— 16. März. Heute Mittag erfolgte durch das Großher⸗ zogliche Staats⸗Ministerium der Schluß des seit dem 16. v. M. hier versammelten außerordentlichen Landtags, nachdem derselbe die ihm gemachten Vorlagen mit wenigen Ausnahmen im Sinne der Großherzoglichen Staats⸗Regierung erledigt hat. Abgelehnt wurde das Gesetz über Wasserversorgung, vorläufig zurückgezogen von der Regierung die Proposition über Errich⸗ tung eines Lehrerinnenseminars zu Eisenach. Einer der wich⸗ tigsten Beschlüsse des Landtags ist die Verwilligung der Kosten für eine Vorsynode zur Berathung der Synodalordnung, so daß nunmehr die Regierung weitere Schritte zu deren Ein⸗ führung thun kann. Aus dem vorgelegten Entwurfe sind die dem früheren Landtage anstößig gewesenen Bestimmungen über die Ausschreibung und Aufbringung der Kirchensteuern beseitigt worden. Der Landtag hat jedoch auch jetzt noch seiner Verwil⸗ ligung den Vorbehalt beigefügt, daß er damit seine Bewilligung zu dem Entwurf in allen seinen einzelnen Theilen nicht ausge⸗ sprochen haben wolle. — Für den nächsten ordentlichen Landtag ist außer dem neuen Schulgesetz auch die Vorlage eines neuen Wahlgesetzes und einer revidirten Gemeindeordnung in Aussicht gestellt.
Braunschweig, 12. März. In der heutigen Sitzung der Landesversammlung berichtete der Abg. Schmid für die staatsrechtliche Kommission über den von den Abgg. Bode (Braun⸗ schweig) und Koch gestellten Antrag:
Herzogliches Staats⸗Ministerium zu ersuchen, bei Sr. Hoheit, dem Landesfürsten zu erwirken, daß sich derselbe bewogen finden möge, mit der Krone Preußen eine Militär⸗Konvention abzuschließen.
Derselbe Antrag sei bereits auf dem letzten Landtage ge⸗ stellt und sämmtliche Gründe, welche der Zeit für Abschluß einer Militär⸗Konvention geltend gemacht worden seien, beständen noch jetzt. Müsse man auch einräumen, daß die Landesregie⸗ rung durchaus loyal verfahren sei und Alles gethan habe, was durch die Reichsgesetze hinsichtlich der Militärgewalt des Reichs gefordert sei, so liege der Grund für den allgemein laut gewordenen Wunsch nach Abschluß einer Militär⸗ Konvention darin, daß durch eine solche in vielfacher Hin⸗ sicht Vortheile für das Land sowohl als für das Offizier⸗ Corps entstehen würden. Aus diesen Gründen habe die Landes⸗ versammlung auf dem letzten Landtage mit großer Majorität den Beschluß gefaßt, an den Landesfürsten die bezweckende Bitte zu richten. Der jetzige Antrag beabsichtige nur eine Erinnerung an eine Antwort auf diesen Beschluß und giebt die Kommission anheim, denselben anzunehmen. — Die Versammlung geneh⸗ migte dann die von der Landesregierung gemachten Redaktions⸗ änderungen zu den Gesetzentwürfen wegen der Verhältnisse der Dissidenten und wegen Versäumung der sechswöchigen Tauffrist und gab dem ganzen Gesetze ihre Zustimmung. — Ferner be⸗ rieth die Versammlung die an die Kommission zur nochmaligen Prüfung zurückgewiesenen §§. 15 und 16 des Gesetzentwurfs, die anderweite Regulirung der Gehalts⸗ und Pensionsverhält⸗ nisse der Lehrer an den evangelisch⸗lutherischen Gemeindeschulen betreffend. Die von der Kommission gestellten Anträge wurden angenommen. — Der vierte Gegenstand der Tagesordnung war: Berathung des Gesetzes, den Betrieb der Dampfkessel betreffend.
Die Kommission für innere Angelegenheiten hat den Gesetz⸗ entwurf geprüft und empfiehlt denselben zur Annahme, hat jedoch zu einzelnen Paragraphen Aenderungsanträge gestellt. Mit die⸗ sen wurde das aus 9 Paragraphen, von denen einer nach dem Vorschlage der Kommission gestrichen wurde, bestehende Gesetz nach eingehender Berathung angenommen.
Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Gotha, 17. März. Heute Vormittag trat hier der neugewählte gemeinschaft⸗ liche Landtag der beiden Herzogthümer Coburg und Gotha zu seiner ersten Sitzung zusammen. Von Vorlagen, welche ihn zunächst beschäftigen werden, bezeichnete die Eröffnungsrede des Staats⸗Ministers einmal die Rechnungslegung über Verwen⸗ dung des der Staatsregierung für militärische Bedürfnisse ver⸗ willigt gewesenen Kredits (von 166,400 Thlr.) und sodann die Feststellung des Voranschlags für den gemeinschaftlichen Haus⸗ halt. In letzterer Beziehung ist eine Gehaltsaufbesserung für die gemeinschaftlichen Staatsbeamten ins Auge gefaßt, und die Eröffnungsrede betont dabei ihren Wunsch, daß die Gehalts⸗ aufbesserung für diese hier wie für die Staatsbeamten überhaupt
in den Speziallandtagen nach gleichen Grundsätzen geregelt werde. KFach Ansicht der Staatsregierung sind die Preife aller noth⸗ ppeendigsten Lebensbedürfnisse in den letzten 5—6 Jahren um rchschnittlich etwa 331 ⅛ Prozent gestiegen und, insofern die iger situirten Beamten diese Preissteigerung am härtesten u. soll denselben bis zu einem gewissen Betrage des Ge⸗ nämlich bis zu 300 Thlr. Jahresgehalt ein höherer
satz, nämlich 33 ⅛¼ Prozent vom bisherigen Gehalt als
gewährt, den besser situirten Beamten aber ein ge⸗
2 Prozentsatz, nämlich bis zu 800 Thaler 10 Prozent
züber 5 Prozent des bisherigen Gehalts zugeschlagen
1“ 7
8 9 1u“ erreich⸗Ungarn. Wien, 17. März. (W igen Abendblättern wird aus Prag gemeldet, daß howski und Ruzicka, welche wegen der gegen das eende Erkenntniß erster Instanz von Seiten des Staats⸗ gerhobenen Appellation bisher in Haft behalten waren, chluß des obersten Gerichtshofes gegen eine Kaution p. 10,000 und 8000 Gulden gestern Abend auf freien esetzt sind.
Pesth, 17. März. (W. T. B.) Im Abgeordneten⸗ se kam heute im weiteren Verfolge der Berathung über die teuervorlagen die Personal⸗Erwerbsteuer zur Diskussion. Wäh⸗ end Koloman Ghyczy für die Vorlage stimmen zu wollen er⸗ klärte, weil kein besserer Antrag vorliege, sprach sich Graf Lonyay, der gegen den Entwurf auftrat, dahin aus, daß er für denselben nur darum seine Stimme abgeben werde, weil vom Ministerium die Kabinetsfrage gestellt und er selbst durch den Beschluß seiner Partei gebunden sei.
Großbritannien und Irland. London, 15. März. Im Buckingham⸗Palast fand gestern Nachmittag ein Drawing⸗ Room (Empfang von Damen und Herren) statt, der als der erste der Saison sehr zahlreich besucht war. Die Königin erschien im Thronsaale in Begleitung des Prinzen und der Prinzessin von Wales, der Prinzessin Beatrice und den übrigen Mitliedern der Königlichen Familie. Das diplomatische Corps war mit Ausnahme des schwer erkrankten deutschen Botschafters, Grafen Bernstorff und dessen Familie, sowie des schwedischen Gesandten, Grafen Hochschild, der in Folge des Ablebens des Herzogs von Dale⸗ carlien am Erscheinen verhindert war, vollständig vertreten. — Prinz Nasroulla Mirza, ein Neffe des Schahs
1X1A“ “ 1u6* “ 8 8 8
von Persien, ist als Kornet der Kavallerie im Kaukasus in russische Dienste getreten.
— Die amtliche „London Gazette“ meldet die Ernennung des Herrn John Pope Hennessy zum Gouverneur und Commandeur en chef der Bahama⸗Inseln.
— Der deutsche Botschafter Graf Bernstorff hat dem neuesten Bulletin zufolge eine bessere, weniger schmerzvolle Nacht verbracht. Sonst ist in seinem Befinden keine wesentliche Ver⸗ änderung eingetreten.]
— 17. März. (W. T. B.) Gladstone hat seit seiner am Sonnabend erfolgten Berufung zur Königin mit keinem einzigen seiner Kollegen eine Besprechung gehabt und dürfte heute, wo er von seinem Landaufenthalte nach London zurück⸗ kehrt, eine weitere kurze Vertagung des Parlamentes beantragen. Es erhält sich das Gerücht, daß er persönlich zurückzutreten münsche; seine Parteigenossen hoffen jedoch, daß er die Premier⸗
schaft beibehalten und erst im kommenden Jahre das Parlament
auflösen werde — eine Eventualität, die, nachdem Disraeli die Bildung eines Kabinets abgelehnt, für wahrscheinlich gilt.
— Im Unterhause zeigte heute Gladstone an, daß er Tags vorher eine Mittheilung der Königin empfan⸗ gen habe, nach welcher er habe annehmen müssen, daß die Opposition die Hoffnung, ein Kabinet zu bilden, vollständig aufgegeben habe. Er habe deshalb seine Dienste der Königin wieder zur Verfügung gestellt und sei gegenwärtig mit den übrigen Mitgliedern des Ministeriums über die zu ergreifenden Maßnahmen in Berathung begriffen. Gladstone beantragte demnächst eine weitere Vertagung des Hauses bis zum Don⸗ nerstage, wo jedenfalls ein definitives Arrangement zu Stande gekommen sein werde. Disraeli erklärte, er sei bereit gewesen, ein neues Kabinet zu bilden, aber nicht unter Beibehaltung des jetzigen Parlaments. Das Haus beschloß die Vertagung bis zum Donnerstag. — Im Oberhause gab Lord Granville eine derjenigen Gladstone’'s ganz ähnliche Erklärung ab und schlug gleichfalls Vertagung bis Donnerstag vor. Der Herzog von Richmond (einer der Führer der Opposion) unterstützte den Vor⸗ schlag, das Oberhaus genehmigte denselben.
Frankreich. Versailles, 17. März. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Nationalversammlung machte der Mi⸗ nister des Auswärtigen, de Remusat, die Anzeige von dem Ab⸗ schluß des die Räumung des Gebiets betreffenden Vertrages mit Deutschland. Die Mittheilung des Ministers wurde von der Versammlungmit lauten Aeußerungen des Beifalls entgegen⸗ genommen; auf der Linken ließ sich der Ruf: „Es lebe die Re⸗ publik“ vernehmen; auf der Rechten rief man: „Es lebe Frank⸗ reich“. Nachdem von dem linken und dem rechten Centrum und von der Rechten verschiedene von einander abweichende Tages⸗ ordnungen beantragt waren, gelangte die folgende Tagesord⸗ nung zur Abstimmung: Die Nationalversammlung nimmt mit patriotischer Befriedigung die Mittheilung der Regierung ent⸗ gegen, welche, Dank den edelmüthigen und wetteifernden An⸗ strengungen des Landes, einen wesentlichen Theil der ihr oblie⸗ genden Aufgaben glücklich vollendet hat, und spricht derselben und dem Präsidenten Thiers, der sich um das Vaterland wohl verdient gemacht hat, ihren Dank aus. Diese Tagesordnung wurde nach vorheriger Abstimmung über die einzelnen Abschnitte derselben, darauf im Ganzen von der Versammlung mit Ein⸗ stimmigkeit angenommen. e1. 868
— Eine aus den vier Vize⸗Präsidenten, den Quästoren und zwei Sekretären der Nationalversammlung bestehende, von einer großen Anzahl von Deputirten der Centren und der Linken begleitete Deputation hat soeben dem Präͤ⸗ sidenten der Republik die von der Nationalversammlung be⸗ schlossene Resolution mitgetheilt. Der Vize⸗Präsident Mar⸗ tel referirte in der Nationalversammlung, der Präsident der Republik habe erklärt, das Vertranenszeugniß, welches ihm das Land und die Nationalversammlung ausgestellt, sei der schönste Lohn für seine Anstrengungen. Viele Deputirte haben sich bei dem Präsidenten der Republik einschreiben lassen.
Reichstags⸗Angelegenheiten.
Berlin, 18. März. In der gestrigen Sitzung des Reichstags leitete der General⸗Postdirektor Dr. Stephan die Berathung des Gesetzes, betreffend einige Abänderungen des Gesetzes über das Postwesen im Gebiet des Deutschen Reichs vom 28. Ok⸗ tober 1871, wie folgt, ein:
Bei der prinzipiellen Bedeutung des vorliegenden Gesetzentwurfes und dem Umstande, daß er auch in einen bestimmten Kreis von Le⸗ bensverhältnissen tiefer eingreift, als es auf den ersten Blick den An⸗ chein haben mag, fühle ich mich verpflichtet, dem Hohem Haufe eine einleitende Uebersicht der Hauptgesichtspunkte, von welchen die verbündeten Regierungen bei Aufstellung des Entwurfes ausge⸗ gangen sind, näher vorzuführen. Die spezielle Stellung, welche dieser Entwurf in der Reihe der Uioherigen Entwicke⸗ lungen auf dem Gebiete des Posttarifwesens einnimmt, wird am Klarsten erhellen, wenn Sie mir gestatten, einen schnellen Rückblick zu werfen auf die verschiedenen Phasen, welche die Gestaltung des Fahr⸗ Posttarifs bisher durchlaufen hat. Ich werde mich dabei kurz fassen nnd nur die charakteristischen Momente, die Hauptwendepunkte hervor⸗
eben. —
In der ersten Zeit der Entstehung des Postwesens in Deutsch⸗ land — bekanntlich beim Ausgange des Maximilianischen Zeitalters — wurde die Fahrpost von Privatunternehmern betrieben, die man damals unter den allgemeinen Begriff Botenanstalten zusammenfaßte, unter denen man sich aber nicht Fußbotenanstalten denken muß, son⸗ dern ziemlich ausgebreitete Fahrtenunternehmungen, die die großen Städte des Deutschen Reiches miteinander in Verbindung setzten.
Zum Theil standen einzelne Privaten an der Spitze; anderen Theils, da man die Form der Aktiengesellschaften noch nicht kannte, Korporationen von Kaufleuten, die Aeltesten der Börsen in den Han⸗ delsstädten, und ähnliche Körperschaften. 1
Die Tarife dieser Anstalten waren nun so angelegt, daß jede ein⸗ zelne Fahrt ihre eigene Taxe hatte, und zwar wurde diehe nach der wirk⸗ lich zurückgelegten Wegstrecke gemessen. So zerfiel beispielsweise die große Bckenfahrt von Hamburg nach Nürnberg in drei Unter⸗ nehmungen: von Nürnberg nach Gotha, von Gotha nach Braun⸗ schweig, und von Braunschweig nach Hamburg. Jede hatte ihren eigenen Tarif und diese Tarife wurden dann zusammengestellt, um den Gesammtbetrag des Porto oder der Fracht, wie man es wohl richtiger nennen muß, herzustellen.
Dazu wurde nun noch die Gebühr geschlagen für den Uebergang der Kollis von einer Botenfahrt auf die andere; und wenn schwierige Wegverhältnisse, Rebergänge über Ströme, Gebirgspassagen u. dergl. Ueeenkamen, wurden noch besondere Taxenzuschläge für diese Spezial⸗
eistungen erhoben.
„Auch waren die Taxen verschieden, je nachdem die Beförderung im Winter oder im Sommer stattfand. Sie wurden erhöht, wenn eine Steigerung der Futterpreise eintrat; sie richteten sich bei verschiedenen vorhandenen Routen jedesmal nach der Spedition. Wenn beispiels⸗ weise die Sendungen zwischen Franksurt g. M. und Cöln an gewissen Tagen über Bingen und anderen Tagen über den Westerwald befördert wurden, so waren die Taxen vollständig verschieden. Endlich wurde bei Bemessung der Taxen auf die Verhältnisse einzelner Industrie⸗ zweige, sowie auf die Konkurrenz etwaiger benachbarter Privat⸗Trans⸗
8
11“ 1“ E11“
port⸗Unternehmungen Rücksicht genommen. Außer nach Entfernung und Gewicht wurden auch nach dem Inhalte der Packete die Taxen bemessen. Dafür hatte man im Allgemeinen drei Klassen des Tarifs aufgestellt, die über 200 Jahre bestanden. 8
Es waren zunächst die gewöhnlichen Güter oder die Ordinarisachen, wie man sie damals nannte; auf sie fand der gewöhnliche Tarif, oder wie wir heute sagen würden, der Normaltarif Anwendung; dann die soge⸗ nannten pretiösen Sachen, wie Seide, Sammet und edlere Handels⸗ waaren; diese zahlten das doppelte der ordinären Taxe, und es ge⸗ hörten zu ihnen auch Bücher, Zeitungen und sonstige gedruckte Sachen. Dann folgte abwärts eine Kategorie, die sich einer besonderen Gunst erfreute: das waren die Viktualien. Diese zahlten nur die Hälfte des Porto für die Ordinari⸗Sachen, wobei aber doch wiederum Ausnah⸗ men gemacht wurden, indem es in den alten Tarifen heißt, daß die⸗ jenigen Viktualien, die in die Reihe der Delikatessen gehören, das Doppelte zahlen; als solche werden wörtlich aufgeführt, Austern, engl. Ale, holländische Liqueure und dergleichen.
Es ist nun klar, daß es überaus schwierig war, sich bei diesem Tarif⸗Wirrwarr irgend welche Berechnungen zu machen, und Opera⸗ tionen darauf zu gründen. Die Schriftsteller der damaligen Zeit sind voll von Klagen hierüber und es begann erst einige Klarheit in die Sache zu kommen, als die einzelnen Staaten die Posten übernahmen und die Territorialhoheit sich weiter ausbreitete. Für Preußen war dies das Zeitalter des Großen Kurfürsten von Brandenburg. Er be⸗ stimmte, daß die Taxen vereinfacht und namentlich niedriter festgestellt werden sollten, als auf den angrenzenden Ronten, also auf denen in den Kur⸗Braunschweigischen und Kursächsischen Landen, sowie im Thurn und Taxisschen Postbezirk. Er ordnete ferner an, daß die Rücksichten auf die einzelnen Industriellen, die früher eine große Rolle bei den Botenanstalten gespielt hatten, fernerhin ausgeschlossen sein sollten und daß man nicht auf die Begünstigung einzelner Produkte der In⸗ dustrie je nach den lokalen Verhältnissen vorzugsweise Bedacht nehmen, sondern daß der Tarif als ein einheitlicher, und ein für allemal für Jedermann gültiger festgesetzt sein sollte. Man behielt allerdings noch die Klassifikation in die vorhin erwähnten drei Klassen bei, nur daß die Bücher und Zeitungen unter die Rubrik der „schlechten Sachen“ rangirt wurden, damit für diese Versendungen die Anwendung des niedrigsten Tarifs sich ergebe. Außerdem wurde festgesetzt, daß der Tarif für Arme und unbemittelte Leute um 50 % heruntergesetzt werden sollte, wie es in dem alten Edikte heißt, „aus Commiseration“. Es wurde dann bestimmt, daß die Postämter sich die Herren vom Kommerzium vor⸗ laden und ihnen auseinandersetzen sollten, daß die Taxen viel billiger festgesetzt wären, als früher, „so daß kein vernünftiger Mensch“, wie es in dem Reskripte heißt, sich darüber zu beklagen hätte. Fadlich befahl der Große Kurfürst, daß jedes Postamt den Tarif öffentli aushängen sollte, und zwar bei 200 Thlr. Strafe.
Aus diesen Maßregeln ergiebt sich in der That für die damalige Zeit der Ausbildung des sogenannten Absolutismus eine bemerkens⸗ werth weitblickende Auffassung des wahren Wesens einer so in die Oeffentlichkeit gestellten und auf die allgemeine Wohlfahrt berechneten Anstalt, wie die Post. Die Taxe nach der Spedition der Sendun⸗ gen wurde allerdings noch beibehalten, und es trat beispielsweise der Fall ein, wenn eine Sendung von Berlin nach Königsberg i. N. zu schicken war, und die Post Donnerstags über Angermünde und Freitags über Küstrin ging, die Taxe auf je nach dem betreffenden dieser bei⸗ den Wege erhoben wurde, und also ganz verschieden war, für dasselbe Gewicht. Die Uebelstände, die hieraus entstanden, machten sich doch sehr bald fühlbar, jemehr der Postverkehr sich ausdehnte, und da in den letzten Jahren der Regierung des Großen Kurfürsten die Brandenburgischen Posten bereits von Cleve bis Memel reich⸗ ten, so kam man schon im Jahre 1688, dem Todesjahre des Großen Kurfürsten, dahin, einen sogenannten direkten Tarif aufzustellen, der ohne Rücksicht auf die Spedition der Sendungen An⸗ wendung finden sollte. Es war das für die damalige Zeit ein außer⸗ ordentlich wichtiger und bedeutender Schritt; die Taxe ward dadurch vollständig unabhängig von dem Wege, welchen das Packet nahm, und es konnten sich die Absender die Kosten im Voraus berechnen. Be⸗ reits im Jahre 1691 waren für 70 Postämter diese direkten Taxen eingeführt. Die näͤchste Entwickelung finden wir im Jahre 1713, wo die Anzahl der Postämter mit fester Taxe auf 100 gestiegen war, und wo es sich nun darum handelte, eine weitere Vereinfachung ein⸗ treten zu lassen, namentlich dahin, daß die Sommer⸗ und Wintertaxe egalisirt werden sollte. König Friedrich Wilhelm I. hatte zwar zu bedenken gegeben, ob diese Taxen nicht in die Höhe egalisirt werden könnten, also die Wintertaxe als die allgemeine einzuführen sei. In⸗ dessen wurde doch von dem General⸗Postamte dringend davon abge⸗ rathen, und es hat der Hochselige König mit den markigen Zügen seiner eigenen Hand unter den Bericht des General⸗Postamts, worin dasselbe die Erhöhung der Posttaxe als nachtheilig für das Landes⸗ wohl darstellt, ein: „recht!“ gesetzt. Es war das in derselben Zeit, wo in den benachbarten Ländern die Taxen wegen des eintretenden Sinkens des Geldwerthes zum Theil erhöht wurden.
In den Regierungsjahren Friedrichs des Großen trat zufolge der Erwerbung von Ostfriesland, Schlesien und Westpreußen eine weitere Vermehrung der direkten Posttarife und Verbindungen ein, man be⸗ hielt aber die früheren Taxsätze bei, bis im 7jährigen Kriege sich 1761 doch eine so bedeutende Theurung der Futterpreise bemerklich machte, daß zu einer Erhöhung von 50 % geschritten werden mußte; doch nur für die Fahrpost, indem die Postverwaltung abrieth, wenigstens jetzt auch schon eine Erhöhung der Taxen für die Briefe eintreten zu lal en. Das bestand bis zum Jahre 1766. Da hatten wir bekanntlich das Unglück, daß die französische Regie in die preußische Verwaltung ein⸗ geführt wurde, und wenn sie beim Postwesen im Anfange auch einige Verbesserungen traf, die freilich dem Könige dadurch unbequem wur⸗ den, daß sie mehr Ausgaben verursachten, so läßt sie doch schon in einem über diese Mehraufwendungen erstatteten Rechenschaftsberichte, die Absicht auf Tariferhöhung durchblicken, indem die Regisseure, es waren ihrer drei, darin sagen: sie würden diesen Ausfall en gros und q'un coup wieder einbringen. Und dieser Coup war eine allgemeine Erhöhung der Posttaxen, auch für die Briefe, die im Jahre 1766 vorgenommen wurde. Die Freude dauerte aber glücklicher Weise nicht lange, denn schon nach drei Jahren mußten die Regisseure das Land verlassen, und im Jahre 1772 wurde darauf die Taxe wieder auf den alten Fuß gesetzt, wobei ausdrücklich sich bemerkt findet, daß man sie im Jahre 1766 doch zu unproportionirlich und unbescheidentlich erhöht habe. Welche eigenthümlichen Schwierigkecten damals in Bezug auf die Festsetzung der Taxe mit den benachbarten Staaten noch bestan⸗ den, geht beispielsweise daraus hervor, daß in dem genannten Jahre 1772, wo es sich darum handelte, eine erste Fahrpost von der Grafschaft Mark nach Elberfeld und Düsseldorf anzulegen, sowohl von Kur⸗Cöln als von Kur⸗Pfalz die größten Schwierigkeiten dagegen erhoben wur⸗ den, einmal weil das preußische Porto billiger sei, als das ihrige, und zweitens, weil hinwiederum die Zölle in Preußen theurer seien, als die in ihren Gebicten, so daß die Fahrpost lediglich zur Begün⸗ stigung der preußischen Produkte gereichen würde.
Die Taxe blieb nun unverändert bis 1801 bestehen; da wurde eine allgemeine Vermessung der Landstraßen vorgenommen, während die bisherigen Entfernungen lediglich nach dem Laufe der Posten be⸗ ziehungsweise nach der Zeit, die auf den Weg verwendet wurde, be⸗ messen worden waren. Es war dies ein wesentlicher Fortschritt, denn so lange das Zeitmaß allein entscheidend war, kam bei der Taxe die Beschaffenheit der Wege zum Ausdruck; indem die Post au sclechter und auf bergigen Wegen langsamer als auf guten und ebenen
egen fuhr. Diese Verschiedenheiten schwanden also im Jahre 1801. Es trat dann seit dem Jahre 1805 eine vorübergehende Erhöhung von 50 % wegen der Steigerung der Getreidepreise ein; diese wurde im Jahre 1811 wieder beseitigt.
Dann erfolgte unter der Verwaltung des Staatskanzlers Fürsten von Hardenberg, des obersten Chefs des Postwesens, im Jahre 1821 eine entscheidende Wendung des Systems, indem die Entfernung zwischen den einzelnen Postanstalten nicht mehr nach den Wegestrecken, sondern nach der direkten Entfernung, der Luftlinie vermessen wurde, wo⸗ ödurch der sogenannte Binnenporto fortfiel. Dies wurde nämlich von allen denjenigen Postanstalten, die keine direkte Taxe hatten, als Zu⸗ schlag erhoben; wenn z. B. ein Packet oder eine Geldsendung von
11““ 1“X“ Berlin zu versenden war, und nur und Brandenburg eine direkte Taxe bestand, so trat dem aus der letz⸗ teren sich ergebenden Satze noch die Taxe von Brandenburs bis Ra⸗ thenow, die dortige Lokaltaxe, hinzu. Da nun die Zahl der Post⸗ anstalten sich so vermehrt hatte, — daß damals schon über 1000 be⸗ standen, so fanden diese sogenannten Binnentaxen für eine nicht un⸗ erhebliche Anzahl kleinerer Orte Anwendung. Sie verschwanden sämmtlich, nachdem auf einer im Jahre 1821 sehr sorgfältig ent⸗ worfenen Karte die direkten Entfernungen (Luftlinien) zwischen säͤmmt⸗ lichen Postanstalten vermessen wurden, eine Arbeit, die drei Jahre in Anspruch nahm. Zugleich wurde die Unterscheidung nach dem In⸗ halt der Packete beim Posttarif im Wesentlichen fallen gelassen, und die Taxe für alle Sachen nur nach dem Gewicht erhoben; inder wurde mit Akten, sowie in Beziehung auf den Geldverkehr, doch no eine Ausnahme festgehalten und eine besondere Taxe nach dem Inhalt erhoben: je nachdem es sich um Silber, Gold oder Tresorscheine handelte. Die nächste Phase in der Entwickelung des Posttarifs finden wir dann im Jahre 1847; und diese hatten die Eisenbahnen zu Wege gebracht. Der Tarif, wie er im Jahre 1824 aufgestellt war, ergab 3 Pfennige für die Meile und das Pfund, und dieser Betrag schien bei der Schnelligkeit der Beförderung, wie sie durch die Eisenbahnen herbeigeführt wurde, zu hoch gegriffen; man ließ daher damals einen um die Hälfte ermäßigten Tacih eintreten für den Weg, der auf der Eisenbahn zurückgelegt wurde, also den Tarif von 1 ½ Pfennig pro Meile und Pfund. Es war damit wieder eins der alten Tax-Prin⸗ zipien, die schon verworfen gewesen waren, nämlich der Unter chied L und schneller Beförderung, zwischen gewöhnlichen Wegen und Chausseen wieder eingeführt. Auch hier ergaben sich aber bald wieder Schwierigkeiten, da Fälle vorkommen mußten, wo die Packete nur theilweise auf den Eisenbahnen und theilweise auf den Postwegen befördert wurden. Es trat daher schon im Jahre 1852 die Noth⸗ wendigkeit ein, diesen Unterschied, der ein Rückschritt gewesen war, wieder abzuschaffen. Das Porto ward allgemein auf 1 ½ Pfen⸗ nige für das Pfund und die Meile festgesetzt. Eine große Erleichterung hatte inzwischen der Geldtarif im Jahre 1848 erfahren, um in Folge des Geldmangels, der aus den bekannten Verhältnissen des Nothjahrs dem Jahre 1847 sich herschrieb, den Geldumlauf zu befördern; es woeden nur 3 Zonen angenommen, wie sie heute noch bestehen, bis zu 10 Meilen, 50 Meilen und darüber. Allerdings wurde noch der Unterschied festgehalten zwischen Gold, Silber und Papiergeld. Indeß auch dieser Unterschied wurde im Jahre 1853 be⸗ seitigt und es war damit eine Basis gewonnen, den Tarif weiter we⸗ sentlich zu vereinfachen. Inzwischen gingen in Deutschland die be⸗ kannten Neugestaltungen vor sich und wir gelangten im Jahre 1867 dahin, einen Tarif für das ganze Gebiet des Norddeutschen Bundes zu entwerfen. Bis dahin war, wenn die Einheitlichkeit des Tarifs auch schon sehr erheblich im internen Verkehr zugenommen hatte, doch für den internationalen Verkehr in Deutschland noch eine sehr große Schwierigkeit bestehen geblieben. Wenn man, noch in den fünfziger Jahren, ein Packet von Bremen nach München zu schicken hatte, so wurde zuerst die Entfernung für Hannover berechnet bis Peine, dann kam der Antheil Braunschweig bis Jerxheim, dann der Antheil Preußens von Jerxheim bis Schkeuditz,
dann der Antheil Sachsens von Schkeuditz bis Plauen, und schließlich der Antheil Bayerns von Planen bis München zur Berechnung. Das war natürlich eine außerordentlich komplizirte Taxirung;
und dabei waren die Taxen je nach den Routen und der Anzahl der unterwegs berührten deutschen Staatsgebiete verschieden; wenn ein Packet Abends abging, so unterlag es einer ganz anderen Tarifberechnung, als wenn dasselbe Morgens befördert wurde. Es bestand das noch bis zum Jahre 1858. Diese Schwierigkeiten zu beseitigen, gelang im Jahre 1857 der allseitigen Vereinbarung der deutschen Postverwaltungen. Man adoptirte das Prinzip, welches im Jahre 1824 in Preußen ein⸗ geführt war, auch für den deutschen Postverein und es wurden alle Gebiets⸗Grenzen als solche in postalischer Beziehung aufgehoben und ohne Rücksicht auf die Spedition der Tarif lediglich nach der direkten Entfernung bemessen. Die Verrechnungen zwischen den einzelnen Post⸗ verwaltungen, die erfolgen mußten, weil die Verwaltungen getrennt waren und jede einen eigenen Fiskus bildete, wurden lediglich durch Kommissionen gemacht, welche alle 2 bis 3 Jahre zusammentraten und die nöthigen speziellen Berechnungen aufstellten; so daß das Publikum von der Last der Berechnung des Porto, wie es sich aus dem Durchgange durch die einzelnen Staaten zusammensetzte, ganz befreit blieb, alle Verschieden⸗ heiten und Verwickelungen aufhörten, und alle deutschen Staaten, mit Oesterreich, im Postverkehr als Ein Gebiet angesehen wurden.
Dies, meine Herren, ist die Entwickelung, wie sie bisher das Post⸗ tarifwesen genommen hat. Das sind die geschichtlichen Thatsachen, und wenn man die Folgerungen und Lehren in’s Auge faßt, die man aus ihnen entnehmen kann, so zeigt sich mit voller Sicherheit, daß der allgemeine Charakter dieser Entwickelung der Fortschritt ist von vielen Besonderheiten zu einem Allgemeinen, von dem Verwickelten zum Ein⸗ fachen, von der Vielgestaltigkeit zur Einheit. Es kamen in der gan⸗ zen Perspektive des Bildes, welches ich vor Ihnen aufgerollt, die Li⸗ nien immer näher zusammen, die Abstände werden immer kleiner, bis sie zuletzt in dem Verschwindungspunkte des Einheits⸗ tarifs ganz aufhören. Die Verhältnisse sind nun soweit gediehen, nach der Auffassung der verbündeten Regierungen, uUm diese schließliche Entwicklung, diesen Abschluß, der sich doch einmal wird vollziehen müssen, schon jetzt eintreten lassen zu können. Es ist ja nicht in Abrede zu stellen, daß der beabsichtigte Schritt vielleicht als ein gewagter bezeichnet werden kann, und es hat uach an Stimmen nicht gefehlt, welche darauf aufmerksam gemacht haben, daß man wohl zu radikal vorgehe. Indeß der Standpunkt der verbündeten Regierungen in dieser Sache war folgender. Der Tarif von 1867, der auch in den Tarif von 1871 übergegangen ist, hat bekauntlich im Reiche nicht große Befriedigung hervorgerufen. Es ist dies kein Vorwurf gegen den Tarif, er war das nothwendige eines nothwendigen Kompromisses; sollte nun den Klagen, welche gegen diesen Tarif erhoben sind, Abhülfe geschaffen werden, so boten sich zwei Wege dar: man konnte entweder wieder einen Kompromiß machen und eine Reihe von einzelnen Tarif⸗Sätzen — allerdings we⸗ niger, als damals angenommen worden sind — aufstellen und so ein Zwischenstadium schaffen; aber, meine Herren, dabei war vorauszu⸗ sehen, daß wir in wenigen Jahren ebensoweit gelangt sein würden, als wir uns jetzt befinden, es würden sehr wenige Kreise des Verkehr treibenden Publikums auf die Dauer durch einen solchen Tarif befrie⸗ digt gewesen sein, und wenn ich auch allen möglichen Respekt vor Kompromissen habe, so haben sie doch auch eine Schattenseite: sie schieben, indem sie augenblickliche Unbequemlichkeiten aus dem Wege räumen, die Last des wirkichen Ausgleichs eigentlich auf die Schultern der Zukunft, und die Erleichterung ist also häufig nur eine scheinbare. Der zweite Weg war der, eine Einheitstaxe aufzustellen. Wir haben nun vorgezogen, Ihnen vorzuschla⸗ gen, die Einheitstaxe einzuführen, und wir sind auch eigent⸗ lich nicht in Sorge über das finanzielle Resultat dieser Maßregel. Etwas Anderes ist es — in dieser Beziehung kann man sich allerdings eines gewissen Bedenkens nicht entschlagen — ob es möglich sein wird, den Andrang von Packeten, der offenbar entstehen wird, in der Weise zu bewältigen, wie man es von einer guten Postbeförderung verlangen muß. Ich glaube aber, daß wir die Leistungsfähigkeit der Postver⸗ waltung durch eine bessere Verwerthung der Kräfte und durch Verein⸗ fachung der Formen des Expeditionsmodus noch so steigern können, daß es möglich jein wird, diesen Dienst und Betrieb zu bewältigen. Was die bloßen Transporte betrifft, so kann die Post nach den bisherigen Crfahrungen im Allgemeinen auf das Entgegenkommen der Eisen⸗ bahnen rechnen; sollte dies in einzelnen Fällen wider Erwarten nicht der Fall sein, so wird durch wirksame Wahrnehmung der Rechte und der Interessen des Postwesens als des allgemeinen Reichsverkehrs⸗ Institutes die erforderliche Abhülfe geschaffen werden können. Wenn ferner auch nicht zu verkennen ist, daß das befruchtende Element, wel⸗ ches in den neuen Taxen liegt, neben dem reichen gesunden Wachs⸗ thum vielleicht auch manche Wucherpflanzen hervortreiben wird, Miß⸗ bräuche in dem Packetverkehr, bedenkliche Spekulationen und dergl., o glaube ich doch, — das zunächst ruhig abwarten kann; ollte die Nothwendigkeit, in dieser Beziehung Abhülfe zu schaffen,
ö“ 8 91 zwischen Berlin
in seinem Erwerbe durch die
Produkt
intreten, so werden die verbündeten Regierungen, soweit es nicht in den
Verwaltungsbefugnissen liegt, durch reglementare und administrative Vorschriften das Erforderliche zu ordnen, sich mit bezüglichen Vor⸗ schlägen an dieses Hohe Haus wenden und die Mitwirkung desselben zu den nöthigen gesetzgeberischen Maßregeln auf dem geordneten Wege in Anspruch nehmen.
Ich wende mich jett zu der Geldtaxe, bei welcher wir uns einer gewissen Besorgniß über das finanzielle Resultat nicht ganz entschlagen können. Die Geldtaxe wird eine sehr erhebliche, zum Theil noch er⸗ heblichere Ermäßigung erfahren, als die Packettaxe. Es wird, wäh⸗ rend jetzt eine Sendung mit 1000 Thalern von Berlin nach Mannheim 35 Sgr. kostet, dieses Porto künftig auf 9 Sgr. ermäßigt, und wie groß der Fortschritt gegen frühere Zeiten ist, mag auch daraus ent⸗ nommen werden, daß noch vor einem Jahrhundert der Transport von 100 Thalern von Berlin nach Hamburg 12 Sgr. kostete; ein Satz, wie er auch schon im Jahre 1691 bestand und wie er damals dem Werthe von drei Arbeitstagen oder dem damaligen Werthe eines Scheffels Roggen gleich kam. .
Der Ausfall beim Versicherungsporto ist in den Motiven auf etwa 800,000 Thlr. angenommen worden, es ermäßigt sich dieser Ausfall um etwa 200,000 Thlr. durch anderweite Normirung des Gewichtportos; aber er bleibt immer noch sehr bedeutend; und man hat lch doch eines gewissen Bedenkens nicht entschlagen können, ob es räthlich sein würde so weit zu gehen, zumal dem Ausgabebudget der Postverwaltung eine sehr erhebliche Mehrbelastung in Aussicht steht, einmal aus Anlaß der weiteren Verbesserungen der Lage der Beamten, und zweitens auf dem Kapitel des Baufonds: denn die Kosten der Bauten steigen in Folge der bekannten Arbeiterverhältnisse und der seneen Preise des Baumaterials in einer Weise, die gegen Alles rüher ganz unerhört ist. Wir sind bei der Post in Bauausführun⸗ gen begriffen, bei welchen der Anschlag um das Dreifache überschritten wird. Nichts desto weniger, und obwohl diese Mehrbelastun⸗ gen in Aussicht stehen, haben doch die verbündeten Regierungen gemeint, der Beförderung des Verkehrs und Erleichterung des Geld⸗ umsatzes, jetzt dieses Opfer bringen zu können; sie haben vorgezogen, auch hier nicht in einzelnen Zwischenstadien durch allmähliche Ermäßi⸗ gungen, die am Ende doch Niemand befriedigt hätten, vorzugehen, sondern lieber die Hindernisse, die uns noch von dem erstrebenswerthen Ziel des Einheitsporto trennen, mit einem kräftigen Satze zu nehmen, anstatt sie stückweise abzubrechen und Staub und Schutt mitzu⸗ schleppen. 1 V Virr glauben annehmen zu dürsen, daß das Gesetz in seiner Ge⸗ sammtheit einem wesentlichen Bedürfniß abhilft und daß es, wenn es sich auch immerhin als der erste Versuch charakterisirt, für ein
großes Gebiet das Einheitsporto bei der Fahrpost einzuführen, doch insofern unter allen Umständen eine Berechtigung in sich hat, als die Größe des Ziels die Anstellung des Versuchs rechtfertigt; und wenn wir auch nicht verantworten können, daß bei einem Gesetz, welches so tief in die vielen Lebensverhältnisse eingreift, und über das Jeder aus seiner Spezialerfahrung heraus, da Jeder⸗ mann ja die Post benutzt, ein Urtheil hat, alle Parteien befriedigt sein können: so glaube ich doch, im Großen und Ganzen wird es als ein Fortschritt angesehen werden können.
Es sind dem General⸗Postamte bereits verschiedene Eingaben zu⸗ gekommen, die ungefähr auf die Stellung schließen lassen, welche die etwaigen Gegner der Vorlage einnehmen werden; ein Theil derselben wird möglicherweise zwar die Ermäßigungen sehr gern hinneh⸗ men wollen, aber man wird mit den Erhöhungen nicht zufrieden sein, die doch andererseits ganz unvermeidlich sind, wenn man die Taxe ver⸗ einfacht, und mithin Durchschnittssätze an Stelle der bestehenden Einzelsätze treten läßt. Sodann ist auch von anderen Seiten dem General⸗Postamte bemerkt worden, daß diese Ermäßigungen noch lange nicht weit genug gingen, und man erwarte, daß in noch viel entschiedenerer Weise Herabsetzungen eintreten würden, — grade im Gegensatze zu den Stimmen, die vor den beabsichtigten Ermäßigungen, als zu weitgehend, gewarnt haben. Ja, meine Herren, die Leute dieser Art sind überhaupt nicht zu befriedigen; und wenn wir morgen die Packete und Gelder ganz umsonst beförderten, so würden sie noch lange nicht zufrieden sein, sondern sicherlich noch eine besondere Ent⸗ schädigung fuͤr den Gang nach der Post und das gestörte Frühstück verlangen. Endlich — und auf die Vertreter dieser Ansicht lege ich mehr Werth — kommen bierbei in der That manche lokale Inter⸗ essen und Verhältnisse spezieller Industriezweige in Betracht; ich will namentlich das Versicherungswesen hier anführen, das Ermäßigung der Geldtaxe aller⸗ dings erheblich geschmälert werden wird, auch kommen noch andere derartige lokale und partikulare Interessen in Betracht. Ich glaube nun nicht, daß in diesem Hohen Hause diese Interessen als solche Ver⸗ tretung vnd ürsprache finden werden; ich nehme vielmehr an, daß, wenn
in 8* Beziehung das Wort esgriffen wird, dabei der Standpunkt vor⸗
waltet, daß durch Schädigungen des lokalen Interesses der Einzelverhältnisse auch das Ganze, das Interesse der Nation und des Reiches benach⸗ theiligt werde. In dieser Beziehung möchte ich mir aber nur crlauben, darauf aufmerksam zu machen, daß in einem lebensvollen Körper, in einem Organismus, wie ihn das Deutsche Reich darstellt, in jedem Falle auch die einzelnen Glieder gedeihen, sobald das Ganze gedeiht. Und daß dieses Gesetz den Erfolg haben wird, das Ganze gedeihen zu machen. Meine Herren! Das duüͤrfte wohl kaum zu bezweifeln sein. Denn dieses Gesetz wird den friedlichen und freundschaftlichen Verkehr beleben, die Familienbeziehungen stärken und den Gewerbfleiß anregen; es wird manche Elemente, die jetzt noch gehemmt sind, einigen, den Austausch der Produkte der Kunst und Wissenschaft befördern und im wahren Sinne des Worts dazu beitragen, daß das mit an die Spitze der Reichs⸗Verfassung gestellte Ziel: die Pflege der Wohlfahrt des deutschen Volkes immer mehr verwirklicht werde.
Kunst und Wissenschaft.
Das 24. Heft der Annalen des historischen Vereins für den Niederrhein, insbesondere die alte Erzdiözese Cöln, hat folgenden Inhalt: Landaufenthalt des Cölnischen Kurfürsten Joseph Clemens auf dem Schlosse Raimes bei Valenciennes im Sommer 1712, mitgetheilt vom Ober⸗Bürgermeister Kaufmann (ein nach dem Diktat des Kurfürsten selbst, vom Geh. Kanzlisten Gabriel Kopp geschriebenes Tagebuch). — Die Freiherren von Breidbach zu Bürresheim (bis auf die jetzige Zeit), vom Hofrath Weidenbach. — Ueber die villa regia Flamersheim und die daraus entstandene Pfarrei und Gemeinde Kirchheim, vom Pfarrer Dochern. — Ueber das Amt⸗ recht an der Düffel, vom Prof. Dr. Schröder. — Historisch⸗kritische Untersuchungen über die Grafen⸗ und Dynastengeschlechter am Nieder⸗ rhein im 11. und 12. Jahrhundert (über das Grafengeschlecht von Nörvenich und die davon abstammenden Geschlechter), vom Pfarrer Müller. — Beitrag zur Geschichte des Hospitals zum h. Geist, in Neuß und dem damit verbundenen Rektorat, von Prof. Hüffer. — Ueber die Familie von der Lippe genannt Hune, vom Freiherrn v. Hoingen⸗Huene. — Weishümer und Amt und Stadt Kempen, von Dr. Keussen. — Urkunden über das Kloster Steinfeld, mitgetheilt von Dr. Ennen — Urkunden, betreffend Stadt und Erzstift Cöln, mitgetheilt von J. Merlo.
Jena, 15. März. Der Hofrath Prof. Dr. Wilhelm Müller hat einen Ruf nach Prag abgelehnt. — Dem Prof. Dr. R. A. Lipfius ist das Prädikat „Kirchenrath“ ertheilt worden.
— Am 6. März hat sich in Hamburg unter dem Präsidium des Bürgermeisters Dr. Kirchenp auer eine geograp hische Ge⸗ sellschaft gebildet. Erster Sekretär ist Herr Friedrichsen, bekannt als der Kartograph und Verleger des „Journals des Godefroi'schen Museums“, und zweiter Sekretär ist Herr Dr. Rümker, Direktor der Hamburger Sternwarte.
Rom, 14. März. Gestern Abend 9 Uhr 5 Minuten wurde hier eine ziemlich starke Erderschütterung in der Richtung von Nord nach West verspürt. Sie danerte 16 Sekunden und die wellenför⸗ mige Bewegung war so merkbar, daß viele Klingeln anschlugen, die Gasflammen in den Cafés und anderen öffentlichen Gebäuden lebhaft Kackerten, auf dem Observatorium die Ul plötzlich stillstand und
r.
8 alle App . 1 dnung geriethen. Auch in Venedig wurden am 12. d. bei bewegtem Meer Erderschütterungen wahrgenommen. 2 8 1“
Gewerbe und Handell.
Ledermesse zu Frankfurt a. O. Frankfurt a. O., 11. März. (Berl. Berichte über Leder ꝛc.) Einer solchen Schnelligkeit, mit welcher der Lederverkauf in dieser Messe stattfand, kann sich der älteste Gerber nicht erinnern. In Fäbsen ging das Geschäft flott weg und Schaf⸗ leder wurde den Verkäufern buchstäblich vom Wagen gerissen und er⸗ zielte letzteres daher einen Aufschlag gegen die vorige Messe von 5 bis 8 Thlr. pro 100 St.; auch in Brandsohlleder und übrigen Artikeln war das Geschäft schnell beendet, so daß heute Mittag nichts mehr zu verkaufen war. Die ütahren waren im Allgemeinen gering, denn das ganze zugeführte Leder wog vielleicht circa 3000 Ctr., wovon 800 Ctr. Kips, einige hundert Centner Schafleder, das Uebrige in Brand⸗ sohlleder, Fahl⸗, Geschirr⸗ und andere Sorten Leder bestanden. Die Preise waren folgende: Deutsch Brandsohlleder brachten 53 — 54 Thlr., Wildes 55 Thlr. pro Centner, Geschirrleder 16 ½ — 17 ½ Sgr. pro Pfd., Fahlleder 13 — 14 Pfd. schwere Wagre 20 — 21 Sgr. Kiyse, wovon Neustad a. Orla nur 250 Ctr. zur Stelle hatte (indem ein Berliner Engros⸗Händler schon vor der Messe daselbst bedeutend einkaufte) er⸗ zielten für 3— 4 Pfd. schwere Waare 20 — 21 Sgr., 6 Pfd. schwere 18 — 19 Sgr. und für geringe 14 — 15 Sgr. pro Pfd. Von Kalbleder war so gut wie nichts am Platze, Alaungar Rindleder brachte 14 ½ Sgr. pro Pfd. In Roßleder⸗Artikeln war genügende Zufuhr und konnte nur Ausschnitt ausverkauft werden, Schuhleder brachte in feinster Gerbung 26—28 Sgr. pro Pfd.
Farbenleder waren von den bekannten Fabrikanten zugeführt und wurden bei erhöhten Preisen schnell vergriffen.
Bei den Weißgerbern war das Geschäft wie oben erwähnt ein sehr flottes, denn Händler hatten schon einige Tage vor der Messe die
brikationsplätze, wie Kirchham, Reppen, Zielenzig, Frankfurt a. O. u. s. w. aufgesucht, und die meisten Posten Schafleder schon im Hause weggekauft; es war daher ganz natürlich, da viele Käufer am Platze, welche sehr Schaflederbedürftig waren und mehrere davon nur aus zweiter Hand kaufen mußten, daß die Preise sich der⸗ artig gestalteten, daß man kann, solche Schafleder⸗ Preise haben noch nicht erxistirt. Von Kirchhain waren diesmal nur circa 60 Ctr. Weißleder am Paatze, desgleichen waren von Berlinchen, Friedeberg und andere Orte wenig zu⸗ geführt und erzielten folgende Preise: 7 Pfd. schwere reine Waare brachte 50 — 52 Thlr., 6 ½ Pfd. 48 — 50 Thlr., 4 Pfd. 28 — 30 Thlr., desgleichen wurde 8 ½ Pfd. schwere mit 60 Thlr. und ein Pöstchen über 12 Pfd. schwer mit 75 Thlr. pro 100 St. bezahlt. In braunem Schafleder ging es noch lebhafter her und wurden einige Posten davon 2— Zmal verkauft, viele davon unbesehen; die Preise dafür sind bei 1 Pfd. höherm Gewicht die nämlichen, als bei Pesstedde
Alles Schafleder war meist schon am Sonntag verkauft.
Sämischleder war wenig am Platze und wurde gutes Rehleder sehr bald an Händler, desgleichen auch das wenige Schafleder verkauft, sächsische Fabrikanten waren diesmal ausgeblieben. ““ In der gestrigen Nummer dieses Blattes (Beilage) ist in der Notiz aus Leipzig über die Resultate der Kündigung der Verbands⸗ gehülfen in den Vereinsoffizinen zu lesen: Von 400 Offtzinen liegen Erklärungen vor.
— Ueber die Gewebeindustrie Württembergs im Jahre 1871 entnehmen wir dem Jahresbericht der Handels⸗ und Gewerbe⸗ kammer daselbst Folgendes: Für die Baumwollenindustrie war das Jahr ein günstiges, doch sind größere neue Etablissements nicht ent⸗ standen, auch bestehende nicht in belangreicher Weise ausgedehnt worden, weil die Unternehmer erst die Entwickelung der elsässer Konkurrenz, die sich bis dahin noch nicht fühlbar gemacht hat, abwarten wollen. Die Spinnereien er’ielten besonders günstige Erfolge bei namhafter Mehrproduktion; so fertigte ein Etablissement in Calw 531,291 Pfd. englisch, 123,738 Pfd. mehr als im Jahre 1870. Der Absatz von Strick⸗ und Nähgarnen nahm erheblich zu, weil die englischen Fa⸗ briken durch anderweite Aufträge stark in Anspruch genommen waren. Unter den Fabrikaten der mechanischen Weberei erholten sich besonders Druck⸗Callicos von der Vernachlässigung, unter welcher sie mehrere Jahre lang gelitten hatten. Die Anfertigung von Stuhltüchern, d. h. Geweben aus gebleichten Garnen, nimmt von Jahr zu Jahr zu. Die Handweberei ist stark im Abnehmen begriffen, hatte aber, namentlich auf farbige Gewebe, zahlreiche Aufträge. Die Jacquardweberei gewinnt durch den Einfluß der Webschule in Heidenheim von Jahr zu Jahr an Bedeutung; die betreffenden Etablissements erweitern sich nachhaltig und bieten in überseeischen Ländern der auswärtigen Kon⸗ kurrenz erfolgreich die Spitze. Die Sammet⸗ und Manchesterfabriken waren auf Monate hinaus mit Aufträgen versehen. Fagonnirte Gewebe wurden in bedeutenden Quantitäten von den Druckern gekauft.
Der Absatz von Weißwaaren nahm erheblich zu, namentlich in glatten Waaren zur Blumenfabrikation, worin sich jedoch bei dem Absatz nach Paris später die elsässer Konkurrenz bemerklich machte. Die brochirten und damascirten Vorhangstoffe verdrängen allmählich die leichtere sächsische Waare. Auf den Absatz gestickter Gardinen ist die St. Galler Konkurrenz in Folge des ermäßigten Zolls von nach⸗ theiligem Einfluß gewesen.
Die Kammgarnspinnerei in Bietigheim machte für das Jahr 1871 einen sehr günsti en Abschluß; sie hat 32,000 Feinspindeln in Bewegung (17,000 in Bietigheim, 15,000 in Worms), beschäftigt ca. 650 Arbeiter und produzirte im Jahre 1871 900,000 Pfd. feine Kammgarne zu Webereizwecken, gegen 150,000 Pfund im Jahre 1860. Die Tuchfabriken geriethen Ende des Jahres nach sehr lebhafter Pro⸗ duktion in Verlegenheit, als die Bestellungen für Militartuch auf⸗ hörten. Der Kleinbetrieb in dieser Branche schreitet, besonders in Folge norddeutscher Konkurrenz, immer mehr zurück.
Der Absatz wollener Decken war im Jahre 1871 viel größer als im Jahre 1870. Die ausländische Konkurrenz macht sich in diesem Ar⸗ tikel gar nicht fühlbar, ja der Absatz nach dem Auslande bleibt fort⸗ dauernd im Steigen. Auf die Fabrikation wollener Teppiche, denen in Elsaß⸗Lothringen ein neues Absatzgebiet erschlossen ist, wirkte der hohe Preis des Rohstoffs nachtheilig. Für karrirte Flanelle fehlte es an Arbeitskräften. Die Wollfilzmanufaktur in Giengen konnte, einer bedeutenden Erweiterung ungeachtet, die eingehenden Aufträge nicht bewältigen. Schuhzeuge, Cords und Plüsch wurden lebhaft gefragt, lohnten aber wegen der hohen Selbstkosten nicht günftig.
Die Flachsspinnereien hatten in den ersten sechs Monaten des Jahres unter hohen Flachs⸗ und niedrigen Garnpreisen zu leiden. Die Leinenzwirnerei empfand die belgische Konkurrenz. Für die Leinen⸗ weberei waren die Preise günstig, aber die schönen Baumwollenstoffe benachtheiligen den Absatz der Hemdenleinen, deren Konsum um 20 % gefallen ist. Die Nachfrage von glatten Leinen, Gebildleinen und Taschentüchern war sehr lebhaft. In Laichingen auf der Alb sind 254 Leinweberwerkstätten mit 621 Stühlen; eine Fabrik mit 9 breiten
arate des Paters Secchi in Un
und 13 schmalen Jacquard⸗ und Dampfstühlen leistet Ausgezeichnetes. Die Nachfrage nach Seidenzwirnen gestaltet sich so lebhaft, daß
die Fabriken die eingehenden Bestellungen nicht erledigen konnten und auswärtige Konkurrenz gar nicht fühlbar wurde. In Wiesenthal ist eine Seidenzwirnerei mit 4200 Spindeln neu errichtet worden. Die
Seidenweberei im Rottweiler Bezirk ist durch Barmer Fabrikanten ge⸗
hoben worden, ob auf die Dauer, steht dahin. In Rundstuhlwaaren war das Geschäft das ganze Jahr über gut. In Strick⸗ und Häkelwaaren trat in den letzten Monaten ein
Rückschtag ein. Die Spitzenfabriken waren lebhaft beschäftigÄt. Fuwr. wollene Litzen stockte der Absatz monatelang, weil die Abnehmer nicht
den Preisaufschlag der Fabrikate bewilligen wollten.,
Die Korsett⸗
fabrikation, welche Amerika mit massenhaften Quantitäten verforgt. 2 mußte sich wegen Ueberfüllung des dortigen Markts einschränken. Die
Bekleidungsmanufaktur führte mit Erfolg einige neue Artikel ein, als Babyschuhe, Damenunterröcke, Moiréeschürzen. In den Hülfsanstalten, Bleicherei, Färberei und Appretur, war der Aufschwung dem allge⸗ meinen Geschäft entsprechend. Die (Staats⸗) Bleich⸗ und Appretur⸗ anstalt Weissenau veredelte im Jahre 1871 die Baumwollenwaaren
EEEI1“
von 162 Firmen, gegen 165 im J. 1870, und die Leinwandfabrikate
von 54 Firmen, wie im Vorjahre. Für die Wollfärberei war das ““ ““ ͤ1114144“