1873 / 115 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 15 May 1873 18:00:01 GMT) scan diff

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müssen alle stehen bleiben, und wenn eins deswegen fallen soll, so fallen alle übrigen. Es würde also, wenn man auf das 49er Wahl⸗ gesetz im Sinne der Herren von der Volkspartei zurückgehen wollte, der ganze Zustand ein rechtloser sein, das kann und wird die Regie⸗ rung aber niemals zugestehen. 8 1 Es ist aber ein tieferer Grund, der diesem Gebahren zu Grunde liegt, und den will ich wenigstens kurz berühren. Es ist das Ver⸗ hältniß zu dem Domanium. Wer in einem kleinen Staate gelebt hat, der wird wissen, daß das Wort: Do⸗ manium einen zauberhaften Einfluß auf die Bevölke⸗ rung ausübt. Es ist nicht zu verkennen, daß diese Frage das politische Leben in den Kleinstaaten in einer Weise berührt, wie es 3. B. in Preußen nicht für möglich gehalten werden kann; aber, meine Herren, man muß auch andrerseits anerkennen, daß diese Frage der Auseinandersetzung zwischen Domanium und Land eine außerordent⸗ lich schwierige und verwickelte ist. Ja, soweit mir bekannt, ist in keinem einzigen deutschen Staate eine eigentliche Rechtsentscheidung er⸗ folgt. Man hat sich geeinigt, man hat die Frage, wem es eigentlich gehört, unentschieden gelassen und nach den besten Interessen des Lan⸗ des und der Fürstlichen Häuser eine Entscheidung getroffen. Auch in Lippe war diese Frage im Jahre 1848 aufgeregt und ist im Jahre 1870 zur Entscheidung gekommen. Dem damaligen Landtage gehörten Persönlichkeiten an, welche zu der allerentschiedensten Opposition gegen die Regierung gehörten, vollkommen unabhängige Männer, die nichts weniger als beeinflußt waren von Seiten der Regierung, und gerade von dieser Seite ist eine Zustin mung zu dem damaligen Domanialabkommen erfolgt und zwar aus dem Gesichtspunkte, daß nach den ganz eigenthümlichen Rechtsverhältnissen in Lippe eine andere Entscheidung nicht erfolgen könn⸗. Es ist dabei allerdings das Eigenthum des Domaniums dem Fürsten zugesprvchen worden, dagegen dasselbe unter Kontrole der Stände insofern gestellt, als ihm eine Fideikommiß⸗Qualität gegeben ist, so daß eine Veräußerung ohne ständische Genehmigung nicht er⸗ folgen darf. Das war früher nicht der Fall, sondern das Fürstliche Haus konnte über das Domanialvermögen durchaus nach seinem eigenen Ermessen verfügen, und dasselbe veräußern, da es durch⸗ aus nicht unter ständischer Kontrole stand, und die 1836 er Stände haben nicht ein Wort drein gesprochen, und haben auch gar nicht den Anspruch darauf erhoben. Das sind eigenthümliche Ver⸗ hältnisse, mögen Sie nun dieselben für berechtigt anerkennen oder nicht. Diesem Eigenthum des Fürstlichen Hauses an dem Domanium gegenüber wurde eine Reihe von Einnahmen, die früher dem Fürst⸗ lichen Hause zustanden, dem Lande überwiesen und zwar in der Weise, daß nach sorgfältig aufgestellter Rechnung ein Ueberschuß zu Gunsten des Landes von 17,000 Thlr. sich herausstellte. Ich will nicht ver⸗ kennen, daß es eine große Anzahl rechtlicher, verstän⸗ diger und treugesinnter Männer giebt, die ich keineswegs in irgend einer Weise hierbei verdächtigen will, die der festen Ueberzeugung sind, das Land sei durch dieses Domanial⸗ abkommen in seinen Rechten gekränkt worden. Daher fand die Agi⸗ tation, die der Herr Abg. Hausmann auf das Domanium gründet, nachdem der Giftpfeil der Jagdfrage glücklich zerbrochen war, einen dankbaren Anhang, welcher diese Domanialfrage auf seine Fahne schrieb. Meine Herren, ich kann es denjenigen, die einmal diese Ansicht ver’reten, keineswegs verdenken, daß sie alles Mögliche daran setzen wollen, um auf gesetzlichem Wege eine Aenderung dieser Domanialfrage her⸗ beizuführen. Aber, meine Herren, wie hat die Aktionspartei ver⸗ fahren? Es handelt sich doch nur um die Erlangung einzelner Ver⸗ mögensobjekte kein Mensch im Lande geht so weit, das gesammte Eigenthum an dem Domanium in⸗ Anspruch zu nehmen, und ich will die Redensart, die ich in der „Sonntagspost“ gelesen habe, das Land sei beraubt und geplündert worden zu Gunsten der Fürstlichen Fa⸗ milien, garnicht einmal dem Herrn Abgeordneten Hausmann imputiren, das sind lanläufige Phrasen, aber um dies Ziel zu erreichen, schreitet die Volkspartei dazu, das ganze Land brach zu legen! Jetzt, meine Herren, begreifen Sie das lebhafte Erstaunen, dessen ich mich nicht habe enthalten können, als der Herr Abg. Hausmann sich diesem 8 uns milden und sanften Antrag angeschlossen hat. Die Partei, ie stets das Wahlgesetz von 1849 und nur dieses unbedingt auf die Fahne geschrieben hat, und die stets erklärt hat, daß sie sich auf nichts einlasse als auf die Wiederherstellung desselben, erklärt sich heute auf einmal für befriedigt, wenn auf Grund der Reichsverfassung ein neues Wahlgesetz, wie z. B. das von der Regierung proponirte eingefüyrt wird. Ich kann dies mir nur so erklären, daß der ganze Schlachtplan dahin geht, daß, wenn der Reichstag diesen Beschluß gefaßt hat, dem Lande erklärt werden wird: „Ihr seht, der Reichstag hat sich für Lippe aus⸗ gesprochen, und hat die Beschwerden von Lippe acceptirt.“ Meine Herren, ich konstatire, daß das nicht der Fall ist, daß. der Reichstag mit diesem Beschluß über die lippeschen Verhältnisse kein Verdikt abgegeben hat. 16.“ Meine Herren! Wenn man zu Hause mit den kräftigsten Agita⸗ tionsmitteln überschüttet wird, wenn Einem so zu sagen die stärksten Getränke vorgesetzt werden, se ist dieser Antrag dagegen, möchte ich sagen, nur die reine Limonade. Man kommt unwillkürlich dazu, daß man mit Schiller ausrufen möchte: „Deine Seele ist matt wie deine Limonade“, denn es gewinnt fast den Anschein, als ob eine gewisse Mattigkeit der Agitation hierdurch dokumentirt wird. Meine Herren! Wenn sich Jemand als politischer Agitator aufspielt, so verlange ich, daß er offen und mit Muth vorgeht: den Muth verlange ich, im Reichstag selbständig vorzutreten und seine Beschwerden vorzubringen und sich nicht ins Schlepptau bei Verhandlungen ne)men zu lassen, die das lippesche Land nichts angehen. Hätte der Herr Abg. Haus⸗ mann diesen Muth gehabt, so bin ich der festen Ueberzeugung. Meine Herren! Ich habe als preußischer Landrath die Agitation, die in der Konfliktszeit das Land bewegte, durchgemacht, ich habe sie damals allerdings lebhaft bekämpft, aber ich habe Achtung gehabt vor ihr und vor den großen politischen Fragen, um die es sich damals handelte. Bei dieser Agitation handelt es sich aber nicht um solche Fragen. Diese Agitation schreibt nur auf die Fahne es sind das usdrücke, die wörtlich gebraucht worden sind daß nnr dann der Friede herbeizuführen ist, wenn der durchlauchtigste Fürst offen sein Unrecht eingestehe, und sie verhöhnt jeden Versuch zur Vermittlung mit dem Ausdruck: „das lippesche Volk gliche noch nicht dem Hunde, der die Hand küßt, die ihn nicht gerade züchtigt.“ 1 1 Da, meine Herren, hört der Kampf auf geistigem Gebiete auf! Die Regierung wird sich in keiner Weise auf dem bisher be⸗ folgten Wege irre machen lassen, sie wird ihrem Programme treu bleiben, „geordnete verfassungsmäßige Zustände Heneö und sie wird hierbei das Bewußtsein haben, was sie auch ihren Gegnern wünscht, das Bewußtsein eines guten Gewissens.

Auf eine Entgegnung des Abg. Herz erwiderte der Kabinets⸗ Minister von Flottwell: 8

Ich muß auf das Entschiedenste Protest dagegen erheben, daß ich eine Verhöhnung des lippeschen Volkes oder seiner Vertretung mit irgend einem Worte ausgesprochen hätte. Ich habe mich gegen die Volkspartei, die sogenannte Rechtspartei und ihre Machinationen

erklärt, aber met keinem Worte die legale Volksvertretung, sei es die

des Jahres 1836 oder 1849 verhöhnt oder in irgend einer Weise ge⸗ tadelt; zeigen Sie mir die Worte im süenographischen Berichte.

Landtags⸗Angelegenheiten.

Berlin, 15. Mai. In der gestrigen Sitzung des Hauses der Abgeordneten beantwortete der Handels⸗Minister Dr. Achenbach die Interpellation des Abg. Neubourg, die Eisenbahn von Harburg nach Stade betreffend, wie folgt:

Die erste Frage, welche an die Königliche Staatsregierung gerichtet ist, bezieht sich auf die Gründe der Verzögerung der Ausführung des

isenbahnbaues von Harburg nach Stade. Sofort na d.Erlaß des Gesetzes vom 25. März 1872 hat die Königliche Bahn⸗Direktion zu Hannover den Auftrag erhalten, mit der Fertigstellung der Vorarbeiten und zwar der speziellen Vorarbeiten vorzugehen. Die Direktion hat

sich diesem Auftrage schleunigst unterzogen, die Ausführun desselben ist aber in doppelter Beziehung auf gewisse Hindernisse ge⸗ stoßen, ein⸗ mal auf das bekanntlich fast überall vorliegende Hinderniß, daß es zuerst an geeignetem technischen Personale fehlte, zweitens aber und dies fällt viel mehr in das Gewicht ergab sich, daß die vorhandenen generellen Vorarbeiten einer vollstän⸗ digen Umarbeitung bedurften. Es sind also die generellen Vor⸗ arbeiten umgearbeitet worden und auf Grundlage derselben ist man zur Ausarbeitung der speziellen Vorarbeiten übergegangen: dieselben sind gegen Ende Herbst v. J. vollendet worden. Es hat darauf die polizeiliche Prüfung des Projektes stattgefunden, und es ist diese Prüfung bezüglich der ganzen Linie nunmehr erfolgt, abgesehen von denjenigen Anlagen, die in unmittelbarer Nähe der beiden Städte Harburg und Stade sich befinden werden. In nächster Woche ist die Einreichung der Vorarbeiten bei dem Ministerium in Aussicht gestellt und wird alsdann unverzüglich die hiesige Feststellung derselben erfol⸗ gen. Dies bezüglich des ersten Punktes. 1 Was den zweiten Punkt anbetrifft, se bezieht er sich auf die Fräage, ob die Eisenbahnanlage auf die Stade⸗Cuxhafener Eisenbahn⸗ und Hafenbaugesellschaft übertragen sei. Es ist den Herren erinner⸗ lich, daß in dem §. 1 des Gesetzes vom 25. März 1872 sich fol⸗ gende Bestimmung befindet: 1“ „In Betreff der Eisenbahn von Harburg nach Stade wird die Königliche Staatsregierung ermächtigt, innerhalb Jahresfrist diese Unternehmung an eine Privatgesellschaft zu übertragen, falls diese Gesellschaft zugleich den Ausbau des Hafens in Cuxhafen, sowie die Fortführung der Eisenbahn von Stade. bis dahin übernimmt und dem Staate alle ihm bis dahin erwachsenen Herstellungskosten erstattet.“ . Auf der Grundlage dieser Bestimmung haben mit der vorhin ge⸗ nannten Gesellschaft Verhandlungen stattgefunden, und kürzlich ist die Bahn auf diese Gesellschaft übertragen worden. In einem Paragra⸗ öhen der der Geseiischaft ausgefertigten Urkunde findet sich jedoch die hhan Vorschrift: 6 88 Die Anshändigung einer Ausfertigung dieser Konzessions⸗Urkunde an die Gesellschaft erfolgt erst, nachdem die Hinterlegung der vor⸗

geschriebenen Kaution nebst Verpfändungs⸗Urkunde stattgefunden hat.

Die Gesellschaft hat alsdann die durch gegenwärtige Konzession genehmigte Erweiterung ihres Unternehmens und ihren Be⸗ schluß, daß behufs Beschaffung der zur Ausführung dieser Erweiterung erforderlichen Geldmittel, die Ausgabe von weiteren fünf Millionen Th ler Aktien der Gesellschaft erfolgen soll, unver⸗ züglich in das Handelsregister des Stadtgerichts zu Berlin eintra⸗ gen zu lassen und diese Eintragung Unserem Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten nachzuweisen. Nach Führung dieses Nachweises soll die gegenwärtige Urkunde durch das Amts⸗ blatt der Regierurg zu Potsdam und das Amtsblatt für Hannover bekannt gemacht und eine Anzeige von der landesherrlichen Geneh⸗ migung in die Gesetz⸗Sammlung aufgenommen werden.. Es folgen dann weitere Bestimmungen, worin das Präjudiz aus⸗ gesprochen ist, wenn der Vorschrift, die ich vorgelesen habe, nicht Folge geleistet wird. Es hat nun die Gesellschaft ihrerseits die vor⸗ geschriebene Kaution im Betrage von 250,000 Thlr. bald nach der Aufforderung des Handels⸗Ministers deponirt; dagegen steht der Nach⸗ weis der Eintragung in das Handelsregister noch aus. Es ist also aus diesem Grunde bisher die Publikation der Konzessionsurkunde nicht erfolgt.

Was den dritten Punkt anbetrifft, worin die Frage gestellt wird, ob Maßnahmen von der Königlichen Staatsregierung erwartet werden dürfen, welche die schleunige Ausführung des betreffenden Baues sichern, so darf ich meinerseits im Namen der Königlichen Staats⸗ regierung erklären, daß, sobald diejenige Angelegenheit, worauf sich speziell Nr. 2 der Interpellation bezieht, geordnet ist, die Königliche Staatsregierung es sich zur Pflicht machen wird auf die thunlichst schleunige Ausführung des betreffenden Eisenbahnbaues hinzuwirken.

Dem Herrenhause ist folgendes Gesetz, betreffend die Berechnung des Kosten⸗Pauschquantums in den Streitsachen der Armenverbände vorgelegt worden.

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen ꝛc. verordnen mit Zustimmung beider Häuser des Landtages der Monarchie, was folgt:

Einziger Paragraph. 8 1

Der §. 56 des Gesetzes vom 8. März 1871, betreffend die Aus⸗ führung des Bundesgesetzes über den Unterstützungswohnsitz (Gesetz⸗ Sammlung Seite 130. is) erhält nachstehenden Zusatz: Für die Berechnung des Pauschquantums, sowie der Gebühren für Zeugen und Sachverständige kann von den Ministern des Innern und der Justiz ein Tarif aufgestellt werden. 88

Urkundlich ꝛc.

Das Aprilheft des Centralblatts für die gesammte Unterrichts⸗Verwaltung in Preußen, herausgegeben in dem Ministerium der geistlichen, Unterrichts⸗ und Medizinal⸗Angelegenheiten, (Berlin, 1873. Verlag von Wilhelm Hertz. Bessersche Buchhandlung) hat folgenden Inhalt: Ministerium der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten. Staatsausgaben für öffentlichen Unterricht. Amtliche Stellung der kirchlichen Behörden in Beziehung auf die Schulaufsicht. Bei⸗ tritt der Lehrer an Königlichen Gymnasien zur allgemeinen Wittwen⸗ Verpflegungs⸗Anstalt. Bezeichnung der in den §§. 15 und 24 der Prüfungs⸗Ordnung für Volksschullehrer genannten Aufsichtsbehörde. Zweck der Beihülfen aus Staatsfonds für die von Armenverbänden zu unterstützenden Personen. Rektorat ꝛc. bei der Universität zu Greifs⸗ wald. Stipendien bei Ausdehnung der Studienzeit Seitens evan⸗ gelischer Theologen. Förderung der Zwecke der anthropologischen Gesellschaft. Wiffenschaftliche Prüfungs⸗Kommission zu Greifswald. Wittwenkassenbeitrag für Elementarlehrerstellen an höheren Unter⸗ richtsanstalten. Unterrichtssprache bei dem Religionsunterricht in den höheren Lehranstalten der Provinz Posen. Betheiligung jüdischer Religionslehrer höherer Unterrichtsanstalten bei Feststellung der Cen⸗ suren. Ferienordnung in der Provinz Sachsen. Bedingung für den Zutritt allgemeiner Staatsfonds zur Unterhaltung höherer Lehr⸗ anstalten. Scharnhorst⸗Siftung bei dem Gymnasium in 5— Normal⸗Etat nebst Ausführungs⸗Bestimmungen, betreffend die Besol⸗ dungen der Direktoren, Lehrer und Lehrerinnen an den Schullehrer⸗ und Lehrerinnen⸗Seminarien. Unterricht in der Pädagogik im Se⸗ minar, a und b. Geschichte der Pädagogik von chorn. Pen⸗ sionsgeld in den Anstalten zu Droyßig. Aufnahme Oldenburgischer Aspiranten in die Seminarien der Provinz Schleswig⸗Holstein. Verpflichtung zur Ertheilung des Turnunterrichts in der Elementar⸗ schule, besondere Remuneration. Dreijähriges Verbleiben der im Seminar ausgebildeten Lehrer in dem betreffenden Regierungsbezirk I und 2. Zweck, Lehrplan ꝛc. der Mittelschule 1, 2 und 3. Lehrplan für den Religionsunterricht in der Volksschule. Lehrplan für Zeichenunterricht und Realien in der einklassigen Volksschule. Verleihung von Orden. Personalchronik.

88 Statistische Nachrichten.

Straßburg, 13. Mai. Die Zahl der neuimmatrikuli⸗ renden Studirenden der hiesigen Universität. beträgt: 147. Mit 326 Studenten aus dem Vorjahre und 12 Hospitanten beziffert sich die Frequenz auf 485. Im vorigen Semester zählte man 408 Studirende (inkl. 18 Hospitanten). Es ergiebt sich somit für das laufende Semester ein Zuwachs von 77 Studirenden. 8

Gewerbe und Handel.

Wien, 14. Mai. Die „Wien. Z.“ veröffentlicht Folgendes: Vom Herrn Präsidenten der Kaiserlich Königlichen Börsenkammer sind wir ermächtigt, zu erklären, daß das Gerücht, als habe die Kaiser⸗ lich Königliche Börsenkammer oder eines ihrer Organe an einem der letztverflossenen Tage die Sistirung des Börsenverkehrs oder die Schließung der Börse verfügt, nicht auf Wahrheit beruht, daß die

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Kaiserlich Königliche Börsenkammer vielmehr jedes Ansinnen, didie

zeitweilige Schließung der Börse zu verfügen, geradezu abgewiesen hat. Alle bedeutenderen hiesigen

Banken haben in einer Konferenz ihrer Vertreter sich zu dem Be⸗

Pesth, 14. Mai. (W. T. B.)

schlusse geeinigt, bei den Kostzuschüssen mit der größten Schonung zu

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Werke zu gehen; außerdem

zukaufen. der hiesigen Filia Paris, 13. Mai. sehr viel mit der Steinkohlen⸗Frage, um die französische Produktion zu vermehren. reich 130 Millionen Quintaux Metriques, während die Indu

200 Millionen verbraucht. 18 1160

Verkehrs⸗Anstalten. Aurich, 12. Mai. Hier tagt heute eine aus den Städten und Aemtern Emden, Nerden, Esens und aus dem Amte Wittmund durch Kommunalvertreter besuchte Versammlung zur Beschlußfassung über den Bau einer Eisenbahn von Emden nach Norden, Esens, Wittmund, Jever, im Besondeten darüber, ob von den betheilig⸗ ten Distrikten eine Zinsgarantie übernommen werden soll. London, 13. Mai. s

Die Regierung beschäftigt sich im Augenblick

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von Kalkutta nach Bombay auf der Höhe von Trincomalce unter gegangen.

Am 10. Mai sind 16 Fahrzeuge, darunter 14 Schran⸗

zu betrachten. 10. bendampfer, mit verschiedenen Frachten angekommen.

Aus dem Wolff'schen Telegraphen⸗Bureau.

Wien, Donnerstag, 15. Mai, Vormittags 11 Uhr 15 Mi⸗ nuten. des Gebäudes der Kreditanstalt wurden auf Aufforderung der größeren Banken Vertreter der Koulisse und Agenten zugezogen, um mit denselben gemeinschaftlich den frciwilligen Kompensa⸗ tionsmodus zu vereinbaren und zwar in der Art, daß die Effek⸗ ten nach Zahlung der aus dem freiwillig vereinbarten Kompen⸗ sationskourse und dem letzten Liquidationskourse resultirenden Differenzen ins Eigenthum der faktischen Effektenbesitzer über gehen. Seitens der Banken wird zu diesem Ausgleich große Be⸗ reitwilligkeit dokumentirt.

Wien, Donnerstag, 15. Mai. Das Bestreben der jünge⸗ ren Banken, namentlich aus der Kategorie der Maller⸗ und Baubanken, zu liquidiren, findet, meldet, in den betheiligten Kreisen vielen Anklang. hiesige Banken sind behufs Bildung eines Kreditvereins einem Fonds von 50 Millionen mit einander in Berathun getreten und wurden diese Berathungen auch gestern anscheinend mit Aussicht auf Erfolg noch fortge setzt. Im ⸗Finanz⸗Ministerium fand gestern unter Zu ziehung von vier großen Bankinstituten resp. deren Vertreter eine Konferenz statt, in welcher beschlossen wurde, die Börsen⸗ kammer zur strengsten Handhabung der Gesetze aufzufordern. Eine gleichfalls gestern stattgehabte Versammlung der Bör senkoulisse beschloß die Einsetzung eines aus sieben Mitgliedern bestehenden Komites, das mit den Vertretern der Banken 1g Sh Festsetzung eines Kompensations⸗Courses unterhan⸗

eln soll.

Die Versuche, ein größeres Spekulationshaus zu halten, sind noch nicht beendet; die Depotsgläubiger desselben treten heute zusammen, um das definitive Resultat der bezüglichen Verhandlungen festzustellen.

Wien, Donnerstag, 15. Mai. Die Kreditanstalt erklärt im Namen mehrerer Banken, auf das Kompensationsverfahren nicht eingehen zu können.

Paris, Donnerstag, 15. Mai. (W. T. B.) Der Minister des Innern de Goulard und der Minister für den öffentlichen Unterricht Jules Simon haben, wie die „Agence Havas“ meldet, um die Entlassung von ihren Ministerposten nachgesucht; der Präsident der Republik hätte indeß abgelehnt, die Entlassungsgesuche an⸗ zunehmen, bevor die Nationalversammlung nicht wieder zu⸗ sammengetreten sei.

Perpignan, Donnerstag, 15. Mai. Nach eingetroffenen Meldungen aus Barcelona vom 15. d. ist der Carlistenchef Saballs gestern Abend mit 800 Mann in dem nur 20. Kilo⸗ meter von hier entfernten Mataro eingezogen. Die Bewohner Mataros wurden überrascht und leisteten nur geringen Wider⸗ stand; die Depositengelder in den Zollkassen wurden aufgehoben, die Stadt selbst mit einer sofort zahlbaren Kontribution von 10,000 Douros belegt. Von hier hat sich eine aus 2 Com⸗ pagnien des Regimentes „Cadix“, 250 Karabiniers und 300 re⸗ publikanischen Freiwilligen bestehenden Truppenabtheilung sofort gegen Saballs in Bewegung gesetzt.

Konstantinppel, Mittwoch, 14. Mai. Die zur Feststel⸗ lung einer authentischen Interpretation des Kaiserlichen Firmans über die Erhebung der Suezkanal⸗Abgaben niedergesetzte Kom⸗ mission hat gestern ihre Aufgabe durch Annahme der folgenden Resolution für beendet erklärt: „Da erwiesenermaßen keine Beschwerdeführer wider die Suezkanal⸗ Taxe vorhanden sind, besteht für die ottomanische Regierung, welche zu der Ge⸗ sellschaft in durchaus normalen Beziehungen steht, kein Anlaß mehr, den Artikel 17 des Konzessionsfirmans zu interpretiren.“ Herr v. Lesseps bereitet seine Abreise nach Aegypten vor, von wo er nach Frankreich gehen wird, um der nächsten Generalver⸗ sammlung der Suezkanal⸗Gesellschaft beizuwohnen.

Königliche Schauspiele.

Freitag, 16. Mai. Opernhaus. (116. Vorstellung.) Der Troubadour. Oper in 4 Akten. Musik von Verdi. Ballet von P. Taglioni. Azucena: Frl. Lammert, vom Hoftheater in Son⸗ dershausen, als Gast. Leonore: Fr. v. Voggenhuber. Manrico: Hr. Diener, als Debüt. Luna: Hr. Schmidt. Ferrando: Hr. Fricke. Anfang 7 Uhr. Mittel⸗Preise.

Im Schauspielhause. (131. Abonnements⸗Vorstellung.) Der Elephant. Lustspiel in 4 Aufzügen von G. r⸗ Moser. Anfang halb 7 Uhr. Mittel⸗Preise. 9

Sonnabend, 17. Mai. Opernhaus. (117. Vorstellung.) Der Wasserträger. Oper in 3 Abtheilungen. Musik von Che⸗ rubini. Constanze: Frl. Lehmann. Armand: Hr. Woworsky. Wasserträger Hr. Krolop. Hierauf: Solotänze und Gavotte. Anfang 7 Uhr. Mittel⸗Preise.

Im Schauspielhause. (132. Abonnements⸗Vorstellung.) Maria und Magdalena. Schauspiel in 4 Akten von Paul Lin⸗ dau. Anfang halb 7 Uhr. Mittel⸗Preise.

Redaktion und Rendantur: Schwieger.

oll ein ansehnlicher Baarfonds zusammen⸗ geschossen werden, um billig ausgebotene Effekten gemeinschaftlich an⸗ Auch 289 die Nationalbank um eine reichlichere Dotirung

e und um coulante Eskomptirung angegangen werden.

und sucht nach Mitteln, 9 Bis jetzt liefert Frank⸗ strie allein

2n, ni. Der eiserne Schraubendampfer „Leithe aus Leith ist einem Telegramm aus Kalkutta zufolge auf der Reise

Kronstsdt, 13. Mai. Die Schiffahrt ist nunmehr als eröffnet G

werden soll.

Zu der soeben stattfindenden Bankkonferenz im Saale

wie die „Neue freie Presse“ Mehrere mit

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amzhamAMHAnAmb

Gesetz über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen. Vom 11. Mai 1873. Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen ꝛc. verordnen mit Zustimmung beider Häuser des Landtages, für den Umfang der Monarchie, einschließlich des Jadegebiets, was folst:

1“ 1. Allgemeine Bestimmungen.

F. 1. Ein geistliches Amt darf in einer der christlichen Kirchen nur einem Deutschen übertragen werden, welcher seine wissenschaftliche Vorbildung nach den Vorschriften dieses Gesetzes dargethan hat und gegen dessen Anstellung kein Einspruch von der Staatsregierung erhoben worden ist.

„S. 2. Die Vorschriften des §. 1 kommen zur Anwendung, gleich⸗ viel, ob das Amt dauernd oder widerruflich übertragen werden oder nur eine Stellvertretung oder Hülfsleistung in demselben statthaben soll. Ist Gefahr im Verzuge, so kann eine Stellvertretung oder Hülfsleistung einstweilen und vorbehaltlich des Einspruchs der Staats⸗ regierung angeordnet werden.

Die Vorschriften des §. 1 kommen, vorbehaltlich der Be⸗ stimmungen des §. 26, auch zur Anwendung, wenn einem bereits im Amte (§. 2) stehenden Geistlichen ein anderes geistliches Amt über⸗ tragen oder eine widerrufliche Anstellung in eine dauernde verwandelt

1 II. Vorbildung zum geistlichen Amte. §. 4. Zur Bekleidung eines geistlichen Amts ist die Ablegung

der Entlassungsprüfung auf einem deutschen Gymnasium, die Zurück⸗

legung eines dreijährigen theologischen Studiums auf einer deutschen Staats⸗Universitaͤt, sowie die Ablegung einen wissenschaftlichen Staats⸗ prüfung erforderlich.

6. 5. Der Minister der geistlichen Angelegenheiten ist ermächtigt,

mit Rücksicht auf ein vorangegangenes anderes Universitätsstudium, als das der Theologie, oder mit Rücksicht auf ein an einer außer⸗ deutschen Staats⸗Universität zurückgelegtes Studium, oder mit Rück⸗ sicht auf einen soncigeg. besonderen Bildungsgang von dem vorge⸗ schriebenen dreijährigen Studium an einer Deutschen Staats⸗Universität einen angemessenen Zeitraum zu erlassen. 86. 6. Das theologische Studium kann in den bei Verkündigung dieses Gesetzes in Preußen bestehenden, zur wissenschaftlichen Vor⸗ bildung der Theologen bestimmten kirchlichen Seminaren zurückgelegt werden, wenn der Minister der geistlichen Angelegenheiten anerkennt, daß dieses Studium das Universitätsstudium zu erseten geeignet sei.

Diese Vorschrift findet jedech nur auf die Seminare an den⸗ jenigen Orten Anwendung, an welchen sich keine theologische Fakultät befindet und gilt nur für diejenigen Studirenden, welche dem Sprengel angehören, für den das Seminar errichtet ist.

Die im ersten Absatze erwähnte Anerkennung darf nicht verwei⸗ gert werden, wenn die Einrichtung der Anstalt den Bestimmungen die⸗ ses Gesetzes entspricht und der Minister der geistlichen Angelegenheiten den Lehrplan derselben genehmigt.

§. 7. Während des vorgeschriebenen Universitätsstudiums dürfen die Studirenden einem kirchlichen Seminare nicht angehören.

Die Staatsprüfung hat nach zurückgelegtem theologischen Studium statt. Zu derselben darf nur zugelassen werden, wer den Vorschriften dieses Gesetzes über die Gymnasialbildung und theologische Vorbildung vollständig genügt hat.

Die Prüfung ist öffentlich und wird darauf gerichtet, ob der Kandidat sich die für seinen Beruf erforderliche allgemeine wissen⸗ schaftliche Bildung, insbesondere auf dem Gebiete der Philosophie, der Geschichte und der deutschen Literatur erworben habe.

Der Minister der geistlichen Angelegenheiten trifft die näheren Anordnungen über die Prüfung.

8 Llle kirchlichen Anstalten, welche der Vorbildung der Geistlichen dienen (Knabenseminare, Klerikalseminare, Prediger⸗ und Priesterseminare, Konvikte ꝛc.), stehen unter Aufsicht des Staats.

Die Hausordnung und das Reglement über die Disziplin in diesen Anstalten, der Lehrplan der Knabenseminare und Knabenkon⸗ vikte, sowie dersenigen Seminare, für welche die im §. 6 bezeichnete Anerkennung ertheilt ist, sind dem Ober⸗Präsidenten der Provinz von dem Vorsteher der Anstalten vorzulegen.

Die Anstalten unterliegen der Revision durch Kommissarien, welche der Ober⸗Präsident ernennt.

§. 10. An den im vorstehenden Paragraphen gedachten Anstalten darf als Lehrer oder zur Wahrnehmung der Disziplin nur ein Deutscher angestellt werden, welcher seine wissenschaftliche Befähigung nach Vorschrift des §. 11 dargethan hat und gegen dessen Anstellung kein Einspruch von der Staatsregierung erhoben worden ist.

Die Vorschriften der §§. 2 und 3 finden entsprechende An⸗ wendung.

§. 11. Zur Anstellung an einem Knabenseminare oder Knaben⸗ konvikte ist die Befähigung zur entsprechenden Anstellung an einem preußischen Gymnasium, zur Anstellung an einer für die theologische wissenschaftliche Vorbildung bestimmten Anstalt die Befählgung er⸗ forderlich, an einer deutschen Staats⸗Universität in der Disziplin zu lehren, für welche die Anstellung erfolgt.

Kleriker und Predigtamts⸗Kandidaten müssen die für Geistliche vorgeschriebene Vorbildung e.

Dieselbe genügt zur Anstellung an den zur theologisch⸗praktischen Vorbildung bestimmten Anstalten. 3

§. 12. Für die Erhebung des Einspruchs gegen die Anstellung finden die Bestimmungen entsprechende Anwendung, welche die Er⸗ bebung Einspruchs gegen die Anstellung von Geistlichen regeln (§§. 15—17).

§. 13. Werden die in den §§. 9—11 enthaltenen Vorschriften oder die getroffenen Anordnungen der Staatsbehörden nicht befolgt, so ist der Minister der geistlichen Angelegenheiten ermächtigt, bis zur

Befolgung die der Anstalt gewidmeten Staatsmittel einzubehalten oder die Anstalt zu schließen.

Unter der angegebenen Voraussetzung und bis zu dem bezeichneten Zeitpunkte können Zöglinge der Knabenseminare und Knabenkonvikte von dem Besuche der Gymnasien und von der Entlassungsprüfung ausgeschlossen und den im §. 6 erwähnten Anstalten die ertheilte An⸗ erkennung entzogen werden. Diese Anordnungen stehen dem Minister der geistlichen Angelegenheiten zu. 3

Nach Errichtung eines Königlicher Gerichtshofes für die kirchlichen Angelegenheiten kann über die Gesetzmäßigkeit der nach diesem Paragraphen getroffenen Anordnungen und Verfügungen innerhalb 30 Tagen bei dem gedachten Gerichtshofe Berufung ein⸗ gelegt werden. Durch Einlegung derselben wird die Vollstreckung der angefochtenen Anordnung oder Verfügung nicht aufgehalten. Der Gerichtshof kann jedoch bestimmen, daß bis zur endgültigen Entschei⸗ dung die Vollstreckung unterbleibe.

§. 14. Knabenseminare und Knabenkonvikte (§. 9.) dürfen nicht mehr errichtet und in die bestehenden Anstalten dieser Art neue Zög⸗ linge nicht mehr aufgenommen werden.

Im Falle der Aufnahme neuer Zöglinge ist der Minister der geistlichen Angelegenheiten zur Schließung der betreffenden Anstalt

befugt. 8 III. Anstellung der Geistlichen.

ö.15. Die geistlichen Oberen sind verpflichtet, denjenigen Kan⸗ didaten, dem ein geistliches Amt übertragen werden soll, dem Ober⸗ Präsidenten unter Bezeichnung des Amtes zu benennen.

Dasselbe gilt bei Verfetzung eines Geistlichen in ein anderes geistliches Amt oder bei Umwandlung einer widerruflichen Anstellung in eine dauernde.

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Innerhalb dreißig Tagen nach der Benennung kann Einspruch gegen die Anstellung erhoben werden.

Die Erhebung des Einspruchs steht dem Ober⸗Präsidenten zu.

§. 16. Der Einspruch ist zulässig: 1) wenn dem Anzustellenden die gesetzlichen Erfordernisse zur Bekleidung des geistlichen Amtes feh⸗ len; 2) wenn der Anzustellende wegen eines Verbrechens oder Verge⸗ hens, welches das deutsche Strafgesetzbuch mit Zuchthaus oder mit dem Verluste der bürgerlichen Ehrenrechte oder dem Verluste der öf⸗ fentlichen Aemter bedroht, verurtheftt ist oder sich in Untersuchung be⸗ findet; 3) wenn gegen den Anzustellenden Thatsachen vorliegen, welche die Annahme rechtfertigen, daß derselbe den Staatsgesetzen, oder den innerhalb ihrer gesetzlichen Zuständigkeit erlassenen Anordnungen der Obrigkeit entgegenwirken oder den öffentlichen Frieden stören werde.

Die Thatsachen, welche den Einspruch begründen, sind anzugeben.

Gegen die Einspruchserklärung kann innerhalb 30 Tagen bei dem Königlichen Gerichtshofe für die kirchlichen Angelegenheiten und, so lange dessen Einsetzung nicht erfolgt ist, bei dem Minister der geist⸗ lichen Angelegenheiten Berufung eingelegt werden.

Die Entscheidung ist endgültig.

§. 17. Die Uebertragung eines geistlichen Amtes, welche der Vorschrift des §. 1 zuwiderläuft, oder welche vor Ablauf der im §. 15 für die Erhebung des Einspruchs gewährten Frist erfolgt, gilt als nicht beseh

.18. Jedes Pfarramt ist innerhalb eines Jahres vom Tage der Erledigung, wo gesetzlich oder observanzmäßig ein Gnadenjahr be⸗ steht, vom Tage der Erledigung der Psfründe an gerechnet, dauernd zu besetzen. Die Frist ist vom Ober⸗Präsidenten im Falle des Be⸗ dürfnisses auf Antrag angemessen zu verlängern.

Nach Ablauf der Frist ist der Ober⸗Präsident befugt, die Wieder⸗ besetzung der Stelle durch Geldstrafen bis zum Betrage von 1000 Thalern zu erzwingen. Die Androhung und Festsetzung der Strafe darf wiederholt werden, bis dem Gesetze genügt ist.

Außerdem ist der Minister der geistlichen Angelegenheiten ermäch⸗ tigt, bis dahin Staatsmittel einzubehalten, welche zur Unterhaltung der Stelle oder desjenigen geistlichen Oberen dienen, der das Pfarr⸗ amt zu besetzen oder die Besetzung zu genehmigen hat.

3 Die Errichtung von Seelsorgeämtern, deren Inhaber un⸗ bedingt abberufen werden dürfen, ist nur mit Genehmigung des Mi⸗ nisters der geistlichen Angelegenheiten zulässig.

Die Bestimmungen des §. 18 beziehen sich auf die sogenannten Sukkursal⸗Pfarreien des französischen Rechts mit der Maßgabe, daß die in Absatz 1 des §. 18 vorgeschriebene Frist vom Tage der Publi⸗ kation dieses Gesetzes an zu laufen beginnt.

§. 20. Anordnungen oder Vereinbarungen, welche die durch das Gesetz begründete Klagbarkeit der aus dem geistlichen Amtsverhältnisse entspringenden vermögensrechtlichen Ansprüche ausschließen oder be⸗ schränken, sind nur mit Genehmigung der Staatsbehörde zulässig.

§. 21. Die Verurtheilung zur Zuchthausstrafe, die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte und der Fähigkeit zur Bekleidung öffent⸗ licher Aemter hat die Erledigung der Stelle, die Unfähigkeit zur Ausübung des geistlichen Amts und den Verlust des Amtseinkommens zur Volsge.

IVv. Strafbestimmungen.

§. 22. Ein geistlicher Oberer, welcher den §§. 1 bis 3 zuwider ein geistliches Amt überträgt oder die Uebertragung genehmigt, wird mit Geldstrafe von 200 bis zu 1000 Thalern bestraft.

Dieselbe Strafe trifft denjenigen, welcher der Vorschrift des §. 19 Absatz 1 zuwiderhandelt.

§. 23. Wer geistliche Amtshandlungen in einem Amte vornimmt, welches ihm den Vorschriften der §§. 1 bis 3 zuwider übertragen worden ist, wird mit Geldstrafe bis zu 100 Thalern bestraft.

Dieselbe Strafe trifft denjenigen, der geistliche Amtshandlungen in einem von ihm nicht dauernd verwalteten Pfarramte vornimmt, nachdem er von dem Ober⸗Präsidenten benachrichtigt worden ist, daß das Zwangsverfahren Behufs Wiederbesetzung der Stelle in Gemäß⸗ heit der Vorschrift in §. 18 Absatz 2 eingeleitet sei.

§. 24. Wer geistliche Amtshandlungen vornimmt, nachdem er in Folge gerichtlichen Strafurtheils die Fähigkeit zur Ausübung des geist⸗ lichen Amtes verloren hat (§. 21), wird mit Geldstrafe bis zu 100 Thalern bestraft.

V. Uebergangs⸗ und Schlußbestimmungen.

§. 25. Ausländer, welchen vor Verkündung dieses Gesetzes ein geistliches Amt (§. 2) oder eines der im §. 10 erwähnten Aemter an kirchlichen Anstalten übertragen worden ist, haben bei Vermeidung

der Folgen des §. 21 innerhalb sechs Monaten die Reichsangehörigkeit

zu erwerben. 1

Der Minister der geistlichen Angelegenheiten kann mit Rücksicht auf die besonderen Bedürfnisse des einzelnen Falles diesen Zeitraum verlängern. 2 1 1

§. 26. Die Vorschriften dieses Gesetzes über den Nachweis wissenschaftlicher Vorbildung und Befähigung finden keine Anwendung auf Personen, welche vor Verkündung dieses Gesetzes im geistlichen Amte angestellt sind oder die Fähigkeit zur Anstellung im geistlichen Amte erlangt haben.

Außerdem ist der Minister der geistlichen Angelegenheiten ermäch⸗ tigt, denjenigen Personen, welche vor Verkündung dieses Gesetzes in ihrer Vorbildung zum geistlichen Amte vorgeschritten waren, den in diesem Gesetze vorgeschriebenen Nachweis der Vorbildung ganz oder theilweise zu erlassen.

Der Minister der geistlichen Angelegenheiten ist auch ermächtigt, Auslaͤnder von den Erfordernissen des §. 4 dieses Gesetzes zu dispensiren.

§. 27. Die in den §§. 4 und 8 dieses Gesetzes vorgeschriebene Staatsprüfung kann mit der theologischen Prüfung verbunden werden, insofern die Einrichtung dieser letzteren Prüfung und die Bildung der Prüfungskommissionen Behörden zusteht, deren Mitglieder sämmtlich oder theilweise vom Könige ernannt werden.

§. 28. Die Vorschriften dieses Gesetzes über das Einspruchsrecht des Staates (§§. 1, 3, 10, 12, 15 und 16) finden in den Fällen keine Anwendung, in welchen die Anstellung durch Behörden erfolgt, deren Mitglieder sämmtlich vom Könige ernannt werden. 1

§. 29. Soweit die Mitwirkung des Staats bei Besetzung geist⸗ licher Aemter auf Grund des Patronats oder besonderer Rechtstitel anderweit geregelt ist, behält es dabei sein Bewenden.

Desgleichen werden die bestehenden Rechte des Staats bezüglich der Anstellung von Geistlichen beim Militär und an öffentlichen An⸗ stalten durch das vorliegende Gesetz nicht berührt.

H. 30. Der Minister der geistlichen Angelegenheiten ist mit der Ausführung dieses Gesetzes beauftragt. 1

Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und bei⸗ gedrucktem Königlichen Insiegel. 6

Gegeben Berlin, den 11. Mai 1873.

L. 8.) Wilhelm. Fürst von Bismarck. Graf von Itzenplitz. Leonhardt. Camphausen. Graf von Königsmarck.

Gesetz über die kirchliche Disziplinargewalt und die Errichtung des Königlichen Gerichtshofes für kirchliche Angelegenheiten. Vom 12. Mai 1873. Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen zꝛc. verordnen, mit Zustimmung beider Häuser des Landtages, für den Umfang der Monarchie, einschließlich des Jadegebiets, was folgt:

Graf von Roon. Graf zu Eulenburg. Falk. von Kameke.

I. Allgemeine Bestimmungen.

§. 1. Die kirchliche Disziplinargewalt über Kirchendiener darf nur von deutschen kirchlichen Behörden ausgeübt werden.

8. 2. Kirchliche Disziplinarstrafen, welche gegen die Freiheit oder das Vermoögen gerihtet sind, dürfen nur nach Anhörung des Beschul⸗ digten verhängt werden. 1

Der Entfernung aus dem Amte (Entlassung, Versetzung, Sus⸗ pension, unfreiwillige Emeritirung u. s. w.) muß ein geordnetes pro⸗ zessualisches Verfahren vcrausgehen.

In allen diesen Fällen ist die Entscheidung schriftlich unter An⸗ gabe der Gründe zu erlassen.

§. 3. Die körperliche Züchtigung ist als kirchliche Disziplinar⸗ strafe oder Zuchtmitte! unzulässig.

§. 4. Geldstrafen dürken den Betrag von 30 Thalern, oder, wenn das einmonatliche Amtseinkommen höher ist, den Betrag des letzteren nicht übersteigen.

§. 5. Die Strafe der Freiheitsentziehung (§. 2) darf nur in der Verweisung in eine Demeriten⸗Anstalt bestehen.

Die Verweisung darf die Dauer von drei Monaten nicht über⸗ steigen und die Vollstreckung derselben wider den Willen des Be⸗ troffenen weder begonnen, noch fortgesetzt werden. Die Verweisung in eine außerdeutsche Demeriten⸗Anstalt ist unzulässig.

§. 6. Die Demeriten⸗Anstalten sind der staatlichen Aufsicht unterworfen. Ihre Hausordnung ist dem Ober⸗Präsidenten der Pro⸗ vinz zur Genehmigung einzureichen.

Er ist befugt, Visitationen der Demeriten⸗Anstalten anzuordnen, und von ihren Einrichtungen Kenntniß zu nehmen.

Von der Aufnahme eines Demeriten hat der Vorsteher der An⸗ stalt unter Angabe der Behörde, welche sie verfügt, binnen 24 Stun⸗ den dem Ober⸗Dräsidenten Anzeige zu machen. Ueber sämmtl iche Demeriten ist von dem Vorsteher ein Verzeichniß zu führen, welches den Namen derselben, die gegen sie erkannten Strafen und die Zeit der Aufnahme und Entlassung enthält. Am Schluß jedes Jahres ist das Verzeichniß dem Ober⸗Präsidenten einzureichen.

§. 7. Von jeder kirchlichen Disziplinar⸗Entscheidung, welche auf eine Geldstrafe von mehr als 20 Thaleru, auf Verweisung in eine Demeriten⸗Anstalt für mehr als 14 Tage, oder auf Entfernung aus dem Amte (§. 2.) lautet, ist dem Ober⸗Präsidenten, gleichzeitig mit der Zustellung an den Betroffenen, Mittheilung zu machen.

Die Mittheilung muß die Entscheidungsgründe enthalten.

§. 8. Der Ober⸗Präsident ist befugt, die Befolgung der in den §§. 5—7 enthaltenen Vorschriften und der auf Grund derselben von ihm erlassenen Verfügungen durch Geldstrafen bis zum Betrage von 1000 Thalern zu erzwingen. 3

Die Androhung und Festsetzung der Strafe darf wiederholt wer⸗ den, bis dem Gesetze genügt ist.

Außerdem kann die Demeriten⸗Anstalt geschlossen werden.

§. 9. Eine Vollstreckung kirchlicher Disziplinar⸗Entscheidungen im Wege der Staatsverwaltung findet nur dann statt, wenn dieselben von dem Ober⸗Präsidenten nach erfolgter Prüfung der Sache für voll⸗ streckbar erklärt worden sind. .“

II. Berufung an den Staat. 8

§. 10. Gegen Entscheidungen der kirchlichen Behörden, welche eine B verhängen, steht die Berufung an die Staatsbehörde (§. 32) offen:

1) wenn die Entscheidung von einer durch die Staatsgesetze aus⸗ geschlossenen Behörde ergangen ist; 2) wenn die Vorschriften des §. 2 nicht befolgt worden sind; 3) wenn die Strafe gesetzlich unzulässig ist; 4) wenn die Strafe verhängt ist: a. wegen einer Handlung oder Unter⸗ lassung, zu welcher die Staatsgesetze oder die von der Obrigkeit inner⸗ halb ihrer Zuständigkeit erlassenen Anordnungen verpflichten, b. wegen Ausübung oder Nichtausübung eines öffentlichen Wahl⸗ und Stimm⸗ rechts, c. wegen Gebrauchs der Berufung an die Staatsbehörde (§. 32) auf Grund dieses Gesetzes.

§. 11. Die Berufung findet außerdem statt, wenn 1) die Ent⸗ fernung aus dem kirchlichen Amte (s§. 2 Abs. 2) als Disziplinarstrafe

oder sonst wider den Willen des davon Betroffenen ausgesprochen

worden ist, und die Entscheidung der klaren thatsächlichen Lage wider⸗ spricht oder die Gesetze des Staates oder allgemeine Rechtsgrundsätze verletzt; 2) nach erfolgter vorläufiger Suspension vom Amte das weitere Verfahren ungebührlich verzögert wird.

§. 12. Die Berufung steht Jedem zu, gegen welchen die Entschei⸗ dung ergangen ist, sobald er die dagegen zulässigen Rechtsmittel Lei der vorgesetzten kirchlichen Instanz ohne Erfolg geltend gemacht hat.

Liegt ein öffentliches Interesse vor, so steht die Berufung auch dem Ober⸗Präsidenten zu, jedoch erst dann, wenn die bei den kirch⸗ lichen Behoͤrden angebrachten Rechtsmittel ohne Erfolg geblieben sind, oder die Frist zur Einlegung derselben versäumt ist.

§. 13. Die Berufung ist bei dem Königlichen Gerichtshofe für kirchliche Angelegenheiten schriftlich anzumelden.

Die Frist zur Anmeldung beträgt in den Fällen des §. 10 und §. 11 Absatz 1 für den durch die Entscheidung Betroffenen vier

ochen. Sie beginnt mit Ablauf des Tages, an welchem die Ent scheidung mit Gründen ihm zugestellt ist. In den Fällen des §. 11 AÄbsatz 2 ist die Berufung an keine Fritz

gebunden. 1

Fuür den Ober⸗Präsidenten beträgt die Frist, wenn ihm die Ent scheidung als endgültige amtlich mitgetheilt ist, drei Monate, andern falls ist derselbe an keine Frist gebunden.

§. 14. Durch Einlegung der Berufung wird die Vollstreckun der angefochtenen Entscheidung aufgehalten. Der Gerichtshof ist jedo befugt, die vorläufige Vollstreckung zu gestatten. Andernfalls kann die Einstellung der Vollstreckung von dem Gerichtshofe durch Geld strafen bis zum Betrage von 1000 Thalern erzwungen werden (§. 8 Abs. 2).

§. 15. dung schriftlich zu rechtfertigen. längert werden. 1.““ 81u1u“

§. 16. Die Anmeldung und die Rechtfertigungsschrift wird de kirchlichen Behörde zur Abgabe einer schriftlichen Erklärung und Ein reichung der Akten innerhalb 4 Wochen zugefertigt. Die Einreichung der Akten kann erzwungen werden, geeignetenfalls durch Geldstrafen bis zum Betrage von 1000 Thalern (§. 8 Abs. 2).

§ 17. Der Gerichtshof trifft die zur Aufklärung der Sache er⸗ forderlichen Verfügungen. 86 ziehung eines vereideten Protokollführers aufzunehmen. .

§. 18. Die Entscheidung erfolgt auf Grund mündlicher Ver⸗ handlung in öffentlicher Sitzung. 88

Die Oeffentlichkeit kann durch Beschluß des Gerichtshofes aus⸗ geschlossen oder auf bestimmte Personen beschränkt werden.

§. 19. Zu den Verhandlungen (§§. 17 und 18) sind der Beru⸗ fende und die kirchliche Behörde zuzuziehen. Dieselben können sich durch einen Advokaten oder Rechtsanwalt vertreten lassen. Im Fall ihres Ausbleibens wird nach Lage der Verhandlungen erkannt.

Außerdem ist der Minister der geistlichen Angelegenheiten zu be⸗ nachrichtigen, welcher einen Beamten mit seiner Vertretung beauftragen kann. Hat der Ober⸗Präsident die Berufung eingelegt, so übernimmt 8 von dem Minister bezeichnete Beamte die Vertretung des Beru⸗ fenden. . §. 20. In dem Termin zur mündlichen Verhandlung giebt ein von dem Vorsitzenden des Gerichtshofes aus der Zahl seiner Mitglie⸗ der ernannter Referent eine Darstellung der Sache, wie sie aus den bis⸗ herigen Verhandlungen hervorgeht. Hierauf wird der Berufende oder dese Verkreter, sowic der Vertreter der kirchlichen Behörde und des

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Die Berufung ist innerhalb 14 Tagen nach der Anmel⸗ Diese Frist kann auf Antrag ver⸗

Die Beweisverhandlungen sind unter Zu-