dem Diner mit Ihren Königlichen Hoheiten dem Großherzog und der Großherzogin die Lazareth⸗
Zaracken und traf Abends in Baden⸗Baden ein, wo Allerhöchst dieselbe wie immer das Meßmersche Haus bewohnt und den Besuch
und der Groß⸗
hrer Königlichen Hoheiten des herzogin empfangen hat. vW1“.“ ö“ “ 1e““
— Die Ratifikation des am 10. d. Mts. in Frankfurt a. M. definitiv abgeschlossenen Friedensvertrages zwischen Deutschland und Frankreich ist für heute in der genannten Stadt in Aus⸗ sicht genommen. Die Mitunterzeichnung des Friedens Seitens der dazu eingeladenen deutschen Regierungen hat am ver⸗ gangenen Dienstag, 15. d. Mts., in Berlin stattgefunden. Am folgenden Tage, 16. Mai, gab darauf der Reichskanzler ein Diner, zu welchem sämmtliche deutsche Diplomaten und höhere Beamten Einladungen erhalten hatten, die bei Abschluß des definitiven Friedens mit Frankreich in Frankfurt oder hier betheiligt gewesen waren. Süddeutschland war dabei durch den Königl. bayer. bevollmächt. Minister Grafen Quaudt, den Königl. bayerischen Legations⸗Rath Rudhart, den Königlich württem⸗ bergischen Geheimen Legations⸗Rath Grafen Uxküll, den König⸗ lich württembergischen Legations⸗Rath Baron Maucler, den Großherzoglich badischen bevollmächtigten Minister Freiherrn von Schweitzer und den Großherzoglich badischen Legations⸗ Sekretär Grafen Nantzau vertreten. Der Reichskanzler trank während des Diners auf das Wohl sämmtlicher Bundesfürsten und Graf Quadt erwiederte mit einem Toast auf Seine Majestät den Kaiser.
Behufs Auswechselung der Ratifikation ist der Reichs⸗ kanzler Fürst von Bismarck bereits gestern Abend nach Frank⸗ furt abgereist und nach telegraphischer Meldung heute Morgen um 8 ½ Uhr dort eingetroffen. Um 10 ½ Uhr Vormittags sind odann auch die französischen Minister Jules Favre und Pouyer⸗ Quertier in Frankfurt angekommen.
—— In der gestrigen (17.) Sitzung des Bundesraths, in welcher der Staats⸗Minister Delbrück in Vertretung des Reichs⸗ kanzlers den Vorsitz führte, wurde ein Schreiben des Präsiden⸗ ten des Reichstages vorgelegt, betreffend die vom Reichstage
vollzogene Wahl der Mitglieder für die Kommission zum Bau eines Reichstagsgebäudes. Die Vorlage des Präsidiums, be⸗ treffend den Abschluß eines Handels⸗ ꝛc. Vertrages mit Costa⸗
Rica, wurde dem betreffenden Ausschusse überwiesen. Sodann
wurde der Ausschußbericht erstattet über die Frage, welche Stel⸗ lung der Bundesrath zu dem bei der Berathung des osttax⸗
gesetzes vom Reichstage beschlossenen, auf Wegfall des Land⸗ rief⸗Bestellgeldes gerichteten Amendement einzunehmen habe.
— Im Hinblick auf Art. 4 Nr. 13 der Verfassung des Norddeutschen Bundes, wodurch die Erlassung gemeinsamer Vorschriften über das gerichtliche Verfahren der Kompetenz des Bundes überwiesen worden war, hat die Königlich preußische Regierung am 4. September 1867 bei dem Bundesrathe einen Antrag auf Niedersetzung einer besonderen Kommission zur Ausarbeitung des Entwurfs einer »Prozeßordnung in bürger⸗ lichen Rechtsstreitigkeiten für die Staaten des Norddeutschen Bundes« eingebracht. Diesem Antrage gemäß hat der Bundes⸗ rath in der Sitzung vom 2. Oktober 1867 Beschluß gefaßt. Nachdem die hiernach eingesetzte Kommission einen vollstän⸗ digen »Entwurf einer Prozeßordnung in bürgerlichen Rechts⸗ streitigkeiten für den Norddeutschen Bund« ausgearbeitet und dem Bundesrathe in Vorlage gebracht hatte, hat dieselbe am 20. Juli 1870 ihre Thätigkeit geschlossen. Es ist nunmehr die Frage an den Bundesrath herangetreten, wie die Civil⸗Gesetz⸗ gebung weiter zu fördern, insbesondere ob es angemessen sei, die erforderlichen Einleitungen zu treffen, um dem Elaborate der genannten Kommission Gesetzeskraft zu verleihen.
„Der bezeichnete Gesetzentwurf, welcher durch den Druck ver⸗ öffentlicht wurde, hat die öffentliche Aufmerksamkeit in hohem Grade erregt und zu zahlreichen Beurtheilungen Anlaß gegeben. Insbesondere hat die Königlich preußische Staats⸗Regierung Veranlassung enommen, eine eingehende Prüfung des Ent⸗ wurfs vorzunehmen. Diese Prüfung ergab verschiedene wich⸗ tige Bedenken, deren sachliche und formelle Tragweite dazu führte, daß im Königlich preußischen Justiz⸗Minssterium ein förmlicher Gegenentwurf ausgearbeitet und dem Bundesrathe in Vorlage gebracht wurde. Die Ansicht der vorgedachten Kom⸗
Großherzogs
arbeitung zur Einführung nicht eigne. sen Erwägunger empfahl es sich, die Versuche, durch kommissionelle Berathungen zu einem für die Einführung sich eignenden Gesetzentwurfe zu e „fortzusetzen. Da inzwischen durch den Beitritt der Südstaaten zum Bunde mehrere neue Prozeßrechtsgebiete hin⸗ zugekommen sind, für deren Vertretung Fürsorge getroffen werden muß, da es ferner wünschenswerth erschien, in der Kom⸗ mission künftig den Stand der Rechtsanwälte zur Vertretun seiner Anschauungen zuzulassen, endlich auch die frühere Kom⸗ mission nicht mehr vollzählig ist, sondern erhebliche Verluste erlitten hat, und andere Mitglieder derselben in Berufsverhält. nisse eingetreten sind, die eine längere Abwesenheit derselben von Hause geradezu als unmöglich erscheinen lassen, so mußte eine neue Kommission niedergesetzt werden, über deren Zusam⸗ mensetzung die früher aufgestellten Prinzipien beibehalten wer. den konnten. Der Bundesrath hat daher auf Antrag des Ausschusse für Justizwesen in der Sitzung vom 8. d. M. vrnesch ü8 schlüsse gefaßt: 1) Zur definitiven Feststellung des Entwurfs einer Prozeß⸗Ordnung in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten für das Deutsche Reich wird eine Kommission von zehn Juristen berufen. 2) Die Kommissionsmitglieder werden von dem Bundesrathe gewählt. Ueber jedes Mitglied wird besonders gestimmmt⸗ 8s ö1“ ö.“ sol⸗ en in den Mitgliedern mögli ihre Vertretung fin 3) Die Kommission tritt “ *8 d. J. in Berlin zusammen. 4) Der Vorsitzende der Kommission wird aus der Mitte der Kommission von dem Reichskanzler ernannt, sofern sich nicht der Justiz⸗Minister Dr. Leonhardt zur Uebernahme des Vorsitzes bereit finden läßt. Die Wahl des Referenten erfolgt auf Vorschlag des Vorsitzenden mittelst Vereinbarung oder in Ermangelung einer solchen durch Ab⸗ stimmung der Kommission. 5) Jedes Mitglied führt Eine Stimme; bei Stimmengleichheit giebt die Stimme des Vor⸗ sitzenden den Ausschlag. Im Uebrigen regelt sich der Geschäfts⸗ gang nach der von der Kommission selbst festzustellenden Geschäftsordnung. 6) Die Kommission wird ihren Berathun⸗ gen den von dem Königlich preußischen Justiz⸗Minister auf⸗ gestellten Entwurf einer deutschen Civil⸗Prozeß⸗Ordnung von 1871 in Verbindung mit dem von der früheren norddeutschen Bundeskommission ausgearbeiteten Entwurfe von 1870 und den sonstigen einschlägigen legislativen Vorarbeiten zu Grunde legen. 7) Der Bundesrath spricht den Wunsch aus, die Kom⸗ mission mnoe ihre Aufgabe dergestalt fördern, daß dieselbe in den ersten Monaten des kommenden Jahres vollendet wird. Zu Mitgliedern dieser Kommission sind von dem Bundes⸗ rathe die nachstehenden Personen gewählt worden: der Geheime Ober⸗ Justiz⸗Rath und vortragende Rath im Justiz⸗Ministerium Dr. Falk zu Berlin, der Ober⸗Tribunals⸗Rath von Diepenbrock⸗Grüter zu Berlin, der Appellationsgerichts⸗Rath Planck in Celle, der Justiz⸗ Rath und Rechtsanwalt bei dem Ober⸗Tribunal in Berlin, Dorn, der Justiz⸗Rath und Rechtsanwalt von Wilmowski zu Breslau, der Appellationsgerichts⸗Rath Dr. Gottfried Schmitt, Referent im Justiz⸗Ministerium zu München, der Geheime Justiz⸗Rath Abecken zu Dresden, der Ober⸗Tribunals⸗Rath von Kohlhaas in Stuttgart, der Großherzoglich badische Ministerial⸗Rath im Justiz⸗Ministerium Dr. Albert Gebhard in Karlsruhe, der Groß⸗ herzoglich mecklenburgische Ministerial⸗Rath von Amsberg in Schwerin. 11.
Im weiteren Verlauf der gestrigen Si ung des Deutschen Reichstages wurde der Rachtrag Fitat gdas des J. 1871 ohne Diskussion in allen seinen Positionen ge⸗ vhnigt. 1ce “ Fall mit den beiden von der 1 mmission an die Genehmigung des — t knüpften Resolutionen, hmscitng 11¹“ den Reichskanzler aufzufordern: 1) Die erforderlichen Schritte zu thun, um ohne Verletzung be⸗ reits erworbener Rechte von dem Eintritte des neuen Pensionsregle⸗ ments an die Reduktion und endlich Aufhebung der Offiziers⸗Post⸗ meisterstellen eintreten zu lassen; 2) bei Aufstellung des Etats für 6— beeg zꝛu V „. cse dhe Gehälter der Postsekretäre ; e 3 en S 7 . ’ gieichzuß en Findd ehältern der Sekretäre in grö Doch war die erste Resolution Gegenstand einer längeren Diskussion, da der Bundeskommissar, Major v. Kirchbach, die Fortdauer der von König Friedrich II. eingeführten Einrichtung, welche jetzt 132 Postamtsstellen für pensionsberechtigte Offiziere zur Verfügung stellt, als im Interesse der letzteren und zugleich der Postverwaltung bezeichnete, welche in ihren von drei zu drei Jahren über diese Verwendung von Offtzieren erstatteten Be⸗ richten den Wegfall der Einrichkung niemals verlangt hat. Der Abg. Graf Moltke fügte hinzu, daß der Militärdienst die für die Verwaltung von Postämtern erforderlichen Eigen⸗ schaften, Fleiß, Pünktlichkeit und Treue im Kleinen,
mission selbst war, daß ihr Elaborat sich
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ganz besonders pflege und daß selbst ein glänzend bestandenes
Abg. v. Behr
zu Monats September
amen keine Gewähr für den Besitz jener Eigenschaften Ein nicht qualifizirter Offizier, der sich um eine Post⸗ amtsstelle bemühte, würde unzweifelhaft vom General⸗Post⸗ Direktor nicht zugelassen werden. Aber ein solcher Fall würde selten sein, da auch der pensionirte Offizier nicht aufhöre, eine nützliche Verwendung zu suchen und in allen Branchen die eifrigste Nachfrage nach ehemaligen Offizieren herrscht. Der (Greifswald) empfahl den Fortbestand der alten Einrichtung auch aus dem finanziellen Grunde, weil ihre Be⸗ seitigung den Militär⸗Pensionsfonds um 70— 80,000 Thlr. be⸗ lasten würde, und der Abg. Roß (Hamburg) fand wenigstens den jetzigen Zeitpunkt zur Beseitigung nicht glücklich gewählt. Dagegen bezeichneten die Abgg. E. Nichter, Dr. Techow, Grum⸗ brecht und Ulrich die Einrichtung als eine durchaus veraltete. Das Fortbestehen derselben nach dem letzten Kriege könne zu den seltsamsten Anomalien führen. Schließlich wurden beide Resolutionen, die erstere gegen die Stimmen der Konservativen, genehmigt. Der letzte Gegenstand der Tagesordnung war das Prä⸗ mien⸗Anleihegesetz, das in dritter Berathung zwar keine von dem Resultat der zweiten abweichende Aenderungen von sach⸗ licher Bedeutung, aber eine erhebliche Anzahl redaktioneller Amendirungen erfuhr. Bestätigt wurde in §. 1, daß Prämien⸗ Anleihen fortan nur auf Grund eines Reichsgesetzes und nur für Zwecke eines Bundesstaats oder des Reichs ausgegeben werden dürfen, ohne den Kreis ihrer Zulassung, falls sie etwa gewissen Normativbedingungen entsprächen, zu erweitern. 1 §. 2 erhielt, einem Antrage des Abg. Dr. Prosch gemäß, ende Fassung: folg. Fehaage⸗ mit Prämien, welche nach Verkündigung des gegenwärtigen Gesetzes, der Bestimmung im §8 1 zuwider, im Inlande ausgegeben sein moͤchten, ingleichen Inhaberpapiere mit Prämien, welche nach dem 30. April 1871 im Auslande ausgegeben sind, dürfen weder weiter begeben, noch an den Börsen, noch an anderen zum Verkehr mit Werthpapieren bestimmten Versammlungsorten zum Gegenstande eines Geschäfts oder einer Geschäftsvermittelung gemacht werden.⸗ §. 3 wurde nach einem Antrage des Abg. v. Hennig in ender Gestalt angenommen: folgee der. Ghesta⸗ de 15. Juli 1871 ab von ausländischen Inhaber⸗ papieren mit Prämien, deren Ausgabe vor dem 1. Mai 1871 erfolgt ist, sofern dieselben nicht abgestempelt sind (§§. 4. 5),4 Desgleichen §. 4 nach dem Antrage desselben Abgeordneten, der die Hinzufügung des ersten und des letzten Alinea bean⸗ tragt hatte: »Die Schuldverschreibungen, deren Abstempelung erfolgen soll, müssen spätestens am 15. Juli 1871 zu diesem Zweck eingereicht
verden 8. „Für die Abstempelung ist eine Gebühr zu entrichten, welche für
eine Schuldverschreibung, deren Nominalbetrag den Werth von 100 Thlr. nicht übersteigt, 5 Sgr. oder 17 ⅞ Kr. S. W., fuͤr eine Schuldverschreibung, deren Nominalbetrag den Werth von 100 Thlr. übersteigt, 10 Sgr. oder 35 Kr. S. W. beträgt. Der Ertrag dieser Abstempelungsgebühr fließt in die Reichskasse.« §. 5 erhielt ebenfalls auf Antrag des Abg. von Hennig olgende Fassung: — wird die zur Ausführung dieses Gesetzes er⸗ forderliche Instruktion erlassen, und in derselben festsetzen, unter wel⸗ chen Umstaͤnden ein gutgläubiger Inhaber, der aus entschuldbaren Gründen die Einreichungsfrist versäumt hat, noch nachträglich Ab⸗ stempelung seiner Schuldverschreibungen erlangen kann. Der Bundes⸗ rath wird ferner zur Berechnung der Stempel⸗Abgabe den Thaler⸗ werth der fremden Valuten feststellen, auch die Behörden bestimmen, bei welchen die Einreichung zur Abstempelung (§. 4) zu erfolgen hat.⸗« Endlich wurde §. 6, nachdem auf den Antrag des Abg. Kanngießer die Umwandlung der nicht beizutreibenden Geld⸗ strafe in Gefängnißstrafe bis zu einem Jahr aus diesem Para⸗ graphen gestrichen war, wie er als Resultat der zweiten Be⸗ rathung vorlag, in folgender Fassung genehmigt: »Wer den Bestimmungen der 8§8. 1, 2 oder 3 zuwiderhandelt, verfällt in eine Geldstrafe, welche dem fünften Theile des Nenn⸗ werthes der den Gegenstand der Zuwiderhandlung bildenden Pa⸗ piere gleichkommt, mindestens aber einhundert Thaler betragen soll. Mit Geldstrafe bis zu einhundert Thalern oder Gefängniß bis zu drei Monaten wird bestraft, wer ein im §. 2 oder §. 3 bezeichnetes Inhaberpapier mit Prämie öffentlich ankündigt, ausbietet oder empfiehlt, oder zur Feststellung eines Kurswerthes notirt.⸗ An der Diskussion über das Gesetz betheiligten sich in erwähnenswerther Weise nur zwei Redner, die Abgg. Richter und Dr. Bamberger, beide entschiedene Gegner des Gesetzes. Der erstere wollte die Presse dagegen schützen, daß ihr die Anzeige von Prämien⸗Anleihen (§. 6) als ein Vergehen angerechnet werden soll; sein darauf gerichteter Antrag wurde jedoch ab⸗ gelehnt. Der Abg. Dr. Bamberger dagegen bezeichnete das Gesetz, wie es jetzt zu Stande komme, als eine Sammlung
höchst bedenklicher Grundsätze, augenfälliger Widersprüche und
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Der Reichstag ließ diese Einsprüche unberücksichtigt und genehmigte die §§. 1—6 der Reihe nach in der obigen Fassung. Die Schlußabstimmung über das Gesetz im Ganzen ist noch vorbehalten. 1 G 1 1 Nach 2 Uhr war der Reichskanzler Fürst von Bismarck in das Haus eingetreten und nahm am Schlusse der Sitzung das Wort, um folgende Mittheilung zu machen: Ich beehre mich, der hohen Versammlung mitzutheilen, daß nach einer mir heute zugegangenen, amtlichen Anzeige der französischen Regierung die Nattonalversammlung in Versailles den Friedens⸗ vertrag soö, wie er bereits in der Oeffentlichkeit bekannt geworden ist, ratifizirt hat, auch dem Gebietsaustausch, der von unserer Seite noch vorgeschlagen worden war, ihre Genehmigung er⸗ theilt hat Die Abstimmung über die Gesammtvorlage ist mit einer sehr großen Majorität der französischen Versammlung erfolgt, mit 443 gegen 98 Stimmen, und auch die Opposition der 9è8 Stimmen bezieht sich nach den mir gewordenen Auftlärungen nur auf den von uns angebotenen Austausch, nicht auf die Ratifikation des Friedens selbst, so daß ich annehmen darf, die Ratifikation des Friedens an sich würde, wenn sie diese Klausel nicht noch gehabt hätte, nahezu ein- stimmig erfolgt sein. Ich werde in Folge dieser Nechricht auf Aller⸗ höchsten Befehl mich noch heute nach Frankfurt a. M. begeben, um dort den Austausch der Ratifikation zu vollziehen und diejenigen Be- sprechungen mit den dort ebenfalls erscheinenden französischen Ministern einzuleiten, die unser jetziges Verhältniß zu Frankreich und die Aus⸗ führung einzelner Paragraphen des Friedens noch bedinge Um 4 Uhr wurde die Sitzung geschlossen.
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— Die heutige (39.) Plenar⸗Sitzung des Deutschen Reichstages wurde um 11 Uhr durch den Präsidenten Dr. Simson eröffnet. “ 8
Am Tische des Bundesraths befanden sich die Staats⸗ Minister Delbrück, v. Pfretzschner, v. Schlör, v. Friesen und d Bundesbevollmächtigte, sowie mehrere Bundes⸗Kom⸗ missare.
Nachdem der Präsident Dr. Simson von dem Eingang einer Adresse von Deutschen im Staate Illinols Kenntniß ge⸗ geben, der eine Reihe von Resolutionen beigefügt ist, stimmte das Haus seinem Vorschlage zu, dieselbe in ähnlicher Weise zu beantworten, wie es gegenüber der Adresse des New⸗Yorker Friedensfest⸗Komites geschehen ist. 8
Alsdann trat das Haus in die zweite Berathung des Ge⸗ setzentwurfes, betr. die Vereinigung von Elsaß und Lothringen mit dem deutschen Reiche, ein, der in folgender von der Kom mission amendirten Gestalt vorlag: “
§. 1. Die von Frankreich durch den Artikel I. des Präliminar⸗ friedens vom 26. Februar 1871 abgetretenen Gebiete Elsaß und Lothringen werden, unbeschadet der in diesem Artikel vorbehaltenen endgültigen Bestimmung ihrer Grenze, mit dem Deutschen Reiche für immer vereinigt. 1
§. 2. Die Verfassung des Deutschen Reichs tritt in Eisaß und Lothringen am 1. Januar 1873 in Wirksamkeit; Artikel 3 der selben findet jedoch sofort Anwendung. 8
Durch Verordnung des Kaisers mit Zustimmung des Bundes⸗ rathes können einzelne Theile der Verfassung schon fruͤher eingeführt
erden. 8 Die erforderlichen Aenderungen und Ergänzungen der Verfassung bedürfen der Zustimmung des Reichstags 3. Die Staatsgewalt in Elsaß und Lothringen übt der Kaiser aus. “ K
Bis zum Eintritt der Wirksamkeit der Reichsverfassung wird für Elsaß und Lothringen das Recht der Gesetzgebung in seinem ganzen Umfange vom Kaiser mit Zustimmung des Bundesrathes ausgeübt
Dem Reichstage wird für diese Zeit über die erlaf senen Gesetze und allgemeinen Anordnungen und über den Fortgang der Verwaltung jährlich Mittheilung gemacht.
Nach Einführung der Verfassung steht bis zu anderweitiger Re⸗ gelung durch Reichsgesetz das Recht der Gesetzgebung auch in den der Reichsgesetzgebung in den Bundesstaaten nicht unterliegenden Ange⸗
legenheiten dem Reiche zu. 8 8
§. 4. (neu)h. Die Anordnungen und Verfügungen des Kaisers bedürfen zu ihrer Gültigkeit der Gegenzeichnun des Reichskanzlers, der dadurch die Verantwortlichkeit übernimmt. 1
Die mit gesperrter Schrift gedruckten Worte sind von de Kommission in die Regierungsvorlage hineinamendirt. Di letztere hatte in §. 2 als Zeitpunkt für die Einführung de Reichsverfassung in Elsaß und Lothringen den 1. Januar 187 angesetzt. Art. 3 dieser Verfassung handelt vom Indigenat un seinen Wirkungen. 1 .
Die Diskussion über §. 1 leitete der Referent, Abg. Lame ein, indem er die wahren Mittel nachwies, um »die Vereini⸗ gung für immer« zu erreichen: Selbstverwaltung der Gemein⸗ den, Städte und Kreise, das Schulwesen im Geiste der Freiheit geleitet u. s. w. Abg. Dr. v. Treitschke warnte davor, daß das Haus sich diesem Gesetze gegenüber in Theoreme verliere, wozu die Kommission bereits eine bedenkliche Neigung verrathen habe. Er selbst habe seinen ursprünglichen Wunsch, daß Elsaß und Lothringen mit Preußen vereinigt wer⸗
wirkungsloser Bestimmungen, deren Umgehung der Verkehr mit Leichtigkeit erlernen werde.
den möge, Angesichts der jetzigen Lage der Dinge zurück⸗