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Landtags⸗Angelegenheiten.
Berlin, 12. Dezember. In der gestrigen Sitzung des Hauses der Abgeordneten nahm in der Vorberathung des Staatshaushalts⸗Etats für das Jahr 1872 der Finanz⸗Minister Camphausen nach dem Abg. v. Benda das Wort:
Meine Herren! Verschiedene Herren Redner, die in der heutigen Debatte das Wort ergriffen haben, haben es für nothwendig erachtet, darauf hinzuweisen, daß die gegenwärtige Finanzlage nicht das Ver⸗ dienst des gegenwärtigen Finanz⸗Ministers sei. Ich stimme mit dieser Auffassung vollkommen überein: die Pnenslage⸗ deren sich Preußen erfreut, hat es allerdings zum großen Theile den Erfolgen des Krieges mit zu danken. Weit wichtiger ist die alte Tradition, die in der preußischen Finanzverwaltung geherrscht hat, der kräftige, willige Beamtenstand, die Opferfreudigkeit des Landes und die Regelmäßigkeit in der Verwaltung, die wir zu allen Zeiten festzuhalten gewußt haben. Kein Finanz⸗Minister, mag er zehnmal besser die Sache verstehen, als wie ich mich dessen rühmen kann, wird für sich einen solchen Ruhm in Anspruch nehmen dürfen, er hat ihn zu theilen mit den zahlreichen Männern, die an seiner Seite stehen und die im Lande ihm hilfreich entgegenkommen. Vor allen Dingen aber, meine Herren, ist er abhängig von einer höheren Macht. Wenn schlechte Ernten kommen, wie im Jahre 1867, dann kann der beste Finanz⸗Minister sich dagegen nicht schützen, und wenn gesegnete Ernten kommen, wenn die Industrie in Aufschwung geräth, so ist es nicht das Verdienst des jeweiligen Finanz⸗Ministers. Ich bin sehr weit davon entfernt, meinen Antheil an der gegenwärtigen Lage irgend wie überschätzen zu wollen. Wenn non ein Redner auch Anlaß genommen hat, mich mit meinem Amtsvorgänger aus⸗ einanderzusetzen oder zu identifiziren, wenn er hier be⸗ hauptet hat — eine Behauptung, die auch sonst schon vorgekommen ist — daß ich mit der Denkschrift des Herrn Finanz⸗Ministers v. d. Heydt vom 18. Mai 1869 einverstanden gewesen wäͤre, so sollte ich denken, daß der Herr Abgeordnete, der sich ja so sehr viel Mühe giebt, die früheren Reden nachzulesen, auch wohl sich die Mühe häͤtte geben koͤnnen, daran zu denken, wie ich in diesem Hause gleich zu An⸗ fang meiner amtlichen Thätiskeit Ihnen die Erklärung abgegeben habe, daß ich die Denkschrift vom 18. Mai 1869 nicht als einen inte⸗ grirenden Theil des Nachlasses ansebe, den ich übernommen hätte, daß ich da mein Amt nur cum benesicio inventarii übernommen habe. Wenn der Herr Abgeordnete aber aus dem Umstande, daß ich als Mitglied des Reichstages im Mai 1869 diese Denkschrift nicht be⸗ kämpft habe, den Schluß zieht, daß ich sie gebilligt hätte, so ist dieser Schluß eben ein irriger. Ich liebe es im Allgemeinen nicht, mit meiner unbedeutenden Person das Hohe Haus zu bedelligen
näher darzulegen den Zusammenhang der Aeußerungen,
ich zu verschiedenen Zeiten gethan habe. Das aber bin
mir selbst schuldig, die Herren daran zu erinnern, daß ich im Reichstage im Frühjahr 1869 über die Nothwendig⸗ keit, die Mittel des Reiches oder des Norddeutschen Bundes, wie wir uns damals auszudrücken hatten, aus eigenen Einnahmen zu stärken, ausgesprochen habe, und zwar in einer Sitzung, in der ich noch gar keine Ahnung davon hatte, daß eine solche Dentsehrift kommen würde, und daß ich meine Auffassung damals dahin kund gegeben habe, daß es die Pflicht der Versammlung sei, für den Betrag von 4 Millionen Thalern, um welche die Einnahmen des Norddeutschen Bun⸗ des durch die eigenen Beschlüsse der Versammlung verringert waren, um einen ähnlichen Betrag wieder zu stärken. Aber nachdem der Minister v. d. Heydt diese Denkschrift vom 18. Mai 1869 eingebracht hatte, habe ich an der Diskussion über diese Frage nicht Theil genom⸗ men. Gegner, meine Herren, hatte diese Denkschrift damals genug; ich fand mich nicht berufen, ihre Zahl zu vermehren. Wenn aber dann aus dem Umstande, daß ich für verschiedene der Steuerprojekte mein Votum in der Eigenschaft als Abgeordneter abgegeben habe, der Schluß gezogen wird, daß ich alle diese Steuerprejekte gleichzeitig hätte billigen wollen, so ist auch dieser Schluß wiederum ein irriger. Ich habe für die Branntweinsteuer gestimmt und nachdem sie abgelehnt war, für die zweite Steuer, und nachdem die zweite abgelehnt war, für die dritte, niemals aber gleichzeitig; und wenn ich in die Lage gebracht worden wäre, wie der geehrte Herr Abgeordnete sich ausgedrückt hat, für alle diese Steuerprojekte gleichzeitig zu stimmen, dann würde ich auch damals Nein gesagt haben. Dies in Bezug auf die Ver⸗ gangenheit. Ich glaube, auch später damit nicht etwa in ein wider⸗ spruchsvolles Benehmen getreten zu sein, denn der erste Vorschlag, den ich dem preußischen Landtage in meiner Eigenschaft als Finanz⸗ Minister gemacht habe, hat ebenfalls dazu geführt, die Ausgaben des Staates um den Betrag von nahezu vier Millionen zu vermindern. Es scheint mir demnach, daß ich wohl eine gewisse Konsequenz bei meinen Ansichten in Anspruch nehmen dürfte.
Nun, meine Herren, erlauben Sie, daß ich einige Worte wegen der vermeintlich etwas späten Vorlage der Steuerreformen und we⸗ gen des Umstandes hinzufüge, daß dadurch die Berathung des Gesetzes über den Staatsschatz behindert worden wäre. Was die Steuer⸗ reformen betrifft, so habe ich in der ersten Sitzung dieses Jahres Ihnen sofort erklärt — ich werde mir schon erlauben müssen, den Passus zu verlesen —:
Meine Herren! Nachdem wir nun im Ordinarium für alle diese Zwecke gesorgt haben, die Sie später bei der Berathung des Etats näher kennen lernen werden, haben wir noch eine Summe von 1,000,000 Thaler reservirt für Steuerreformen. Die Bera⸗ thungen über diese wichtige Frage sind noch nicht zu einem defini⸗ tiven Abschlusse gelangt, ich werde heute auf diese Angelegenheit nicht näher eingehen, sondern in einer späteren Sitzung um die Exlaubniß bitten, mich ausführlicher damit zu beschäftigen.
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Das habe ich bekanntlich vor einigen Tagen gethan und diese Vorlage stimmt mit der Ankündigung vosständieh dennh nch das hat der Herr Abg. Richter mit vollem Recht hervorgehoben bn ja auch nach der umfassenderen Maßregel, die Ihnen vorgelegt wvich der Erlaß, der auf das Jahr 1872 fallen wird, sich ungefaähr aut den Betrag von einer Million berochnet, nämlich auf 1,150,000 Thiu abgesehen von einzelnen Steuernachlässen, die noch bei den — vorgelegten Gesetzentwürfen einmal über die weitens über die Gesindedienstbuͤcher in ch möchte Sie nun bei dieser Gelegenheit bitten, eins nicht zu vergessen. .de ganzen 8 ans⸗ Minister behandelt
en, als ob er alle Zweige der Staatsverwaltun 1 finer vich vslen peg. g g vollständig zu
— eine Herren! Ich bin nicht in dieser Lage; der Finanz⸗Mini ist nicht einmal befugt, Ihnen Steuerreformen bea herr. wie er sie vielleicht wünschen möchte, sondern es versteht sich von selbst, daß über solche wichtige Fragen zunächst das Staats⸗Miniß⸗ rium befindet und daß sich dasselbe dann mit der Krone zu verstän. digen hat. Wenn Sie also von allen Zweigen der Staatsverwal⸗ tung reden und dann für jeden einzelnen Akt den Finam. minister allein verantwortlich machen, dann muß ich Ihnen sagen,
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sepa Gewerbesteuer
Aussicht genommen sind
daß ein solches Gewicht von Verantwortlichkeit mich niederdri würde; fuͤr den Theil, den ich dabei wirklich mit zu tragen will ich die Verantwortlichkeit schon sehr gern übernehmen.
Was nun die ganze Finanzlage betrifft, so habe ich uͤberwiegend nur Stimmen gehoöͤrt, die sie theilweise noch günctiger auffassen als wie sie Ihnen dargestellt wurde, theilweise Bedenken dagegen er- heben. Zu den Letzteren hat insbesondere der Herr Abg. von Gott. berg gehört. Er hat Ihnen die Betrachtung vorgeführt, daß wir doch wesentlich die freiere Bewegung, der wie uns jetzt erfreuen, nur dem Umstande zu danken hätten, daß die Konsolidations⸗Maßregel noch nicht zu Ende geführt sei und daß wir deshalb in den Etat pro 1872 noch über eine Einnahme von 4,003,000 ver⸗ fngen könnten, die in Zukunft uns nicht mehr zu Theil werden würde. Der geehrte Herr Abgeordnete hat dabei nur Eines vollständig über⸗ sehen, daß, wenn die Konsolidationsmaßregel vollendet ist, zwar dieser Einnahmeposten fallen wird, aber auch die korrespondirenden Aus⸗ gaben, dat alsdann das Budget dauernd um diesen Betrag erleichtert werden wird.
In der Diskussion sind demnächst schon jetzt eine große Zahl von Bemerkungen deceorzcht worden in Bezug auf das vorgelegte Steuer⸗ projekt. Sie werden es natürlich finden, meine Herren, wenn ich es mir versage, heute auf diese Bemerkungen einzugeden. Es kann ja nicht fehlen, daß wir nach einiger Zeit eine General⸗Diskussion über diese Steuerreformen haben werden, und dann scheint mir der richtigere Zeit⸗ punkt gekommenzzu sein, um auf die verschiedenen Bedenken, die in Bezug auf die Steuerreform erhoben sind, näher einzugehen. Wollte ich das heute thun, so, glaube ich, würden wir nur eine doppelte Distussion haben. Hinsichtlich der Beamtenbesoldungen ist von den verschieden⸗ sten Seiten geltend gemacht worden, daß hier doch eigentlich nur ein Minimum gewährt werde. Nun, meine Herren, es wird mich sehr freuen, wenn die Vorschläge, die Ihnen die Staatsregierung empfohlen hat, — bei denen sie in der That glaubt, den Wünschen des Beamtenstandes in einer Weise entgegen zu kommen, woran er bisher nicht gewöhnt war — wenn diese die volle Zustimmung des Hauses finden werden. Davor möchte ich warnen, in demselben Augenblicke, wo diese Beamtenbesoldungen so erheblich verbessert wer⸗ den, nun auch schon wiederum mit neuen Klagen zu beginnen, daß nicht genug geschehen sei.
Ich meine, so sehr die Staatsregierung bemüht sein muß, das Loos der Beamten zu verbessern, so sehr muß sie andrerseits auch darauf rechnen, daß die Wünsche des Beamtenstandes — ich mag nicht gern den Ausdruck gebrauchen, den ein Abgeordneter vorhin ange⸗ wendet hat, wo er von dem »begehrlichen Beamtenproletariat« sprach — aber den Wunsch möchte ich wohl äußern, daß der Beamtenstand sich auch bescheiden mit dem zufrieden gehe, was ihm nach den Mit⸗ teln des Staates zu Theil werden kann, und daß der Beamtenstand niemals voggessen möge, daß sein Cohn nicht lediglich in dem Gelde sondern auch in der Ehre, einem großen Staatswesen zu
enen.
Meine Herren! Es ist dann von dem Finanzminister gewünscht worden, daß er eine Erklärung darüber abgebe, was die Regierung vorhabe in Bezug auf die Landwehrmänner und Reservisten, und was sie vorhabe in Bezug auf den Ersatz, der den Gemeinden für die in Folge der Gesetze von 1850 und 1851 gewährten Auslagen geleistet werden möchte. Da kann ich Ihnen nur sagen, daß über diese Frage die definitive Beschlußnahme noch nicht stattgefunden hat daß aber, wie mir scheint, die Anforderungen in dieser Beziehung, wenn sie weit über die Grenzen hinausgehen sollten, die im Reichstage gezogen worden sind, doch wohl vor allen Dingen haͤtten im Reichs⸗ tage erhoben werden müssen. 8
Zu meinen Notizen gehört dann noch ferner, daß ich hingedrängt worden bin, mich uͤber verschiedene weitere Steuerreformen auszu⸗ sprechen. Einer der geehrten Redner hat eigentlich sogar die ganze Liste aller Steuern vorgenommen, und er ist mit diesen so zu Werke gegangen, daß ich mich dabei gefragt habe: Was wird nun zuletzt für den Staat übrig bleiben?
So weit sind nun meine Pläne nicht gerichtet. Ich glaube daß wir grade nach den Erfahrungen, die wir in den Jahren 1867 und 1868 gemacht haben, eins nicht vergessen sollen: daß wir wünschen müssen, bei Allem, was wir thun, einen völlig sicheren Boden unter uns zu haben. “
Eine günstige Finanzlage ist nicht blos eine Kräftigung für die Staatsregierung; ich erkenne das unumwunden an: die Staats⸗ regierung ist in einer unendlich besseren Lage, wenn sie eine günstige Finanzlage vor sich hat; — aber, meine Herren, es ist auch eine
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ng der Landesvertretung, wenn die Landesvertretung von ihrer Macht den richtigen Gebrauch macht. Müssen Sie nicht aner⸗ kennen, daß in der Vorlage, die die Staatsregierung Ihnen gemacht hat, überall gesucht worden ist, den Wünschen der Landesvertretung entgegen zu kommen? Daß übrrall das ins Auge gefaßt worden ist: Wes will das Land? Was haben seine Verweter in dieser Beziehung uns für eine Willensmeinuns zu erkennen gegeben? — und daß wir dann überall, wenn die Staatsregierung ihrerseits die Ueberzeugung theilt, daß damit auch auf den richtigen Weg hingedeutet worden sei, unz bereitwillig dem entgegen gekommen sind? 3 Wenn darauf hingedeutet worden ist, wie ja diese und jene zner wohl noch zu ändern sein möchte, wenn beispielsweise auf die Salzsteuer bingewinsen worden ist, nun, meine Herren, dann bin ich schr gern bereit, an den preußischen Bundesbevollmächtigten beim Reiche den Wunsch zu richten und zu unterstützen, daß darauf Bedacht genommen werden möge, die Salzsteuer zu ändern, wenn es die Ver⸗ hältnisse des Reichs gestatten. Ich bin allerdings der Ansicht, daß wir in dieser “ eine Steuer haben, deren ewige Beibehaltung
icht wünsche.
ic nicht elbe würde ich von der Zeitungssteuer sagen können, ich kann nicht der Ansicht sein, daß Preußen diese Steuer stets beibehalten wird. Die Frage, die uns heute vorliegt, ist aber die: Wo hat die Staats⸗ regierung die dringendste Verpflichtung, indem sie mit den Steuer⸗ erleichterungen vorgehen kann, die Steuererleichterungen eintreten zu lassen? Diese dringendste Verpflichtung haben wir erkannt, indem wir dem seit Decennien von der Landesvertretung ausgedrückten Vunsche wegen Aufhebung der Mahl⸗ und Schlachtsteuer die Wege bahnen, uud indem wir in Beziehung auf die Klassensteuer diejenigen Uebelstände sofort beseitigen, die als die dringendsten anzuerkennen sind. Daß dieser erste Schritt ein letzter sei, ist nicht ausgesprochen; daß ich aber heute schon sagen sollte, welches der zweite und weitere Schritt sein wird, das bitte ich nicht von mir zu verlangen.
Es ist nun mehrfach darauf hingewiesen worden, daß ebenfalls pöllig unbeleuchtet geblieben sei das Wünschenswerthe oder selbst die Nothwendigkeit, für die andere Einrichtung der Kommunal⸗, der Kreis⸗, der Provinzialverwaltung Mittel auszusetzen, daß es noth⸗ wendig sein werde, vielleicht einen Theil der Grundsteuer zu solchen Zwecken zu bestimmen, vielleicht auf anderem Wege aus Staats⸗ mitteln Beihülfen zu leisten, um diese wuͤnschenswerthe Organisatien ins Leben rufen zu können. Meine Herren! Sie koöͤnnen auch hier den Finanz⸗Minister nicht als den alleinigen Repräsentanten für diese Fragen in Anspruch nehmen. Soll ich mich darüber äußern, wie ich selbst zu dieser Frage stehe, so will ich durchaus kein Hehl daraus machen, daß ich ein Freund der Decentralisation bin, daß ich wünsche, lebenskräftige, unsern Verhältnissen angepaßte Organe dafür ins Leben zu rufen, und daß, wenn diese Schoͤpfungen be⸗ dingen, mehr oder weniger erhebliche Beiträge aus Staatsmitteln ihnen zuzuwenden, ich dem in keiner Weise entgegen sein würde.
Meine Herren! Wozu verwaltet man die Finanzen des Landes, wozu hält man die Gelder beisammen, als lediglich dazu, um den berechtigten Wünschen der Nation entsprechen zu können? sobald die Landesvertretung in dem Falle ist, für einen berechtigten Wunsch — das heißt, für einen Wunsch, der nicht allein von ihr, der auch von der Staatsregierung als ein berechtigter anerkannt wird —, die Mittel zu gewähren, so wird es stets die Aufgabe des Finanz⸗ Ministers sein, diese Mittel bereit zu stellen. “
Meine Herren! Durch diese Bemerkung glaube ich diejenigen der heute angeregten Fragen, auf welche eine unmittelbare Antwort er⸗ wünscht sein mochte, berührt zu haben. Auf die Mehrzahl dieser Fragen wird, wie ich glaube, zurückgekommen werden ber der spe⸗ ziellen Diskussion der einzelnen Etats, und ich werde dort mehr als heute in der Lage sein, auf Einzelheiten einzugehen. Ich würde solche Einzelheiten mir insbesondere auch vorbehallen, wenn wir an die vielfach ventilirte Frage kommen, was in Bifuß auf die klassifizirte Einkommensteuer für Umgestaltungen erforderlich werden möchten. Ich würde dann nicht unterlassen, mit statistischem Material versehen, doch manche der Auffassungen etwas zu berichti⸗ gen, die in Bezug auf diese Steuer vielfach geäußert worden sind. ch würde, wenn wir an diese nähere Erörterung kämen, mich auch dagegen schützen müssen, daß aus einzelnen Aeußerungen, die von meiner Seite gefallen sind, nicht zu weit gehende Schlüsse gezogen werden. Ich weiß nicht, ob ich ganz genau der Rede des Herrn Abg. Lasker gefolgt bin — er hat, wie ich meine, in Bezug auf indirekte fteuern mich einen Ausspruch thun lassen, der wenigstens nicht in meiner Absicht gelegen hat. Ich habe bei der Berathung am vorgestrigen Tage gegenübergestellt auf der einen Seite den Umstand, daß die Mahl⸗ und Schlachtsteuer — also indirekte Steuern — überall beseitigt werde, daß an deren Stelle eine direkte Steuer tritt, und daß bei dieser direkten Steuer zugleich auf Verbesserung derselben Bedacht genommen wird. — Einen allge⸗ meinen Ausspruch über direkte und indirekte Steuern und über deren relative Vorzüge habe ich damit nicht gethan, wenigstens nicht thun wollen, denn diese Aeußerung würde eingeschränkt werden durch die mit vollem Rechte ebenfalls aus einer früheren Rede von mir vom Abgeordneten Richter citirte Aeußerung, daß, wenn bei unserem gegen⸗ wärtigen Finanzsystem die Nothwendigkeit eintreten sollte, die Staats⸗ einnahmen zu erhöhen, — eine Nothwendigkeit, die glücklicherweise nicht eingetreten ist, — ich dann der Vermehrung der indirekten Steuern oder der Ertragsteigerung von indirekten Steuern den Vor⸗ zug geben würde. Bei dieser Auffassung bleibe ich heute ebenso stehen, wie ich dies vor einem Jahre gethan habe.
Run, meine Herren, ich wiederhole, ich glaube heute die Haupt⸗ punkte erörtert zu haben, die vorgebracht worden sind und die eine sofortige Antwort erheischen. Ich behalte mir vor, bei der späteren
Einzelne gehenden Berathuͤng auf einige Punkte zurückkommen zu dürfen. 8 8 8
— Die dem Hause de vorliegenden Gesetz⸗
entwürfe lauten:
Entwurf eines Gesetzes, betreffend einige Abänderungen
der Gesetze vom 30. Mai 1820 und 19. Juli 1861 wegen 1“” der Gewerbesteuer.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen ꝛc. verordnen mit Zustimmung beider Häuser des Landtages Unserer Monarchie, was folgt:
§. 1. Die Veranlagung der Gewerbesteuer für das Müller⸗ gewerbe erfolgt fortan nicht mehr nach den in der Beilage B. zu dem Gesetze wegen Entrichtung der Gewerbesteuer vom 30. Mat 1820 (Gesetzsammlung S. 147) unter J enthaltenen Vorschriften. Dagegen ist das Müllergewerbe bei einem Betriebe von bedeutendem Umfange mit der Gewerbesteuer vom Handel in der Klasse A. I. (§. 2 zu 2 des Gesetzes vom 19. Juli 1861, Gesetz⸗Sammlung S. 697) und bei einem Betriebe von mittlerem Umfange mit der Gewerbe⸗- steuer vom Handel in der Klasse A. II. (§ 2 zu 1 a. a. O.) unter den übrigen Fabrik⸗ und Handels⸗Unternehmungen zu veranlagen. Das Müllergewerbe, welches lediglich oder weit überwiegend gegen Lohn, oder sonst in geringem Umfange betrieben wird, unterliegt der Gewerbesteuer vom Handwerk (Beilage B. zum Gesetze vom 30. Mai 1820 unter H.). Dasselbe ist gemein⸗ schaftlich mit den übrigen Handwerken des Steuerbezirks zu veran⸗ lagen; die im §. 12 des Gesetzes vom 30. Mai 1820 dem Handwerke eingeräumte Steuerfreiheit findet jedoch auf das Muͤllergewerbe keine Anwendung 1
Bei den Vorschriften der §§. 14 und 15 des Gesetzes vom 30. Mai 1820 behält es sein Bewenden.
.2. Solche Handwerker, welchen auf Grund des §. 21 unter 2 des Gesetzes vom 19. Zuli 1861 der Betrieb des Gewerbes steuerfrei gestattet wird, sind bei der Berechnung der Handwerkssteuer des Steuerbezirks mit Mittelsätzen nicht in Ansatz zu bringen. §. 3. Das gegenwärtige Gesetz, zu dessen Ausführung der Finanz⸗ Minister das Erforderliche anzuordnen hat, kommt zuerst bei der Veranlagung der Gewerbesteuer für das Jahr 1873 in Anwendung. Urkundlich ꝛc.
Entwurfeines Gesetzes, betreffendeine Zusatzbestimmung zum Artikel 74 der Verfassungs⸗Urkunde vom 31. Januar 1850 und zur Verordnung wegen Bildung der Ersten
Kammer vom 12. Oktober 1854.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen ꝛc. 888 mit Zustimmung beider Häuser des Landtages der Monarchie, was folgt:
Einziger Artikel. Dem Artikel 74 der Verfassungs⸗Urkunde vom 31. Januar 1850 und der Verordnung wegen Bildung der Ersten Kammer vom 12. Oktober 1854 tritt folgender Zusatz hinzu:
Von der Mitgliedschaft im Herrenhause sowie von der Wählbarkei zum Hause der Abgeordneten sind der Präsident und die Mitglieder der Ober⸗Rechnungskammer ausgeschlossen.
Urkundlich ꝛc. Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Ueberweisung einer Summe von jährlich 142,000 Thalern und eines Kapitals von 46,380 Thalern an den kommunalständi⸗
schen Verband des Regierungsbezirks Wiesbaden.
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen ꝛc. verordnen mit Zustimmung beider Häuser des Landtages der Mo⸗ narchie, was folgt: 81 1
§. 1. Dem kommunalständischen Verbande des Regierungs⸗ bezirks Wiesbaden wird zur eignen Verwaltung und Verwendung für folgende Zwecke und zwar: 1) zur Bestreitung der Kosten des Neubaues chaussirter Verbindungsstraßen mit Ausschluß der auf Kosten des Staats bereits zur Ausführung genehmigten Straßen⸗ bauten im Kreise Biedenkopf: a) von Hatzfeld bis zur Biedenkopf⸗Batten⸗ berger⸗Straße, b) von Battenberg bis zur Frankenberg⸗Marburger Straße und c) von Niederscheld über Lixfeld nach Breitenbach und Mornshausen oder Dautphe, sowie zur Unterstützung des Gemeindewegebaues und 2) zur Fürsorge für die Irren und Taubstummen, insbesondere zur Unterhaltung der mit ihrem gesammten Vermoͤgen in die Verwaltung des kommunalstäaͤndischen Verbandes übergehenden Irren⸗, Heil⸗- und Pflege⸗Anstalt zu Eichberg und des Taubstummen⸗Instituts zu Cam⸗ berg die Summe von jährlich 142,000 Thlrn. vom 1. Januar 1872 ab aus den Staatshaushalts⸗Einnahmen eigenthümlich überwiesen und ist diese 7 daher fortan auf das Ordinarium des Staats⸗
aushalts⸗Etats zu setzen. b 8 2. In eias Weise wird dem kommunalständischen Ver⸗ bande des Regierungsbezirks Wiesbaden der Darlehnsfonds für un⸗ bemittelte Gemeinden in dem Gebiete des ehemaligen Herzogthums Nassau, sowie der Rest des Homburger Kautionsfonds in einem Ge⸗ sammtbetrage von 46,380 Thlrn. zur Gründung einer kommunal⸗ ständischen Hülsskasse nach dem Vorbilde der in den älteren Provinzen bestehenden derartigen Institute eigenthümlich überwiesen. 1 Aus dieser Hülfskasse 8,n. insbesondere auch Darlehen zur Aus⸗ führung gemeinnütziger Wegebauten und Landesmeliorationen zu ewähren. 1 8 1 8 3. Verwendungen der dem kommunalständischen Verband nach §. 1 überwiesenen Summe zu anderen, als den bezeichneten Zwecken, können von dem Kommunal⸗Landtage mit landesherrlicher Genehmigung beschlossen werden.
9 8 8n die überwiesene Summe nicht ausreicht, sind die Kosten der im §. 1 gedachten Einrichtungen und Anlagen von dem kommunalständischen Verbande nach Maßgabe der Verordnung vom 26. September 1867, betreffend die Einrichtung einer kommunalstän dischen Verfassung im Regierungsbezirk Wiesbaden, mit Ausschluß des Stadtkreises Frankfurt a. M., aufzubringen.
Urkundlich ꝛc.
8.
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