ter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und
beigedrucktem Königlichen Instcgel. 11. April 1872. Gegeben Verlin, den 8 9 il 187 Wilhelm. 8
ürst v. Bis ck. Gr. v. Roon. Gr. v. IJtenplit. v. Selchow. 1.“ Camphausen. Falk.
Gr. zu Eulenburg.
Alssien. Der »Lecha Caunty Patriot« bringt in einer seiner ftene. Nummern einen Abriß der Geschichte Japans, den wir des allgemeinen Interesses wegen im Nachstehenden wiedergeben:
Dwee Geschichte Japans zerfällt in drei Perioden. Die erste beginnt etwa im 6. Jahrhundert vor Christi Geburt und reicht bis zum ersten Jahrhundert nach derselben. Vor 600 bestand das Reich aus unabhängig neben einander existirenden Staaten. Gegen 600 vereinigte aber der Mikado Ziuma die einzelnen Provinzen zu einem großen Ganzen und schuf dadurch die ab⸗ solute Monarchie. In der genannten Periode, die bis in das 12. Jahrhundert hineinreichte, brachte der Buddhaismus, be⸗ sonders das buddhistische Dogma, daß der Herrscher eines Landes die persönlich gewordene Gottheit sei, wesentliche Ver⸗ änderungen in der Regierungsform hervor, der oberste Herrscher wurde geistliches und weltliches Oberhaupt, und end⸗ lich in der 3. Periode wurde dieses dualistische Prinzip in der Weise durchgeführt, daß ein wirkliches Doppel⸗Kaiserreich, ein geistiges mit dem Mikado und ein weltliches mit dem Teikun an der Spitze entstand. Dieser Teikun war Anfangs nur Minister des Mikados; da er über alles Materielle verfügen konnte, so war es natürlich, daß der Mikado sehr bald zu einem machtlosen Schatten herabsank. Der Teikun regierte von Yeddo aus, während der Mikado seinen geistlichen Hof in Miako, der ältesten und eigentlichen Hauptstadt, aufge⸗
lagen hatte. b Peheau all dieser Regierungsperioden spielten jedoch die sogenannten Daimios, die erblichen Gouverneure der einzelnen Provinzen, die sich trotz aller Wandlungen in der Politik eine mehr oder weniger selbständige Stellung bewahrt hatten, die Hauptrolle. Nur in der letzten Zeit hatten die Teikuns
angefangen, sich dieser oft unbequemen Mitregenten zu entledi⸗
en, und der Reihe nach wurde ein Daimio nach dem andern, o zu sagen, zur Disposition gestellt. Selbstverständlich ließen sich diese kleinen Machthaber das nicht ruhig gefallen und wandten sich deshalb einer nach dem andern dem Mikado zu und bildeten an dessen Hof den »großen Generalrath von Miako«. Dieser ließ es sich dann angelegen sein, dem Mikado begreiflich zu machen, daß er eine viel zu gedrückte Stellung dem Teikun gegenüber innehabe. Der Generalrath gewann immer mehr an Ansehen und Einfluß und selbst die Teikuns mußten sich auf die Dauer theilweise seinen Bestimmungen fügen. So standen die Sachen in Japan, als die letzte große Revolution eine vollständige Umwälzung aller Verhältnisse herbeiführte. Den Ursprung hatte diese Revolution in den Einflüssen der modernen Civilisation, wodurch sich zwei Parteien bildeten, deren eine, als nativistische, von keiner Berührung mit fremden Völkern hören wollte, während die liberale Partei auf alle mögliche Weise einen Anschluß und kommerzielle, sowie industrielle Verbin⸗ dungen mit den fremden Völkern anzubahnen suchte. Der gegenwärtige Mikado, hauptsächlich unterstützt durch die beiden Daimios Satsuma und Iwakura (dem Hauptführer der jetzt in Amerika weilenden Gesandtschaft) warf sich zum Führer der liberalen Partei auf, welche auch bald so bedeutend wurde, daß der Teikun sich nicht anders helfen konnte, als liberale Zugeständnisse zu machen. 1 Aber es war zu spät. Die Daimios wollten von dem Teikun, der ihnen alle Selbständigkeit genommen hatte, nichts mehr wissen und so mußte der Teikun auf die Dauer seine ganzen Machtbefugnisse an den Mikado ab⸗ reten. Obschon dadurch wiederum ein absolutes einheit⸗ liches Kaiserreich hergestellt wurde, war deshalb doch die Revolution noch nicht zu Ende. Die beiden Hauptreformatoren, Satsuma und Iwakura, sahen ein, daß die Kaiserliche Macht doch noch so lange eine sehr problematische sein würde, bis die Daimios aufhörten im Reiche selbst eine mehr oder weniger unabhängige Stellung einzunehmen. Satsuma und Jwakura gingen daher mit gutem Beispiele voran und legten ihre gou⸗ vernementale Macht vollständig in die Hände des Mikado, ver⸗ langten aber, daß auch die übrigen Daimios dasselbe thäten. Dadurch wurde die Revolution noch eine Zeit lang im Gange erhalten, schließlich aber glücklich zu Gunsten des Mikado be⸗ endet. Zu gleicher Zeit gab der Mikado dem Wunsche der liberalen Partei nach und verordnete eine vollständige Eman⸗ ipation des ganzen Volkes, das bis dahin im ähnlichen Ver⸗ beünih zu der an Zahl sehr geringen Klasse der vornehmen
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Japanesen gestanden hatte, wie die früheren Leibeigenen in
Europa. b -
Durch diese letzte Bewegung kam ein ganz neuer Geist über das Kaiserreich und das Bedürfniß, an den Segnungen der übrigen civilisirten Welt Theil zu nehmen, machte sich immer mehr bemerklich. Schon während des letzten Kampfes wurden von beiden Seiten talentvolle junge Japanesen nach Europa und Amerika geschickt, um moderne Kultur und mo⸗ dernes Wissen in sich aufzunehmen und ihre Kenntnisse dann im eigenen Lande selbst zu verwerthen.
Augenblicklich herrscht ein äußerst reges Leben in Japan. Das alte Kastensystem der Bevölkerung hat ganz aufgehört und auch der Buddha⸗Kultus hat einen sehr bedenklichen Stoß bekommen. Ein Beispiel hiervon bietet ein letzthin er⸗ lassenes Dekret, dem zufolge 250,000 Buddhapriester gezwun⸗ gen wurden, ihre Tempel zu verlassen und durch Arbeit sich ihren Lebensunterhalt zu verdienen.
Das Unterrichts⸗System scheint ein seinen Verhältnissen entsprechendes, vorzügliches zu sein. Jede Gemeinde hat ihren vom Staat besoldeten Lehrer; jedes Kind ist vom achten Lebens⸗ jahre an verpflichtet, die Schule zu besuchen. Zugleich befinden sich Privatanstalten in allen Theilen des Landes und es fehlt ebenso wenig an guten Seminarien für die Heranbildung des Lehrerstandes. .
Aller öffentliche Unterricht ist frei. In den Elementar⸗ schulen bilden Lesen, Schreiben, Rechnen und Religion l(letztere in getrennten Schulen je nach dem Ritus des »Buddhay oder des »Sintho«) die Hauptgegenstände; in den höheren Schulen wird außer Mathematik, Astronomie, Zeichnen, Morallehre, ganz besonders das Studium fremder Sprachen gepflegt, sowie auf technische Kenntnisse Werth gelegt.
Es bestehen überdies drei oder vier Anstalten, welchen man die Benennung »Universitäten« beilegen könnte. Eine derselben in Yeddo, zählt allein über 3000 Schüler. Unter den 200 Pro⸗ fessoren befinden sich 5 deutsche. 1
Ebenso wie auf das Unterrichtswesen, wirkte die Revolu⸗ tion fördernd in politisch⸗socialer und in national⸗ökonomischer Hinsicht. Der Bergbau bietet hier ein reiches Feld und soll. durch Erwerbung fremder Erfahrungen in Schwung gebracht werden. Technische Fabriken, mechanisch wie chemisch, der ver⸗ schiedensten Art, werden mit den tüchtigsten Leitungskräften errichtet.
Neue Verkehrsmittel werden schnell das Innere des Landes
erschließen; bereits sind zwei Eisenbahnlinien in der Ausführung begriffen, deren eine über 400 engl. Meilen lang, die Hafen⸗ stadt Nangasaki mit YVokohama verbinden wird. Desgleichen werden Telegraphenlinien errichtet und Dampfschisse gebaut. Hospitäler und Wohlthätigkeitsanstalten nach europälschem und amerikanischem Muster sind erbaut und eingerichtet; Zeitungen, tägliche sowie wöchentliche, in englischer und japanischer Sprache, erscheinen in den Hauptstädten; Bücher aller Nationen werden übersetzt;, kurz, das Jahrtausende alte Kaiserreich hat sich verjüngt und öffnet sich der modernen Kultur.
— Den Nachrichten der neuesten chinesischen Ueberlandpost zufolge ist in Nagasaki ein offizielles Dementi in Betreff der angeblichen Christenverfolgungen publizirt worden. Dasselbe führt die Gerüchte von grausamen Christenverfolgungen auf die Thatsache zurück, daß unter einer Anzahl Falschmünzer, die ihres Verbrechens wegen den Tod erleiden mußten, sich einige Christen befanden.
— Die von Batavianach Siakzur Unterdrückung der dorti⸗ gen Unruhen abgesandte niederländische Expedition ist, wie indische Blätter melden, siegreich und ohne Blut vergossen zu haben, zurückgekehrt. Die Rädelsführer der Unruhen ergaben sich als die Schiffe in Sicht kamen und sind als Gefangene in Ketten weggeführt worden.
Meichstags⸗Angelegenheiten.
Berlin, 2. Mai. In tags nahm der Staats⸗Minister Delbrück über den v. Hover⸗ beckschen Antrag, die Abgabe von Salz aufzuheben, nach dem Abg. v. Kardorff das Wort:
Meine Herren! Die verbündeten Regierungen werden der Natur der Sache nach zu einem bestimmten Beschluß über die hier vorlie⸗ gende Frage erst dann in der Lage sein, wenn von Seiten des Reichs⸗ tages ein bestimmter Beschluß gefaßt ist. Sie haben dessenung achtet mit Rücksicht auf die Wichtigkeit des vorliegenden Antrages und zu⸗ gleich mit Rücksicht darauf, daß es sich hir nicht um eine Frage han⸗ delt, bei welcher eine große Anzahl von Detailpunkten zur Erwägung kommt, weil es sich um eine Frage handelt, die in den Einzelstaaten theils von den Landesregierungen, theils von den Landesvertretungen wiederholt in Erwägung genommen ist, — sie haben es aus diesen Gründen, sage ich, für nützlich gehalten, ihrerseits schon in diesem Stadium der Sache über diesen Gegenstand in Berathung zu treten, und ich glaube, daß es auch für den Reichstag von Interesse sein wird, das Ergebniß dieser Berachung kennen zu lernen. n
“ 1“ 111A1“ ““ 3 Die verbündeten Regierungen sind durchaus der Meinung, daß die Aufhebung der Salzsteuer und zwar die völlige Aufhebung Gegenstand ihrer ernstesten und möglichst zu beschleunigen⸗ en Erwägung wird sein müssen, sie glaubten aber, nicht den Entwurf, wie er hier vorliegt, zur Annahme 25 eeignet halten zu können. Der Entwurf, wie er hier vorliegt, schlägt vor, vom 1. Januar nächsten Jahres an die bestehende Salzsteuer auf die Hälfte zu ermäßigen. Es läßt sich darüber streiten, in wie weit diese Ermäßigung, wenn sie eintreten würde, einen wirklich fühlbaren Effekt auf den Salzpreis üben werde. Es sind von den beiden Herren Rednern, die bisher zur Sache gesprochen haben, darüber verschiedene Ansichten 55 worden, und ich glaube, diejenige Ansicht, welche ine dem Betrage des Erlasses entsprechende Ermäßigung des Salz⸗ Prealses nicht für wahrscheinlich hält, für die richtigere halten zu müssen. ndeß abgesehen von dieser Frage sind die verbündeten Negierungen der Meinung, daß eine Ermaäͤßigung der Salzsteuer auf die Hälfte in der That eine äußerst unvollkommene Maßregel sein wird, unvoll⸗ ommen deßhalb, weil, so lange überhaupt von Salz noch eine Steuer rhoben wird, nicht nur die allerdings nicht sehr erheblichen Verwal⸗
8 tungs⸗ vnt Erhebungskosten für diese Steuer zu bezahlen sein werden,
sondern, was sehr viel erheblicher ist, alle, die Beläͤstigungen des Ver⸗ kehrs, alle die Uebelstände und Ausgaben, welche mit der Denaturi⸗ rung des Salzes sowohl für gewerbliche Zwecke als für landwirth⸗ schaftliche Zwecke verbunden sind, alle die Hindernisse, welche trotz der Erstattung der Steuer für die Ausfuhr, das Bestehen der Steuer gegen eine Entwickelung der Salzausfuhr bildet, — weil, sage ich, alle diese Hindernisse unverändert iee so lange überhaupt eine Salzsteuer erboben wird. Sie würden fortdauern, auch wenn man noch weiter, als auf die Hälfte die Steuer ermäßigte, sie sind überhaupt nur zu beseitigen durch eine völlige Aufhebung der Steuer. Eine völlige Aufhebung der Steuer wird unzweifelhaft einen Theil der Wirkungen haben, welche der Herr Abg. für Sensburg in seceg einleitenden Vortrage entwickelt hat. Die völlige Aufhebung der Steuer ist eine ganze Ufag ae die Ermäßigung der Steuer auf die Hälfte ist nicht eine halbe Maßregel, sondern sehr viel weniger.
Es kommt indessen noch ein anderes Moment in Betracht, welches die Annahme dieses Entwurfes nicht als zulässig erscheinen läßt und auf welches ich nachher noch auf ausführlicherer Weise zurückzukommen habe; ich will es hier nur andeuten. Der Herr Abgeordnete für Sensburg hat bei Entwickelung seines Antrags die finanzielle Zulässigkeit desselben dadurch motivirt, daß theils die Ueber⸗ schüsse aus der Verwaltung von 1871, theils die Steigerung der für das Jahr 1873 veranschlagten Einnahmen es zulässig gemacht haben, die Matrikularbeiträage im Gesammtbetrage von 7 Millionen niedriger auszubringen, als seither, daß also, wenn jetzt eine Maßregel einträte, durch welche die Einnahmen nicht um 7 Mil⸗ lionen, sondern nur um 6,200,000 Thaler heruntergesetzt werden, da⸗ durch ein Zustand nur hergestellt werden würde, wie er in Beziehung auf die Matrikularbeiträge in der letzten Zeit bestanden hat, daß also eine Erhöbung der Matrikularbeiträge, überhaupt eine Einwirkung auf den Reichshaushalt ausgeschlossen sei. Diese Ausführung ist schon nach der Seite unrichtig — und es ist dies von dem Hrn Abg. für Oels bereits hervorgehoben worden, als die Ueberschüsse des Jahres 1871, die den wesentlichsten Theil beitragen zu der günstigen Gestaltung des Etats von 1873, nur einem Theil der Bundesstaaten zu Gute kommen, nämlich den Staaten des vormaligen norddeutschen Bundes, dagegen nicht zu Gute kommen den süddeutschen Staaten. Allein noch erheblicher ist das fernere Moment, daß der Herr Abg. für Sensburg doch nicht mit Recht voraussetzt, daß wir jedes Jahr 5 Millionen Ueberschüsse des Vorjahres zu übertragen haben. Wäre das der Fall, könnten wir sicher sein, jedes Jahr aus den Ueberschüssen des zweitvorhergegangenen 5 Millionen in den Haushalts⸗Etat einstellen zu können, dann würde in dieser Beschrän⸗ kung das finanzielle Gleichgewicht gewahrt sein. Nun glaube ich, wird es aber nicht vieler Ausfübrungen bedürfen, um zu zeigen, daß ein solche Illusion, daß wir Jahr aus Jahr ein 5 Millionen Ueber⸗ schüsse aus der Verwaltung des vorletzten Jahres im Etat übernch⸗ men werden, geradezu auf gar nichts beruht. 8
Ich wende mich nun zu dem Hauptpunkte selbst, nämlich zu der Aufhebung der gesammten Salzsteuer. Die verbündeten Regie⸗ rungen sind, wie ich die Ehre hatte zu bemerken, ernsthaft der Meinung, dieses Ziel baldmöglichst anzustreben, aber sie sind der Ueberzeugung, daß dieses Ziel nur angestrebt werden kann, indem für den Wegfall der Einnahme aus der Salzsteuer gleichzeitig dem Reiche andere Einnahmen zugeführt werden.
Meine Herren! Bei der Regulirung des Etats für das laufende Jahr, die im vorigen Jahre hier vorgenommen wurde, war ein lei⸗ tender Gesichtspunkt, welcher, wie ich glaube, im Reichstage keinen Widerspruch gefunden hat, einen Theil der dem Reiche aus der Kriegs⸗ kontribution zugeflossenen Summen zu dem Zwecke zu verwenden, um den Reichshaushalt unabhängiger von dem Haushalt der ein⸗ elnen Bundesstaaten zu machen. Es sind zu diesem Zwecke sehr
edeutende Summen verwendet, um die von den einzelnen Bundes⸗ staaten bisher vorgeschossenen Zoll⸗ und Steuerkredite abzubürden. Es sind sehr bedeutende Summen verwendet, um die eisernen Vor⸗ schüsse für die Militärverwaltung der einzelnen Bundesstaaten, welche ie bisher privativ geleistet haben, zu erstatten. Der Gedanke, der iesen Maßregeln zu Grunde lag, die Unabhängigkeit der eigenen Fenanzwörthscheft des Reichs, dieser Gedanke führte in nothwendiger Konsequenz dahin, eine Maßregel nicht zu ergreifen, welche nichts Anderes sein würde, als die Finanzwirthschaft des Reiches in sehr viel stärkerem Maße, als bisher, abbängig von der Finanzwirthschaft der einzelnen Bundesstaaten zu machen, mit anderen Worten, welche dahin führen würde, die Matrikularbeiträge weit über ihren bis⸗ herigen Bestand hinaufzutreiben. Eine solche Matrikularbeiträgge würde aber auch in sich nach zwei
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Erhöhung der
denden Bedenken begegnen. Die eine Seite hat der Herr Abgeordnete für Oels hervorgehoben, es ist die wohlberechtigte Rücksicht auf diejenigen Staaten von geringerer Be⸗ völkerung, deren Bevölkerung in Beziehung auf den Wohlstand unter dem Durchschnittsniveau des Reiches im Ganzen steht, und solcher Staaten haben wir mehr wie einen. Es ist die Rücksicht auf diese Staaten, welche es verbietet, mit den Matrikularbeiträgen immer weiter und weiter hinaufzugehen und dadurch diese Staaten, welchen der größte Theil der indirekten Besteuerung durch die Reichsverfassung entzogen ist, dazu zu zwingen, die direkte Besteuerung, welche bei ihnen schon jetzt drückend empfunden wird, in noch weit drückenderer Weise zu erhöhen. Die zweite Rücksicht ist eine allgemeine, es ist die, daß es für die ganze Stellung des Reiches in sich von der allerentscheidensten Bedeu tung ist, über eigene Einnahmen verfügen zu können. Der Herr Ab⸗ 128 dnete für Sensburg hat hervorgehoben, daß er in seinem Antrage ie Tendenz verfolge, die einigenden Momente hervorzuheben und nicht die trennenden. Ich glaube, meine Herren, daß es gerade das Gegentheil ist, daß man die trennenden Momente hervorhebt un nicht die einigenden, wenn man das Reich eigener Einnahmen be⸗ raubt und dafür auf die Matrikularbeiträge zurückgreift. Die verbündeten Regierungen sind also der Ansicht, daß die Auf⸗ hebung der Salzsteuer nur stattfinden könne gegen den Ersatz durch eigene Steuern, die dem Reiche als solchem zustehen. Sie werden e begreiflich finden, daß ich Ihnen hier und heute nicht einen Finanz⸗ plan entwickeln werde und kann, wie dieser Ersatz durch eigene Ein⸗ nahmen des Reiches geschafft werden soll. Es können verschiedene Kombinationen, es können verschiedene Steuerobjekte in Frage kom⸗ men; ich nehme indessen keinen Anstand, zu erwähnen, daß unter den⸗ jenigen Objekten, die sich im ersten Augenblick darbieten, allerdings der Tabak gehört, und — ich sage dies nur deshalb, weil der Herr Abgeordnete für Oels, der denselben Satz plaidirt hat, sich als einen Anhänger des Tabakmonopols bekannt hat — nicht im Wege des Seee. sondern im Wege einer Aenderung der jetzt bestehenden esteuerung. Es kann ferner in Betracht kommen und ist ebenso ein Objekt, welches von dem Herrn Abgeordneten für Oels genannt ist, der Stem⸗ el. Es sind da verschiedene Kombinationen denkbar, es sind verschie⸗- ene Objekte denkbar, an welche die Stempelabgabe angeknüpft wer⸗ den kann. Es kann dabei das Bier in Frage kommen, obgleich hier anzuerkennen ist, daß in Beziehung auf dieses Objekt die Bchsonderheit obwaltet, daß es eben nur in Beziehung auf die Staaten des vormali⸗ gen Norddeutschen Bundes zur Besteuerung gezogen werden kann. Ich will hiermit nur einige allgemeine Andeutungen gegeben haben. Ich glaube, daß der Bundesrath aus dem zu erwartenden Ergebniß der Berathung des Gegenstandes im Hause Veranlassung nehmen wird, sehr bald im Wege kommissarischer Berathung, bei welcher von vorn⸗ herein die betheiligten Bundesstaaten vertreten sein werden, sich mit der Frage eines Ersatzes der Salzsteuer zu beschäftigen, und daß er in der Lage sein wird, dem nächstjährigen Reichstage darüber eine Vor⸗ lage machen zu können.
Nach dem Abg. Günther ergriff der Reichskanzler Für von Bismarck das Wort: 8 1 st
Der Kerr Präsident des Bundeskanzler⸗Amtes hat den finanziellen und technischen Theil der Frage, wie ich glaube, erschöpft, und den politischen, um den es sich für mich heut allein handelt, berührt. Ich halte es aber doch für meine Pflicht, auch persönlich in dieser Sache ein Zeugniß über meine Stellung abzulegen, indem meine Stellung persönlich, als Reichskanzler, eine ganz eigenthümliche ist. Ich bin der Einzige, dem die Verfassung eine Verantwortlichkeit auferlegt für die Ausführung der Gesetze und der Verfassung. Ich komme also in die Lage, ein Gesetz welches Se. Majestät der Kaiser vollzieht, kontrasigniren zu müssen, und ich muß dann in einem solchen Falle mich fragen, ob ich nach meiner Verantwortlichkeit für den und die Fort⸗ entwickelung des Reiches in der Lage bin, eine solche Kontrasignatur zu leisten. Diese Erwägung veranlaßt mich doch über meine Stel⸗ lung zu diesem und zu ähnlichen Anträgen prinzipiell einen Zweifel nicht zu lassen. Ich gebe sehr gern zu, daß die Salzsteuer eine von denen ist, deren Abschaffung primo loco wünschenswerth bleibt. Ob sie allein in diesem Vordergrunde für die Abschaf⸗ fung steht, ist eine andere Frage, die die Herren Finanz⸗ Minister für sich entscheiden mögen; für die Stellung des Reichs⸗ kanzlers ist vor allen Dingen die Erwägung eine entscheidende, ob die eere Lage des Reichs verbessert oder verschlechtert wird, und ob
ie Verantwortung, die ihm dafür aufliegt, ihn stark genug drückt, um unter Umständen einer Beseitigung einer Reichssteuer aus poli⸗
tischen Gründen zu widersprechen. Ich halte die eigenen Einnahmen des Reiches für in so hohem Grade wichtig, daß ich nicht glaube, daß ein seiner Verantwortung sich bewußter und von dem richtigen Interesse für den Bestand und die Fortentwicklung des Reiches beseelter Kanzler jemals seine Zustimmung da⸗ zu geben wird, daß die eigenen Einnahmen des Reiches ohne hinlänglichen Ersatz vermindert werden. Die Anweisung auf andere Steuern ist, problematisch, die Anweisung auf Matrikular⸗Beiträge kann ich nicht annehmen. Wenn von Seiten solcher Elemente, die ich als centrifugale bezeichnen möchte, die Hinweisung auf die Ma⸗ trikular⸗Beiträge bereitwillig entgegengenommen wird, als Ersatz für die eigene Reichssteuer, so kann ich mir das sehr leicht erklären, indem aus einem Reiche, welches nur auf Matrikular⸗Beiträge begründet wäre, in Fällen, die ich nicht voraussehen und nicht erleben mag, die Freizügigkeit außerordentlich erleichtert wird. Man würde 1s Sachen beim Auszuge sehr bald mitnehmen können. Das
große Bindemittel einer starken gemeinsamen Finanzeinrichtung, eines gemeinsamen Finanzsystems fehlt einem Reiche, welches nur auf Matrikularbeiträge begründet ist. Daß die Matrikularbeiträge
““ 11u““ Seiten hin entscheid