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(Bulletin ges lois 516 No. 3930) di rechte ertheilen:
G 1) d Gesellschaft kann ihren Schuldnern gegenüber alle Rechte und die speziellen Mittel zur Exekution anwenden, welche durch das vorerwähnte Dekret und das dieses Dekret abändernde Gesetz vom 10. Juni 1853 (Bulletin des lois 56 No. 516 eingeführt sind;
2) die Hypothekeneinschreibungen zu Gunsten der Gesellschaft ge⸗ nießen den Vortheil des Artikels 47 des Dekrets vom 28. Fe⸗ bruar 1852; 1 8—
3) die Gesellschaft hat das Recht, wenn sie es für zweckmäßig hält, die Purgation der gesetzlichen und stillschweigenden Hypotheken nach Artikel 1 des Gesetzes vom 10. Juni 1853 zu erwirken; 4) die von der Gesellschaft gegen Verpfändung von Pfandbriefen oder Kommunal⸗Obligationen geleisteten Vorschüͤsse unterliegen dem Gesetze vom 19. Juni 1857 (Bolletin des lois 512 No. 4683).
Die Bestimmung im Artikel 46 des mehrgedachten Dekrets vom 28. Februar 1852 findet auf die gedachten Pfandbriefe keine An⸗ wendung.
Urkündlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und bei⸗ üb Katseek chen Instegel⸗ vFbuu . 98 (L. 8) Wilhelm.
n “ FSFürst v. Bismarck
nachstehend bezeichneten Vor⸗
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(Das in der notariellen Urkunde vom 8. Februar 1872 verlaut⸗ barte Statut der Aktiengesellschaft für Boden⸗ und Kommunalkredit in Elsaß⸗Lothringen wird durch die »Straßburger Zeitung und amt⸗ liche Nachrichten für Elsaß⸗Lothringen« und durch die »Zeitung für
Lothringen« veröffentlicht.)
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RNeichstags⸗Angelegenheiten.
Berlin, 12. April. Der dem Reichstage vorgelegte Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Rechtsverhältnisse der Reichsbeamten, lautet (Schluß):
§. 52. (Nachweis der Dienstunfähigkeit.) Zum Erweise der Dienstunfähigkeit eines seine Versetzung in den Ruhestand nachsuchen⸗ den Reichsbeamten ist die Erklärung der demselben unmittelbar vor⸗ gesetzten Dienstbehörde erforderlich, daß sie nach pflichtmäßigem Er⸗ Fiehe cs Beamten für unfähig halte, seine Amtspflichten ferner zu erfüllen.
1 In wie weit andere Beweismittel zu erfordern oder der Erklä⸗ rung der unmittelbar vorgesetzten Behörde entgegen für ausreichend zu erachten sind, hängt von dem Ermessen der über die Versetzung in den Ruhestand entscheidenden Behörde ab. ; §. 53. Die Bestimmung darüber, ob und zu welchem Zeitpunkte dem Antrage eines Beamten auf Versetzung in den Ruhestand statt⸗ zugeben ist, sowie ob und welche Pension demselben zusteht, erfolgt durch die oberste Reichsbehörde. Bei denjenigen Beamten, welche eine Kaiserliche Bestallung erhalten haben, ist die Genehmigung des Kaisers zur Versetzung in den Ruhestand erforderlich.
§. 54. (Zahlbarkeit der Pensionen.) Die Versetzung in den Ruhestand tritt, sofern nicht auf den Antrag oder mit ausdrücklicher Zustimmung des Reichsbeamten ein früherer Zeitpunkt festaesetzt wird, mit dem Ablaufe des Vierteljahres ein, welches auf den Monat folgt, in welchem dem Beamten die Entscheidung über seine Versetzung in den Ruhestand und die Höhe der ihm etwa zustehenden Pension (§. 53) bekannt gemacht worden ist.
§. 55. Die Pensionen werden monatlich im Voraus gezahlt.
.56. (Kürzung, Einziehung und Wiedergewährung der Pen⸗ sionen) Das Recht auf den Begug der Pension erlischt durch rechts⸗ kräftige Verurtheilung zu einer Strafe, welche, wenn sie während der Dienstzeit des Beamten verhängt worden wäre, den Verlust des Amtes kraft des Gesetzes nach sich gezogen hätte.
§. 57. Das Recht auf den Bezug der Pension ruht: 1) wenn ein Pensionär das deutsche Indigenat verliert, bis zu etwaiger Wieder⸗ erlangung desselben; 2) wenn und so lange ein Pensionär im Reichs⸗, im Staats⸗ o der im Kommunal⸗Dienste ein Diensteinkommen be⸗ zieht, insoweit als der Betrag dieses neuen Diensteinkommens unter Hinzurechnung der Pension den Betrag des von dem Beamten vor der Pensionirung bezogenen Diensteinkommens übersteigt. 8
§. 58. Ein Pensionär, welcher in eine an sich zur Pension be⸗ rechtigende Stellung des Reichsdienstes wieder eingetreten ist (§. 57, Nr. 2), erwirbt für den Fall des Zurücktretens in den Ruhestand den Anspruch auf Gewährung einer nach Maßgabe seiner nunmehrigen verlängerten Hlastts e und des in der neuen Stellung bezogenen Diensteinkommens berechneten Pension nur dann, wenn die neu hin⸗ zutretende Dienstzeit wenigstens ein Jahr betragen hat.—
Mit der Gewährung einer hiernach neu berechneten Pension fällt bis auf Höhe des Betrages derselben das Recht auf den Bezug der früheren Pension hinweg. 8 ..“ — 1
§. 59. Erdient ein Pensionär, welcher in eine an sich zur Pen⸗ sion berechtigende Stellung des Staats⸗ oder Kommunaldienstes ein⸗ getreten ist, in dieser Stellung eine Pension, so findet neben derselben der Fortbezug der auf Grund dieses Feehes gewährten Pension nur in dem durch §. 57 Nr. 2 begrenzten Umfange statt. —
§. 60. Die Einziehung, Kürzung oder Wiedergewährung der Pension auf Grund der Bestimmungen in den §§. 56 bis 59 tritt mit dem Beginn desjenigen Monats ein, welcher auf das, eine solche Veränderung nach sich ziehende Ereigniß folgt.
Im Falle vorübergehender Wiederbeschäftigung im Reichs⸗, im Staats⸗ oder im Kommunaldienste gegen Tagegelder oder eine ander⸗ weite Entschädigung, findet die im Schlußsatze des §. 30
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enthaltene
§. 61. (Zwangsweise Versetzung in den Ruhestand.) Ein Reichs⸗
beamter, welcher durch Blindheit, Taubheit oder ein sonstiges körper. . “
liches Gebrechen oder wegen Schwäche seiner körperlichen oder geisti⸗ en Kräfte zu der Erfüllung seiner Amtspflichten dauernd unfähig ist, oll in den Ruhestand versetzt werden.
§. 62. Sucht der Beamte in einem solchen Falle seine Versetzung in den Ruhestand nicht nach, so wird ihm oder seinem nöthigenfalls hierzu besonders zu bestellenden Kurator von der vorgesetzten Dienst⸗ behörde unter Angabe des zu gewährenden Pensionsbetrages und der Gründe der Pensionirung eröffnet, daß der Fall seiner Versetzung in den Ruhestand vorliege. 88
. 63. Innerhalb sechs Wochen nach einer solchen Eröffnung (§. 62) kann der Beamte seine Einwendungen bei der vorgesetzten
ienstbehörde anbringen. Ist dies geschehen, so werden die Ver⸗ handlungen an die oberste Reichsbehörde eingereicht, welche, sofern nicht der Beamte ecine Kaiserliche Bestallung erhalten hat, uͤber die Pensionirung entscheidet. b
Gegen diese Entscheidung steht dem Beamten der Rekurs an den Bundesrath binnen einer Frist von vier Wochen nach Empfang der Entscheidung zu.
Des Rekursrechts ungeachtet, kann der Beamte von der obersten⸗ Reichsbehörde sofort der weiteren Amtsverwaltung vorläufig ent⸗ hoben werden. . S
2 89 der Beamte eine Kaiserliche Bestallung erhalten, so erfolgt die Entscheidung vom Kaiser nach Anhörung des Bundesraths.
64. Dem Beamten, dessen Versetzung in den Ruhestand per⸗
fügt ist, wird das volle Gehalt noch bis zum Ablaufe desjenigen
Vierteljahres fortgezahlt, welches auf den Monat folgt, in dem ihm
die schließliche Verfügung (§. 63, Absatz 1, beziehungsweise 4) über die erfolgte Versetzung in den Ruhestand mitgetheilt worden ist.
§. 65. Wenn der Beamte gegen die ihm gemachte Eröffnung (§. 62) innerhalb sechs Wochen keine Einwendung erhoben hat, so wird in derselben Weise verfügt, als wenn er seine Pensionirung selbst nachgesucht hätte. 1
Die Zahlung des vollen Gehalts dauert bis zu dem im §. 64
bestimmten Zeitpunkte. I 1 §. 66. Ist ein Beamter vor dem Zeitpunkt, mit welchem die
Pensionsberechtigung für ihn eingetreten sein würde, dienstunfähig
geworden, so kann er gegen seinen Willen nur unter Beobachtung derjenigen Formen, welche für die Disziplinar⸗Untersuchung vor⸗ geschrieben sind, in den Ruhestand versetzt werden. .
Wird es jedoch von der obersten Reichsbehörde mit Zustimmung des Bundesrathes angemessen befunden, dem Beamten eine Pension zu dem Betrage zu bewilligen, welcher ihm bei Erreichung des vor⸗ gedachten Zeitpunktes zustehen würde, so kann die Pensionirung des⸗ selben nach den Vorschriften der §§. 61 — 65 erfolgen.
§. 67. (Bewilligungen für Hinterbliebene.) Hinterläßt ein Pen⸗ sionär eine Wittwe oder eheliche Nachkommen, so wird die Pension noch für den auf den Sterbemonat folgenden Monat gezahlt. An⸗ wen die Zahlung erfolgt, bestimmt die oberste Reichsbehörde.
Die Zahlung der Pension für den auf den Sterbemonat folgen⸗ den Monat kann mit Genehmigung der obersten Reichsbehörde auch dann stattfinden, wenn der Verstorbene Eltern, Geschwister, Geschwister⸗ kinder oder Pflegekinder, deren Ernährer er gewesen ist, in Bedürftig⸗ keit hinterläßt, oder wenn der Nachlaß nicht ausreicht, um die Kosten der letzten Krankheit und der Beerdigung zu decken. b
Der über den Sterbemonat hinaus gewahrte einmonatliche Be⸗ trag der Pension kann nicht Gegenstand der Beschlagnahme sein.
§. 68. (Transitorische Bestimmungen.) Ist die nach Maßgabe dieses Gesetzes bemessene Pension geringer als die Pension, welche dem Beamten hätte gewährt werden müssen, wenn er vor dem Er⸗ lasse dieses Gesetzes nach den damals für ihn geltenden Bestimmun⸗
en pensionirt worden wäre, so wird die letztere Pension an Stelle — ersteren bewilligt.
§. 69. Insofern vor der Uebernahme eines Beamten in den Reichsdienst hinsichtlich der aus den früheren Dienstverhältnissen dem⸗ selben erwachsenden Pensionsansprüche mittelst eines vor dem Erlasse dieses Gesetzes abgeschlossenen Staatsvertrages besondere Festsetzungen getroffen sind, sollen diese Festsetzungen auch für die Berechnung der jenem Beamten demnächst aus der Reichskasse zu gewährenden Pension maßgebend sein. so derer mungen die im gegenwärtigen Gesetze enthaltenen Vorschriften inso⸗ weit Anwendung finden, als sie fuͤr den Beamten günstiger sind.
§. 70. (Allgemeine Bestimmungen über Dienstvergehen und deren
Bestrafung) Ein Reichsbeamter, welcher die ihm obliegenden Pflichten
(§. 10) verletzt, begeht ein Dienstvergehen und hat die Disziplinar⸗ bestrafung verwirkt. 1 §. 71. Im Laufe einer gerichtlichen Untersuchung darf gegen den
Angeschuldigten ein Disziplinarverfahren wegen der nämlichen That⸗
sachen nicht eingeleitet werden.
Wenn im Laufe eines Disziplinarverfahrens wegen der nämlichen
Thatsachen eine gerichtliche Untersuchung gegen den Angeschuldigten eröffnet wird, so muß das Disziplinarverfahren bis zur Beendigung des gerichtlichen Verfahrens ausgesetzt werden. §. 72. Wenn von den gewöhnlichen Strafgerichten auf Frei⸗
sprechung erkannt ist, so findet wegen derjenigen Thatsachen, welche
in der gerichtlichen Untersuchung zur Fröeteran⸗ ekommen sind, ein
insofern statt, als dieselben an sich und Thatbestande der strafbaren ein Dienst⸗
Disziplinarverfahren nur noch ohne ihre Beziehung zu dem gesetzlichen Tha n Handlung, welche den Gegenstand der Untersuchung bildete, vergehen enthalten. 85 Ist in einer gerichtlichen Untersuchung eine Verurtheilung er⸗ angen, welche den Verlust des Amtes nicht zur Folge gehabt hat⸗ o bleibt derjenigen Behörde, welche über die Einleitung des Dis⸗ ziplinarverfahrens zu verfügen hat, die Entscheidung darüber var.
8 2 8
Indeß sollen statt der gedachten besonderen Bestim⸗
§. 73. Spricht das Gesetz bei Dienstvergehen, welche Gegenstand
erstattung oder zum Schadensersatze oder eine sonstige civilrechtliche Verpflichtung aus, so gehört die Klage der Betheiligten vor das
Civilgericht.
§. 74. Ist von dem gewöhnlichen Strafrichter auf eine Freiheits⸗ strafe von laängerer als einjähriger Dauer, auf eine schwerere Strafe oder auf die Zulässigkeit von Polizeiaufsicht erkannt, so zieht das Straferkenntniß den Verlust des Amtes von selbst nach sich.
§. 75. Ein Beamter, welcher sich ohne den vorschriftsmäßigen Urlaub von seinem Amte entfernt hält, oder den ertheilten Urlaub überschreitet, ist, wenn ihm nicht besondere Entschuldigungsgründe zur Seite stehen, für die Zeit der unerlaubten Entfernung seines Dienst⸗ einkommens verlustig.
§. 76. Die Dienstentlassung (§. 79 Nr. 2) tritt ein, wenn die unerlaubte Entfernung vom Amte: 1) von besonders erschwerenden Umständen begleitet ist, oder 2) über vier Wochen fortdauert, nach⸗ dem der Beamte aufgefordert ist, sein Amt anzutreten oder zu dem⸗ selben zurückzukehren, oder 3) über acht Wochen dauert.
§. 77. Die Disziplinarstrafen bestehen in Ordnungsstrafen, Ent⸗ fernung aus dem Amte. .“ b
§. 78. Ordnungsstrafen sind: 1) Warnung, 2) Verweis, 3) Geld⸗ buße, 4) gegen untere Beamte auch Arreststrafe auf die Dauer von höchstens acht Tagen, welche jedoch nur in solchen Räumen zu voll⸗ strecken ist, die den Verhältnissen der zu bestrafenden Beamten ange⸗ messen sind.
Zu dieser Beamtenklasse werden gerechnet: Postconducteure, Briefträger, Wagenmeister, Postillone, Exekutoren, Boten, Kastellane, Diener und die zu ähnlichen, sowie die zu blos mechanischen Funk⸗ tionen bestimmten Beamten.
K. 79. Die Entfernung aus dem Amte kann bestehen: EImq in ein anderes Amt von gleichem Range, jedoch mit Verminderung des Diensteinkommens und Verlust des Anspruchs auf Umzugskosten, oder mit einem von beiden Nachtheilen;
2) in Dienstentlassung.
Die Dienstentlassung hat den Verlust des Titels und Pensions⸗ anspruches von Rechtswegen zur Folge. Hat vor Beendigung des Disziplinarverfahrens aus irgend einem von dessen Ergebniß unab⸗ hängigen Grunde das Amtsverhältniß bereits aufgehört, so wird an Stelle der Dienstentlassung auf Verlust des Titels und Pensions⸗ anspruchs erkannt. Gehört der “ zu den Beamten, welche einen Anspruch auf Pension haben, und lassen besondere Um⸗ stände eine mildere Beurtheilung zu, so ist die Disziplinarbehörde er⸗ mächtigt, in ihrer Entscheidung zugleich festzusetzen, daß dem Ange⸗ schuldigten ein Theil des gesetzlichen Pensionsbetrages auf Lebenszeit oder auf gewisse Jahre als Unterstützung zu verabreichen sei.
§. 80. Welche der in den §§. 77 bis 79 bestimmten Strafen anzu⸗ wenden sei, ist nach der größeren oder geringeren Erheblichkeit des Dienstvergehens mit Rücksicht auf die sonstige Führung des Angeschul⸗ digten zu ermessen, unbeschadet der besonderen Bestimmungen der §§. 75 und 76. Ist auf die im §. 79 unter Nr. 1 bezeichnete Strafe bn so wird die Versetzung durch die oberste Reichsbehörde an⸗ geordnet.
S. 81. (Von dem Disziplinarverfahren.) Jeder Dienstvorgesetzte ist zu Warnungen und Verweisen gegen seine Untergebenen befugt. §. 82. Geldbußen können 1) von der obersten Reichsbehörde pogen alle Reichsbeamte und zwar bis zu 30 Thalern oder bis zum etrage des einmonatlichen Diensteinkommens, 2) von den derselben unmittelbar untergeordneten Behörden und Vorstehern von Behörden bis zum Betrage von 10 Thalern, 3) von den den letzteren unter⸗ geordneten Behörden oder Vorstehern von Behörden bis zum Be⸗ trage von 3 Thalern, durch eine mit Gründen zu unterstützende schrift⸗ liche Verfügung verhängt werden.
§. 83. Nur diejenigen Dienstvorgesetzten, welche gegen die im §. 78 unter Nr. 4 bezeichneten Beamten Gelbbußen verhängen kön⸗ nen, sind ermächtigt, gegen dieselben Arreststrafen zu verfügen.
Diejenigen Vorgesetzten, deren Strafgewalt auf Geldbußen bis zu drei Thalern beschränkt ist, dürfen bei den Arreststrafen das Maß von drei Tagen nicht überschreiten.
§. 84. Gegen die Verfügung von Ordnungsstrafen findet nur Beschwerde im vorgeschriebenen Instanzenzuge statt.
§. 85. Der Entfernung aus dem Amte muß ein förmliches Dis⸗ ziplinarverfahren vorhergehen
Dasselbe besteht in der von einem Kommissarius zu führenden schriftlichen Voruntersuchung und in der mündlichen Verhandlung nach den folgenden näheren Bestimmungen.
§. 86. Die Einleitung des Disziplinarverfahrens wird von der obersten Reichsbehörde verfügt. Dieselbe ernennt auch den Unter⸗ suchungs⸗Kommissarius und denjenigen Beamten, welcher die Verrich⸗ tungen der Staatsanwaltschaft wahrzunehmen hat.
Ist Gefahr im Verzuge, so kann die Verfügung der Einleitung des Disziplinarverfahrens und die Ernennung des Untersuchungs⸗ Kommissarius vorläufig von einer der im §. 82 unter 2 bezeichneten Behörden oder einem der dort bezeichneten Beamten ausgehen. Es ist alsdann die Genehmigung der obersten Reichsbehörde einzuholen und, sofern diese versagt wird, das Verfahren einzustellen.
§. 87. Die entscheidenden Disziplinarbehörden, welche je nach Beduͤrfniß zusammentreten, sind 1) in erster Instanz die Disziplinar⸗ kammern, 2) in zweiter Instanz der Disziplinarhof in Berlin.
§ 88. An folgenden Orten: Potsdam, Frankfurt a. O., Königs⸗ berg, Danzig, Stettin, Cöslin, Bromberg, Posen, Magdeburg, Erfurt, Breslau, Liegnitz, Oppeln, Münster, Arnsberg, Düsseldorf, Cöln, Trier, Darmstadt, Frankfurt a. M., Cassel, Hannover, Schleswig,
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b behalten, ob außerdem ein Disziplinarverfahren einzuleiten oder fort⸗ zusetzen sei.
1“ Leipzig, Karlsruhe, Schwerin, Lübeck und Bremen wird je eine Disziplinarkammer errichtet. 2
Durch ““ des Kaisers können unter Zustimmung des Bundesrathes einzelne Disziplinarkammern auch an anderen geeigneten Orten errichtet werden. 1 89. Die Bezirke der Disziplinarkammern werden vom Kaiser im Einvernehmen mit dem Bundesrathe abgegrenzt.
Zuständig im einzelnen Falle ist die Disziplinarkammer, in deren Bezirk der Angeschuldigte seinen dienstlichen Wohnsitz hat, und wenn dieser Wohnsitz im Auslande sich befindet, die Disziplinarkam⸗ 8 mer in Potsdam. 8
§. 90. Jede Disziplinarkammer besteht aus einem Präsidenten und sechs anderen Mitgliedern, von denen wenigstens drei in richter⸗ licher Stellung in einem Bundesstaate sein müssen. Zur Erledigung der Disziplinarsachen ist bei den Disziplinarkammern die Theilnahme von wenigstens fünf Mitgliedern, mit Einschluß des Vorsitzenden, er⸗- forderlich, von denen wenigstens zwei in richterlicher Stellung in einem Bundesstaate sein müssen.
§. 91. Wenn auf den Antrag des Beamten der Staatsanwalt⸗ schaft oder des Angeschuldigten der Disziplinarhof das Vorhandensein von Gründen anerkennt, welche die Unbefangenheit der zuständigen Disziplinarkammer zweifelhaft machen, so tritt eine andere durch den Disziplinarhof substituirte Disziplinarkammer an deren Stelle.
§. 92. Der Disziplinarhof besteht aus einem Präsidenten und acht anderen Mitgliedern, von denen wenigstens drei zu den Bevoll⸗ mächtigten zum Bundesrathe und wenigstens vier zu den Mitgliedern der im Reichsgebiete befindlichen höchsten Gerichtshöfe gehören müssen.
Zur Erledigung der Disziplinarsachen ist bei dem Disziplinar⸗ hofe die Theilnahme von mindestens fünf Mitgliedern mit Einschluß des Vorsitzenden erforderlich, von denen wenigstens zwei zu den richterlichen Mitgliedern gehören müssen.
H. 93. Die Zahl der Mitglieder, welche bei Fassung eines Be⸗
schlusses mitwirken, muß bei den I“ wie bei dem
Disziplinarhofe (§. 90 und 92) immer eine Ungerade sein.
„S§. 94. Die Mitglieder der Disziplinarkammern und des Dis⸗
ziplinarhofes werden alle drei Jahre vom Bundesrathe gewählt, vom G“ und für die Erfüllung der Obliegenheiten ihres Amtes erpflichtet.
„Ein Mitglied, welches im Laufe der dreijährigen Wahlperiode ein⸗ tritt, bleibt nur bis zum Ende derselben in Thätigkeit. Die ausscheiden⸗ den Mitglieder können wieder gewählt werden.
„§. 95. In der Voruntersuchung wird der Angeschuldigte unter Mittheilung der Anschuldigungspunkte vorgeladen und, wenn er er⸗ scheint, gehört; es werden die Zeugen nach Befinden eidlich ver⸗ nommen und die zur Aufklärung der Sache dienenden sonstigen Be⸗ weise herbeigeschafft.
b Die Verrichtungen der Staatsanwaltschaft werden durch einen Beamten wahrgenommen, welchen die oberste Reichsbehörde ernennt.
§. 96. Die oberste Reichsbehörde ist ermächtigt, mit Rücksicht auf den Ausfall der Voruntersuchung das fernere Verfahren einzustellen und geeigneten Falls nur eine Ordnungsstrafe zu verhängen.
In diesem Falle erhält der Angeschuldigte Ausfertigung des dar⸗ auf bezüglichen, mit Gründen zu unterstützenden Beschlusses.
.97. Wird das Verfahren nicht eingestellt, so wird nach Eingang einer von dem Beamten der Staatsanwalkschaft anzufertigenden Anschuldi⸗ gungsschrift der Angeschuldigte unter abschriftlicher Mittheilung dieser Anschuldigungsschrift zu einer von dem Vorsitzenden der entscheiden⸗ den Disziplinarbehörde zu bestimmenden Sitzung zur mündlichen Ver⸗ handlung vorgeladen. 8 8
§. 98. Bei der mündlichen Verhandlung, welche in nicht öffent⸗ licher Sitzung stattfindet, giebt zuerst ein von dem Vorsitzenden der Behörde aus der Zahl ihrer Mitglieder ernannter Referent eine Dar⸗ stellung der Sache, wie sie aus den bisherigen Verhandlungen her⸗ vorgeht. 1116“
Der Angeschuldigte wird vernvommen.
Es wird darauf der Beamte der Staatsanwaltschaft mit seinem 88 Antrage, und der Angeschuldigte in seiner Vertheidigung ehört.
8 Dem Angeschuldigten steht das letzte Wort zu.
§. 99. Wenn die Behörde auf den Antrag des Angeschuldigten oder des Beamten der Staatsanwaltschaft, oder auch von Amtswegen die Vernehmung eines oder mehrerer Zeugen, sei es durch einen Kom⸗ missar, oder ündlich vor der Behörde selbst, oder die Herbeischaffung anderer Mitkek zur Aufklärung der Sache für angemessen erachtet, so erläßt sie die erforderliche Verfügung und verlegt nöthigenfalls die Fortsetzung der Sache auf einen andern Tag, welcher dem Angeschul⸗ digten bekannt zu machen ist. 1
§. 100. Der Angeschuldigte, welcher erscheint, kann sich des Beistandes eines Advokaten oder Rechtsanwalts als Vertheidigers bedienen. Der nicht erscheinende Angeschuldigte kann sich durch einen Adpokaten oder Rechtsanwalt vertreten lassen. Der Disziplinarbehörde steht es jedoch jederzeit zu, das persönliche Erscheinen des Angeschuldigten, sofern derselbe seinen dienstlichen Wohnsitz nicht im Auslande hat, unter der Warnung zu verordnen, daß, bei seinem Ausbleiben, ein Ver⸗ theidiger zu seiner Vertretung nicht werde zugelassen werden.
§. 101. Bei der Entscheidung hat die Disziplinarbehörde, ohne an positive Beweisregeln gebunden zu sein, nach ihrer freien, aus dem ganzen Inbegriffe der Verhandlungen und Beweise geschöpften Ueber⸗ zeuggung, zu beurtheilen, inwieweit die Anschuldigung für begründet zu erachten.
Die Entscheidung kann auch auf eine bloße Ordnungsstrafe lauten.
Die Entscheidung, welche mit Gründen versehen sein muß, wird in der Sitzung, in welcher die mündliche Verhandlung beendigt wor⸗ den ist, oder in einer der, nächsten Sitzungen verkündigt und eine Aus⸗ fertigung derselben den b1— ertheilt.
§. 102. Ueber die mündliche Verhandlung wird Protokoll
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