EEE11A4“*“ 1 2 deccen e 9 7 8—
sonen⸗ und 86,299 Lastwagen vorhanden. Die Lokomotiven haben im Jahre 1871 10,324,006 Nutzmeilen durchlaufen und pro Meile 228,5 fund Steinkoblen oder Koks verbraucht. Den höchsten Verhrauch, 88 Pfund, hatte die Cöln⸗Mindener Bahn, den geringsten, 107,9 Pfund, die nassauische Staatsbahn. 2
Befördert wurden auf den Eisenbahnen im Jahre 1871 75,958,444 Personen und 1,240,340,190 Centner Güter, gegen 66,446,297 Personen und 1,043,794,651 Centner im Jahre 1870. Die Hersones durchfuhren im Jahre 1871 durchschnittlich 5,9 Meilen, die
üter pro Ctner 10,3 Meilen. Es kamen dabei ein: 29,8 Pf. für die Person und Meile (gegen 27,8 Pf. in 1870) und 2,2 Pf. für den Centner Güter pro Meile (wie im Vorjahre). Auf die Länge einer Meile wurden 446,689,321 Personen und 12,741,527,463 Centner be⸗ fördert, gegen 400,538,663 Personen und 10,740,502,289 Centner in 1870, auf der ganzen Bahnlänge 285,304 Personen und 8,132,988 Centner gegen 279,185 Personen und 7,486,932 Centner in 1870.
Die Einnahmen haben betragen: aus dem Personenverkehr und der Gepäcküberfracht 37,539,121 Thlr. (1870: 31,945,331 Thlr.), pro Meile 23,961 Thir (1870: 22,251 Thlr.); aus dem Güterverkehr, dem Vich⸗ und Equipage⸗Transport 84,806,513 Thlr. (1870: 73,882 974 Thlr.), pro Meile 53,813 Thlr. (1.70: 51,411 Thlr.); an sonstigen Einnahmen 9,916,1,3 Thlr. (1870: 7,800,672 Thlr.); zusammen 132,261,737 Thlr. (1870: 113,628,977 Thlr.), pro Meile 83,925 Thlr. (1870: 79,068 Thlr.).
Die Ausgaben betrugen: für die Bahnverwaltung 26,454,502 Thlr. = 36,9 % der Ausgaben (1870: 21,664,972 Thlr. = 36,6 %), Transportverwaltung 41,641,015 Thlr. = 58 % (1870: 34,103,461 Thlr. = 57,7 %), allgemeine Verwaltung 3,658,814 Thlr. = 5,1 .% (1870: 3,346,060 Thlr. = 5,7 %), zusammen 71,996,248 Tolr. (1870: 59,130 267 Thlr.) oder pro Meile 45,684 Thlr. (1870: 41,146 Thlr.), d. h. 54,4 (52,2) Prozent der Brutto⸗Einnahmen. Von diesen Aus⸗ 8 sind 12,045,827 Thlr. (1870: 9,092,048 Thlr.) aus Reserve⸗ onds ꝛc. gedeckt worden. Sie belaufen sich pro Nutzmeile auf 7 Thlr. (1870: 6,3 Thlr.)
An Ueberschuß ergaben sich 60,265,489 Thlr. (1870: 54,498,710 Thlr.) oder pro Meile Bahnlänge 38,241 Thlr. oder 7,1 Prozent des verwendeten Anlagekapitals (1870: 37,922 Thlr. resp. 7 Prozent). Auf das emittirte Aktienkapital kam eine Durch⸗ schnittsrente von 6,07 Prozent, mit Garantiezuschuß von 6,23 Prozent; gegen 5,88 resp. 6 Prozent im Jahre 1870. reecess „Die Reserve⸗ und Erneuerungsfonds betrugen Ende 1871: 23,848,027 Thlr. oder 2,8 Prozent des verwendeten Anlagekapitals, gegen 22,088,476 Thlr. oder 2,8 Prozent Ende 1870. 3
Die Eingangs erwähnten 1574,46 Meilen Eisenbahnen in Preußen vertheilen sich auf die einzelnen Regierungsbezirke und Provinzen wie folgt: es kommen auf eine Meile Eisen⸗ bahn an Quadratmeilen: Rezierungsbezirk Königeberg 7,78, Gumbinnen 8,64, Danzig 5,04, Marienwerder 10,84, Pr. hreugen 8,04.
R. B. Potsdam 3,75, Frankfurt 3,87, Pr. Brandenburg 3,81.
R. B. Siettin 6,88, Cöslin 7,94, Stralsund 7,31, Pr. Pem⸗ mern 7,38.
R. B. Posen 7,96, Bromberg 6,49, Pr. Pesen 7,31.
R. B. Breslau 4,12, Oppeln 2,75, Liegnitz 2,83, Pr. Schlesien 3,13.
R. B. Magdeburg 2,77, Merseburg 2,98, Erfurt 2,51, Pr. Sachsen 2,81. .
r. Schleswig⸗Holstein 4,32. 8 8 u“ 5,24. “ 8 9 . B. Münster 4,02, Minden 3,28, Arnsberg 1,84, Pr. West⸗ falen 2,66. R. B. Cassel 2,88, Wiesbaden 2,40, Pr. Hessen⸗ Nassau 2,69. R. B. Coblenz 2,84, Cöln 2,18, Düsseldorf 1,08, Nachen 3, Trier 3,46, Rheinprovinz 2,. “
Hohenzollernsche Lande 12,96.
Jadegebiet 5.
(Lauenburg 2,06)0.. 6
Im ganzen preußischen Staat 4,06.
Auf 10,0,000 Einwohner fielen in Preußen Ende 1871 6,37 Ml.
Eisenbahnen; auf 15,687 Einwohner 1 Meile Eisenbahn, und zwar kamen in den einzelnen Regierungsbezirken und Provinzen auf 1 Meile Eisenbahn an Einwohnern: R B. Königsberg 20,265, Gumbinnen 21,638, Danzig 17,691, Marienwerder 26,874, Prov. Preußen 21,388,
R. B. Potsdam 18,240, Frankfurt 11,507, Pr. Branden⸗ burg 15,056.
R. B. Stettin 19,599, Cöslin 17,202, Stralsund 18,064, Pr. Pommern 18,383.
R. B. Posen 25,481, Bromberg 17,698, Pr. Posen 22,017. R. B. Breslau 23,792, Oppeln 15,005, Liegnitz 11,281, Pr. Schlesien 15,851.
R. B. Magdeburg 11,331, Merseburg 14,121, Erfurt 14,479,
Pr. Sachsen 12,888.
Pr. Schleswig⸗Helstein 13,399. 8 Hannover 14,690. R. B. Münster 13,306, Minden 16,268, Arnsberg 11,375, Pr. Westfalen 12,866. R. B. Cassel 11,980, Wiesbaden 15,352, Pr. Hessen⸗Nassau 13,300. R. B. Coblenz 14,000°, Cöln18,572, Düsseldorf 14,467, Aachen 19,504, Trier 15,607, Rheinprovinz 15,736. Hohenzollernsche Lande 40,9757 Jadegebiet 118,820. (Lauenbarg 4765).
Der Bernstein⸗Bergbau im Samlande.
Vor nunmehr gerade sieben Jahren machte der Professor Dr. G. Behrendt in Königsberg in einem, gleichzeitig im Druck erschienenen Vortrage in der dortigen physikalisch⸗ökonomischen Gesellschaft zum ersten Male darauf aufmerksam, daß der Ab⸗ bau der sogenannten blauen oder Bernsteinerde im Samlande nur allein durch einen unterirdischen regelrechten Bergbau mit vollem Nutzen geführt werden könne und daß man gleichzeitig, und zwar nur auf diese Weise, im Stande sei, sich von der Seeküste zu entfernen und die blaue Erde auch im Innern des Samlandes zu bauen. Gegenwärtig, wo diese Idee der Ver⸗ wirklichung entgegengeführt wird, theilt derselbe einiges Nähere über die Angelegenheit in dem soeben erschienenen 2. Heft der Preußischen Provinzialblätter mit. „ 184
Die Königliche Regierung steht gegenwärtig auf amtliche Gutachten hin im Begriff, ihrerseits einen solchen Bergbau, und zwar wo ein Tagebau an sich so gut wie unmöglich wäre, im Innern des Samlandes, entfernt von der Küste, in Angriff zu nehmen, um einmal die Möglichkeit eines solchen mit Sicherheit nachzuweisen, andrerseits sich selbst Ueberzeugung zu verschaffen, welche Bedingungen bei späterer Verpachtung solchen unterirdi⸗ schen Bergbaues zu stellen sein würden. 1111““
Zu diesem Zwecke ist eine Reihe von Bohrungen Seitens der Königlichen Regierung gegenwärtig im Gange, welche nicht nur in einiger Entfernung von der Küste eine geeignete Stelle zum ersten Bergbaue aufsuchen, sondern auch die vom wissen⸗ schaftlichen Standpunkte behauptete Verbreitung der Bernsteinfor⸗ mation unter einem großen Theile, wenn nicht dem ganzen Sam⸗ lande, positiv beweisen sollen.
Die erste dieser Bohrungen wurde unweit des Dorfes Nor⸗ tycken, Kirchspiels St. Lorenz, an einem Punkte angesetzt, wo nach der geologischen Karte der Provinz Preußen noch Braun⸗ kohlenformation zu Tage tritt, mithin die, mancherlei Schwierig⸗
keiten für die Bohrung bietenden, steinreichen Diluvialschichten umgangen werden konnten. In kaum derartig erwarteter, voll⸗
standiger Uebereinstimmung mit den Strandprofilen durchsank das
Bohrloch die Sande und Letten der Braunkohlenformation, traf dann die grünen Sande der Bernsteinformation und fast in dem⸗ selben, sogar noch ein wenig höheren Seeniveau, bei 43,36 Mtr. Gesammttiefe, die blaue Erde in 1,5 Mtr. Mächtigkeit. Auch die Reichhaltigkeit der Schicht wurde durch 220 Gramm mittelst des Bohrers heraufgebrachten Bernsteins zur Genüge bewiesen, ja übertraf noch die gehegten Erwartungen. w8
Die zweite, demnächst an ähnlich geeigneter Stelle, ganz in der Mitte des westlichen, hohen Samlandes, in gleicher, ca. 2 Meihen betragender Entfernung einerseits von der Nord⸗ und der Westküste, andrerseits von der Niederung des frischen Haffes, in Markehnen bei Thierenberg angesetzte Tiefbohrung hat soeben in 66,5 Mtr. Gesammttiefe gleichfalls die blaue Erde erbohrt. Als dritter Bohrpunkt ist der, nahe Fischhausen, am Südrande des samländischen Plateaus gelegene Kausterberg in Aussicht genommen.
Nach diesem äußerst günstigen Erfolge gleich der ersten Boh⸗ rung ist von der Königlichen Regierung noch zu einem bei Nor⸗ tycken direkt in Angriff zu nehmenden Bergbau die erforderliche Einleitung getroffen. In Aussicht genommen ist für denselben die Niederbringung zunächst zweier Schächte von 1,5 Mtr. lich⸗ tem Durchmesser, welche mit Hülfe der neuesten Fortschritte der Bohrtechnik in dieser Weite gebohrt werden und deren Wandun⸗ gen aus eisernen Cylindern bestehen sollen. Letztere werden, grade wie solches mit den eisernen Röhren eines einfachen Bohr⸗ loches geschieht, mittelst Schraubenvorrichtung, der Bohrung fol⸗ gend, hinabgepreßt. Selbst wenn schlimmsten Falles die Cylin⸗ der in Folge eines Hindernisses nicht mehr sinken wollten, ist man bei dieser Schachtverdichtung immer noch im Stande, unter luftdichtem Einsatzboden, mittelst Anwendung von komprimirter Luft den Schacht in gewohnter Weise abzuteufen, um demnächst nach Erreichung der blauen Erde die Vorrichtung resp. den Ab⸗ bau in derselben in Angriff nehmen zu können. ⁸8 ech
Es steht zu hoffen, daß dieser aufkeimende Bergbau im Samlande als ein neu erblühender Industriezweig zum Besten des Landes gereichen werde.
8
Internationaler Kongreß zur Erörterung der Frage des Patentschutzzz. Programm.
In die Reihe kontroverser Angelegenheiten auf dem Gebiete wirth schaftlicher Gesetzgebung gehört dermalen auch die Frage des Patentschutz s oder besser die Frage des Schutzes des Erfinderrechtes. Als Objekt der Legislation reicht ihr Ursprung in frühere Jahr⸗ hunderte zurück, wie denn beispielsweise in Großbritannien das Recht der Krone zur Verleihung von Erfindungspatenten schon durch die Parlamentsakte von 1623 gesetzlich festgestellt wurde. Als Controverse aber ist sie, kaum zwei Dezennien alt, erst ganz jungen Datums, nicht ohne gleichwohl auch als solche bereits ihre Geschichte zu haben. Wie sie heute gestellt ist, enthält die Frage des Patent⸗ schutzes nicht mehr die Frage allein, wie das Recht des Erfinders auf die beste, zweckmäßigste, dem Gemeinwohle am wenigsten nachtheilige Weise zu schützen sei, wobei das natürliche Recht des Erfinders auf solchen Schutz als von vorn herein außer Zweifel stehend angefehen wird. Vielmehr legt sie denjenigen, die sich ihr zuwenden, auch die Verpflichtung auf, die neuestens anfgetauchten Zweifel und Bedenken gegen die praktische Zu⸗ lässigkeit und wirthschaftliche Zweckmäßigkeit solchen Schutzes vorher zu widerlegen und zu beseitigen und dann erst an die reformatorische, einheitliche Umgestaltung der bestehenden, ebenso mannichfaltigen wie verwickelten Patentgesetzgebung heranzutreten.
Es stünde mit der Wichtigkeit, welche der zum Streitobjekte ge⸗ wordenen Patentschutzfrage innewohnt, kaum im Einklange, wollte man über die prinzipiellen Eiawendungen der Gegner des Patent⸗ schutzes ohne jegliche Würdigung hinwegschreiten. Es besteht heute eine Anti⸗Patentbewegung und sie hat seit dem Anfange der sechziger Jahre zu weite Kreise gezogen und die Momente, auf welche diese Bewegung sich stützt, hengen mindestens zum Theile zu sehr mit An⸗ schauungen zusammen, zu denen der wirthschaftliche Fortschritt unserer Zeit im Allgemeinen sich bekennt, als daß heute noch wie vordem eine einseitige, jene Bewegung ganz ignorirende Lösung des Problems ver⸗ sucht werden sollte.
Vpollständige Abschaffung aller Erfindungspatente — das ist die Losung dieser Bewegung; Aufrechthaltung, aber zweckmäßige Umge⸗ staltung des bestehenden Patentschutzes, wenn möglich in homogener Form und im Wege internationaler Vereinbarung — das ist die Pa⸗ role der Anderen.
Der derzeitige Stand der Patentgesetzgebung in den dem Kulturfort⸗ schritte huldigenden Ländern deutet ausreichend an, auf welcher Seite die Mehrheit sich findet. Die Schweiz ausgenommen und neben ihr Niederlande, welches jüngst erst sein Patentgesetzt beseitigte, erkennt heute noch die Gesetzgebung aller übrigen Industriestaaten den Patentschutz als eine Nothwendigkeit an und die Geschichte des Patentwesens in den letzten zwanzig Jahren ist ein fortlaufender Beweis für die Bestrebungen der betreffenden Regierungen nicht im Sinne einer allmählichen Ab⸗ schaffung, sondern im Sinne einer durchgreifenden, namentlich die Nach⸗ theile der territorialen Beschränkung der Erfindungspatente beseitigen⸗ den Reform des Patentschutzes.
Alle Anschauuagen aber, auch die der Anhänger des Patent⸗ schutzes, stimmen allseitig und ausnahmslos darin überein, daß der Schutz des Erfinderrechts in jedem Falle neuer, den veränderten inter⸗ nationalen Verkehrsverhältnissen entsprechender Formen bedürfe und daß die Lösung dieser Reformfrage nicht wie bisher von jedem Einzelstaate des großen internationalen Verkehrsgebietes einseitig für sich angestrebt werden dürfe, vielmehr der Gesichtspunkt einer gemein⸗ samen, für alle Staaten gleichmäßigen Lösung im Wege internatio⸗ naler Vereinbarung vor Allem festgehalten werden müsse. Solch' einer prinzipiellen Gemeinsamkeit kann diese Reformarbeit um so
weniger entrathen, als, wie bereits erwähnt, die bisherige territoriale
Beschränkung der Erfindungspatente eines der Hauptgebrechen des bisherigen Systemes des Patentschutzes bild te, und wie die Dinge heute liegen, dürften die Tage des Patentschutzes in der That gezählt sein, wenn es nicht gelingen sollte, die Normen für denselben für alle Staaten gleichmäßig zu gestalten, ihn gewissermaßen in das internationale Rechtsgebiet einzuführen. Wir leben nicht mehr in der Zeit der streng abgeschlossenen, jeg⸗ licher Konkurrenz von außen her entrückten Industriegebiete und der langsamen, die Ausnützung der Erfindungen hindernden oder verzögern⸗ den Kommunikationen. Wir leben in einer Zeit der fallenden Zollschranken, Dampf und Elektricität haben die vor dem isolirten Industriegebiete in ungeahnter Weise einander nahe gerückt und der wechselseitige Güter⸗ austausch weist heute Dimensionen auf, dee man ein Menschenalter zurück kaum für denkbar gehalten hätte. Unter so veränderten Ver⸗ hältnissen wird das einer Erfindung in dem einen Lande ertheilte Pa⸗ tent in Wahrheit zu einer unerträglichen, der Entwickelung hinderli⸗ chen Beschränkung, wenn dieselbe Erfindung sofort im Nachbarlande ohne alle Einschrankung oder Vertheuerung zum Gemeingute wird, und der Industrielle, der in dem einen Lande mit einem dort patentirten und darum vertheuerten Hülfsstoffe arbeiten muß, gelangt sofort zu wesentli⸗
chem Nachtheil, sobald der naämliche Hülfsstoff in dem anderen Lande nicht nur unbeschränkt erzeugt werden, sondern das in dem anderen Lande
wohlfeiler erzeugte fertige Produkt dem fertigen Produkte innerhalb des Landes, für welches das Patent gilt, freie Konkurrenz bieten kann.
Schwerlich vermöchte auch eine Beibehaltung der bisherigen einander
widerstreitenden Anschauungen und Maßregeln der einzelnen Regierun⸗ gen dem Ziele einer allgemeinen Verständigung förderlich zu sein und
9 8 8
““ 8 1 wenn beispielsweise die Aufrechthaltung des Patentschutzes in dem einen Lande von dem Gedanken getragen wäre, auf solche Weise die tüchtigen Arbeiter eines anderen Landes an sich heranzuziehen, so wäre damit die Gefahr eines störenden Eingriffes in die internationale Arbeitsbilanz nahegelegt. Solchen und ähnlichen Uebelständen kann nur durch gemeinsames Vorgehen aller der Aufrechthaltung des Patentschutzes geneigten Kulturstaaten begegnet werden. Die Lösung dieses Problems mag eine ebenso schwierige als langwierige sein, die Unmöglichkeit einer solchen Lösung aber ist bis heute durch nichts er⸗ wiesen und unter allen Umständen wäre es der Mühe werth, sie zu versuchen.
Wo aber böte sich für solchen Versuch ein zweckentsprechenderes und mehr legitimes Terrain als dort, wo zu friedlichem Wett⸗ kampfe die arbeitende Menschheit aus allen Theilen der Welt sich einfindet, wo Männer der Wissenschaft und der Praxis, Techniker und Volkswirthe, Vertreter der großen Industrie und des kleinen Gewerbes sich vereinigen, um Zeugniß zu geben fuͤr die Kulturhöhe, auf welche Bildung, Arbeitskraft und Erfindungsgeist die Menschheit gebracht!
Die Wiener Weltausstellung von 1873, berufen zur Verkörperung des allgemeinen Kulturfortschrittes, möchte wie kaum ein anderer An⸗ laß geeignet sein, dem Erfindungsgeiste auch vom Standpunkte der modernen Gesetzgebung aus, gebührenden Tribut zu zollen und den Ausgangspunkt zu bilden für eine neue gemeiusame Modifikation des Erfinderrechtes. Bedürfte der Zusammenhang dieses Rechtes mit den Zielen und Zwecken einer solchen Weltausstellung noch eines besonderen Nachweises, so hätten die vorausgegangenen Expesitionen ihn bereits ausreichend geliefert. Die englische Patent⸗Gesetz⸗ gebung neueren Datums ist geradezu die unmittelbare Frucht der Londoner Ausstellungen von 1851 und 1862 und die Pariser Ausstellungen von 1855 und 1867 führten bekanntlich zu transsitorischen Patents hutz⸗Gesetzen, elchen zu folgen auch bei den Vorbereitung n für die Wiener Weltausstellung 1873 (Gesetz vom 13. November 1872) geboten war.
Den hier entwickelten Gesichtspunkten und überdies einer An⸗ regung von Seite der Regierung der Vereinigten Staaten von Nord⸗ Amerika folgend, beabsichtigt die General⸗Direktion der Wiener Welt⸗ Ausstellung mit der letzteren einen internationtlen Kou⸗ gieß zu verbinden, welcher die Frage des Patentschutzes erörtern soll. Wenn diese Erörterung, wie vorauszusehen, zu einem Votum im Sinne der Aufrechthaltung des Patentschutzes führen sollte, dann würde es die Aufgabe dieses Kongresses sein, auf Grund der in den verschiedenen Ländern bisher gemachten Erfahrungen und des diesfalls gesammelten Materiales zur Aufstellung der Grund⸗ prinzipien für eine internationale Reform der Patentgesetzgebung zu gelangen. 27 ½. *
Der internationale Kongreß zur Erörterung der Frage des Patent⸗ schutzes soll nach Beendigung der Juryberathungen und zwar am 4. 5. und 6. August 1873 unter folgenden Modalitäten stattsinden:
1) Zur Theilnahme an dem Kongresse, seinen Plenar⸗ und Sek⸗ tionsberathungen und seinen Beschlußfassungen sind die Industriellen. Gewerbetreibenden, Techniker, Volkswirthe und sonstigen Fachmänner aller Länder berechtigt. 8b
2) Die Aumeldungen zur Theilnahme an dem Kongresse haben bei den betreffenden Ausstellungs⸗Kommissionen des In⸗ und Auslan⸗ des zu geschehen. Auf Grund der von diesen Kommissionen längstens bis Ende Juni 1873 der General⸗Direklion der Weltausstellung mitgetheilten Anmeldungen werden denselben die auf Namen lautenden Legitimationskarten behufs Zumittelung an die angemeldeten Theil⸗ nehmer eingesendet werden. 1
3) Den Regierungen der ausstellenden Nationen bleibt es anheim⸗ gegeben, sich durch speziell delegirte Persönlichkeiten auf diesem Kon⸗ gresse vertreten zu lassen. 1 1
4) Am Sitze der General⸗Direktion wird durch dieselbe ein Vor⸗ bereitungs⸗Komite eingesetzt, dessen Aufgabe es sein wird, das dem Kongresse vorzulegende Material vorzubereiten, die Fragepunkte aus⸗ zuarbeiten, überhaupt alle bis zur Eröffnung des Kongresses erforder⸗ lichen Voreinleitungen zu kreffen. 8
5) Den Kongreß eröffnet der General⸗Direktor der Weltausstel⸗ lung. Nach erfolgter Eröffnung wählt der Kongreß aus seiner Mitte den Präsidenten und das Bureau, stellt die Geschäftsordnung für seine Arbeiten fest und tritt sodann in die Diskussion der Frage des Pa⸗ tentschutzes ein.
Die Beschlüsse des Kongresses werden durch die einzelnen Kom⸗ missäre den betreffenden Regierungen mitgetheilt werden. 8
6) Die Sprache des Kongresses ist die deutsche; doch sind außer⸗ dem auch die englische, französische und italieniiche Sprache zulässis.
7) Alle auf den internationalen Kongreß zur Erörterung des Patentschutzes bezüglichen Zaschriften, Arbeiten und Anträge sind bis zur Eröffnung des Kongresses an die General⸗Direktirn, während deß selben aber an das Bureau des Kongresses zu richten.
Deer Präsident der Kaiserlichen Kommissien
Erzherzog Rainer. 8— Eg. Der General⸗Direktor Freiherr v. Schwarz⸗Seuborn 8
Der Vesuvb.
2
Mittheilungen über die gegenwärtigen Eruptionen des Vesuvs: Die große Konflagration des Vesuvs am 26. April v. J. war der End⸗ ausdruck der langen Eruptions⸗Periode, welche ihr voranging und die eben die Vorbereitung des Berges zu einem großartigen Brande an⸗ zeigte. Nach jener Konflagration war eine Ruhepause zu ewärtigen, und dieser haben wir jetzt beigewohnt. Bei einem vielfach thätigen Vulkane jedoch, wie es der Vesuv in diesem Jahrhunderte ist, besteht eine jede Periode der Ruhe aus zwei mehr oder minder langen Phasen, deren eine man die der „Deklination“ und die andere jene der „Wiederaufnahme“ nennen kann. Während der ersten Phase nimmt der Rauch ab, die Wölkchen führen nach und nach eine gerin⸗ gere Menge energischer Gase ab, dagegen enthalten sie mehr Kohlen⸗ stoff und ibre Temperatur ist eine niedrigere. In der zweiten Phase tritt der Rauch in reicherem Maße auf, die Wolken, welche dem Krater entsteigen, sind häufiger und dichter, und ihre Temperatur steigt mit der vermehrten Ausstoßung von Schwefelsäure und Chlorsäure. Der Vesuv ist gegenwärtig entschieden in die zweite Phase eingetreten denn der Rauch ist reichlicher und beständiger, neue Wölkchen mi Sublimationen erscheinen rings um den Krater, und die säurigen Aus⸗ flüsse erfolgen in hörbarerer Weise Der Variations⸗Apparat und der Seismogroph, welche am 8. März einigermaßen unruhig waren und die Erdbeben vom 12. März vorherverkündigten, haben noch nicht jene perfekte Rube wiedererlangt, in weicher sie sich geraume Zeit vorher befanden. Diese Phase der „Wiederaufnahme“ geht einer neuen Erup⸗ tionsperiode vorher, uüber deren Beginn jedoch bis nun noch nichts Bestimmtes gesagt werden kann. Dieselbe wird wahr⸗ scheinlich, wenigstens in ihrem Beginne, central sein. Insbesondere in der gegenwärtigen Jahreszeit besteigen sehr viele Fremde den Vesuv. um die bei dem letzten Brande entstandenen zwei tiefen Schlünde zu besichtigen und die hohe Temperatur einiger am Rande des Doppel⸗ kraters lagernden Wölkchen zu beobachten. Irnne, welche nicht die Kraft zu haben vermeinen, den vesuvianischen Kegel zu Fuß zu er⸗ steigen, benützen die Fahrstraße, welche zufolge der Bemühungen der Provinzialbehörden täulich besser wird, und sie gelangen so mittels Wagens bis zum Observatorium, wo sie den Kegel doch mehr von der Nähe beobachten und den Lauf der Lava mit den Augen ver⸗ folgen können.
Redaktion und Rendantur: Schwieger.
Drei Beilagen (einschließlich der Börsen⸗Beilage).
Professor Palmieri giebt in den neapolitanischen Blättern folgende
für das Nierteljahr.
Iusertionspreis für den Raum einer Druckzeile 3 Sgr.
Das Abonnement beträgt 1 Thlr. 2 Sgr. 6 Pf.
28 =
Berlin,
Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht: Dem Regierungs⸗Rath Lorenz zu Stettin den Rothen Adler⸗ Orden dritter Klasse mit der Schleife; dem Baurath Frey zu Quedlinburg, dem Steuer⸗Inspektor Hartung zu Landsberg a. W., dem Steuer⸗Einnehmer Schmidt zu Goldberg i. Schl., dem Steuer⸗Einnehmer Heynen zu Kirn, Kreis Creuznach und dem Steuer⸗ und Kommunal⸗Empfänger Fuchs zu Monzingen desselben Kreises, den Rothen Adler⸗Orden vierter Klasse; dem Schullehrer von Bergh zu Kaldenkirchen, Kreis Kempen, dem Schullehrer Hoehns zu Messingwerk, Kreis Ober⸗Barnim und dem Divisionsküster Kriebitz zu Erfurt den Adler der Inhaber des Königlichen Hausordens von Hohenzollern; dem Maler Petitjean bei der Königlichen Porzellan⸗Manufaktur, dem Steuer⸗Aufseher Rölich zu Reinschdorf, Kreis Cosel, dem Fahr⸗ häuer Kühne zu Ober⸗Waldenburg, Kreis Waldenburg und dem pensionirten Regierungs⸗Boten Prodoehl zu Stralsund das Allgemeine Ehrenzeichen zu verleiheieln.
8 1
Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht: Allerhöchstihre Genehmigung zu ertheilen zur Anlegung der dem Major Sachs im 8. Rheinischen Infanterie⸗Regiment Nr. 70 verliehenen Schwerter zum Ritterkreuz erster Klasse mit Eichen⸗ laub des Großherzoglich badischen Ordens vom Zähringer Löwen; des dem Major von Schauroth inmt 6. Thüringischen Infanterie⸗Regiment Nr. 95 verliehenen Komthurkreuzes zweiter Klasse des Herzoglich sachsen⸗ernestinischen Hausordens und des dem Hauptmann von Holleben II. vom 3. Rheinischen Infanterie⸗Regiment Nr. 29 verliehenen Fürstlich schwarzburgi⸗ schen Ehrenkreuzes dritter Klasse mit Schwertern.
Königreich Preußen.
Se. Majestät der König haben Allergnädigst geruht:
Den Rittergutsbesitzer, Gerichts⸗Assessor a. D. von Wen⸗ den auf Gribnitz zum Landrathe des Kreises Bublitz; sowie Den Pastor primarius Patrunky in Lueben zum Super⸗ intendenten der Diözese Lueben II., Regierungsbezirk Liegnitz, Finanz⸗Ministerium.
Die Ziehung der 4. Klasse 147. Königlich preußischer Klas⸗ sen⸗Lotterie wird am 19. April d. J., Morgens 7 Uhr, im Ziehungssaale des Lotteriegebäudes ihren Anfang nehmen.
Die Erneuerungsloose, sowie die Freiloose zu dieser Klasse sind nach den §§. 5, 6 und 13 des Lotterieplanes, unter Vor⸗ legung der bezüglichen Loose aus der 3. Klasse, bis zum 15. d. M., Abends 6 Uhr, bei Verlust des Anrechts einzulösen.
Berlin, den 10. April 1873.
Königlich preußische General⸗Lotterie⸗Direktion.
8 ““ Preußische Bank. —
Wochen⸗Uebersicht der Preußischen Bank vom 7. April 1873.
Aktiva. 1) Geprägtes Geld und Barren . . . . Thlr. 207,864,000 2) Kassen⸗Anweisungen, Privat⸗Banknoten und Darlehnskassenscheine 1“ 3,889,000 3) Wechsel⸗Bestände. . 208,127,000 4) Lombard⸗Bestände. 11.“*“ 31,612,000 5) Staatspapiere, verschiedene Forderungen nund Aktiva. 111A““ 3,153,000 Passiva. 6) Banknoten im Umlauf. .““ 7) Depositen⸗Kapitalien . . . . . . . 8) Guthaben der Staatskassen, Institute und Privatpersonen, mit Einschluß des Giro⸗ 111“
.342,290,000 28,330,000
„ 52,334,000
Berlin, den 10. April 1873. .
Königlich Preußisches Haupt⸗Bank⸗Direktorium. von Dechend. Boese. Rotth. Gallenkamp. Herrmann. Koch. von Koenen.
Bekanntmachung. Die Immatrikulation auf hiesiger Universität für das bev or⸗
stehende Sommersemester findet am . “
21., 25., 30. April und 3. Mai c, 1 Nachmittags 3 Uhr, 1.““ im Universitäts⸗Gerichtszimmer, q . 88* 28
Behufs derselben haben die Studirenden, welche von einer an⸗ deren Un versität kommen, ein vorschriftsmäßiges Abgangszeugniß von jeder früher besuchten Universität nebst dem Schulzeugniß im Origi⸗ nal, diejenigen Vnländer und Augebörigen anderer deutschen Staaten, welche die Studien erst beginnen, Zeugnisse der Reife, die Ausländer
wenigstens einen Paß oder sonstige Legitimationspapiere vorzulegen.
Nachträgliche Immatrikulationen bedürfen einer besonderen Be⸗ willigung. G — Halle a. d. S., am 29. März 1873. Der Rektor der vereinigten Friedrichs⸗Universität. “
den 10. April,
für Berkin die Expedition: Wilhelmstr. Nr. 32.
—
Alle Post⸗-Anstalten des In⸗- und Auslandes
nehmen Bestellung an,
1 5 28
Abends.
Angekommen: Se. Erxcellenz der Staats⸗Minister und Minister für die landwirthschaftlichen Angelegenheiten Graf von Königsmarck aus der Provinz Schleswig⸗Holstein.
MNichtamtliches. Deutsches Neich.
Preußen. Berlin, 10. April. Beide Kaiserliche Majestäten empfingen heute in der Hauskapelle des Kron⸗ prinzlichen Palais, mit der ganzen Königlichen Familie das heilige Abendmahl. — Ihre Majestät die Kaiserin⸗Köni⸗ gin wohnte der liturgischen Abend⸗Andacht im Dome bei.
— In der gestrigen 14. Plenarsitzung des Bundesraths, in welcher der Staats⸗Minister Delbrück den Vorsitz führte, ka⸗ men zur Vorlage die Schreiben des Präsidenten des Reichstags, betreffend: a. den vom Reichstage beschlossenen Entwurf eines Gesetzes wegen Abänderung der Nr. 13 des Art 4 der Verfas⸗ sung; b. den vom Reichstage beschlossenen Entwurf eines Ge⸗ setzes wegen Abänderung der Maaß⸗ und Gewichts⸗Ordnung; c. den Beschluß des Reichstages über Petitionen bezüglich des Verkehrs mit Apothekerwaaren; ferner das Protokoll der Kom⸗ mission für den Bau des Reichstagsgebäudes, betreffend die Wahl des Bauplatzes und Anträge Preußens, betreffend die Nettoverwiegung von auszuführendem Rohzucker in Säcken; die Vermehrung des Beamtenpersonals des Kaiserlichen Haupt⸗Zoll⸗ amts in Luͤbeck. Es folgte eine Mittheilung, betrefiend die Ver⸗ öffentlichung der strafrechtlich verfügten Ausweisungen von Aus⸗ ländern Hierauf wurden Ausschußberichte erstattet über a. die in dem Kondominatorte Weitisberga erhobene Kommunal⸗ abgabe vom Bier; b. den Eutwurf eines Gesetzes wegen außer⸗ ordentlicher Ausgaben zur Verbesserung der Lage der Unter⸗ offiziere; c. den Entwurf eines Gesetzes wegen Erweiterung der Dienstgebäude des Kriegs⸗Ministeriums ꝛc.; d. die Verzollung von alten Kanonenkugeln, Geschützrohren u. s. w.; e. den Bauschsummen⸗Etat für Luxremburg; f. die Etats: des Rech⸗ nungshofes für 1874 nebst dem Nachtrage für 1873, des Reichs⸗ Ober⸗Handelsgerichts für 1874, der Einnahme an Wechselstem⸗ pelsteuer für 1874. Endlich wurden mehrere Eingaben vor⸗ gelegt.
931 der hierauf folgenden 4. Sitzung für Elsaß⸗Lothringen wurden Ausschußberichte erstattet über: den Entwurf eines Ge⸗ setzes, betreffend die Feststellung des Landeshaushalts⸗Etats für Elsaß⸗Lothringen auf das Jahr 1873 und den Entwurf eines Gesetzes, betreffend Steuermäßigungen.
— Nach einer vom General⸗Postamt im Februar d. J. an⸗ geordneten statistischen Feststellung zählte das Personal der Reichs⸗Postverwaltung: 50,202 Personen. Davon wgren verheirathet: 33,899; die Zahl der Kinder betrug: 83,675; die Zahl der sonst zum Hausstande unmittelbar gehö⸗ rigen Personen (Verwandte, Dienstboten ꝛc.): 18646. Hier⸗ nach ergiebt sich eine Gesammtzahl von: 186,422 Seelen.
— Aus den amtlichen Quellen des Kriegs⸗Ministeriums ist soeben bei E. S. Mittler und Sohn eine Uebersicht des deut⸗ schen Reichsheeres und seiner sämmtlichen Kommando⸗ behörden und Truppentheile veröffentlicht worden. Die Schrift enthält zunächst eine Uebersicht des Deutschen Reichsheeres in Eintheilung mit Namens⸗Angabe der Inhaber jeder Stelle, so⸗ dann ein Verzeichniß aller Kommando⸗Behörden und Truppen⸗ theile nach ihrer Nummerfolge geordnet und endlich ein Gar⸗ nisonsverzeichniß mit den jedem Orte zugehörigen Truppentheilen. Die Schrift bildet eine Ergänzung der preußischen Rang⸗ und Quartierliste.
— Der Minister des Innern hat rücksichtlich der Kreis⸗ Unterstützungen, welche bei demselben zur Erstattung aus Reichsmitteln nach dem Gesetze vom 27. Februar 1850 liquidirt werden, die Ansicht einer Bezirksregierung, daß die Weitergewäh⸗ rung der Kreisunterstützung an diejenigen Familien, welchen die, durch das Militär⸗Pensionsgesetz vom 27. Juni 1871 für die Hinter⸗ bliebenen der Militärpersonen der Unterklassen bestimmte Staatsbei⸗ hülfe bewilligt ist, von dem Zeitpunkte des Eintritts in den Genuß dieser Beihülfe ab, in der Regel nicht mehr nothwendig sein wird, zwar gebilligt. Gleichwohl aber hat der Minister Beden⸗ ken getragen, die Erstattung der an solche Familien innerhalb der gesetzlichen Minimalsätze verabreichten Kreisunterstützung all⸗ gemein abzulehnen, da über die Frage der Hülfsbedürftigkeit die Kreisunterstützungs⸗Kommissionen in jedem einzelnen Falle nach Maßgabe der obwaltenden Verhältnisse selbständig zu entscheiden haben, und sehr wohl Fälle vorkommen können, in denen der Bezug beider Unterstützungen sür die betreffenden Familien ein dringendes Bedürfniß ist. . 1
Wenn jedoch die Kreisunterstützungs⸗Kommissionen in diesem Sinne nicht überall verfahren haben sollten, und sich möglicher⸗ weise bei ihren Entschließungen durch die Aussicht auf die Er⸗
stattung der Beträge aus Reichsmitteln haben leiten lassen 2
würde hieraus Veranlassung zu nehmen sein, vor der Aufnahme solcher Kreisunterstützungen in die Liquidation festzustellen, ob nach Eintritt der Staatsbeihülfe eine erneute Prüfung der Ver⸗ hältnisse durch die verordnete Kreiskommission stattgefunden hat und die Hülfsbedürftigkeit noch in einem solchen Umfange fort⸗ besteht, daß neben der Staatsbeihülfe die Weitergewährung der Kreisunterstützung in Gemäßheit des §. 12 des Gesetzes von 27. Februar 1850 nothwendig erscheint. Was die Weiterzahlung der Kreisunterstützung an die Fa⸗ milien solcher Landwehr⸗ ꝛc. Mannschaften betrifft, welche wäh⸗ rend des letzten Krieges zum Militärdienste einberufen, aber noch nicht zurückgekehrt sind, und deren Verbleib bis jetzt nicht zu er⸗ mitteln gewesen ist, so werden zunächst die Angehörigen zu ver⸗ anlassen sein, auf Grund des Gesetzes vom 2. April 1872 (Ge⸗ setz⸗Sammlung S. 341) die Todeserklärung der Vermißten her⸗ beizuführen. Von dem Ergebnisse des desfallsigen Verfahrens würde es sodann abhängen, ob den Hinterbliebenen nach §. 97 des Militär⸗Pensionsgesetzes vom 27. Juni 1871 eine Staats⸗ beihülfe zu bewilligen und event. auch die Kreisunterstützung nach §. 12 des Gesetzes vom 27. Februar 1850 weiter zu ge⸗ währen ist, oder ob die Desertion des Vermißten anzunehmen und weder Staatsbeihülfe noch Kreisunterstützung zuzugestehen sein wird. 8 Zur Gewährung von Kreisunterstützung an die Familien der aus dem Militärdienste entlassenen Landwehrleute ꝛc besteht von dem auf den Entlassungstag folgenden 1. resp. 15. des Monats ab, eine Verpflichtung der Kreise selbstredend nich mehr. Es sind daher die über den gedachten Zeitpunkt hinaus etwa gezahlten Beträge nicht erstattungsfähig.
— Zur Deckung des Bedarfs der Königlichen Landgestüte an Beschälern hat das Ministerium für die landwirthschaft⸗ lichen Angelegenheiten die Absicht, auch fernerhin geeignete junge Hengste bei Privatzüchtern im Lande ankaufen zu lassen. Um nun von dem Vorhandensein solcher jungen Thiere, bevor sie auf öffentliche Märkte gelangen, Kenntniß zu erhalten, hat der Kriegs⸗Minister auf das Ersuchen des gedachten Ministeriums die Mitwirkung der Militär⸗Remonte⸗Ankaufs⸗Kommission zugesagt und dieselbe mit Anweisung dahin versehen, daß sie von den bei Gelegenheit ihrer Umreisen vorkommenden, gut gezogenen, fehlerfreien und zur Zucht geeignet erscheinenden jungen Hengsten Notiz zu nehmen und dem Ministerium für die landwirthschaft⸗ lichen Angelegenheiten davon Mittheilung zu machen hat, damit Letzteres sodann die nähere Besichtigung und Unterhandlung durch Königliche Gestüt⸗Beamte veranlassen kann. —
— Se. Majestät der Kaiser und König haben de Berliner Geographischen Gesellschaft für eine zu unternehmende Expedition nach Afrika die Summe von 1000 Thlr. bewilligt.
— Die fällige Englische Post, aus London über Cöln, den 9. früh, ist ausgeblieben. 8
Der General⸗Lieutenant z. D. von Rohr, zuletzt Commandeur der 2. Kavallerie⸗Brigade, ist vorgestern hier⸗ selbst plötzlich am Herzschlag verstorben. Die Beerdigung desselben wird morgen Nachmittag 4 Uhr vom Trauerhause Französischestraße 67 aus, auf dem Garnisonkirchhof hinter der Haisenhaide stattfinden.
— Der Major Keller vom Kriegs⸗Ministerium ist von seiner Dienstreise zur Besichtigung der Festungen in Elsaß⸗ Lothringen hierher zurückggekehlrt. 8
Bayern. München, 7. April. Heute war wiederhol! große Hoftafel im Wintergarten, zu der die Königin⸗Mut⸗ ter und Prinz Otto mit Gefolge erschienen waren. Der König hatte außerdem die hier weilenden Minister, den Präsi⸗ denten v. Harleß und die Obersten fast sämmtlicher in München garnisonirenden Regimenter geladen. Nach der Tafel stattete der König den Prinzen Leopold und Arnulph einen längeren Besuch ab. — Se. Majestät wird am Gründonnerstag um halb 12 Uhr mit dem großen Cortéège dem Hochamt und am Char⸗ sonnabend Abends 8 Uhr der Auferstehungsfeier in der Aller⸗ heiligen⸗Hofkirche beiwohnen. Die Fußwaschung an 12 alten Männern wird im Allerhöchsten Auftrage der Prodekan des Kollegiatstifts, Herr L. Enzler, vornehmen. 1
— Der General⸗Lieutenant und Commandeur der 1. Armee⸗ Division, Bapt. v. Stephan, hat seine Pensionirung erbeten.
— Der vom Bundesrath zum Mitglied der Juristen⸗Kom⸗ mission zur Berathung des Entwurfs eines Strafprozesses fü das Deutsche Reich ernannte Appellations⸗Rath Staudin ger vom Staats⸗Ministerium der Justiz wird nächsten Dienstag nach Berlin abreisen. Von den 11 Mitgliedern der Kommission soll, wie versichert wird, die Mehrzahl zu den Gegnern der Schwur 8 gerichte und zu den Vertheidigern der Schöffengerichte gehören.
— Die Königliche Regierung hat laut Entschließung vom 3. März der Instruktion für die Oberlehrer an den Volksschulen Münchens die Genehmigung ertheilt. Diese Instruktion ist eine konsequente Durchführung des bereits früher genehmigten Schul⸗ statuts. Die Regelung des Verhältnisses zwischen Religions⸗ lehrer und Oberlehrer bleibt einer eigenen Instruktion vorbe 8 11““ 1
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