1871 / 30 p. 8 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 08 Jun 1871 18:00:01 GMT) scan diff

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ich auch durchaus nicht mit dem Herrn von Zedlitz darin übereinstimme, daß die Militärbehörden in dieser Beziehung viel liberaler seien, als die Civil⸗ behörden, wenn ich ihn recht verstanden habe, so kann ich doch versichern, daß die Militärbehörden den Invaliden gegenüber stets ihres patrimonialen Verhältnisses sich bewäaßt gewesen sind und daß, wann die Bestim⸗ mungen irgend zweifelhaft waren, die Ausleagungen stets zu Gunsten der Invaliden gemacht zu werden pflegen. Das ist aber meines Er⸗ achtens keine Liberalität, sondern das liegt in dem Pflichtverhältniß, in welchem die Militärbehörden den Invaliden gegenüber sich be⸗ nden. 8 Nun ist hier von dem Herrn Abg. Lasker geltend gemacht worden, daß der Rechtsweg schon bisher nicht ausgeschlossen gewesen sei. Er beruft sich auf einen Fall, der mir in seinen Einzelheiten nicht bekannt ist; ich habe wenigstens das betreffende Erkenntniß noch nicht unter Hän⸗ den gehabt —, ich glaube aber nicht zu irren, wenn ich annehme, daß es sich dabei um einen Offizier handelt. Die Bezugnahme auf das Gesetz von 1861 war in diesem Fall ganz naheliegend; sie konnte nicht überraschen. 1

Für die Offiziere also war bisher schon in einem gewissen Grade der Rechisweg offen, ich gebe das zu; bei den Unterklassen aber war bisher ein solches Verhältniß noch nicht eingetreten. Nun scheint mir, daß gerade der Begriff der Erwerbsfähigkeit da, wo der Rechtsweg offen war, also in Be⸗ zug auf die Offiziere, noch viel relativer ist, als bei den Unterklassen. Die Möglichkeit für einen gebildeten Mann, sich auf die eine oder auf die andere Weise einen angemessenen Erwerb zu schaffen, ist viel größer, daher würde hier der Begriff der Erwerbs⸗ fähigkeit nach meiner Auffassung noch viel unsicherer sein, als er es leider ohnehin schon ist. 1

Wie wird denn nun aber überhaupt die Erwerbsfähigkeit des Einzelnen festgestellt? Indem die Behörden prüfen, inwieweit der betreffende Mann zur Ausübung dessen, was er gelernt hat, wodurch er sich zu ernähren pflegte, noch fähig ist. Daß also möglicher Weise die Erwerbsfähigkeit eines Schneiders, der ein Bein verloren hat, immer noch in einem gewissen Grade vorhanden ist, wird Niemand leugnen. Wenn der Mann ein Bote war und hat ein Bein verlo⸗ ren, so wird man sagen, er muß etwas anderes treiben; kann er es? ist er dazu geschickt? und die Behörde hat nach meiner Auffaͤssung in diesem Facle jedenfalls zu berücksichtigen, inwieweit die Möglichkeit vorhanden ist, daß der Mann durch die seinen Fähigkeiten und Gewohnheiten entsprechende Geschrcklichkeit noch im Stande ist, sich selbst zu ernähren. Die Erwerbsfähigkeit, meine Herren, wird beurtheilt von den Lokalbehörden, zunächst im Auftrage der betreffenden Truppentheile, der betreffenden General⸗ Kommandos von den Kreis⸗Ersatzkommissionen unter Zuziehung der Ortsbehörden, um Simulationen moöglichst vorzubeugen; sie wird beurtheilt von einer gemischten Kommission von Militär⸗ und Civilpersonen unter Zuziehung des Arztes, der der Kommission zugehört. Gegen diese erste Entscheidung ist eine Appellation an die Departements⸗Ersatzkommission möglich, von der Departements⸗Ersatzkommission direkt an das General⸗Kommando, von dem General⸗Kommando direkt an das Kriegs⸗Ministerium, und jede dieser Zwischen⸗Instanzen hat die Möglichkeit, durch Superrevisionen den Thatbestand genauer und sicherer feststellen zu lassen, so daß nach meiner Auffassung der Begriff der Erwerbsfähigkeit in dem konkreten Falle so richtig aufgefaßt werden wird, als es überhaupt möglich ist. Was bedeutet nun diese Feststellung des Be⸗ griffs? Doch nichts anderes, als im Sinne des Gesetzes die Anwendung der verschiedenen Klassisizirungen auf die einzelnen konkreten Fälle, in denen die Invalidenpension gewährt wird. Wie es hier in den §§. 65 bis 69 angedeutet ist, so wird diese Klassifizirung auf dem Ihnen eben vorgelegten Wege bewirkt.

Nach der Ansicht, die von dem Herrn Abg. Lasker und seinen Freunden vertreten wird, ist nun in dieser Bezichung der Rechtsweg zulässig, der bis dahin für diese Unterklassen nicht eröffnet war. Es soll also der Richter entscheiden, ob die Aerzte der Kreisersatz⸗Kom⸗ mission, der Departements⸗Kommission, der Superrevisions⸗Kom⸗ mission, ob die Militär⸗ und Civilbehörden, die bei diesen Entschei⸗ dungen thätig waren, richtig geurtheilt haben. Das soll nun der Richter entscheiden, der entfernt vom Ort seinen Prozeß da führen hat, wo die entscheidende Militärbehörde ihren Sitz hat. Meine Herren, ich kann darin wirklich keine Verbesserung erblicken, ich halte diese Einrichtung für außerordentlich unzweckmäßig und, wie schon der Herr Präsident von Puttkamer dargethan hat, zugleich unvortheilhaft für die Finanzen des Staats. Die Geschäfte, die den Militär⸗Verwaltungsbehörden obliegen, sind ohnehin fast überwältigend; sollen wir nun noch gleichzeitig Hunderte von Pro⸗ zessen führen über die Klassifizirung, beruhend auf der verschiedenen Beurtheilung der Crwerbsfähigkeit, so ist das eine Sache, die die Militärverwaltung eigentlich gar nicht übernehmen kann.

Was mich persönlich anbelangt, so würde ich allerdings, wenn die Sache nicht so außerordentlich unzweckmäßig und unvortheilhaft wäre, mich gern dafür entscheiden; denn die Verantwortung, wenn man in letzter Instanz über zuwrilen sehr widersprechende Entschei⸗ dungen der Zwischen⸗Instanzen zu entscheiden hat, ist oft sehr peinlich und kostet viel Zeit. Ich könnte daher für mein Theil ganz zufrieden damit sein, wenn diese Angelegenheit dem richterlichen Arbitrium in letzter Instanz überlassen bleibt; ich muß mich aber dagegen erklären, aus Zweckmäßigkeits⸗Gründen, aus den finanziellen Rücksichten, die für das Land obwalten, insofern durch solche Prozesse Ent⸗ scheidungen herbeigeführt werden, die den öffentlichen Säckel be⸗ lasten. Unter diesen Umständen kann ich nicht umhin, trotz des Verdiktes des Herrn Abg. Lasker, der eine solche Entscheidung des Bundesraths von vornherein für unpassend erklärt, meinerseits zu er⸗ klären, daß ich zwar keine Befugniß habe, mich im Namen des

Bundesrathes darüber entscheidend zu äußern, daß ich indessen meinen

immerhin geringen Einfluß anwanden werde, daß eim so gestaltetes

Gesetz nicht zu Stande kommt.

Nach dem Abg. Lasker fügte der Staats⸗Minister von

Roon noch hinzu:

Es wird mir recht sauer, über diese Sache noch einmal zu sprechen aber ich muß doch dem Herrn Vorredner bemerken, daß der Präzedenz. fall, auf den er sich stützt, erst zu meiner Kenntniß kommen konnte in Versailles während der Belagerung von Paris. Seitdem haben mir

andere wichtige Dinge vorgelegen, und ich habe mir diesen Prozeßfal

noch nicht vorlegen lassen. Der Herr ist Jurist und das bin ich leider nicht, allein ich glaube, es gehört auch kein Rechte studium dazu, um

die Behauptung wahr zu halten, dos, was für Offiziere gilt, die aller. 8

dings als besoldete Beamte des Staats angesehen werden können, dennoch keineswegs für diejenigen gilt, die nur der allgemeinen Wehr.⸗

pflicht genügen, und der Schluß, den er zieht aus diesem einen Prä.

zeden fall, daß damit auch der Rechtsweg offen gewesen wäte für alle Invaliden vom Feldwebel abwärts ist, glaube ich, doch jedenfalls ein gewagter. Ich mag in der Beziehung keine Entscheidung treffen das stebt mir ja nicht zu einem Rechtsgelehrten gegenüber; allein ich

muß doch ganz unmaßgeblich der Ansicht sein, wenn mir dasselbe nicht

noch von anderen rechtsgelehrten Autoritäten versichert wird, diesen Schluß stets für einen küͤhnen zu halten.

Demnächst erklärte der Bundeskommissar, Geheimer Re⸗ gierungs⸗Rath v. Puttkamer:

Meine Herren! Es ist nicht meine Absicht, nochmals in den materiellen Theil dieser Diskussion zurückzugreifen; es wird nur dem Hohen Hause erwünscht sein zu erfahren, welche Stellung. die ver⸗ bündeten Regierungen dem zuletzt eingebrachten Amendement des Heren Abg. v. Bonin gegenüber einzunehmen gedenken. Ich bin er⸗ mächtigt, zu erklären, daß die verbündeten Regierungen in diesem Amendement eine genögende Wahrung der militärischen Interessen er⸗ blicken und es annehmen würden.

Die erste Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Bestellung des Bundes⸗Ober⸗Handelsgerichts zum obersten Ge⸗ richtshofe für Elsaß und Lothringen, leitete der Bundesbevoll⸗ mächtigte, Geheimer Ober⸗Justiz⸗Rath Dr. Falk wie folgt ein:

Die nicht zahlreichen Bestimmungen des Entwurfs, meine Herren,

schließen sich zumeist eng an Bestehendes an. Der Inhalt ist über.

sichtlich. Ich glaube, den gleichen Anspruch dürfen die Motive machen und mir scheint auch, daß sie alle wesentlichen Punkte berühren. Im Ganzen darf ich daher wohl ohne Wiederholung mich auf die Motivpe beziehen.

- Es ist nur eine Auffassung der verbündeten Regierungen, in Bezug auf welche eine weitere Ausführung nützlich sein mag, um so nützlicher, als sie für das ganze Gesetz präjudi⸗ ziell ist: ich meine die Auffassung, daß, wie gegenwärtig die Verhältnisse liegen, die Funktionen eines obersten Gerichtshofes für Elsaß und Lothringen nicht füglich auf ein anderes Organ üuͤber⸗ tragen werden können, als auf das Bundes⸗Ober⸗Handelsgericht in Leipzig. An und für sich war, abgesehen von dem Wege, den die Vorlage gegangen ist, es noch auf zwei Wegen möglich, einen solchen obersten Gerichtshof herzustellen: man konnte ihn im Lande selbst herstellen, man konnte seine Funktionen übertragen auf den höchsten Gerichtshof eines Bundesstaates.

Was den ersten Weg betrifft, so ist das Gebiet von Elsaß und Lothringen an Umfang und Einwohnerzahl, wie ich glaube, gerade groß genug, um bei den dort bestehenden Rechtsverhältnissen einen Appellations⸗Gerichtshof zu etrrichten, der übrigens bei Weitem nicht so umfangreich sein wird, wie beispielsweise der in Cöln; aber für einen besonderen Kassations⸗Gerichtshof über diesem Appellatiens⸗ gerichte würden die Voraussetzungen fehlen, es würde das durch die Errichtung eines solchen Gerichtshofes zu befriedigende Bedürfniß hier in einem ganz unangemessenen Verhältniß stehen zu den außerordent⸗ lich großen Kosten, welche die Herstellung eines solchen Kassationshofes erfordert. Man würde also genöthigt sein, mit dem Appellationshofe einen Kassationssenat zu verbinden. Solche Einrichtungen giebt es wohl in den deutschen Staaten, aber ich glaube, diejenigen Herren, die schon seit längerer Zeit dem preußischen Landtage angehört haben, werden wissen, daß dort die Frage dieser Verbindung aus dem aller⸗ sachverständigsten Munde auf das Eingehendste und Genaueste erbrtert worden ist und daß das Resultat dieser Erörterungen war: eine solche Einrichtung führt zu allerlei Inkonvenienzen und Mißverhältnissen. Sie ist eben einfach ein Nothbehelf. Und in dieser Lage, so meinen die verbündeten Regierungen, befinden wir uns in diesem Punklte nicht. Es handelt sich auch nicht darum, Elsaß und Lothringen etwas zu nehmen, was sie bis jetzt gehabt hatten, denn der höchste Gerichtshof, der Kassationshof, befand sich auch nicht innerhalb der Grenzen von Elsaß und Lothringen, sondern in Paris. Es würde sich vielmehr handeln um die Herstellung eines neuen, obersten Gerichtshofes, und, wenn mich nicht Alles täuscht, so ist in einflußreichen Kreisen, ja, ich meine, selbst innerhalb dieses hohen Körpers die Tendenz im Wachsen, nicht neue oberste Gerichtshöfe in Deutschland zu schaffen, sondern grade umge⸗

kehrt möglichst dahin zu gelangen, nur Einen obersten Gerichtshof

zu haben. 1

Meine Herren! Es handelt sich nur um die Uebertragung des Kassationshofes von Paris nach Deutschland. Indem Elsaß und Lothringen in hoͤchster Instanz sein Recht vom Centrum Frankreichs

empfing, war das eines der vielen Bande, welche die Lande fest an

Frankreich knüpften. Diese einfache Erwägung sollte, wie mir scheint, uns den rechten Weg zeigen, wie wir zu verfahren haben.

meine, wenn wir die Stelle, an der Elsaß und Lothringen in hochster Instanz ihr Recht zu empfangen haben, in das Herz Deutschlands verlegen, so ist das in der That ein Mittel, dessen Bedeutung für die

enge und innige Verbindung der wiedergewonnenen alten Lande mit der Heimath nicht unterschätzt werden darf. Was den zweiten Weg betrifft: die Uebertragung der Funk⸗

tionen des obersten Gerichtshofes auf den obersten Gerichtshof eines Bundesstaates, so sind gegen die Nichtbeschreitung desselben bedeutende Bedenken vorgebracht worden, und das, meine Herren, sind nicht etwa Bedenken, die ich mir konstruirt habe, sondern Bedenken,

die ich innerhalb der letzten Woche recht reichlich gehört habe

und, irre ich nicht, sogar aus dem Munde von Mitgliedern dieser hohen Versammlung. Es ist bebauptet worden, es wie soll ich mich ausdrücken es sei das Bundes⸗Oberhandelsgericht in Leipzig weniger geeignet, das Recht für Elsaß und Lothringen ge⸗ deihlich zu pflegen, wie namentlich an einer Stelle der höchste Gerichtshof eines der Bundesstaaten, und zwar deshalb, weil die Mitglieder des Ober⸗Handelsgerichts nur in geringer Zahl mit dem französischen Recht genau vertraut seien und weiter, weil bei der Auswahl dieser Mitglieder in Rücksicht auf den damals beschränkten Zweck des Gerichtshofes vornehmlich eine besondere Tüchtigkeit in dem Fache des Handels⸗ und des Wechselrechts maßgebend gewesen sei fuͤr diese Auswahl.

Ich vermag nun allerdings nicht in Abrede zu stellen, daß an anderer Stelle eine größere Zahl mit französischem Recht vertrauter Männer in dem höchsten Gerichtshofe gefunden wird, als in Leipzig; aber, meine Herren, darf dieses Moment in der That Besorgnisse, wie sie an jene Bedenten geknüpft worden sind, rechtfertigen? Werden vielmehr nicht zunächst die verbündeten Regierungen darauf bedacht sein müssen, bei Neuwahlen auch ihre Augen auf Männer zu lenken, die mit dem bezeichneten Rechte vertraut sind? und suchen die verbünde⸗ ten Regierungen nicht schon in dem § 4 dieser Vorlage die Ermächtigung, sich, wenn das Bedürfniß eintritt, derartige Männer auch aus Elsaß und Lothringen zu holen? Wie steht die Sache denn eigentlich. Es ist zunächst von dem Gerichtshofe über Civilrecht, Prozeßrecht und materielles Recht zu entscheiden. Ueber Prozeßrecht muß das Ober⸗ bereits jetzt schon entscheiden, denn die Prozesse in Handelssachen bewegen sie im Großen und Ganzen in denselben Linien wie die übrigen Prozesse. In Bezug auf das materielle Recht liegt die Sache nicht anders; in der Gestalt der Einrede kann jedes Rechts⸗ verhättniß des franzoͤsischen Rechts zur Entscheidung des Ober⸗Handels⸗ gerichts kommen, und mir scheint, daß in der That ein prinzipieller Unterschied nicht dazwischen liegt, ob etwas mittelst Einrede oder Klage zur Entscheidung kommt. Wenn man es früher als zulaͤssig erachtet hat, daß das Bundes⸗Ober⸗Handelsgericht im Wege der Einrede die höͤchste Instanz wurde für derartige Fälle, so scheinen mir für die Erweiterung der

Kompetenz die Sachen jedenfalls jetzt noch günstiger zu liegen, und

zwar aus dem Grunde, weil, wenn das Ober⸗Handelsgericht mit der⸗ artigen Fragen reichlicher befaßt wird, die Entscheidung sicherer und fester werden muß. Das von Seiten des Civilrechtes.

Es ist nun die Seite des Strafrechts geltend gemacht worden. Das Strafverfahren ist im Wesentlichen dasselbe, welches in dem größten Theile von Deutschland gilt, und das Strafverfahren kommt ee bereits bei dem Bundes⸗Ober⸗Handelsgericht zur Sprache.

8 muß in den Formen desselben ebenfalls entscheiden in Nachdruck⸗ sachen, sowie in Sachen, die in erster Instanz von den Konsular⸗ gerichten erledigt werden. Was das materielle Strafrecht betrifft, so glaube ich, gerade der jetzige Zeitpunkt ist geeignet, um alle Bedenken zu beseitigen. wir haben eben ein neues Strafgesetzbuch erhalten, und dieses Strafgesetzbuch wird binnen kurzer Frist in Elsaß und Lothringen eingeführe werden. Ich meine nun, auch die Mitglieder der andern höchsten Gerichtshöfe sind noch nicht in der Lage gewesen,

mittelst ihrer juristischen Schärfe und ihrer Erfahrung als praktische

Männer dieses Recht vollständig zu durchdringen, sie sind auch noch in den Anfängen der Uebung dieses Rechts, und in ähnlicher Lage befinden sich die Männer, die im Bundes⸗Ober⸗Hͤandelsgericht ihren

Platz haben. Wo es sich aber um spezifisch elsässische Strafgesetze

andelt, wird jeder Gerichtshof, der nicht aus Mitgliedern aus Elsaß⸗ kothringen zusammengesetzt ist, von unten an das Recht kennen lernen müssen. Die Situation ist also in dieser Beziehung gleich zwischen dem

Bundes⸗Ober⸗Handelsgericht und denjenigen Abtheilungen anderer

höchster Gerichtshöfe, die hier ins Auge gefaßt worden sind. Und dann, meine Herren, sind denn in der That die Mitglieder

des Bundes Ober⸗Handelsgerichts nur ausgewählt worden, weil sie reiche Kenntnisse auf dem Gebiete des Handelsgerichts haben? Sind

sie nicht auch ausgewählt worden, weil man hervorragende Juristen Deutschlands vereinigen wollte? Können Sie sich einen hervorragenden Juristen denken, der nur reiche Kenntniß im Handelsrechte hat? Ist nicht überhaupt die Vorbedingung eine tüchtige, ausgezeichnete juristische Vorbildung, auf der die Kenntniß des Handelsgerichts wurzelt und die die Befähigung giebt, sich mit anderen Gebieten des Rechts eben⸗ falls leicht vertraut zu machen? Ich möchte das behaupten. Wenn bei⸗

spielsweise die preußischen Mitglieder ins Auge gefaßt werden, so gewährt

deren Vergangenheit auch für das Strafrecht ausreichende Garantien Meisten haben Jahre lang in reichlicher Anwendung des 8 frafgesetes gestanden. Mir ist ein Mitglied erinnerlich, welches ein olles Jahrzehnt seines Lebens lediglich sich mit Strafsachen be⸗

cefäiag hat, wissenschaftlich und praktisch.

Es ist noch ein zweiter Gesichtspunkt geltend gemacht worden.

9 heißt. Man schafft nun wieder einen neuen obersten Gerichtshof, ür. as Strafgesetzbuch handhaben wird, und man wird nun neue * ersprüche erzeugen. Ich glaube, zunächst trifft der Einwand auch un zu, wenn man nicht das Bundes⸗Ober⸗Handelsgericht in seinen I ausdehnen wollte, denn es ist nur wenige Wochen ber, 88 18 Sie die Handhabung des Strafgesetzbuchs für einzelne Fälle 8 Hände des Bundes⸗Ober⸗Handelsgerichts bereits gelegt. Ich aber auch, der Grund beweist zu viel, er beweist nicht, daß n jetzt in einer Uebergangszeit nicht auch koͤnne das Bundes⸗Ober⸗

Handelsgericht im weiteren Umfange mit Strafsachen befassen, sondern er beweist, daß man Bedacht nehmen muß, für Strafsachen über⸗ haupt einen obersten Gerichtshof herzustellen, und dies wird ein Gesichtspunkt sein, den sowohl die verbündeten Regierungen, wie Sie bei der Berathung der Gesetze, die Ihnen wiederholt in Aussicht gestellt sind, gewiß nicht vergessen werden. Die Bedenken, die man aufgestellt hat, die Besorgnisse, die man hegt, greifen nicht durch, ich glaube des⸗ halb und auch wenn die Bedenken wirklich gewichtiger wären, als sie mir erscheinen, daß dasjenige, was positiv für die Wahl des Bundes⸗ Ober⸗Handelsgerichts spricht, daß das in der That durchgreifend und entscheidend ist. Meine Herren! Durch den Gesetzentwurf, den Sie in der dritten Lesung neulich beschlossen haben, ist ausgesprochen worden, daß Elsaß und Lothringen in der nächsten Beziehung stehen sollen zu Kaiser und Reich, daß es reichsunmittelbar sein soll. Ich weiß nicht, ob es mit diesem Gedanken vereinbar ist, für die Entscheidung seiner Rechtsangelegenheiten in höchster Instanz, wenn ich so sagen soll, sich von einem Bundesstaat einen obersten Gerichtshof zu leihen, wenn man einen obersten Gerichtshof selbst hat, der seine Autorität von der Souveränetät des Reiches besitzt. Ich glaube hierin um so we⸗ niger auf Widerspruch zu stoßen, als ja derselbe Gesichtspunkt es ge⸗ wesen ist/ aus dem die Bundesregierungen früher beantragt haben, Sie moͤchten die Funktionen, die das Ober⸗Tribunal zu Berlin in Angelegenheiten der Konsular⸗Gerichtsbarkeit hatte und die um⸗ fassen das Civil⸗ und Strafrecht ausdrücklich übertragen auf das Bundes⸗Ober⸗Handelsgericht in Leipzig; die Motive jenes Entwurfs entwickeln dies ausführlich, und wenn auch ein formeller Widerspruch gegen den Vorschlag erhoben wurde, ein materieller ist aus diesem Hause nicht zu hören gewesen.

Ich möchte noch Folgendes bitten zu bedenken. Wenn Sie am vergangenen Sonnabend die von mir hervorgehobene Reichsunmittel⸗ barkeit anerkannt haben, und nun wenige Tage später, wo es sich zuerst darum handelte, eine organische Einrichtung zu treffen in An⸗ knüpfung an seinen Grundsatz, diesen Grundsatz verlassen und an das Vorangegangene anknüpfen wollten damit, daß Sie die Funktionen des höchsten Gerichtsbofes nickt auf den Reichsgerichtshof übertragen, sondern auf einen Landesgerichtshof, ich besorge, es würden manche Mißverständnisse und Bedenken entstehen bei Denjenigen, die als Landesangehörige uns eben wiedergewonnen worden sind.

Und endlich noch Eins, meine Herren. Den verbündeten Regie⸗ rungen lag daran ebenso wie Ihnen daran gelegen hat durch Einschaltung des Art. 3 der Verfassungs⸗Urkunde die neu erworbenen Alt⸗Angehörigen des Deutschen Reiches gleich zu stellen mit den übri⸗ gen Deutschen, soweit es geht, auf dem vorliegenden Gcebiete diese Gleichstellung herbeizuführen. Dieselbe ist ausgesprochen darin, daß die Bewohner von Elsaß⸗Lothringen durch heimische Advokaten ihre Sachen wahrnehmen dürfen bei dem hochsten Gerichtshofe, daß Richter aus ihrer Mitte in die Lage gesetzt werden sollen, über ihre Angelegenheiten und die der übrigen Deutschen bei dem obersten Gerichtshofe mit zu erkennen Es wird damit auch den Anforderungen genügt, die vom rechtlichen Standpunkte aus die Elsaß⸗Lothringer stellen können. Wollte man aber nur einen Landesgerichtshof wählen für die erste Stelle, diese Rechte würde man nicht gewähren koͤnnen; man würde von Seiten der Reichsgesetzgebung nicht in der Lage sein, derartige Eingriffe in die Organisation und Verfassung der Landesgerichte zu thun; man würde sich begnügen müssen mit dem Satze: es tritt der hoöchste Landesgerichtshof in seiner bisherigen Verfassung lediglich an Stelle des Kassationehofes von Paris, und das ist den Vertretern der verbündeten Regierungen als ein zu Geringes, zu Weniges erschienen.

Wenn ich Sie bitte, diese Gesichtspunkte zu erwägen, so moͤchte ich namentlich an diejenigen Herren unter Ihnen, die vielleicht in dieser Vorlage die Versagung eines warmen Wunsches erblicken, die Bitte besonders richten, auf die Erfüllung dieses Wunsches als un⸗ ebenso zu verzichten, wie dies an anderer Stelle hat geschehen müssen.

Nationaldank. Bekanntmachung. Nach den Bestimmungen in den §§. 4 und 5 der unterm 6 No⸗

vember 1854 Höchstbestätigten Urkunde über die zur fortdauernden

Erinnerung an die am 11. Juni 1854 stattgehabte Feier der silbernen Hochzeit Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Majestäten gegründeten Berliner Spezial⸗Jubelfest⸗Stiftung werden wie alljährlich so auch in diesem Jahre die Zinsen des Grundkapitals der gedachten Stiftung am 12. Juni, Vormittags 11 Uhr, in der evan⸗ gelischen Kirche des Invalidenhauses an die von dem unter⸗ zeichneten Verwaltungsrathe dazu ausgewählten Veteranen in feier⸗ 1en. Pesaasz6 llich Indem wir solches zur öffentlichen Kenntniß bringen, laden wir zugleich alle Wohlthäter und Göͤnner der gedachten Spezial⸗Stiftung sowohl, als auch der Nationaldank⸗Stiftung überhaupt zur Theil⸗ nahme an diesem Akte der National⸗Dankbarkeit für unsere hülfs⸗ bedürftigen alten Krieger hiermit ganz ergebenst ein. Invalidenhaus Berlin, den 25. Mai 1871. 8 Der Verwaltungsrath der Berliner Spezial⸗Jubelfest⸗Stiftung. von Maliszewski. Hedemann. Hemptenmacher. Glaue.

Statistische Nachrichten. 8 Der Etat für die Stadt⸗Hauptkasse der Haupt⸗ und Residenzstadt Berlin pro 1871 ist jetzt erschienen. Derselbe balancirt mit 5,953,087 Thlr. Die Einnahmen im Ordinarium be⸗ tragen: Kämmereiverwaltung 90,224 Thlr. (gegen 1870 + 35 Thlr.),