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Großbritannien und Irland. London, 17. Juni. Den Hauptgegenstand der gestrigen Nachtsitzung im Unter⸗ hause bildete ein Antrag zur unparteilichen Einschärfung der auf illegale Lotterien Bezug habenden gesetzlichen Bestim⸗ mungen, nach 5 kurzen Entgegnung des Ministers des Innern abgelehnt wurde. 1
8 Zu des hier weilenden Großfürsten Wla⸗ dimir von Rußland fand vorgestern im russischen Bot⸗ schaftshotel ein Bankett und großer Ball statt, bei welchem außer Sr. Kaiserlichen Hoheit, sowie dem Prinzen und der Prinzessin von Wales und den übrigen Mitgliedern des Königlichen Hauses, das diplomatische Corps, die Kabinets⸗Minister und die hohe Aristokratie, im Ganzen über 800 Personen, die Gäste des russischen Botschafters, Baron Brunnow waren.
Frankreich. Die Rede, welche der General Trochu am 13. Juni in der Nationalversammlung in der Diskussion über den Antrag von Lorgeril auf Einsetzung einer Kommission von 30 Mitgliedern zur Prüfung der Akte der Delegation von Tours und Bordeaux gehalten hat, giebt über die Geschichte des Krieges manche neuen Aufschlüsse. Wir theilen diese Rede daher — obwohl dieselbe vielfach tendenziös gefärbt ist — wörtlich mit: 1
2 haben, meine Herren, aus Anlaß einer gewöhnlichen Petition dem General Changarnier, unserem berühmten Kollegen, gestattet, zum großen Vortheil späterer Forschungen die Geschichte der traurigen Episode der Kapitulation von Metz vorzutragen. Gestatten Sie denn auch mir, Ihnen ein anderes Blatt Geschichte mitzutheilen, welches die Hauptursachen unserer Niederlagen am Rhein, den wahren Ver⸗ lauf der Nevolution vom 4. September und endlich die Belagerung von Paris umfassen soll. Ich gehöre nicht zu Jenen, welche die Ver⸗ gangenheit, das Kaiserreich systematisch beschimpfen. Ich kann nicht vergessen, daß es aus einem fast allgemeinen Votum des Landes her⸗ vorgegangen ist, und ich darf auch jetzt nicht die dem Unglück schuldi⸗ gen Rücksichten außer Acht lassen. Aber der Kaiser selbst hat in einem öffentlichen Akte die Anklage erhoben, daß »das Kaiserreich von Jenen, die es hätten vertheidigen sollen, im Stich gelassen worden wäre«, und hierauf muß ich antworten, da, wie Sie sehen werden, gerade im Genentheil das Kaiserreich seine Vertheidiger im Stich gelassen hat. Meine Herren, die Schwächung des militärischen Corpsgeistes und der Disziplin in unserer Armee ist eine Wirkung der unaufhörlichen Revolutionen in unserem Lande: 1830 gab diesem Uebel den Ursprung, 1848 reifte es und die Rerolution des Staats⸗ streiches brachte es auf den Gipfel. (Zustimmung.) Bei dieser letzten Gelegenheit stürzte die Armee selbst die Regierung und täuschte ihr
rigentd Erreiffrer. tühtU Wwoeht Sieen Abaurvritüt und vir üͤufrre Ordnung her, aber die moralische Ordnung in ihrem Schoße selbst war für immer verloren gegangen Nach Sadowa, im Jahre 1867, führte ich in einer Broschüre über die französtsche Armee aus, daß wir, wenn ein Krieg mit Preußen hereinbräche, nicht gerüstet wären, und ermahnte dringend zu einer ernstlichen Organisation. Im August v. J. befand ich mich in Paris, als die traurigen Nach⸗ richten von Weißenburg, Wörth und Forbach eintrafen, und sah sogleich die Wichtigkeit der Vertheidigung von Paris voraus. Ich richtete einen kurzen Brief, den ich Ihnen mittheilen will, an den Kaiser. (Redner verliest diesen Brief, welcher ausführt, daß der Schwerpunkt des Krieges nach jenen Schlachten nicht mehr zwischen Metz und Nancy, sondern in Paris selbst liegen werde und daß die Armee am Besten thäte, sich durch das Marnethal nach Paris zurück⸗ zuziehen.) Dieser vom 10. August datirte Brief wurde vom Kaiser in einem Kreise von Generalen gelesen und allgemein gutgeheißen. Schon schickte man sich an, dem Rathe zu folgen, als von Paris der Wink gegeben wurde, ein solcher Rückzug könne die bedenklichsten politischen Folgen haben, und nun gab man den Gedanken wieder auf. Mit dieser Armee und der Mac Mahons hätte man 250,000 Mann vor Paris gehabt und Frankreich war gerettet. (Sehr gutl) Von dem Kriegs⸗Minister für das Kommando des XII. Corps be⸗ stimmt, welches in Chalons formirt wurde, traf ich am 16. August Abends gleichzeitig mit dem Kaiser dort ein, und hier beginnt die wenig bekannte Geschichte der Belagerung von Paris.
Am folgenden Tage wurde ich zu einem Kriegsrathe zugezogen, welchem der Kaiser, der Prinz Napoleon, der Marschall Mac Mahon, die Generale Berthauld und Schmitz beiwohnten. Einstimmig wurde dem Kaiser vorgestellt, daß er erst die Regierung verlassen häͤtte, um den Oberbefehl über die Armee zu führen, dann den Oberbefehl an Bazaine abgetreten und mithin thatsächlich ganz abgedankt hätte; er solle sich jett endlich entscheiden und entweder die Regierung oder die Armee wieder uͤbernehmen. Der Kaiser fand dies richtig und sagte, daß er die Regierung wähle. Auf den Vorschlag des Prinzen Napo⸗ leon sollte der größeren Sicherheit wegen seine Rückkehr nach Paris der dortigen Regierung zuvor durch einen General an⸗ gezeigt werden, damit man die moralischen und militärischen
treffen könne. Der Kaiser trug mir diese Mis⸗ sion an. Ich antwortete: »Sire, in der gegenwärtigen Lage würde eine Revolution das Land in den Abgrund stürzen. Ich werde Alles hun, was in meinen Kräften steht, um dies zu verhindern. Sie wün⸗ schen, daß ich Ihre Rückkehr vorbereite und die Vertheidigung organisire. Es sei; aber wohl gemerkt, die Armee von Mac Mahon wird die Hülfsarmee für Paris sein, denn wir gehen einer Belagerung entgegen.⸗
er Kaiser pflichtete bei und Mac Mahon hatte sogar schon seine Bewegung begonnen. Ich sollte auf der Stelle abreisen und zwar mit folgendem Mandat: »Der General Trochu ist zum Gouverneur von Paris und zum Ober⸗General für die Dauer des Krieges er⸗
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nannt; der Kaiser folgt ihm in zwei Stunden nach Paris; der Mar⸗ schall Mac Mahon zieht sich ebenfalls in der Richtung von Paris zurück.« Ein Handschreiben des Kaisers bestätigte diese Verfügungen. Noch in der Nacht traf ich bei der Kaiserin⸗Regentin in den Tuile. rien ein. Ich fand sie sehr muthig, galtirt, sehr mißtrauisch gegen mich. »Generals«, sagte sie, »das konnten dem Kaiser nur seine Feinde rathen, nach Paris zu kommen; er wird nicht lebendig die Tuilerien erreichen.« »Madame, antwortete ich, so wäre ich denn ein Feind des Kaisers? Denn ich selbst habe ihm mit dem Prinzen Napoleon und dem Marschall Mac Mahon diesen Entschluß eingegeben. Ich habe eine gefährliche Mission übernommen; es handelt sich um die Vertherdigung von Paris.« » Nein, General, der Kaiser wird nicht nach Paris kommen, sondern in Chalonz bleiben; Sie Ihrerseils werden im Auftrage des Kaisers die Verthei⸗ digung von Paris führen« Ich war entschlossen, vor keiner Bitterniß zurückzuschrecken und ant wortete: »Madame, ich werde auch ohne den Kaiser Paris vertheidigen und hier ist die Proklamation, in welcher ich der Bevölkerung meine Ernennung anzeige.“ Die Proklamation begann mit den Worten: »Der Kaiser ernennt mich zum Gouverneur von Paris.⸗ — General, sagte die Kaiserin, der Name des Kaisertz darf nicht genannt werden« — »Madame, ich komme im Auftrage des Kaisers.“« »General, es ist gleichwohl bedenklich. — So unterblieb denn die Phrase und es ist ffür mich bedeutsame Erinnerung, daß ich der letzte von den
Dienern
wurde ich
ren lassen wollte. Von dem Kriegs⸗Minister vees. ammer vpoll⸗
noch schlechter empfangen; er sagte mir, daß er in der
kommen Herr der Situation sei und daß ich nur störend wirken
könne. Ich sei im Irrthum, wenn ich glaubte, daß Mac Mahon sich auf Paris zurückzöge; das ganze Material werde vielmehr nach Metz und Verdun dirigirt, um der Armee von Metz die Hand zu reichen. Ich erklärte sogleich diese Wendung für verhängnißvoll und wir trenn⸗ ten uns in einer Verstimmung, die später nur noch zunehmen sollte.
schauungen waren von Grund aus verschieden.
Im Konseil, wo die Kaiserin den Vorsitz führte und dem außer dem Geheimen Rath noch die Präsidenten des Senats und des gescz⸗ gebenden Körpers beiwohnten, stieß ich auf neues Mißtrauen. Eines
Tages fragte man mich, wie ich im Falle eines Aufstandes die Kam⸗
mer und die Tuilerien vereheidigen würde. Ich antwortete: „Das Schicksal des Kaiserreichs hängt an einer Schlacht. Wenn eine vierte Schlacht gegen den Feind verloren wird, dann rechnen Sie nicht darauf, eine Schlacht in Paris zu gewinnen. Wir bedürfen einer moralischen Autorität, um den Aufstand zu verhindern; soweit mir eine solche zu Gebote steht, gehört sie der Sache der tegierung,; abec auf die Bayonnette können Sie nicht zählen. Ich bitee Sie, lassen Sie es, auf einen Kampf nicht ankommen, um lo weniger, als Sie keine Garnison mehr haben.« In der That war das XIV. Corps auf dem Kriegsschauplatz abgegangen und das XIII. erf in seiner Bildung begriffen. Diese Erklärung war der Anfang meiner Ungnade. Die Kaiserin und die beiden Kammer⸗Präsidenten sahen in ihr eine Bestätigung ihres Mißtrauens. Sie machten geltend, daß es vollkommen möglich sei, den gesetzgebenden Körper und die Tuileritn Kräften steht, wiederholte aber meine Bedenken. Seitdem wurde ich nicht mehr zum Konseil zugezogen; das ment brach allen Verkehr mit mir ab und eines Taget mußte ich zu meiner großen Entrüstung erfahren, daß ein außerhalt der Linien an der Loire in der Gegend von Gien gefangen genommenen Preuße füsilirt werden sollte, ohne daß man mir, dem Gouverneur von Paris, nur von der Sache Mittheilung gemacht hätte. Ich begab mich zum Konseil und drohte mit meiner Entlassung; das Konset gab mir Recht und Palikao bot seine Entlassung an, ließ sich abck durch die Kaiserin von seinem Entschlusse wieder abwendig machen. Am 3. September mußte ich aufs Neue entdecken, daß der Kriegs⸗ Minister mich über die Bewegungen des Feindes in Unwissenheit erhielt. Ich war damals den ganzen Tag auf den Festungswerken.
General mein Pferd an und meldete mir: »Ein großes Unglück ist in Sedan geschehen; die Nachricht ist heut Mittag in Paris ein⸗
nach meinem Quartier und finde dort folgendes Dokument, welchet keinen Zweifel darüber ließ, daß man mir in Wahrheit schon laͤngt das Kommando von Paris entzogen hatte: »Herr General! De Herr Kriegs⸗Minister richtet soeben an mich ein Schreiben, in welchem er mir in Voraussicht der ordnungswidrigen Kundgebungen, welce
jedes Versuchs einer Ruhestörung nothwendigen Maßregeln zu treffen, Ich beeile mich, Sie hiervon in Kenntniß zu setzen. Ich zeige Ihnan an, daß in jeder Kaserne ein Bataillon marschbereit ist. Die beide Bataillone Fuß⸗Gensd'armerie und die beiden Schwadronen der beritte⸗ nen Gensd'armerie müssen ebenfalls bereit sein. Ferner befindet sich ein Bataillon im gesetzgebenden Körper auf Wache. Der Genergl Mellinet (Kommandant der Nationalgarde) ist von diesen Verfügur⸗ gen in Kenntniß gesetzt.
B gez. General Soumain⸗⸗
Ich war also das Opfer einer wahren Verschwörung; Truphe und Nationalgarde waren meinen Befcehlen entzogen. Ich eilte de
Personen umgeben. Ich sagte zu ihr: »Die Gefahr ist groß und es ist keine Zeit zu Anklagen. Ich werde Sie nicht im Stich lassen, aber seien Sie gewiß, daß ich neulich im Konkeil die Wahrheit sagte Ich habe keinen Befehl und keine Mittheilung erhalten.⸗ Gegg 1 Uhr begegnete ich dem General Lebreton, einem der Quästoren de
gesetzgebenden Körpers. Er ist zugegen und mag meine Aussage
fahr ist auf ihrem Gipfel;
eine
des Kaisers war, der seinen Namen in einem öffentlichen Akt figuri⸗
Ich erhebe keine Anklage gegen den General Palikao, aber unsere An⸗.
zu vertheidigen; ich erkläre mich bereit zu thun, was in meinen
Kriegs⸗Depart⸗! sinnens eine Deputation der Kammer.
Eines Abends, als ich von den südlichen Forts sesden ,ane hielt ein
getroffen und die Aufregung hat ihren Gipfelpunkt erreicht.« Ich elle
in Paris stattfinden könnten, befiehlt, sogleich die zur Niederhaltung
Morgens nach den Tuilerien und fand die Kaiserin von besorgtez
Er sprach zu mir in größter Aufregn I; eine ungeheure Volksmenge über⸗ fluthet die Quais und wird in die Kammer eindringen. Die Truppen sind fortgerissen worden; Sie allein koͤnnen uns Rettung bringen.«“ »Man hat mich hintergangen,« antwortete ich, »die Truppen haben nicht auf meinen Befehl Stellung genommen. Wie wollen Sie, daß ich jetzt eine halbe Million Menschen zurückhalte? Indeß, ich will das Meinige thun!« — Zehn Minuten darauf war sch zu Pferde und ritt über dem Quai nach dem Tuilerienhofe. Hier warf sich mir ein toller Volkshaufen in den Weg und wollte mich zwingen: Vive la Sociale! zu rufen Ich wehrte mich so gut ich konnte und kam nach einer Stunde und nachdem ich meine beiden Adjutanten verloren hatte, im Louvre an. Ein hochgewachsener und bleicher Mann rief mir zu: »General, wohin gehen Sie?« — »Ich will den gesetzgebenden Körper zu retten suchen« — »Zu spät, er ist chon vom Volke besetzt und auseinander gejagt. Dieser Mann war Niemand anderes, als mein späterer Kollege Herr Jules Favre. Er fügte hinzu: Diese Revolution vollzieht sich inmitten der Nieder⸗ lage, und Diejenigen, welche Vortheil aus ihr ziehen wollen, werden Frankreich in den Abgrund stüczen, wenn wir nicht dazwischen treten. Ich gehe nach dem Stadthaufe, wo die neue Regierung sich einrichtet.« — Auf dieser Bahn, antwortete ich, kann ich Jonen nicht folgen, ich bleibe im Louvre. — Man hat gesagt, daß an diesem Tage alle hohen Staatsbeamten die Kaiserin umgaben und nur der General Trochu .“ wissen Sie, warum ich nicht in den Tutlerien erschie⸗ ne Im.
Im Louvre kam eine Gruppe von Spitze sich Herr Steenackers befand. Sie zeigten mir an, daß die Abgeordneten der Linken auf dm Stadthause eine neue Regierung gebildet hätten und mich zum Eintritt in dieselbe einlüden. Ich bat um fünf Minuten, um meiner Familie mitzutheilen, was geschehen. »Die Stunde⸗, sagte ich, »ist gekommen, da ich ans Kreuz geschlagen werden soll. Ich gehe.«“ Vor dem Stadthause fand ich dieselbe Volks⸗ menge, wie des Morgens auf den Quais. Alle Stiegen, alle Säle waren von Neugierigen überfüllt. In einem Kabinet, welches kaum sechsmal so groß ist, als diese Tribüͤne, und das von einer bescheidenen Lampe erleuchtet war, fand ich die neue Regierung. Diese Männer sahen nicht aus wie herrschsüchtige Usurpatoren. Sie waren blaß, wie vernichtet, und schienen sich der ganzen Gefasr der Lage bemwußt zu sein. Ehe ich mich auf ihren Antrag, in die Regierung einzutreten, erklärte, wollte ich erst meinen Vorgesetzten, den Kriegs⸗Minister, von dem Geschehe⸗ nen unterrichten. Ich fand den Grafen Palikao in tiefer Trauer, er glaubte, daß sein Sohn, ein junger Offizier von hohem Verdienst, bei Sedan gefallen wäre »General⸗, sagte er mir, »die Revolution ist eine vollendete Thatsache. Wenn Sie nicht an die Spitze der Regic⸗ rung treten, ist Alles verloren; thun Sie es, so werden sic wenigstens die Soldaten um Sie schaaren.«Nach dieser Unterredung kehrte ich auf das Stadthaus zurück, wo sich die Regierung inzwischen um ein Mitglied vermehrt hatte. Ich wurde zum Präsidenten und Herr Jules Favre zum Vizepräsidenten der Regierung der Landesvertheidigung ernannt. Später haben mich hier in Versailles die Herren Conti und Johnston versichert, daß an diesem Tage Deputationen der Kammer bei mir er⸗ schienen wären. Ich habe am 3. und 4. September gewiß mehr als hundert Abgeordnete bei mir empfangen, aber niemals meines Ent⸗ , r Ka er. Auf alle Fälle hätte der gesetz⸗ gebende Körper das Heft nicht in Händen behalten können: der gesetz⸗ gebende Koͤrper des Kaiserreichs ohne das Kaiserreich, das war nicht mehr möglich. (Sensation, lebhafter Beifall links.) Diese Versamm⸗ lung und nicht die Tuilerien war das Hauptobjekt der Bewegung, weil sie gegen den Willen des Volkes und im Widerspruch mit ihrer eigenen Ueberzeugung (⁷) den Krieg votirt hat. (Lebhafter Beifall.)
Die neue Regierung unternahm eine übermenschliche Aufgabe. Als ich wieder auf das Stadthaus kam, sagte ich: »Bekräftigen Sie vor mir Gott, die Familie und das Eigenthum 7 Herr Jules Favre antwortete bejahend und Niemand widersprach ihm, selbst Rochefort nicht. So ging ich denn ans Werk. Schon seit 15 Jahren spielte ich die Rolle der Kassandra]. Vor dem Beginne der Feindseligkeiten, schon im Monat Juli, sagte ich zu einem hervorragenden Staats⸗ mann: Frankreich, das Kaiserreich, die Armee gehen einem sichern Verderben entgegen. Dem Grafen Daru habe ich das gesagt. (Graf Daru nickt bejahend mit dem Kopfe). Um dieselbe Zeit deponirte ich bei dem Notar Ducloux mein Testament. (Sensation.) Ich weiß wohl, daß wenige Akte ärger verspottet worden sind, als dieser, es sei denn mein Vertheidigungsplan. (Redner citirt nun einige Stellen aus diesem Testament, worin cs heißt, daß das Kaiserreich durch seine eigenen Fehler zu Grunde gehen werde, daß der Krieg mit thörichter Ueberstürzung und Unvorsichtigkeit unternom⸗ men worden, daß aber, wenn das Kaiserreich falle, darum Frankreich noch nicht verloren sei. Dieses Testament ist vom 21. Fuli 1870 datirt.) Im September, als die Einschließung begann, und meine an eine Belagerung nicht gewoöhnten Kollegen, namentlich die Herren Jules Favre und Picard, mich um meine Ansicht fragten, sagte ich, es sei ein militärisches Prinzip, daß ein belagerter Platz ohne Hülfsarmee von außen nothwendig in die Hände des Be⸗ lagerers fallen müsse. Da auf eine solche Hülfsarmee nicht zu hoffen ist, fügte ich hinzu, so werden wir hier nichts als eine heroi⸗ che Thorheit begehen; diese ist aber nothwendig, um die Edre Frankceichs zu re ten. Ich gestehe allerdings, daß ich damals noch naiv genug war, zu glauben, daß Amerika nicht Lafayette, England nicht Inkerman und Italien nicht Solferino vergessen werde. Das war freilich ein Irrthum, aber ein chrenwerther und ein würdigerer Irrthum, als der der fremden Regierungen, die unserem Unglück gleichgültig zusahen. Die Zukunft wird das zeigen. (Beifall.) Ich will nun die verschiedenen Anklagepunkte prüfen, die gegen mich er⸗ hoben worden sind: 1) Unfähiglei Verrath, 2) Mangel jedes
pestätigen.
Personen zu mir, an deren
1“
Planes, 3) die Linien der man des
Belagerer seien nicht so stark gewesen Zeglaubt, 4) endlich, wir hätten den uns angetragenen Lnn als Handels und der Industrie zurückgewiesen. b Die erste und Hauptschwierigkeit, auf die ich stieß, war die, an den Ernst der Belagerung glauben zu machen. Allgemein hieß es, 8 könne eine Belagerung hoöͤchstens 14 Tage oder vier Wochen ich selbst berechnete die Möglichkeit eines Widerstandes auf Sests Wenn die Belagerung anstatt dessen 4 Monate gedauert 10,nsan wir 4 große Schlachten geliefert haben, in denen jedes Me 1 9 2 kann engagirt waren, so muß ich mich allerdings wundern, es Verraths beschuldigt zu werden. Alles, was für die Vertheidi⸗ gung gethan war, mußte von vorn angefangen werden. Die aus geführten Arbeiten machen dem Manne, der sie geleitet hat, dem in Ihrer Mitte weilenden General Chabaud⸗Latour und sänen Kameraden vom Genie die größte Ehre. Mehr 5 Arme haben an diesen Arbeiten mitgewirtt. Der Admiral Rigault de Genouilly hatte 200 Marinegeschütze und Seetruppen bei⸗ 1“ welche die Elite der Garnison waren; die Artillerie hat sich 1 enfalls nin das Vaterland verdient gemacht. Die Privat⸗Industrie “ vorzügliche Hinterladergeschütze. Die Stadt Paris brachte 2 e Opfer an Geld und Arbeit. Unsere Infanterie bestand aus 6000 Mann, dann aus den Mobilgarden der Seine, die freilich 8 meist das Beispiel der Insubordination gegeben haben. Den Kern der Infanterie bildeten aber die ausgezeichneten Regimenter Nr. 35 und 42 mit dem tapferen General Guilhem, der getödtet worden ist Wir hatten ferner zwei wackere Bataillone Gendarmen und 100,000 1 Mobile aus den Prooinzen. Diese Letzteren mußte ich bei der Bevoölke⸗ rung einquartieren, wo sie oft schlimme Lehren empfingen; bald waren 8000 dieser jungen Leute von Krankheiten behaftet, welche bewiesen, wie tief die Civilisation von Paris bei ihnen eingedrungen war. Wir hatten endlich die Francs⸗tireurs, von denen die Einen sich got auf⸗ führten, die Anderen sich der Plünderung ergaben, und einige Reste der Armee von Sedan. Ich hatte nur 80,000 Mann disponibel und brauchte 100000 Mann für die Vertheidigung der Forts Gleich⸗ wohl beschloß ich mit meinem Freunde Ducrot, bei Chatillon eine lacht zu liefern. f Ausgang dieser Schlacht zwang uns leider in unsere Linie zurück und nöthigte uns eine strenge Defensive auf. Inzwischen hatte der Feind starke Arbeiten aufgeführt, die wir eben⸗ sowenig e stürm en konnten, als er unsere Werke. Diese preußischen Wälle waren Muster ihrer Art und ich danke dem Himmel, daß ich der Verlockung widerstand, meine Soldaten zu einem Angriff zu führen, der sie unfehlbar vernichtet hätte. (Zustimmung) Die Kämpfe — während des letzten Aufstandes haben bewiesen, wie Recht ich hatte. (Die Rede wurde hier abgebrochen und auf den 14. ver⸗ Wir theilen den Schluß morgen mit.) 11 8 1“ 8 W“ Telegraphen „Brüssel, Montag, 19. Juni. Zu den gestrigen Unruhen anläßlich der Nachfeier des päpstlichen Jubiläums meldet hch Belge«, das die garde civique genöthigt war, von dem Ba⸗ jonette Gebrauch zu machen, um die Menge zurückzudrängen, unter welcher sich viele Anhänger der internationalen Gesell⸗
schaft befunden haben sollen. Mehrere P 24 wundet. h “ 8
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Büreau
1“ Landwirthschaft. 8 1 8 Berlin, 19. Juni. Der Regen, welcher heut Vormittag wolken⸗ bruchartig mit der frühen Morgenstunde begann und fast wäͤhrend des ganzen Vormittags ohne Unterbrechung anhielt, hat das Geschäft des heut beginnenden Wollmarktes dermaßen behindert, daß Preise noch nicht festgestellt sind und hierüber erst das morgige Geschäft ab⸗ gewartet werden muß. Einzelne Partien wurden zu etwas höheren, andere wieder zu niederen Preisen als im verflossenen Jahr gehandelt. Bis 1 Uhr Mittags waren etwa 125,000 Ctr. am Platze angemeldet. Aus erster Hand waren nur verhältnißmäßig geringe Quantitäten am Markt gebracht, da die Haͤndler die Wolle bereits den Produzenten abgenommen hatten, ein Geschäftsusus, der immer mehr überhand zu nehmen beginnt. Deutsche Wollen waren gesucht und wurde ihnen vor australischen und Kolonialwollen der Vorzug gegeben.
Königliche Schauspiele.
20. Juni. Im Opernhause. (131.
Dienstag, Fantasca. Großes Zauber⸗Ballet in 4
Akt Jershung, b ßes en (12 Bildern von Paul Taglioni. Musik von P. Hertel. Fantasca: 11 Kitzing. Serosch: Frl. Selling. Eine Wassernymphe: Fr. David. Floramour: Hr. Guillemin. Espéron: Hr. Ehrich. Fengeh; Hr. C. Müller. Meschaschef: Hr. Ebel. Anf. 7 Uhr. Vorletzte Vorstellung vor den Ferien. Im Schauspielhause. Keine Vorstellung. W“ 0 Mittwoch, 21. Juni. Im Opernhause. (132. Vorstellung.) Mit den neuen Arrangements der Bilder von Berlin und Paris: Flick und Flock. Komisches Zauber⸗Ballet in 3 Akten und 6 Bildern von P. Taglioni. Musik von P. Hertel. Topase: Frl. David. Eine Nererde: Frl. Forsberg. Flick: Hr. C. Müller. Flock: Hr. Ehrich. Anf. 7 Uhr. M.⸗Pr.
Letzte Vorstellung vor den Ferien.
Im Schauspielhause. Keine V
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