1873 / 16 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 18 Jan 1873 18:00:01 GMT) scan diff

In der sich anschlieenden Sitzung für Elsaß⸗Lothringische E wurde berathen über den Gesetzentwurf wegen Einführung des Reichsgesetzes über das Urheberrecht an Schrift⸗

werken und den Gesetzentwurf, betr. das Unterrichtswesen.

Im weiteren Verlauf der gestrigen Sitzung des Hauses der Abgeordneten nahm der Minister der geistlichen Ange⸗ legenheiten Dr. Falk das Wort. (S. unter Landesangelegenheiten.)

Der Abg Dr. Virchow sprach in längerer Rede für die Vorlage und wies nach, daß der Staat sich den Anmaßungen der Ultra⸗ montanen gegenüber im Zustande der Nothwehr befinde. Der Abg. Dr. Windthorst (Meppen) stellte die Kirche als tyrannifirt dar und hielt die ganze Vorlage nicht für statthaft, bevor Art. 15 und 18 der Verfassung verändert seien. Um 4 ½ Uhr wurde die erste Lesung geschlossen und die Vorlage einer zu wählenden Kommission von 21 Mitgliedern überwiesen. Nächste Sitzung Montag 11 Uhr.

Nachdem die Königlich preußische Regierung und

die Großherzoglich mecklenburg⸗schwerinsche resp. stre⸗ litzsche Regierung sich über die Zulassung eines vereinfachten Verfahrens zur Ermittelung der Tragfähigkeit der Flußschiffe verständigt haben, ist zwischen den gedachten Re⸗ gierungen Folgendes verabredet worden:

8 Die von preußischen Behörden nach den Vorschriften der in einem Exemplar beigefügten Instruktion zur Vermessung der

Flußfahrzeuge und Ermittelung ihrer Tragfähigkeit ausgestellten

Meßbriefe für Flußfahrzeuge, sowie die von mecklenburgischen Behörden auf Grund eines materiell übereinstimmden Vermessungs⸗ Verfahrens ausgestellten Meßbriefe sollen sowohl bei Erhebung

der preußischen Schiffahrts⸗Abgaben auf den Wasserstraßen zwischen der Elbe und der Weichsel, als bei behenng der mecklen⸗

16 burgischen Schiffahrtsabgaben auf der Elde, Stöhr und Havel

gleichmäßig zum Grunde gelegt werden, vorbehaltlich der aus beson⸗ deren Gründen und ohne Unterschied, ob der von der Behörde des einen oder des anderen Staats ausgestellt ist, zu veranstaltenden Nachvermessungen einzelner Fahrzeuge. 8 Wegen der mit andern, als auf Grund der oben bezeichneten Instruktion ausgestellten Meßbriefen versehenen Fahrzeuge behält es bei der bestehenden Verabredung das Bewenden. 8

Mit Rücksicht auf die Vorschriften der §§. 27 bis 29. des, nach §. 4 auch auf die Ober⸗Wachtmeister und Gens⸗ d'armen der Landgensd'armerie Anwendung findenden ensions⸗Gesetzes vom 27. März d. J., welche in die Stelle der bezüglichen Bestimmungen des Staats⸗Ministerial⸗Beschlusses vom 30. Mai 1844 getreten sind, hat der Minister des Innern unter Aufhebung der Cirkular⸗Verfügung vom 27. Februar 1868 im Einverständniß mit dem Finanz⸗Minister bestimmt, daß den im Civildienst angestellten oder beschäftigten pensionirten Ober⸗Wacht⸗ meistern und Gensd'armen beim Wiederausscheiden aus diesem Dienste die Gensd'armerie⸗Pension nicht aus dem Civil⸗Pensions⸗ fonds angewiesen, sondern wiederum aus dem Gensd'armerie⸗ Pensionsfonds gezahlt werde.

Der Kaiserlich russische Chef der Gensd'armerie, Gene⸗ ral⸗Adjutant Graf Peter Schouwaloff, welcher sich in beson⸗ derer Mission nach London begeben hatte, ist vorgestern Abend in Begleitung seines Sekretärs, des Geheimen Staatsrathes von Pleteneff, auf der Rückreise nach St. Petersburg hier wieder eingetroffen und nachdem derselbe beim russischen Bot⸗ schafter von Oubril das Diner eingenommen hatte, Abends mit dem Courierzuge weiter gereist.

Der englische General⸗Postmeister sagt in dem Ver⸗ waltungsberichte über das britische Postwesen im Jahre 1871 über die Hausbriefkasten Folgendes: „Von Zeit zu Zeit haben die General⸗Postmeister einen Aufruf an das Publikum gerichtet, des Inhalts: die Bestellung der Briefe durch Anbrin⸗

ung von Briefkasten an den Thüren zu erleichtern. Wie be⸗ annt, haben sehr viele Personen dieser Aufforderung ent⸗ sprochen; gleichwohl giebt es noch eine große Anzahl von Häusern, die mit einer solchen Einrichtung nicht versehen sind, wodurch die Briefträger unnöthig aufgehalten, und weitere Ver⸗ zögerungen in der Bestellung der übrigen Briefe verursacht werden. Zu den Aufforderungen meiner Vorgänger werde ich eine von mir selbst entworfene nachdrückliche hinzufügen.“

Posen, 17. Januar. Der neu ernannte Minister für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten, Graf von Königsmarck, empfing gestern eine Deputation der städtischen Behörden, be⸗ stehend aus den Herren: Ober⸗Bürgermeister Kohleis, Bürger⸗ meister Herse, Stadtverordneten⸗Vorsteher Pilet und dessen Stell⸗ vertreter, Kommerzien⸗Rath B. Jaffe, und nahm deren Glückwünsche, sowie den Dank der Stadt für die, den städtischen Angelegen⸗

eiten erwiesene Theilnahme und Förderung entgegen. Gestern het sich Graf Königsmarck vom Regierungs⸗Kollegium verab⸗ schiedet.

Bayern. München, 16. Januar. Nach Allerhöchster Verordnung wird der erste Hofball am 5. Februar in der Königlichen Residenz stattfinden.

Sachsen. Dresden, 17. Januar. Der Kronprinz kehrte gestern Abend mit Gefolge mit dem Courierzuge der Leipzig⸗ Dresdner Eisenbahn hierher zurück. Zur Verabschiedung hatte sich in Leipzig der Divisionscommandeur General⸗Lieutenant Nehrhoff von Holderberg und der Vize⸗Bürgermeister Dr. Stephani auf dem Perron eingefunden. .

Die Zweite Kammer trat in ihrer heutigen Sitzung, welcher die: Staats⸗Minister von; Fabrice, von Nostiz⸗Wallwitz und Dr. von Gerber beiwohnten, in die letzte Berathung des Volksschulgesetzes ein. Die allgemeine Dehatte wurde von den beiden Referenten der Majorität und der Mino⸗ riät der Deputation, den Abgeordneten Dr. Panitz und Dr. Hahn eingeleitet. Während Ersterer die für die Majorität prinzipiell unannehmbaren Punkte des Entwurfs, wie er durch die Be⸗ schlüsse der Ersten Kammer gestaltet ist, in längerm Vortrage resumirte, legte der Letztere auf die Vortheile, die das Gesetz in Bezug auf Einrichtung und Leitung der Volksschule und Stellung der Lehrer biete, das entscheidende Gewicht. Den Ab⸗ geordneten Dr. Panitz und Dr. Biedermann entgegnete der Kul⸗ tus⸗Minister Dr. von Gerber in längerer Rede. Er wahre die Regierung gegen den Vorwurf mangelnden Entgegenkommens der Zweiten Kammer gegenüber. Die Regierung sei davon aus⸗

egangen, daß sie ein sehr liberales Werk vorschlage; von vorn⸗ 21 habe sie ohne Zurückhaltung Alles geboten, was sie iheer Ueberzeugung nach habe bieten können, daher erkläre es sich, daß sie während der Verhandlungen nicht weiter habe gehen können, in einer ganzen Reihe von Punkten habe sie nichtsdestoweniger den Wünschen der Deputation nachgegeben. In Bezug auf die kon⸗ fessionelle Frage betonte der Minister: die Regierung habe nicht das Produkt einer rationellen Erwägung, sondern lediglich das durch die Natur der realen Verhältnisse von selbst Gebotene vor⸗

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eschlagen; 1 sein, welche eine ganz außerordentliche Maß⸗ regel, einen Nothbehelf rechtfertigten. Es sei die Eigenthümlich⸗ keit des Entwurfs, daß er die Staatsleitung der Volksschule mit einer Entschiedenheit, wie kaum ein anderes Schulgesetz, zum Prinzip erhebe. Nur soweit ziehe es die Geistlichen zur Schul⸗ aufsicht heran, als es nicht im Interesse der Kirche, sondern der Schule nothwendig scheine. Dem vom Abg. Dr. Biedermann eventuell angekündigten Gesetzentwurf, betreffend die fach⸗ männische Schulaufsicht, gegenüber verhielt sich der Minister ablehnend: die Einführung der Bezirksschul⸗ Inspektoren habe keinerlei Werth, wenn das Gesetz nicht zu Stande komme; das Gesetz von 1835 lasse dieselben ohne alle materielle Instruktion für ihre Thätigkeit. Ein bloßes fundamentloses Ge⸗ rüst aufzuführen, würde werthlos sein, die Regierung könne unter keinen Umständen dazu rathen. Nachdem der Minister eingehend die Ausführungen des Dr. Panitz bekämpft hatte, endete er mit der dringenden Bitte, dem Entwurfe zuzustimmen. Er sei hervor⸗ gegangen aus dem aufrichtigen Bestreben, die Volksbildung zu fördern, aus einem warmen Interesse für den Lehrerstand; in allen Beziehungen sei er bemüht, dem Volke Vortheile und Seg⸗ nungen zu bringen, von denen er überzeugt sei, daß sie nicht blos auf dem Papiere, sondern im Leben hervortreten würden. Es handle sich um einen Gegenstand, der gerade in unsrer Zeit die verschiedenste Auffassung finde, in Bezug auf den die Gegen⸗ sätze sich mehr und mehr verschärften; um da etwas zu Stande zu bringen, müsse man von beiden Seiten im Einzelnen auf die Durchführung spezieller Wünsche verzichten, sich die Hände reichen, wenn das Werk gelingen solle. Eine Rede des Vize⸗Präsidenten Streit, welcher den Standpunkt vertrat, daß man um der Vorzüge des Gesetzes willen die Be⸗ stimmungen über den konfessionellen Charakter der Schule und die Stellenbesetzung annehmen könne, dagegen den auf die reli⸗ giöse Erziehung der Dissidentenkinder bezüglichen Passus des §. 6 auch seinerseits als unannehmbar bezeichnete, aber der Meinung war, daß die Regierung denselben noch gegenwärtig fallen lassen könne, gab dem Kultus⸗Minister zu einer Reihe von Erklärungen Anlaß. Namentlich betonte er, daß der Charakter der Volks⸗ schule als rein bürgerlicher Institution durch den konfessionellen Charakter derselben nicht in Frage gestellt werde. Nach einer Rede des Abg. Jungnickel wurde ein Antrag auf Schluß der allgemeinen Debatte angenommen. In seinem Schluß⸗ worte stellte der Referent Dr. Panitz unter dem Beifall der Linken und dem Widerspruche der Rechten die ganze Frage als eine Machtfrage zwischen der Ersten und Zweiten Kammer hin, es gelte das moralische Ansehen der Zweiten Kammer im Lande zu behaupten. Das Land erwarte, daß sie bei ihren Beschlüssen stehen bleibe. Eine überaus erregte Diskussion erhob sich bei den ersten Punkten, bei denen die Majorität der Deputation Aufrechterhaltung der früheren Beschlüsse beantragt: bei §. 6, wo es sich um die konfessionelle Schule handelt. Die Abgg. Dr. Wigard, Ludwig nnd Dr. Heine sprachen für, die Abgg. Walter, Käferstein und von Einsiedel gegen den Majoritätsantrag. Die frühere Fassung wurde mit 41 gegen 37 Stimmen aufrechterhalten. Der von der Ersten Kammer hinzugefügte Absatz wegen des Religionsunterrichts der Dissiden⸗ tenkinder mit 46 gegen 32 Stimmen abgelehnt.

Württemberg. Stuttgart, 16. Januar. In der

Sitzung der Kammer der Standesherren am 15. Januar wurde der Gesetzentwurf B., betreffend den Bau der Eisenbahnen in der Etatsperiode 1870—73 mit einer Ausnahme in Ueberein⸗ stimmung mit den Beschlüssen der Kammer der Abgeordneten angenommen. Sodann wurde der Staatsvertrag mit Bayern, betreffend die theilweise Benutzung des bayerischen Gebiets für die Herstellung der Ulm⸗Heidenheimer Eisenbahn einstimmig an⸗ genommen. Die Kammer der Abgeordneten erledigte in ihrer gestrigen Abendsitzung die Art. 14 —30 des Ausführungsgesetzes zum Reichsgesetz über den Unterstützungswohnsitz. Die Artikel wurden meist unverändert nach dem Regierungsentwurf angenommen.

Der hiesige Gewerbeverein hat in seiner letzten Sitzung den Beschluß gefaßt, eine Bitte an die hiesige Ein⸗ wohnerschaft zu stellen, ihn in seinen Bestrebungen, einen braven und soliden Arbeiterstand zu bilden, zu unterstützen. Die Mit⸗ tel, mit welchen er dies zu erreichen sucht, bestehen hauptsäch⸗ lich in der Angewöhnung des Lehrlings an Fleiß und gute Sitte durch Ueberwachung, in Erweckung und Erhaltung seines Eifers zu möglichst vollkommener Erlernung seines Faches mit⸗ telst periodischer Ausstellungen von Lehrlingsarbeiten, womit Prämiirungen verbunden sind, im Anhalten zum Besuch der Fortbildungsschule und in der Gewährung von Stipendien an solche Lehrlinge, welche am Schlusse der Lehrzeit sich über ihre ganze Dauer in allen Beziehungen mit guten Zeugnissen aus⸗ zuweisen vermögen.

17. Januar. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Abgeordnetenkammer erklärte der Minister des Innern v. Sick bei Gelegenheit der Berathung des Einführungsgesetzes zum Reichsgesetz über den 1“ daß er der Kammer demnächst einen Gesetzentwurf über das Besteuerungs⸗ recht der Gemeinden vorlegen werde. Der Abgeordnete für Stuttgart, v. Wächter, dankte für diese Zusicherung.

Anhalt. Dessau, 17. Januar. Die Gesetz⸗Sammlung vom 4. d. M. enthält ein Gesetz, betreffend die Todeserklärung von Personen, welche an dem in den Jahren 1870 und 1871 gegen Frankreich geführten Kriege Theil genommen haben.

Waldeck. Arolsen, 14. Januar. Zur Feier des heuti⸗ gen Geburtsfestes des Fürsten zu Wald eck⸗Pyrmont fanden schon gestern Abend Zapfenstreich durch die Straßen der Stadt, und vor⸗ und nachher Musik⸗Aufführungen vor dem fürstlichen Residenzschlosse und den Wohnungen der Commandeure des hiesigen Füsilier⸗ und des Landwehr⸗Bataillons statt. In den Schulen wurden deklamatorische und Gesangsvorträge gehalten. Mittags war eine zahlreiche Gesellschaft aus allen Ständen zum Festessen im Waldecker Hofe versammelt.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 16. Januar. Der Sektions⸗ rath Erkoevy ist eingetroffen und überreichte dem österreichischen Finanz⸗Minister seine Legitimation. Heute findet die erste Ver⸗ sammlung der beiderseitigen Bank⸗Kommissionen statt, die beiden Finanz⸗Minister sollen vorläufig an den Berathungen nicht theilnehmen.

Der Finanz⸗Ausschuß des Abgeordnetenhauses erledigte gestern den Theilvoranschlag, betreffend die Staatsschuld, und beschloß hierbei das Agio statt mit 10 mit 8 Proz. für das ganze Budget anzunehmen. Heute begann der Finanz⸗Ausschuß

die Berathung des Staatsvoranschlages des Handels⸗Ministeriums.

Lemberg, 16. Januar. Der Statthalter hat die Sistirung der gegen die direkten Wahlen gerichteten Beschlüsse der Bezirks⸗ vertretungen angeordnet.

um davon abzuweichen, würden Umstände, wie in

Pesth, 16. Januar. Das Abgeordnetenhaus erledigte in seiner heutigen Sitzung den Gesetzentwurf über die Bedeckung des Pferdebedarfes zur Mobilistrungszeit und die beiden noch in Schwebe gebliebenen Paragraphen des Kolonistengesetzentwurfes. Die dritte Lesung beider Gesetze findet morgen statt.

Belgien. Brüssel, 15. Januar. Der gestern der Repräsentanten⸗Kammer vorgelegte Vertrag der belgischen mit der niederländischen Regierung über die Eisenbahn von Antwerpen nach Gladbach, betrifft auch die Abschaffung des Steueraufschlages auf nach Belgien eingeführte niederländische Branntweine und die Kapitalisirung einer Rente von 400,000 Gulden, welche Belgien an die Niederlande zu zahlen hat. Beide Gegenstände sind Kompensationen, welche die niederländische Regierung sich ausbedungen hat für die Erlaubniß, jene Eisen⸗ bahn durch niederländisches Gebiet, in der Provinz Limburg zu führen. In den Verträgen von 1839 und 1842 sind Belgien verschiedene Handels⸗ und Navigations⸗Vortheile zugesichert, unter andern, daß die Wasserstraßen zwischen der Schelde und dem Rhein, Kanäle u. s. w. immer frei bleiben sollen; beide Regie⸗ rungen verpflichten sich zu ihrer Instandhaltung, und die nieder⸗ ländische verspricht, wenn durch Naturereignisse oder nothwendige Arbeiten die angegebenen Wasserstraßen unpraktikabel werden sollten, der belgischen Schiffahrt andere, gleich gute, anzuweisen. Dafür wird ihr jene Rente von 400,000 Gulden gutgeschrieben. Der Vertrag stipulirt aber weiter, daß, wenn die Bedingungen niederländischerseits nicht eingehalten werden sollten, die belgische Regierung das Recht haben soll, die Zahlung jener Rente einzu⸗ tellen oder zurückzuhalten. Diesen Vortheil giebt Belgien auf indem es das Kapital dieser Rente abzahlt.

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Großbritannien und Irland. London, 15. Januar. Die Königin empfing gestern in Osborne Graf Schuwa⸗ loff, den Spezialgesandten des Kaisers von Rußland, in einer Audienz. Der Graf wurde alsdann zur Königlichen Tafel ge⸗ zogen. Morgen wird Ihre Majestät einer Sitzung des geheimen Staatsraths präsidiren.

Der Deutsche Botschafter, Graf Bernstorff, ist nebst Familie von einem Besuche bei dem Grafen und der Gräfin von Afhburnham in Susser nach der Hauptstadt zurückgekehrt.

Großbritanniens Staatseinnahmen vom 1. April 1872 bis 11. Januar 1873 beliefen sich, amtlichem Ausweise ‚zufolge, auf 53,189,694 Lstr. gegen 50,864,080 Lstr. in der ent⸗ sprechenden Periode des Vorjahres. Die Ausgaben in dem⸗ selben Zeitraume betrugen 57,552,630 Lstr. Am 11. d. M. zählte die Bilanz des Schatzamtes in der Bank von England 1,362,261 Lstr.

Der russische Botschafter, Baron Brunnow, gab gestern dem hier anwesenden Grafen Schuwaloff zu Ehren ein Diner in seinem Botschaftshotel.

Frankreich. Paris, 16. Januar. Der Minister des Innern hat ein Circular an die Präfekten erlassen, wonach die aus Veranlassung des Todes Napoleons gelesenen stillen Messen nicht verboten werden follen. In Bezug auf die grö⸗ ßeren Trauerfeierlichkeiten, welche zu politischen Manifestationen Veranlassung geben könnten, hat der Minister bestimmt, daß von Seiten der Präfekten ebenfalls nicht eingeschritten werden soll, daß aber die Bischöfe, welche dergleichen Feierlichkeiten gestatteten, für die etwa entstehenden Unruhen verantwortlich zu machen wären.

Nach dem Berichte aus Algerien im „Journal Officiel“ ist die Ruhe in den südlichen und den Grenzbezirken nicht ge⸗ stört worden. Der letzte bisher nicht unterworfene Theil der Mekhad'mas scheint geneigt zu sein, die von der Regierung ge⸗ stellten Bedingungen anzunehmen; die Chambas haben eine Deputation nach Ouargla geschickt, welche die Erlaubniß er⸗ wirken soll, auf das ihnen früher gehörige Gebiet zurück⸗ zukehren.

Versailles, 17. Januar. (W. T. B.) In der Natio⸗ nalversammlung wurde heute der Antrag des Ministers für den Unterricht, Jules Simon, betreffs Bildung einer permanen⸗ ten Sektion in dem oberen Rath fuͤr den öffentlichen Unterricht trotz des Widerspruchs des Herzogs von Broglie mit 352 gegen 314 Stimmen angenommen. Die Dreißiger⸗Kommission genehmigte von der durch die Subkommission über die der Exe⸗ kutive zustehenden Vefugnisse ausgearbeiteten Gesetzesvorlage zu⸗ nächst die Einleitung mit 20 gegen 3 Stimmen; 5 Kommissions⸗ mitglieder enthielten sich der Abstimmung, 2 fehlten. In den dabei gehaltenen Reden wurde hervorgehoben, daß die Fassung der Gesetzesvorlage die Frage: ob Republik, ob Monarchie? in keiner Weise zur endgültigen Entscheidung bringe, solche vielmehr ganz und gar der Zukunft überlasse. Seitens der Mitglieder der Linken, welche sich auf die letzte Botschaft des Präsidenten der Republik beriefen, wurde hiergegen Protest eingelegt. Es wurde sodann auch noch der erste Paragraph des ersten Artikels, welcher von den durch die Minister von der Rednertribüne vor⸗ her zu verlesenden Botschaften handelt, mittelst welcher der Prä⸗ sident der Republik mit der Nationalversammlung kommunizirt, angenomm d di itere Berathung auf künftigen Montag

Rom, 14. Januar. Durch das Gesetz vom 19. Juli 1871 ist in Italien das Prinzip der allgemeinen persönlichen Wehrpflicht eingeführt worden. Durch Modi⸗ fikationen und Ausnahmebestimmungen gelangte indessen nach dem bisherigen Rekrutirungsgesetz immer nur etwas über ein Drittel der Dienstpflichtigen zur Einstellung. Das Ministerium hat sich jetzt veranlaßt gesehen, ein neues, strengeres Rekrutirungs⸗ gesetz einzubringen, welches sich im Allgemeinen dem deutschen Gesetze anschließt. Die Befreiung wegen Familienverhältnisse wird auf bestimmt abgegrenzte Fälle unabweisbaren Bedürfnisses beschränkt; so bei den Erstgeborenen unter vater⸗ und mutter⸗ losen Waisen, bei den einzigen oder ältesten Söhnen von Witt⸗ wen. Aber auch diese sind nicht unbedingt frei; in Kriegszeiten können sie eingefordert und in die milizia stanziale, die stehende, nicht außer Landes verwendbare, nur zur Besetzung von Festungen geringerer Wichtigkeit dienende Miliz eingereiht werden, um dann im äußersten Nothfalle sich der mobilen Miliz zur Ver⸗ theidigung des Landes anzuschließen. Aus den übrigen Be⸗ stimmungen mögen diejenigen hervorgehoben werden, welch sich auf den einjährig freiwilligen Militärdienst und auf die Dienstverhältnisse der jungen Theologen beziehen. Die Einrich⸗ tung des einjährigen Dienstes ist schon 1871 in Italien eingeführt; doch hat der Einjährige nicht allein seine wissen schaftliche Bildung nachzuweisen und die Kosten des Dienstes zu tragen, sondern als Ersatz für die beiden übrigen Jahre noch selbst eine bestimmte Summe an die Militärkasse zu zahlen. Di Höhe dieser Summe wird von Jahr zu Jahr normirt und be

trägt durchschnittlich 1500 Frs. Die Einjährigen, denen da bisherige Gesetz einen Ausstand bis zum 24., das neue bis zum

26. Jahre gewährt, falls ihre Studien dies erfordern, können

wie in Deutschland nach Ablauf des Dienstjahres zu Unteroffi⸗ zieren, dann zu überzähligen Offizieren befördert werden. Die Wehrsteuer muß auch von denjenigen Theologen entrichtet werden, welche nach §. 67 Befreiung vom Mili⸗ tärdienst beanspruchen. Der Paragraph lautet folgendermaßen: 1 „Die katholischen Zöglinge in der kirchlichen Laufbahn, oder die⸗ jenigen Angehörigen anderer religiösen Gemeinschaften, welche sich für en Kulusdienst vorbereiten, können, wenn sie vorher die erforderliche

umme gezahlt und vor dem 26. Lebensjahre ihre Studien vollendet und die höheren Weihen erhalten haben oder zu Geistlichen ihres Kultus ernannt worden sind, die Befreiung vom einjährigen freiwilli⸗ gen Dienste erlangen. Aber in diesem Falle nehmen sie die Verpflich⸗ tung auf sich, in Kriegszeiten im stehenden Heere als Militärgeistliche bei den Heerestheilen oder als Assistenten an den Spitälern oder Am⸗ bulanzen bis zum 40. Lebensjahre zu dienen.“

Amerika. Aus Mexiko wird unterm 24. Dezember Folgendes gemeldet: Die Zeitungen behaupten, daß General Santa Anna während des Monats Januar in Vera Cruz ein⸗ treffen wird. Der mexikanische Kongreß hat sich vertagt, ohne über das Rosecranzsche Eisenbahnprojekt einen definitiven Be⸗ schluß zu fassen. Daneben ist jetzt auch eine englische Compagnie als Konkurrent aufgetreten. Die Bahn von Vera Cruz nach der Stadt Mexiko ist vollendet, Präsident Berdo de Tejada bemerkte in seiner Rede beim Schluß des Kongresses, daß die Errichtung von Gesandtschasten für Spanien, Deutschland und Guatemala dekretirt worden sei. Die Einsetzung der Rio Grande Kommission sei von der größten Wichtigkeit. Der Präsident bat auch um Autorisation, eine neue Anleihe zu machen, und ver⸗ sprach, daß allen Eisenbahnprojekten gleiche Aufmerksamkeit ge⸗ schenkt werden soll. Ueber Matamoras wird unterm 28. De⸗ zember berichtet: Die Wahlen von Tampico waren von erheb⸗ lichen Ruhestörungen begleitet. Bei der Stimmenzählung ent⸗ standene Unruhen, wobei acht Personen getödtet wurden.

Die Legislatur von Arkansas hat einen Gesetzent⸗ wurf angenommen, welcher denjenigen Personen, die in Folge ihrer Betheiligung an der Rebellion des Südens des Wahlrechts verlustig gingen, dasselbe aufs Neue verleiht.

Aus Rio de Janeiro wird unterm 24. Dezember ge⸗ meldet: Die Rede des Kaisers zur Eröffnung der Kammern sagt, daß das Kaiserreich sich eines äußern und innern Friedens erfreut, und daß die Staatseinnahmen sich hinreichend vergrößert hätten, um die Kosten des Paraguitischen Krieges zu decken und einen Ueberschuß über die Ausgaben zu ergeben. Se. Ma⸗ jestät empfiehlt die Entwickelung des Unterrichts, größere Be⸗ willigungen für Transportmittel, die RNeform der Wahlgesetze, des Rekrutirungswesens und des Requisitionsgesepes.

Aus Buenos⸗Ayres wird unterm 15. Dezember ge⸗ meldet, daß die postalische Schwierigkeit mit der Regierung von Montevideo freundschaftlich geregelt worden sei. In Parana haben Wahlkrawalle stattgefunden.

Afrika. Das britische Handelsamt hat, wie aus Lon⸗ don unter dem 15. d. M. gemeldet wird, vom Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten eine Depesche des britischen General⸗ Konsuls in Aegypten mit Bezug auf den öffentlichen Ge⸗ sundheitszustand in Sudan und Ober⸗Aegypten erhal⸗ ten. Aus derselben erhellt, daß jeder Grund zu der Hoffnung vorhanden ist, daß die Cholera aus diesen Distrikten in Kurzem gänzlich verschwunden sein wird. Nachdem das Verbot gegen die Nilauffahrt aufgehoben worden, hat der Gesundheitsrath be⸗ schlossen, vorausgesetzt, daß die Nachrichten von dem oberen Lande günstig bleiben, den jetzt um Gebet, Bilsiteh und Assuan nach Korosko errichteten sanitarischen Kordon zu beseitigen. Das Handelsamt hat auch durch den britischen General⸗Konsul in Tunis die Uebersetzung einer Cirkular⸗Note des Beys erhalten, in welcher Se. Hoheit anzeigt, daß er den Hafen Hammamet dem ausländischen Handel eröffnet und auf denselben Fuß wie die anderen Häfen der Regentschaft gesetzt habe.

Reichstags⸗Angelegenheiten. Kaiserslautern, 17. Januar. (W. T. B.) Zu der im hie⸗ sigen Wahlkreise vorgenommenen Wahl eines neuen Reichstags⸗Abge⸗ ordneten wurden nach amtlicher Feststellung 6095 giltige Stimmen abgegeben; von diesen fielen 5238 auf Petersen, 841 auf Jacoby, die übrigen zersplitterten sich.

„Die Nr. 2 des „Central⸗Blatts für das Deutsche Reich“ hat folgenden Inhalt: 1. Maß⸗ und Gewichtswesen. Bekanntmachung der Vorschriften über die Zulassung von Federwaagen zur Eichung und Stempelung und zur Anwendung beim Wägen von Eisenbahn⸗Passagier⸗Gepäck. Vom 25. Juni 1872. 2. Zoll⸗ und Steuer⸗ wesen. Veränderungen in den Zoll⸗ und Steuerstellen des deutschen Zollgebietes. 3. Konsulatwesen, 4. Militärwesen. Bekanntmachung, betreffend Zurückstellung der in Rußland lebenden deutschen Militär⸗ pflichtigen bis zu dem in ihrem dritten Konkurrenzjahre stattfindenden Departements⸗Ersatzgeschäfte. Vom 6. Januar 1873. 5. Postwesen. Bekanntmachung, Postdampfschiffahrt zwischen Dänemark, den Faröer und Island. 6. Personalveränderungen, Titel⸗ und Ordensverleihungen.

Nr. 3 des „Amts⸗Blatts der Deutschen Reichs⸗Post⸗ verwaltung“ hat folgenden Inhalt: General⸗Verfügung vom 12. Januar 1873. Postdampfschiff⸗Verbindungen zwischen Dänemark, den Faröͤer und Island.

Die Nr. 6 der „Annalen der Landwirthschaft“ hat fol⸗

enden Inhalt: Ernennung. Praktische Erfolge genossenschaftlicher Meliorationen. (Aus dem Nachtrage zu der im Ministerium für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten im November 1867 gefertigten Denkschrift, betreffend die Verwendung der Fonds für Landesmelio⸗ rationen (Fortsetzung.) v. Saucken⸗Julienfelde †. In wie weit sind die ländlichen Kreditgenossenschaften geeignet, der Kreditnoth unter den mittleren und kleinen Landwirthen abzuhelfen, und welche Orga⸗ nisation derselben hat sich nach den bis jetzt vorliegenden Erfahrungen am meisten erprobt? (Schluß.) Reichsgoldmünzen, Staatspapier⸗ geld und Banknoten. Aus der Provinz Preußen. Aus der Pro⸗ vinz Schleswig⸗Holstein. Aus dem Herzogthume Anhalt. Ver⸗ eins⸗Versammlungen.

Statistische Nachrichten.

Das Berliner Adreßbuch für das Jahr 1873, herausge⸗ geben unter Mitwirkung von Dr. jur. Schwabe (Druck und Verlag des Druckschriften⸗Verlags⸗Comtoirs Schützenstraße 68, Berlin. 8 Beutner, D. Collin) enthält: I. Alphabetisches Verzeichniß der

Finwohner Berlins mit Angabe des Standes, der Wohnungen und kaufmännischen Firmen. II. Verzeichniß der Häuser mit Angabe der Eigenthümer und Wirthe. III. Königliches Haus und Königlicher Hof deutsche Reichsbehörden, preußische Staatsbehörden, Provinzial⸗

ehörden, städtische Behörden, Anstalten, Gesellschaften und Vereine, Zeitungen und Zeitschriften. IV. Verzeichniß der Einwohner Berlins nach ihren Beschäftigungen und Gewerben. V. Berliner Jahrbuch und Statistik von Berlin, Sehenswürdigkeiten, Gesetze. VI. dre buch von Charlottenburg, alphabetisches Einwohnerverzeichniß, Verzeichniß

der Häuser mit den Bewohnern. Uebersichtspläne der Plätze der

Theater und des Cirecus Renz.

Die Elementar⸗Schullehrer⸗Wittwen⸗ und Weisen⸗ kasse des Regierungsbezirkes S hatte im Jahre 1871 38,681.

Thlr. Einnahmen und 35,909 Thlr. Ausgaben, mithin am Jahres⸗ schluß einen Bestand von 2772 Thlr. Unter den Einnahmen waren 6298 Thlr. Kapitalzinsen, 6246 Thlr. Beiträge der Lehrer, 12,897 Thlr. Beiträge der Gemeinden pro 1870 und 1871, 2407 Thlr. Be⸗ stand der Vorrechnung und 9207 Thlr. aus dem Verkauf von Doku⸗ menten. Unter den Ausgaben waren 25,131 Thlr. Kapitalsanlage und an Pensionen 9401 Thlr. für Wittwen, 1087 Thlr. für Waisen von Lehrern. Das Vermögen der Kasse betrug am Schlusse 1871 148,419 Thlr.

Nach den „Mittheilungen für de öffentlichen Feuervers.⸗Anst.“ bestehen in Deutschland zur Zeit 73 öffentliche Feuerver⸗ sicherungsanstalten, bei welchen im Jahre 1870 5605,917,213 Thaler für Immobilien und 137,207,819 Thlr. für Mobilien ver⸗ sichert waren. Von diesen Anstalten haben 32 mit 3973,483,016 Thlr. Immobiliarversicherung (im Jahre 1870) Versicherungszwang, davon 12 in Preußen mit 930,291,408 Thlr. Immobiliarversicherungssumme und 20 in den übrigen Staaten des Deutschen Reichs mit 2743,191 ,608 Thaler Immobiliarversicherung. 41 Anstalten mit 1932,434,197 Thlr. Immobiliar⸗ und 137,207,819 Thlr. Mobiliarversicherung (im Jahre 1870) haben keine Zwangsversicherung, davon 29 Anstalten mit 1826,092,936 Thlr. Immobiliar⸗ und 137,207,819 Thlr. Mobiliar⸗ versicherung in Preußen, 12 Anstalten mit 106,341,261 Thlr. Immo⸗ biliarversicherung außerhalb Preußen. Auf Preußen treffen im Gan⸗ zen 41 öffentliche Versicherungsanstalten mit 2756,384,344 Thlr. Im⸗ mebiliar⸗ und 137,207,819 Thlr. Mobiliarversicherung.

„Schwerin, 15. Januar. Im Jahre 1872 sind in Warne⸗ münde 464 Schiffe angekommen, 473 abgegangen. Von den ersteren waren 293 Deutsche (72 Rostocker, 66 Mecklen burger, 45 Preu⸗ ßische, 87 Holsteinische, 15 Hannoversche, 4 Lübecker, 2 Wismarische, 2 Hamburger) 35 Dänische, 74 Schwedische, 49 Norwegische, 5 Nieder⸗ ländische, 6 Russische, 2 Englische. Von den abgegangenen Schiffen waren 305 Deutsche (77 Rostocker, 72 Mecklenburger, 45 Preußische, 87 Holsteinische, 15 Hannoversche, 5 Lübecker, 2 Wismarische, 2 Ham⸗ burger), 35 Dänische, 74 Schwedische, 47 Norwegische, 4 Niederlän⸗ dische, 6 Russische. Unter den angekommenen befinden sich 24 Dampf⸗ schiffe und 2 Deutsche Kanonenböte; unter den abgegangenen 26 Dampf⸗ schiffe und 2 Deutsche Kanonenböte. Außerdem liefen 40 Schiffe zu Nothhafen ein und gingen 33 davon wieder aus. Vergleicht man mit den vorstehenden Ziffern die der Vorjahre, so erkennt man eine bemerkenswerthe Abnahme des Schiffsverkehrs während der letzten Jahre. In den Jahren 1868 bis 1871 betrug die Zahl der ange⸗ kommenen Schiffe bezw. 753, 657, 459, 501, die der abgegangenen bezw. 775, 713, 464, 497.

Im Jahre 1872 sind über Christiania ca. 5750 Personen nach Amerika ausgewandert, davon 1211 mit Segelschiffen, 90 mit Dampfschiffen direkt und die übrigen per Dampfschiff über Hull und Granton. Außerdem sind gegen 700 Personen nach Auftralien aus⸗ gewandert und 750 nach Bergen abgereist, um von dort direkt nach Amerika abzugehen. ö

Kunst und Wissenschaft.

Im Juni vor. Js. ist dem „Anzeiger für Kunde der deutschen Vorzeit“ zufolge zwischen den Dörfern Tempelberg und Eünsten höfel, 1 ½ Meile von Müncheberg, als Steine zu einem Brückenbau gesucht wurden, ein Steinkistengrab aufgedeckt wurden. Es war äußerlich durch gar nichts angezeigt, kaum daß eine der Deckplatten in der flachen Gegend zu Tage lag, und erstreckte sich in der Form eines Rechteckes von Ost nach West, in einer Länge von 14 ½ Fuß, einer Breite von 4 Fuß und 3 Fuß Höhe, flach unter der Erdober⸗ fläche hin. Die Seitenwände sind durch Steinplatten gebildet, deren kleine Zwischenräume mit kleinen Rollsteinen und Lehm ausgefüllt waren. Der Boden bestand aus festgeschlagenem Lehm, die Decke aus 4 Steinplatten. Das ganze Grab war mit Erde der Umgebung und Steinen gefüllt, und es fanden sich die Gebeine von sechs Menschen, namentlich die Unterkiefer, vor. Einer der Schädel (die andern sind meist zerstört) zeichnet sich durch große Länge im Verhältniß zur Breite aus. Die Leichen waren wahrscheinlich in sitzender Stellung bestattet und mit Steinen unterstützt; denn die Beinknochen lagen nach Süden, die Rippen, Armknochen und Schädel zusammen nach Norden hin. Außer einer kleinen Urnenscherbe und einem zum Schleifen von Steinwerkzeugen benutzten harten Sandstein wurde bis jetzt nichts ge⸗ funden, was auf eine Bearbeitung durch Menschen gedeutet hätte, namentlich kein Metall. Die Fundstücke werden in der Sammlung des Vereins für Heimatskunde in Müncheberg verwahrt.

Hochkirch (bei Glogau), 14. Januar. Heute starb hier der der als Schriftsteller (u. a. Verfasser der „Bernsteinhexe“) bekannte Pfarrer Aurel Meinhold.

München, 14. Januar. Der Professor der Münchener Aka⸗ demie, Carl von Piloty, vollendet eben für die Wiener Ausstel⸗ lung ein großes Gemälde, welches den „Triumphzug des Germanicus“ darstellt, wie Strabo denselben ausführlich schildert. Als Hauptfigur auf dem Bilde erscheint die Cheruskerfürstin Thusnelda, welche als Gefangene, ihren Sohn Thunelicus an der Hand, eben an einer reich⸗ geschmückten Tribüne vorübergeführt wird, auf welcher Tiberius, um⸗ geben von seinen Günstlingen, Senatoren und vornehmen Römerinnen, dem Schaugepränge beiwohnt. In der Nähe des Imperators steht Segest, der Vater der Thusnelda. Das Gemälde ist ein Längenbild von kolossalen Dimensionen.

Christiania, 12. Januar. Ueber die Expedition de

chiffes „Grönland“ nach Spitzbergen meldet „Gjengan⸗ geren“: „Da man dieser Expedition voraussichtlich mit Interesse und Theilnahme folgen wird, so theilen wir folgende Erläuterungen mit, welche uns über das Schiff selbst und die Expedition überhaupt zuge⸗ gangen sind. „Grönland“, welches im vorigen Jahre in Bremen ge⸗ baut wurde, ist ein hüsches zweckmäßig eingerichtetes und kohlenerspa⸗ rendes Schiff. Es hat eine Tragfähigkeit von 230 Kommerzlasten, 120 nomineller Pferdekraft, einen Tiefgang von 17 Fuß und macht eine Fahrt von 9 Knoten in der Stunde. Die Besatzung wird aus ca. 65 Mann bestehen, wovon mehrere Jüngere mit nautischer Aus⸗ bildung; man wird Proviant für 6 Monate mitnehmen, darunter viele hermetisch geschlossene Sachen und einen bedeutend vermehrten Kohlen⸗ Vorrath. Zur Vornahme kleiner Land⸗Expeditionen vom „Jsfjord“ aus, werden Schlitten und mehrere Dutzende von Schneeschuhen mit⸗ genommen (ca. 5 Fuß lange Hölzer, womit die Norweger geschickt und schnell über Schneeflächen hinweglaufen). Der Führer, Kapitän Melsom, welcher zu den erfahrensten und bekanntesten unserer Eismeer⸗ fahrer gehört, beabsichtigt, keinen Platz an der norwegischen Küste an⸗ zulaufen, sondern direkt nach Jan Mayn und von dort nach dem „Isfjord“ zu steuern. Es sollen die gewöhnlich gebräuchlichen meteo⸗ rologischen und astronomischen Instrumente mitgenommen und ein me⸗ teorologisches Journal geführt werden. Im Ganzen wird ihm unge⸗ fähr 3 bis 4 Wochen zur Disposition gestellt, um in dieser Zeit einen Versuch zur Rettung der eingefrorenen norwegischen Mannschaften an⸗ zustellen, aber seinem Plane gemäß wird er, falls dieser Versuch nicht gelingen sollte, einen zweiten anstellen, wenn er von der Seehunds⸗ fagd zurückkehrt. Herr Melsom hat sich bemüht, einen jüngeren Arzt, sowie auch einen jüngeren Naturforscher für die Mitreise zu ge⸗ winnen.“

Coburg, 16. Januar. Am 10. d. M., kurz nach 7 ½ Uhr Abends, wurde hier ein prachtvolles Meteor in südwestlicher Richtung beob⸗ achtet. Die ganze Erscheinung glich einer Sternschnuppe, nur mit dem Unterschiede, daß der Stern, welcher die Größe eines Kinderkopfes hatte und im brillantesten Grün und Weiß strahlte, plötzlich in un⸗ zählige feurige Theilchen, die nach wenigen Augenblicken wieder er⸗ loschen, zerplatzte.

Landwirthschaft. 1 Das Januarheft des landwirthschaftlichen Central⸗ blattes für Deutschland (Redacteur A. Krocker, Verlag von Wiegand & Hempel in Berlin) hat folgenden Inhalt: Die Anbau⸗ verhältnisse der landwirthschaftlichen Fruchtarten in Deutschland, von Dr. Friedrich Nobbe. Die Privatwaldwirthschaft in Preußen, von A. Bernhardt, Königl. preuß. Forstmeister (Neustadt⸗Eberswalde).

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Vier Prachtausgaben auf dem Gebiete der Literatur für Baum⸗ und Blumenzucht. Berichte über die vom landwirthschaftlichen Institut zu Berlin im Sommersemester 1872 veranstalteten Exkursionen, er⸗ stattet von A. Klaeufohr. Meteorologie. Physik und Chemie. Botanik und Pflanzenbau. Zoologie, Thierzucht. Technologie. Landwirthschaftliches Unterrichtswesen. Volkswirthschaft. Landeskultur. Vermischtes, Personalien. Rezensionen. Nach⸗ träge zum 1. Bande des Deutschen Gestütbuchs von J. Schwartz und A. Krocker. Mittheilungen aus dem Bureau des Deutschen Grund⸗ buchs. Archiv des Deutschen Landwirthschaftsrathes. Göttingen, 14. Januar. Gestern hat sich hier ein Verein zur Pflege der Singvögel⸗, Hühner⸗ und Taubenzucht konstituirt; derselbe hat sich als Zweigverein dem betreffenden Verein in Hannover angeschlossen. 8 Gewerbe und Handel. Das 1. und 12. Heft der „Zeitschrift für Kapital und Rente“, herausgegeben von Freiherr von Danckelman, Berlin, Weid⸗ mannsche Buchhandlung, 1873, hat folgenden Inhalt: I. Die syste⸗ matische Spoliation des Effektenbesitzes auf dem Gebiet des Staats⸗ Kredits und des Aktienwesens vom Herausgeber. Zweiter Artikel: Die Gefährdung des Effektenbesitzes durch die Börse und Agiotage. II. Fi⸗ nanzielle Chronik des Jahres 1872. (Fortsetzung.) IV. Monat April. A. Neue Emissionen und sonstige Modifikationen. B. Auszüge aus den im April 1872 veröffentlichten Ge⸗ chäftsberichten verschiedener Aktien⸗Gesellschaften. C. Verzeichniß der im Monat April 1872 zur Veröffentlichung gelangten, aber nicht zur Einlösung ausgeloosten, so⸗ wie der amortisirten Werthpapiere. D. Allerlei. E. Sachregister zur sicht Nr. 4. Hülfstafel zur Berechnung von Stückrenten. Von Oscar Fleischhauer. IV. Miszellen. a) Der Uebergang Hamburgs von der (Silber⸗) Rechnung in Mark⸗Banko zur (Gold⸗) Rechnung in Mark⸗ Reichsmünze. (Von Emil Oechslin). b) Die Berlin⸗Anhaltische Süha und ihre Erweiterangs⸗Projekte. (Vom Herausgeber.) . Literatur.

Nach dem Jahresbericht der Handels⸗ oder Gewerbekamme

n Württemberg für das Jahr 1871 ist in Stuttgart eine Anzahl von Männern zusammengetreten, welche die Bildung einer von aller spekulativen Absicht entkleideten Aktiengesellschaft ins Auge gefaßt haben, mit dem Zwecke, innerhalb des Weichbildes dieser Efabt kleine und billige Wohnungen für die arbeitende und unbemittelte Bevölkerung derselben zu beschaffen. Das Unternehmen soll aber nicht den Charakter einer Almosenanstalt an sich tragen, sondern den ich Betheiligenden wird neben voller Sicherheit ihrer Einlagen eine erzinsung derselben geboten, welche dem landläufigen Zinsfuße ent⸗ sprechen wird. Den Arbeitern und Unbemittelten aber sollen Woh⸗

nungen verschafft werden, welche ihren Verhältnissen angemessen, für

sie erschwinglich sind, und worin sie ohne die Gefahr periodischer Steigerungen sich in Ruhe niederlassen können. Auch liegt es in der Absicht der Gesellschaft, den weniger Bemittelten den Ankauf solcher Wohnungen durch Einräumung billiger Zahlungsbedingungen möglich zu machen, und den größeren oder kleineren Fabrikanten und Arbeit⸗ gebern Gelegenheit zu bieten, sich bei der Unternehmung in einer Weise zu betheiligen, welche ihnen für ihre Arbeiter eine entsprechende Zahl von Wohnungen sichert. Sofern sich bei der Vermiethung oder Ver⸗ äußerung der Gebäude ein Ueberschuß über den landläufigen Zins er⸗ geben sollte, hätte derselbe die Bestimmung, zum gleichen Zweck des Baues kleiner und billiger Wohnungen verwendet zu werden. Die auf diesen Grundlagen errichtete Gesellschaft soll die Firma „Stutt⸗ garter Gemeinnützige Baugesellschaft“ annehmen. Das Aktienka⸗ pital ist im Maximum auf 1,000,000 Thaler, eingetheilt in 10,000 Stück Aktien à 100 Thaler = 175 fl., in Aussicht genommen. Der Stuttgarter Wohnungsverein, ist nicht mehr in der Lage, weiter zu bauen, und ist sein Zweck als erfüllt zu betrachten, nachdem er durch sein Beispiel andere Vereine und Privaten, selbst den Staat, ermuntert hat, ähnliche Unternehmungen zur Ausführung zu bringen. Die schon länger bestehenden und in den letzten Jahren wesentlich er⸗ weiterten Arbeiterwohnungen des „Heilbronner Wohnungs⸗ vereins“ sind fortwährend gesucht und keinen Augenblick unbesetzt. Die Arbeiterwohnungen, deren 24 durch zwei dortige Werkmeister hergestellt werden, sind zum Theil vollendet, zum Theil werden sie im Laufe des Sommers fertig. Es sind zwei Klassen, die eine mit je 3 Zimmern, Küche und Speisekammer in jedem Stockwerke, und mit 1 Zimmer und 1 Kammer im Dachstocke und einem Gärtchen, wird zum Preise von 5200 fl., die andere Klasse, welche mit Ausnahme des Zimmers im Dachstocke die gleiche Einrichtung hat, um 4700 fl. ver⸗ kauft. Es besteht in Heilbronn die Absicht, eine Baugesell⸗ b schaft 28 Aktien zu gründen, welche vorerst vorzugsweise billige Arbeiterwohnungen auch in anderen Theilen der Stadt als den bis herigen beschaffen und deren Anschaffung durch Annuitäten erleichtern wird. In Gemmrigheim a. N. findet die dort bestehende Holz⸗ stofffabrik nicht hinlänglich Wohnungen für ihre Arbeiter, weshalb sie die Absicht hat, demnächst eine Anzahl zweckmäßiger Wohnhäuser für ihre Arbeiter zu erbauen, wozu gls Baumaterial Beton gewählt werden soll, da Neckarkies in großer Menge billig zu gewinnen ist. Die von der Baumwollspinnerei Wangen erstellten Arbeiterwohnun⸗ gen in 2 abgesonderten Gebäuden nehmen 12 Haushaltungen auf. 8 Wohnungen enthalten je Oehrn, Keller, Küche, Wohnzimmer, Schlaf⸗ zimmer, Dachkammer, Holzplatz und Garten, bei einem Miethzins von 40 fl. per Jahr. 4 weitere Wohnungen bestehen in Wohnzimmer, 1 heizbaren und 2 unheizbaren Nebenzimmern, Keller, Oehrn, Dach⸗ kammer, Holzplatz und Garten, Micthzins 52 fl. per Jahr. Dai der Seidenspinnerei von C. U. Springer in Isny von Zeit zu Zeit, namentlich im Sommer, ein Mangel an weiblichen Arbeitern fühlbar wird, so entschloß sich der Besitzer probeweise Arbeiterwohnungen in der Nähe der Fabrik einrichten zu lassen, welche später erweitert we den können. Die mit der Seidenzwirnerei in Andelfingen O./2 Riedlingen verbundene Herberge für Heranziehung guter Arbeiterinnen hat auch im Jahr 1871 ihre Zwecke erfüllt. Das Kosthaus ist jetzt auf 170 Mädchen ausgedehnt. Der Verein zur Fürsorge für Fa⸗ brikarbeiterinnen in Stuttgart, Rüücher sich die Hebung der sittlichen und ökonomischen Zustände der Fabrikarbeiterinnen durch Errichtung von Herbergen, in welchen dieselben gesunde und billige Wohnungen finden, zur Aufgabe macht, hat die Zahl seiner Betten von 80 auf 100 vermehrt. Der Andrang von Aufnahme⸗Suchenden ist ein stetiger und großer. Ein Versuch in Göppingen, den weiblichen Arbeitern wenigstens während des Winters in den Mittags⸗ und Abendstunden Obdach und in dem für sie geheizten Lokale beleh rende Unterhaltung zu verschaffen, ist an der Nichtbetheiligung der Arbeiterinnen gescheiterr. In dem Jugendvereinshaus in Stuttgart, Gerberstraße Nr. 22 und b wurden vom 1. Oktober 187 bis 30. September 1871 in der Lehrlingsspeiseanstalt 28,700 Portioner Frühstuck, Mittag⸗ und Abendessen abgegeben; der Preis für die Por⸗ tion beträgt zur Zeit 3, 9 und 5 kr. Aufgenommen wurden im letzten Jahr in die Lehrlingsherberge, welche 57 Betten aufgestellt hat, 108 Söengs darunter 39 Bauhandwerker, 31 und Fabrik arbeiter, 38 sonstige Handwerker. Das Bett kostet für die Woch 21 bis 28 kr. In dem Feiecrabend, welcher von hier beschäftigten Lehrlingen und jungen Arbeitern, gebürtig aus allen Theilen de Landes, fleißig besucht wird, finden dieselben unentgeltlich an den Werktag⸗Abenden und Sonntag Nachmittags entsprechend Unterh altung und Belehrung durch Lesen guter Bücher, durch Spielen und Anhören von passenden Vorträgen. Die Gesellenherberge hat im ver⸗ gangenen Jahr in ihren 50 guten Betten 15,741 an⸗ und durchreisende Arbeiter und Handwerksgesellen beherbergt gegen die billige Entschädi⸗ gung von 6 bis 9 kr. für die Nacht. 1 London, 16. Januar. Der Werth der im Jahre 1872 von England nach dem Auslande exportirten Pferde belief sich au 179,472 Lstr. gegen 273,913 Lstr. im Jahre vorher. Der deklarirt Werth der im abgelaufenen Jahre nach Frankreich allein exportirte Pferde betrug 70,335 Lstr. Im abgelaufenen Jahre erreichte der Werth des in England importirten Rohtabaks die Höhe von 1,579,155 Lstr. gegen 2,462,670 Lstr. im vorhergehenden Jahre. Der Import von fabrizirtem Rauch⸗ und Schnupftabak erreichte im vorigen Jahre den Werth von 1,222,124 Lstr. gegen 862,236 Lstr. in 1871.

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