1873 / 146 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 23 Jun 1873 18:00:01 GMT) scan diff

Staatsgemeinschaft umfassen, zu welcher die deutschen Stämme unter Eurer Majestät glorreich erhabenen Krone verbunden sind, setzen wir unerschütterliches Vertrauen und bestätigen unsererseits das vor zwei Jahren gesprochene Königliche Wort: 8

8 „Das Vertrauen zwischen Mir und Meinen katholischen Unter⸗ thanen wird ein gegenseitiges und dauerndes bleiben.“

Berlin, den 14. Juni 1873. 1I1“ Victor Herzog von Ratibor. Graf Stillfried⸗Al⸗ cäntara. red Graf Frankenberg, Reichstagsmitglied. Graf 8 Wengerski⸗Pschow. Alexander Graf Axco⸗Groß⸗

orzütz, Landesältester. von Witowski⸗Mocrau, Kreisdeputirter. Hugo Freiherr von Saurma⸗Jeltsch. Anton Baron Saurma, Legations⸗Rath. Alfred von Roösenberg, Staatsanwalt, Breslau. Robert von Rosenberg, Appellationsgerichts⸗Bath. Joseph Graf Frankenberg. Haugke, Abgeordneter. Schön, Abgeord⸗ neter. von Langendorff, Abgeordneter. Graf Renard, Reichs⸗ und Landtags⸗Abgeordneter. Spiller. Abgeordneter. Allno ch, Reichs⸗ und Landtags⸗Mitglied. Huschke, Abgeordneter. Paul Graf Hatzfeldt, Geh. Legations⸗Rath. Franz Graf Hatzfeldt zu Trachenberg. E. von Blacha, Ritter⸗ gutsbesitzer. J. Niketta, Rittergutsbesitzer. H. Deloch, Ritter⸗ gutsbesitzer. T. Latzel, Rittergutsbesitzer. von Aulock auf Koch⸗ czütz. Graf Colonna⸗Walewski auf Grüben. Fedor Graf Franken⸗Sierstorpf. Fürst Lichnowski. Eduard Graf Oppersdorff Ober⸗Glogau Mitglied des Herrenhauses. Hans Graf Oppersdorff⸗Geppersdorf von Wallhoffen auf Trawing. Dittrich, Landschafts⸗Direktor. Neumann auf Miützeß⸗ von Schimonski auf Steblau. Himml auf Wronin⸗Rönisch auf Klein Grauden,. von Faldern auf Rasch⸗ werca. Thiemel, Kreisgerichts⸗Direktor. Pohl, Königlicher Feld⸗ messer. Sobczek, Königlicher Feldmesser. Christen, Kataster⸗ Kontroleur. Mysliwe, Rathsherr. Sileowski, Fesgarzes Renschmidt, Rektor. Meyer, Stadtverordneten⸗ orsteher. B.2 Bürgermeister. Nagel, Beigeordneter. Sommer, Ober⸗ Jäger. Wiczorek, Zimmermeister. Reidhauer, Gärtmner. Stahr, Lehrer. Czichow, Stadtpfarrer. Richter, Kaplan. Foitz, Kreis⸗Sekretär. Berner, Sekretär. Roster, Ober⸗ örster. Werner, Oekonomie⸗Kommissions⸗Rath. Menzel, utspächter. A. von Stein, Gutsbesitzer. Hartwig, Ober⸗Grenzkontroleur. A. Poetz, Sekretär. Janitza, Lehrer. Schuppe, Ober⸗Tribunals⸗Rath a. D. H. R. Göppert, Pro⸗ fessor, Geh. Medizinal⸗Rath. Franz Engel, Eisenbahn⸗Unterneh⸗ mer. Rud. Honkert, Rittergutsbesitzer. Stoebe, Rittergutsbesitzer auf Schweinsdorf. Franz von Ernst. Fedor von Zawadzki auf Groß⸗Kalinow. Wittimski, Lehrer. Spika, Lehrer. C. Langer, Lehrer. Nibander, Lehrer. J. Gaida, Lehrer. Steiner, Lehrer. Rudzky, Lehrer. Länczek, Lehrer. Woitylak, Kaufmann. J. Borowka, Kaufmann. Hett⸗ wer, Lehrer. Breschke, Lehrer. Giller, Königlicher Rechtsanwalt, Stadtverordneten⸗Vorsteher. Carl Schwand, Berg⸗ Inspektor und Kirchenvorsteher. Oppermann, Steuer⸗Einnehmer. Neukirchner, Königlicher Kreisrichter. Carl Richter, Ober⸗ Otto Wiedemann, Wirthschafts⸗Inspektor. Albert Benger, Zimmermeister. Braun, Ksöniglicher Bahn⸗Aufseher. Badura, Königlicher Eisenbahn⸗Güter⸗Expedient. Brey, Stations⸗ Assistet. Carl Richard, Königlicher Kreisrichter. Machinn, Telegraphist. Mohr, Lokomotivführer. Habernoll, Königlicher Küdmesser Elsner, Gerichts⸗Aktuar. Kauf, Gerichts⸗Aktuar. hienel, Gerichts⸗Aktuar. Bryschey, Kaufmann. Ulbrich, Buchhalter. D. Cugny, Maurermeister. Sarsky, Kauf⸗ mann. F. Wievororck, Schneidermeister und Stadtverord⸗ neter. Lorenz Skrzesowsky, Buchbindermeister. Stiller, Kreisgerichts⸗Sekretär. Scholz, Civil⸗Supernumerar. Certz, Stationsvorsteher. P. Bürgner, Buchhalter. J. Prenzyna, Obersteiger. C. Rohl, Bäckermeister. Richard Kremser, Steiger. Johann Kozak, Sattler. Johann Kolodzey, Schmied. Joseph Rohner, Klempnermeister. Johann Czicho⸗ pac, Bäckermeister. Emil Pyttlik, Gerbermeister. Johann Boh⸗ ner, Tischlermeister. Anton Pleschka, Seilermeister. Albert Pa⸗ czinsky, Klempnermeister. Erdmann Pyttlik, Bürgermeister a. D. Alphons Semik, Bau⸗ und Maschinenschlosser. Blasel, be⸗ rittener Steueraufseher. Johann Lex, pensionirter Gendarm. Jur⸗ t Gendarm. Prokubek, Bureau⸗Vorsteher. 1 Bäckermeister. Kühne, Mühlenbesitzer. Franz Kolodscey, Schneidermeister. Springwald, Schichtmeister. ustav Burgund, Gutspächter. Leopold Burgund, Kalkofen⸗ besitzer. Anton Forner, Gutspächter. Gruchel, Pefehüe Assistent. Urbanczyke, Stadtkämmerer. Johann Tomala, Kohlenmesser. Michalsky, Kohlenmesser. Brdiczka, Forstkassen⸗ endant. Grabowski, Stations⸗Assistent. Menzel, Steiger. Thomolla, Lagerhalter. Rubik, Gastwirth. Wilczek, Fleischermeister. Carl Borkerts, Hauptlehrer. Carl Bor⸗ utzky, Lehrer. Th. Drabick, Assistent. Amand Spata, Lehrer. August Plischke, Ziegelmeister. Gustav Heydler, Avpotheker. Johann Borowka, eildiener. Peter K „Heildiener. Carl Kuntze, Obersteiger. W. F. Expediteur. Joseph Schustakowitz, Kohlen⸗ Franz Simen, Schneidermeister. T. Mindrem, Steiger. Franz Schultzik, Obersteiger. Franz Mucha, Gasthausbesitzer. Alexander Bietzky, Grubenschmiedemeister. Martin aszer, Scholze. E. Lipins ki, Gastwirth. Carl Golczinsky, Grubenschmiedemeister. Eduard Packa, Stei⸗ ger. A. Rotnkoegel, Bergverwalter. Spendel, Lehrer. W. Rotn⸗ koegel, Steiger. Hugo Schwand, Schichtmeister und Stadtver⸗ ordneter. Benda, Hütten⸗ und Lokal⸗Schulinspektor. Matuschek, Förster. Paul Bockert, Lehrer. Beer, Lehrer. Porwolik, Lehrer. Th. Thimel, Verwalter. von Radowitz, Geheimer Legations⸗ Rath. Hipolith Graf Bray, Kaiserlicher Legations⸗Se⸗ retär. Max Graf Berchem, Kaiserlicher Legations⸗Sekretär. reiherr von Nellessen zu Aachen. Scherer, Landgerichts⸗Präsi⸗ dent. von Ranghe, Bürgermeister a. D. Freiherr von Geyr⸗ Schweppenburg, Mitglied des Herrenhauses. Bischopinck, Geheimer Revisions⸗Rath.,. von Niesewand, Landrath, Mülheim. Dr. Robert Lucius, Abgeordneter, Reichstagsmitglied. Courth, Abgeordneter. Dr. 9 raun, Abgeordneter, Waldenburg.

Es ist darauf folgende Antwort ergangen:

Die Worte, welche Ew. Durchlaucht und mit Ihnen viele Ihrer angesehensten Glaubensgenossen an Mich gerichtet haben, Mei⸗ nem Herzen wohlgethan, denn sie sind von einer richtigen Würdigung der landesväterlichen Gefühle eingegeben, welche Mich nach dem Bei⸗ spiele Meiner Vorfahren auf dem Throne für die Gesammtheit Mei⸗ ner Unterthanen, der katholischen wie der evangelischen, beseelt. Je dringender Mir der Wunsch am Herzen liegt, dem Vaterlande den

inneren Frieden zu sichern, um so höher veranschlage Ich die Stimmen und die berechtigten Wünsche Meiner katholischen Unterthanen, welche unbeirrt von Anfechtungen, an ihrem aufrichtigen Streben nach fried⸗ fertiger Verständigung auf dem Boden der Gesetze festhalten. Sie helfen Mir den Wunsch Meines Herzens erfüllen, daß das glückliche Verhältniß, in welchem Meine Unterthanen der verschiedenen Konfes⸗ sionen so lange unter einander und mit ihrer Regierung gelebt haben, neu befestigt und vor weiteren Störungen gesichert werde, und sie stär⸗ ken Mich in dem Vertrauen, welches Ich nie aufgehört habe, in die Anhänglichkeit Meiner katholischen Unterthanen an Mich und Mein Ksönigliches Haus zu setzen.“ Meinen Dank für den Ausdruck Ihrer treuen Gesinnung wollen Ew. Durchlaucht den sämmtlichen Unter⸗

zeichnern der Adresse übermitteln. 1“ Schloß Babelsberg, den 22. Juni 1873. 8 Wilhelm.

atibor.

gleichen bestimmt sei.

Iu Gestern fand in Potsdam auf Allerhöchsten Befehl

Sr. Majestät des Kaisers und Königs in üblicher Weise die Feier des diesjährigen Stiftungsfestes des Lehr⸗Infan⸗ terie⸗Bataillons statt.

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Der Bundesrath hielt am Sonnabend, den 21. d., unter Vorsitz des Reichskanzlers Fürsten von Bismarck, eine Plenarstzung, in welcher über die Papiergeldfrage berathen wurde.

Gestern fand wieder eine Plenarsitzung statt, unter Vorsitz des Staats⸗Ministers Delbrück. In derselben kamen zur Vor⸗ lage: a. das Schreiben des Reichstags⸗Präsidenten wegen An⸗ nahme des mit Persien abgeschossenen Handelsvertrages im Reichstage, b. der Entwurf einer Uebereinkunft mit Rußland über den gegenseitigen Schutz der Waarenbezeichnungen, c. das zwischen der Reichs⸗Postverwaltung und dem Gouvernement der Insel Helgoland abgeschlossene Uebereinkommen über die gegen⸗ seitigen Postverhältnisse, d. der Entwurf eines Gesetzes wegen Gewährung von nachträglichen Vergütungen für Kriegsleistungen.

Sodann wurde Beschluß gefaßt über: die Wahl der zu Mitgliedern der Cholera⸗Kommission in Vorschlag gebrachten Personen, den Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Verlänge⸗ rung der Wirksamkeit des Gesetzes wegen der Ausgabe von Banknoten und über den vom Reichstage angenommenen Ent⸗ wurf eines Gesetzes, betreffend die Registrirung und Bezeichnung der Kauffahrteischiffe.

Ausschußberichte wurden erstattet über a. die Besteuerung des Lübeck⸗Büchener Eisenbahn⸗Unternehmens, b. die Gesammt⸗ ergebnisse der Volkszählung, c. den Erlaß von Bestimmungen über die Zahlung des Gehalts an Reichsbeamte in Vierteljahrs⸗ raten, d. die Beschlüsse des Reichtags, betreffend den fünften Bericht der Reichsschulden⸗Kommission. Endlich kamen einige Eingaben zur Vorlage.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Rechnungswesen, für Justizwesen und für Elsaß⸗Lothringen, sowie der Ausschuß für Justizwesen hielten heute Sitzungen.

Im weiteren Verlauf seiner Sitzung am 21. d. M. ge⸗ nehmigte der Reichstag in zweiter Berathung den Gesetzent⸗ wurf, betreffend die Bewilligung von Wohnungsgeldzuschüssen an die Offiziere und Aerzte des Reichsheeres und der Kaiser⸗ lichen Marine, sowie an die Reichsbeamten nebst dem dazu ge⸗ hörigen Tarif mit der einzigen Abweichung von den Beschlüssen der Budget⸗Kommission, daß auf den Antrag des Abgeordneten Grumbrecht der §. 7 gestrichen wurde, welcher lautet:

„Die in den Etats ausgesetzten Lokalzulagen kommen insoweit in Wegfall, als sie den Betrag der Wohnungsgeldzuschüsse nicht übersteigen.“„

Alle übrigen Amendements, die das Gesetz oder den Tarif zu ändern bezweckten, wurden abgelehnt. Dazu gehörte der Antrag des Abg. Frhrn. v. Hoverbeck, dem §. 1, der mit Bezug auf den beigefügten Tarif die Gewährung des Zuschusses aus⸗ spricht, die Einschränkung hinzuzufügen:

„Für die Offiziere und servisberechtigten Militärbeamten kommt der seither gezahlte Servis in Anrechnung“,

welche Einschränkung durch einen Antrag des Abgeordneten Lasker dahin modifizirt werden sollte:

„soweit derselbe den Betrag der letzten Servisklasse für die betreffende Charge übersteigt.“

Gegen beide Abänderungen erklärte sich der Bundeskom⸗ missar Generalmajor v. Voigts⸗Rhetz mit Entschiedenheit und bezeichnete sie als für die verbündeten Regierungen unannehm⸗ bar, indem er ausführte, daß eine Bevorzugung des Offi⸗ zierstandes rox den Civilbeamten in den entsprechenden Kategorien durch die Vorlage nicht bewirkt werde, daß dieselbe vielmehr nur die seit einem Dezennium um das dreifache gesteigerten Dienstaufwandskosten annähernd auszu⸗ Beide Amendements wurden abgelehnt, das des Abg. Lasker in namentlicher Abstimmung mit 126 gegen 103 Stimmen. Ebenso hatte es bei dem Tarif sein Be⸗ wenden, wie ihn die Budgetkommission aufgestellt hatte, die ab⸗ weichend von der Vorlage der Regierungen durchweg die gerin⸗ geren den Reichsbeamten gewährten Zuschußsätze auch für die entsprechenden militärischen Chargen als maßgebend bezeichnet und nur für die Klasse der Lieutenants in Berlin einen höheren Zuschuß (140 Thlr. statt 100 Thlr.) zu bewilligen beantragt hatte. Die von den Abgg. Richter und v. Wedell⸗Malchow in entgegengesetzter Richtung intendirten Aenderungen am Tarif wurden abgelehnt, und das ganze Gesetz in der Fassung der Budgetkommission mit der bereits erwähnten Streichung des §. 7 genehmigt. Alsdann wurde der Hauptetat der Verwaltung des Reichsheeres für das Jahr 1874 in zweiter Berathung zum Gegenstande etwaiger Bemerkungen gemacht, da für die Dauer des Pauschquantums der Reichstag den Militäretat nicht in seinen einzelnen Positionen prüft und bewilligt, sondern nur von ihm Kenntniß nimmt. Namens der Budget⸗Kommission referirte darüber der Abg. Hoelder und konstatirte ausdrücklich, daß nach einer schriftlichen, im Auftrage des Staats⸗Ministers v. Kameke durch den General⸗Major v. Voigts⸗Rhetz an die Kommisfion ergangenen Mittheilung die oberste Reichsbehörde die Verstärkung der Artillerie bis zum Zustandekommen des grundlegenden Militärgesetzes als eine provisorische Maßregel und die damit zusammenhangenden Anstellungen nicht als defi⸗ nitive betrachte. Einstimmig abgelehnt wurde folgende vom Abg. Krüger (Hadersleben) eingebrachte Resolution:

„Der Reichskanzler möge zum Feststellen des Maßes, in wel⸗ chem die Auslagen für das Militär erforderlich sind, die ersten Schritte thun, um den Bundesrath zur Niedersetzung einer Kom⸗ mission zu veranlassen, welche den Stand der für das Deutsche Reich verbindlichen Verträge zu prüfen hat.“

Desgleichen wurde mit entschiedener Majorität die folgende von der Budgetkommission beantragte, von dem bagyerischen Staats⸗Minister Dr. Fäustle als inopportun bezeichnete Reso⸗ lution abgelehnt:

den Reichskanzler aufzufordern, künftig bei Vorlage des Militär⸗ etats des Reichsheeres den Spezialetat des bayerischen Kontingents mindestens für das laufende Jahr zur Kenntnißnahme mitzutheilen. Dagegen wurde eine dritte von den Abgeordneten Dr. Löwe und Sombart eingebrachte Resolution, daß im Interesse einer höheren wissenschaftlichen Vor⸗ und einer akademisch⸗technischen Ausbildung zum Ober⸗Roßarzt⸗Examen nur solche Kandidaten zugelassen werden, welche das Zeugniß der Reife einer Realschule 1. Ordnung oder der Prima eines Fue . Gymnasiums besitzen und die entsprechenden Fachstudien regelmäßig absolvirt haben,

unter Zustimmung des Ministers von Kameke genehmigt.

Um 5 ½ Uhr schloß die Sitzung.

In der heutigen (59.) Sitzung des Reichstags, der am Tische des Bundesrathes die Staats⸗Minister Delbrück, Camp⸗ hausen und von Kameke mit mehreren Kommissarien beiwohnten,

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wurde der Gesetzentwurf, betreffend den nach dem Gesetze vom 8. Juli 1872 einstweilen reservirten Theil der französischen Kriegsentschädigung den Beschlüssen der Budget⸗Kommis⸗ sion gemäß genehmigt, jedoch der von den Abgg. Lasker und Richter eingebrachte Antrag zu §. 2 des Gesetzes, der von der Vertheilung des schließlich bleibenden Restes von den reservirten 1 ¼ Milliarden an die Staaten des DeutschenReiches handelt, bis zur Berathung des Münzgesetzes zurückgestellt, mit dem er im Zusammen⸗ hange steht; denn nach diesem Antrage soll die Vertheilung erst er⸗ folgen, nachdem über die Einziehung des Staatspapiergeldes ge⸗ setzliche Anordnung getroffen ist. Auf eine Anfrage des Abg. Richter versprach der Präsident des Reichskanzler⸗Amtes, für die dritte Berathung umfassende Mittheilung über die aus der Kriegskosten⸗Entschädigung noch verfügbaren Mittel zu machen, deren Summe sich nach den neuen Einzahlungen von 750 Mil⸗ lionen Fres. seit der letzten Darlegung, die der Reichstag er⸗ halten hat, verändert hat. Auch die von der Budgetkommission beantragte Resolution, für deren Annahme sich der württem⸗ bergische Bundesbevollmächtige Ober⸗Steuerrath Wintterlin mit Nachdruck erklärte, wurde genehmigt. Sie lautet: Den Herrn Reichskanzler aufzufordern, Ermittelungen eintreten zu lassen einerseits darüber, ob und welche Summe Bayern, Württem⸗ berg, Baden und Südhessen dadurch entgeht, daß Anschaffungen über das nach den früheren Normen des Norddeutschen Bundes ge⸗ botene Retablissement hinaus zu bewirken sind und der entsprechende Mehraufwand nicht auf die Kriegsentschädigung angewiesen worden ist; andererseits darüber, ob und wie weit eventuell solche Benach⸗ theiligungen durch besondere Berücksichtigungen kompensirt werden, welche den genannten Staaten anderweitig bei Vertheilung der Kriegsentschädigung und den damit zusammenhängenden finanziellen Auseinandersetzungen zu Theil geworden sind. Demnächst ertheilte das Haus auf Grund des Berichtes des Abg. v. Kardorff die verfassungsmäßige Genehmigung der im Betrage von 3,331,237 Thlr. 19 Sgr. 8 ½ Pf. nachgewiesenen Etats⸗Ueberschreitungen im Jahre Beim Eintritt in die dritte Berathung des Gesetzentwurfes, betreffend die Wohnungsgeld⸗Zuschüsse an die Offiziere und Aerzte des Reichsheeres und der Kaiserlichen Marine, so wie an die Reichsbeamten, erklärte der Präsident Del⸗ brück, daß der Bundesrath die Beschlüsse der zweiten Berathung acceptire, falls dieselben nicht weiter geändert würden. Eine solche Aenderung bezweckte aber die erneuerte Einbringung des oben erwähnten, in der vorgestrigen Sitzung bereits abge⸗ lehnten Abänderungsantrages der Abgeordneten Lasker und Hoelder zu §. 1, der auch heute wiederum in nament⸗ licher Abstimmung mit 121 gegen 96 Stimmen abgelehnt wurde. (Vier Mitglieder enthielten sich der Abstimmung.) Das ganze Gesetz wurde in Uebereinstimmung mit den Beschlüssen der zweiten Berathung definitiv genehmigt. Bei Schluß des Blatts ging das Haus zur dritten Berathung des Art. 18 des Münzgesetzes über, welches dem Reichstage heute in einer voll⸗ ständig veränderten, von den Abgg. Dr. Bamberger, Harnier und Genossen eingebrachten Fassung vorliegt, mit der der Präsident des Reichskanzler⸗Amtes sich einverstanden erklärte.

Für den Verkehr mit übergangssteuerpflichtigen Geträn⸗ ken von Bayern nach dem preußischen Gebiete ist die Eisen⸗ bahn von Furth a./W. über Prag und Liebau nach Breslau als Uebergangsstraße erklärt und die Zoll⸗ expedition am Niederschlesisch⸗Märkischen Bahnhofe in Breslau sowohl zur Erledigung der Uebergangsscheine über die auf die⸗ ser Uebergangsstraße eingehenden übergangssteuerpflichtigen Waa⸗ ren als auch zur Abfertigung des mit dem Anspruche auf Steuerrückvergütung über Liebau, Prag, Furth a./W. nach Bayern unter Wagenverschluß auszuführenden Branntweins ermächtigt

worden. SG.“

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Nach der Rückkehr der Okkupations⸗Armee aus Frank⸗ reich werden das 2. Bataillon des Colbergschen Grenadier⸗Re⸗ giments (2. Pomm.) Nr. 9 von Pyritz nach Stargard, das Füsilier⸗Bataillon 2. Magdeburgischen Infanterie⸗Regiment Nr. 27 von Magdeburg nach Halberstadt, die 3. Feld⸗ Abtheilung des Pommerscheu Feld⸗Artillerie⸗ Regiments Nr. 2, Divisions⸗Artillerie, nach Stettin, dagegen die provi⸗ sorische Feld⸗Abtheilung des Pommerschen Feld⸗Artillerie⸗Regi⸗ ments Nr. 2, Corps⸗Artillerie, vorläufig nach Gollnow dis⸗ locirt werden.

Auf dem Uebungsplatz des hier garnisonirenden Eisen⸗ bahn⸗Bataillons bei Schöneberg finden in diesen Tagen Uebun⸗ gen in der Handhabung des Eisenbahn⸗Zerstörungszeuges statt, zu welchen von den Kavallerie⸗Regimentern des II. und III. Armee⸗ Corps, sowie des XII. (Königlich sächsischen) Armee⸗Corps je 1 Offizier und 2 Unteroffiziere kommandirt und im Laufe des gestrigen Tages hier eingetroffen sind. Die Sprengübungen von Eisenbahnschienen mit Dynamitpatronen werden am 26. d. M. auf dem genannten Uebungsplatz abgehalten werden und den Schluß dieser Zerstörungsübungen bilden.

Die Absicht, das in Berlin zu errichtende Denkmal des Ministers Freiherrn vom Stein in der Mitte des Dönhofs⸗ platzes aufzustellen, hat aufgegeben werden müssen, nachdem die Ausführung des Markthallenprojektes in die Ferne gerückt und es somit entschieden ist, daß der Platz vorläufig dem Marktver⸗ kehr erhalten bleibt. Nach Erwägung der von dem Geschäfts⸗ ausschuß des Centralvereins zur Errichtung des Denkmals ge⸗ machten anderweiten Vorschläge haben des Kaisers und Königs Majestät nunmehr zu genehmigen geruht, daß das Standbild auf demselben Platze, jedoch in der Fluchtlinie der südlichen Häuserreihe der Leipzigerstraße, in der Mitte zwischen der Jerusalemer⸗ und der Kommandantenstraße, aufge⸗ stellt werde, was natürlich die Beseitigung des Obelisken und des Springbrunnens bedingt.

Der Kaiserlich Königlich österreichisch⸗ ungarische Bot⸗ schafter Graf Carolyi hat sich am Freitag Abend am hiesigen Hofe verabschiedet und gestern Vormittag nach Wien be⸗ geben.

Der General der Infanterie von Schwartzkoppen, Kommandant und stellvertretende Gouverneur von Berlin und Chef der Landgensd'armerie, hat heute einen mehrwöchentlichen Urlaub nach Marienbad ꝛc. angetreten. Mit Wahrnehmung der Geschäfte der Kommandantur von Berlin ist während der Ab⸗ wesenheit des Generals der Infanterie von Schwartzkoppen Aller⸗ höchstenorts der General der Infanterie v. Ollech, Direktor der Kriegsakademie, beauftragt worden.

„— Der General der Infanterie und Präses der Ober⸗Mili⸗ tär⸗Examinations⸗Kommission von Holleben hat einen mehr⸗ wöchentlichen Urlaub nach der Provinz Posen angetreten. Danzig, 21. Juni. Von den polnischen Flößern auf der Weichsel sind bisher, der „Danziger Zeitung“ zufolge, 42 an der

Cholera erkrankt, 25 gestorben und 4 genesen. Wegen der Zunahme der Erkrankungen unter den Flissaken ist ein drittes Lazareth in dem eine Meile oberhalb Danzigs an der Weichsel belegenen Fort Neufähr errichtet worden, welcher Ort von den den Hafen besuchenden Schiffen nicht berührt wird. In der Stadt Danzig und im Hafen Neufahrwasser ist noch kein Cholerafall vorgekommen.

Breslau, 21. Juni. Der Ober⸗Präsident Freiherr von Nordenfluycht fuhr gestern früh nach Liegnitz und begab sich bald darauf nach dem Regierungsgebäude, wo sich zu seiner Begrüßung die Mitglieder des Regierungskollegiums, sowie die sämmtlichen Landräthe des Regierungsbezirks und andere Ver⸗ treter der Königlichen Behörden eingefunden hatten. Um 3 Uhr fand ein Diner statt, zu welchem die Mitglieder des Regierungs⸗ Kollegiums, die Landräthe, die Vertreter der Militärbehörden und die städtischen Behörden geladen waren.

Görlitz, 18. Juni. Am 16. d. fand auf dem Schieß⸗ stande hierselbst die feierliche Enthüllung des zum Andenken an die im letzten Kriege gefallenen Offiziere und Soldaten der 2. Compagnie des 1. Schlesischen Jäger⸗Bataillons Nr. 5, da⸗ selbst errichteten Denkmals statt. Dasselbe ist von dem Bild⸗ hauer Gebhard hierselbst angefertigt, mit einer Büste Sr. Ma⸗ jestät des Kaisers und Königs geziert und enthält auf einigen Tafeln die Namen der Gebliebenen. Zu der Feierlichkeit hatten sich das Offizier⸗Corps des Bataillons, die Mannschaften der 2. Compagnie, viele Reservisten und auch eine größere Zahl von Verwandten und Freunden der Gefallenen versammelt. Die Festrede des Hauptmanns Reuter schloß mit einem Hoch auf Se. Majestät den Kaiser und König.

Reichenbach, 21. Juni. Heute Mittag ist der Grund⸗ stein zum neuen Rathhause feierlich eingefügt. Das gesammte Offizier⸗Corps, die Königlichen und städtischen Behör⸗ den, die Geistlichkeit aller Konfessionen wohnten der Feier bei.

Bayern. München, 20. Juni. Die verstorbene ver⸗ wittwete Kaiserin von Brasitlien, Prinzessin von Leuch⸗ tenberg, hat durch letztwillige Verfügung die Summe von 9180 fl. zur Mehrung des Kapitals der im Jahre 1852 errichteten Her⸗ zoglich Leuchtenberg'schen Militärstiftung bestimmt. Der König hat die Bekanntmachung dieses Vermächtnisses unter dem Ausdrucke Allerhöchster Anerkennung des durch dasselbe von der Hohen Erblasserin für die genannte Stiftung an den Tag gelegten Wohlwollens durch das Regierungsblatt und durch das Kriegs⸗Ministerial⸗Verordnungsblatt angeordnet.ʒ

Sachsen. Dresden, 21. Juni. Auf Allerhöchsten Befehl wird wegen erfolgten Ablebens Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Heinrich Wilhelm Adalbert von Preußen am König⸗ lichen Hofe eine Trauer auf eine Woche vom 21. bis mit 27. dieses Monats angelegt. 1A1“

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Württemberg. Stuttgart 20 Juni. Die Kai⸗ serin von Rußland mit ihrer Tochter, der Großfürstin Maria Alexandrowna, sind gestern Abend zum Besuche der Königlichen Familie hier angekommen und haben auf der Königlichen Villa bei Berg Wohnung genommen.

Der Prinz Alexander von Hessen ist ebenfalls gestern

zum Besuche der Königlichen Familie hier eingetroffen, heute

früh aber wieder abgereist.

Der ,St. A. f. W.“ enthält folgende Berichtigung: „Die in mehrere Zeitungsblätter übergangene Nachricht über eine Einberufung der Ständeversammlung im kommenden August und über die von der Regierung hierfür angeblich getroffenen vegsttagen hat sich nach der uns gewordenen Mittheilung nicht estätigt.“

Baden. Karlsruhe, 20. Juni. Der Großherzog und die Großherzogin haben sich heute Vormittag 11 Uhr zum Besuch des Prinzen und der Prinzessin Carl von Hessen, sowie des Prinzen und der Prinzessin Ludwig von Hessen Prinzessin von Großbritannien nach Darmstadt begeben und gedenken heute Abend nach Karlsruhe zurückzukehren.

Freiburg, 19. Juni. Gestern Abend gegen 7 Uhr traf der König der Niederlande nebst Gefolge hier ein und nahm im „Zähringer Hof“ Absteigequartier. Heute srüh setzte Se. Majestät die Reise nach der Schweiz fort.

Hessen. Darmstadt, 21. Juni. In der gestrigen 14. Sitzung der Zweiten Kammer der Landstände wurde in der Berathung des Entwurfs der Kreisordnung fortgefahren. Die Diskussion und Beschlußfassung erstreckte sich auf die Artikel 68 bis 86. Die Artikel 68 (Belehrung der Betheiligten über den Rekurs), 69 (Sitzungsprotokoll), 70, 71 (Kosten des Ver⸗ fahrens), 72 (Verbindlichkeit des Kreises zur Aufbringung der Ausgaben des Kreisausschusses), 73 (Vollstreckung der Kreis⸗ ausschußbeschlüsse) und 74(Regulativ über den Geschäftsgang) werden theils unverändert, theils mit geringen Modifikationen angenommen. Besonders hervorzuheben ist unter Letzteren ein gegen 6 Stimmen angenommenes Amendement des Abgeord⸗ neten Metz zu Art. 70, inhaltlich dessen auch die von dem Kreisausschusse als nothwendig gebilligten Kosten der Vertretung der Parteien dem unterliegenden Theile zur Last gesetzt werden. Die Art. 75 und 76 (Kreis⸗Kommissionen) finden ebenfalls unveränderte Annahme, ferner größtentheils die von den Funktionen des Kreisrathes handelnden Art. 77 bis 81. Ein Antrag des Abgeordneten Dumont zu Art. 78, den Kreis⸗ räthen und Kreisausschüssen nur die Befugniß zur Erlassung von Lokalreglements bezüglich solcher Gegenstände, betreffs deren solche Erlasse in Gesetzen vorbehalten seien, einzuräumen, wird abge⸗ lehnt, dagegen ein Antrag des Ausschusses auf Fixirung des Straf⸗ maximums auf 10 Thaler in solchen Reglements im Einver⸗ ständniß mit der Regierung angenommen; ebenso wird ein Aus⸗ schußantrag zu Artikel 79, wonach der Kreisrath in dringenden Fällen allein Anordnungen mit Strafdrohungen bis zu 30 Tha⸗ lern erlassen kann, angenommen (der Entwurf statuirte in beiden Fällen das für Uebertretungen zulässige Strafmaxrimum). Zu Artikel 80 fand ein Amendement des Abgeordneten Metz, wonach die Kreisräthe nur bis zu 48 Stunden Personen festhalten kön⸗, nen, die Billigung der Kammer. Endlich wurden noch die Artikel 82 86 über die Zusammensetzung des Provinzialrathes zustimmend erledigt, während ein Antrag des Abgeordneten Schaub auf Beseitigung der Provinzialräthe und Einsetzung eines einzigen s. g. Landesverwaltungsraths fiel.

Mecklenburg⸗Schwerin. Schwerin, 21. Juni. Die Nr. 18 des heute ausgegebenen Regierungsblattes für das Groß⸗ herzogthum Mecklenburg⸗Schwerin enthält: Das Kontributions⸗ edikt für das Jahr vom 1. Juli 1873 bis zum 30. Juni 1874; eine Bekanntmachung, betreffend die Liquidationen der Gemeinden und Gutsobrigkeiten für Leistungen an Truppen im Frieden; und eine Bekanntmachung, betreffend die Getreidepreise, nach

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denen die in Getreide zu entrichtenden Pachterlegnisse ꝛc. Zwecks Erhebung der Kontribution, zu berechnen sind.

Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 20. Juni. Von dem Ministerial⸗Departement des Kultus ist das Wahl⸗ ausschreiben für die auf Grund der neuen Synodalordnung ab⸗ zuhaltende erste ordentliche Landessynode erlassen und die Wahl der Abgeordneten auf den 11. Juli anberaumt worden.

Schwarzburg⸗Rudolstadt. Rudolstadt, 20. Juni. An Stelle des kürzlich verstorbenen Geheimen Rathes von Ketel⸗ hodt ist der bisherige Geheime Finanz⸗Rath Schwartz zum Vorstande der Ministerial⸗Abtheilung für Kirchen⸗ und Schul⸗ sachen unter dem Amtstitel „Staatsrath“ ernannt worden, wäh⸗ rend die Leitung der Finanz⸗Abtheilung des Finanz⸗Ministeriums bis af Weiteres der Staats⸗Minister von Bertrab übernom⸗ men hat.

Lauenburg. Ratzeburg, 20. Juni. In gestriger Sitzung des Landtages wurde das Statut der Geschäftsordnung des Landschafts⸗Kollegiums mit den Abänderungen der Kom⸗ mission durchberathen, die schließliche Abstimmung aber über die Annahme auf die nächste Sitzung des Landtages am Montag, den 30. Juni angesetzt, zu welcher auch die übrigen Gegenstände der Tagesordnung ausgesetzt wurden. ö11“

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 21. Juni. Zur Feier Anwesenheit Ihrer Majestät der Deutschen Kaiserin in Wien wird auf Allerhöchsten Befehl am 27. d. im Hofopern⸗ theater die Oper „Mignon“ zur Aufführung kommen. Diese Aufführung findet bei festlicher Beleuchtung als Gala⸗ Vorstellung statt.

Der Prinz Peter von Oldenburg ist hier an⸗ gekommen.

Die „Wien. Ztg.“ publizirt eine Verordnung des Acker⸗ bau⸗Ministeriums vom 17. d. M., nach welcher durch Aller⸗ höchste Entschließung vom 23. März d. J. in den Grundzügen genehmigte Organismus der Staats⸗Forst⸗ und Do⸗ mänen⸗Verwaltung mit dem 30. Juni in Wirksamkeit tritt und mit diesem Tage die gesammten Geschäfte der Forst⸗ und Domänenverwaltung von den bisherigen Verwaltungs⸗ behörden an die Forst⸗ und Domänendirektionen, für Böhmen aber an das Ackerbau⸗Ministerium übergehen.

Pesth, 20. Juni. Im Abgeordnetenhause griff Ernst Simonyi heftig das linke Centrum an, weil dieses von dem früher beschlossenen Antrage auf Vertagung der Budgetdebatte Abgang genommen hat und warf dieser Partei vor, daß sie die Regierung unterstütze, welche den Grafen Lonyay aus dem Amte gedrängt und nun alle Mittel anwende, um sich auf dem Posten zu erhalten. Der Ministerpräsident Szlavy replizirte unter Bei⸗ fall der Rechten und des linken Centrums auf diese Vorwürfe, wies diese Verdächtigung zurück und berief sich auf Lonyay, der am besten wissen müsse, daß dies nicht wahr sei. Auch Ghiczy sprach gegen Simonyi und kennzeichnete die Stellung seiner Partei zur Regierung und äußersten Linken. Er kenne die Be⸗ weggründe Simonyi's und wolle deshalb auf dessen Anfein⸗ dungen nicht weiter reflektiren. Simonyi müßte sich am meisten jener Vorgänge schämen, deren Schauplatz jüngst der Klub des linken Centrums war.

Schließlich wurde das Budget mit 210 gegen 25 Stimmen zur Grundlage der Spezialdebatte angenommen.

21. Juni. Heute wurde die Spezialdebatte über das 1874er Budget begonnen. Das Haus erledigte das Budget des Minister⸗Präsidiums, des Ministeriums am Kaiserlichen Hoflager, die Kapitel: Kaiserlicher Hofstaat, Kabinetskanzlei, Reichstags⸗ Erforderniß, Kosten der gemeinsamen Angelegenheiten, Pensio⸗ nen und Zinsen aller Staatsschulden.

Das Oberhaus nahm die Gesetzentwürfe über die Es⸗ komptebank, die Aenderung des Wehrgesetzes und über das Blinden⸗Institut an. Alle drei Gesetzentwürfe wurden nunmehr der Allerhöchsten Sanktion unterbreitet.

Die „Oesterreichische Korrespondenz“ enthält Privat⸗ nachrichten aus Konstantinopel, nach denen der Sultan noch in der jüngsten Zeit entschieden geneigt war, die Reise nach Wien anzutreten und beabsichtigte, für die Dauer seiner Abwe⸗ senheit Jussuf Izzedin Effendi als Regenten in Konstantinopel zurückzulassen.

Die „Neue freie Presse“ erklärt die Gerüchte von einer beabsichtigten Einberufung des Reichsraths sowie von einer bevorstehenden Konferenz von Abgeordneten behufs Berathung der finanziellen Frage für unbegründet, dagegen sei die Regie⸗ rung von einflußreichen Abgeordneten aufgefordert, für den Geldbedarf in den Provinzen Vorsorge zu treffen und scheine dieselbe diesem Projette nicht abgeneigt zu sein.

Schweiz. Bern, 21. Juni. (W. T. B.) Der franzö⸗ sische Gesandte Lanfrey hat nach Zurückziehung seiner Demis⸗ sion den hiesigen Gesandtschaftsposten wieder angetreten. Die

japanische außerordentliche Gesandtschaft wurde heute

Vormittags von dem Bundespräsidenten Ceresole empfangen.

Niederlande. Haag, 18. Juni. Der König, welcher gestern Nacht sich nach der Schweiz begeben hat, wird, wie im vorigen Jahre, in Vepey einen längeren Aufenthalt nehmen, und zwar bis zum September. Se. Majestät ist von dem General Tolsma und einem der Referendarien des Königlichen Kabinets begleitet.

Großbritannien und Irland. London, 20. Juni. Der Schah von Persien empfing gestern, nachdem er dem Prinzen von Wales und sämmtlichen in London weilenden Mitgliedern der Königlichen Familie formelle Besuche abgestattet hatte, im Buckingham⸗Palast das diplomatische Corps, deren Mitglieder ihm von Mirza Malcolm Khan, dem persischen Ge⸗ sandten am großbritannischen Hofe, vorgestellt wurden, und später im Beisein der Großwürdenträger des Königlichen Hofes die Kabinets⸗Minister und Mitglieder der Re⸗ gierung. Am Abend erschien er mit den Haupt⸗ personen seines Gefolges auf dem ihm zu Ehren gegebenen Bankett des Prinzen von Wales in Marlborough⸗House, bei welchem der Großfürst⸗Thronfolger von Rußland, die Prinzen des Königlichen Hauses, der persische Gesandte, Lord Granville, der Premier⸗Minister Gladstone, der Herzog von Argyll, Graf Gleichen, der Marquis von Lorne, der Lord⸗Mayor, Sir H. Rawlinson, und verschiedene andere Personen von Distinktion zugegen waren.

Nach dem Bankett besuchte der Schah mit seinem Gefolge den ihm zu Ehren gegebenen glänzenden Ball des Herzogs von Sutherland in Stafford⸗House. Se. Majestät betrat den Ball⸗ saal am Arm der Prinzessin von Wales. Unter den zahlreichen Gästen der Festlichkeit befanden sich der Großfürst⸗Thronfolger von Rußland nebst Gemahlin, der Prinz von Wales und die anderen Prinzen des Königlichen Hauses, sämmtlich in großer Uniform. Das Programm für heute umfaßt den Staatsbesuch,

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en der Schah der Königin in Windsor abstatten mird, und für welchen daselbst großartige Vorbereitungen getroffen worden sind, und ferner den Ball in der Guild Hall, den die Cith dem Hohen Gaste veranstaltet und zu dem nahezu 4000 Einladungen ergangen sind.

Um dem Schah während seines Aufenthalts in London den Verkehr mit seiner Regierung in Teheran möglichst bequem zu machen, hatte sich die indo⸗europäische Telegraphengesellschaft erboten, eine direkte telegraphische Verbindung vom Buckingham⸗ Palast nach dem Palast in Teheran herzustellen, und sind die erforderlichen Anstalten getroffen worden.

Die Großherzogin von Mecklenburg⸗Strelitz ist mit Gefolge in London angekommen und im St. James⸗Pa⸗ last abgestiegen.

Frankreich. Das officiel“ meldet:

Der Präsident der Republik erhielt die Antworten Sr. Majestät des Kaisers von Oesterreich, Königs von Böhmen und apostolischen Königs von Ungarn, und Sr. Majestat des Kaisers von Rußland auf den Brief, in welchem er Ihren Eet seine Erwählung zumm Präsidenten der Republik mittheilte. Ihre Majestäten bestätigten zu gleicher Zeit die Vollmachten ihrer Botschafter. Der Ritter Nigra hat die Briefe überreicht, welche ihn als außerordentlichen Gesandten eeä Minister Sr. Majestät des Königs von Italien bestätigen.

21. Juni. Der oberste Handelsrath, welchem der Handels⸗Minister präsidirte, beschloß in seiner gestrigen Sitzung: 1) die Abschaffung des Gesetzes vom 26. Juli 1872 über die Steuer auf Rohstoffe; 2) die Nicht⸗Ratificirung der unlängst mit England und Belgien abgeschlossenen Handelsverträge; 3) die Aufrechthaltung des 1 die Verträge von 1860 festgestellten Modus vivendi bis 1876.

In der gestrigen Sitzung des Unterrichtsrathes wurde beschlossen, die Zahl der medizinischen Fakultäten, deren es augenblicklich nur drei giebt, zu vermehren. Zunächst ist der Stadt Lyon, welche die nöthigen Bedingungen am besten erfüllt, der Vorzug gegeben worden. Bordeaux, Nantes und Lille dürften später berücksichtigt werden.

Spanien. Madrid, 20. Juni. (W. T. B.) Dem Vernehmen nach ist Castelar damit beschäftigt, das neue Ver fassungsprojekt auszuarbeiten, das eine Konstitution analog der der Vereinigten Staaten einführen soll. Die Zahl der föde⸗ rirten Staaten soll 15 sein, wobei Cuba und die Philippinen mit inbegriffen sind. Madrid wird Hauptstadt der Republik bleiben. Der Präsident der Republik soll durch das allgemeine Stimmrecht auf die Dauer von fünf Jahren gewählt werden. Der Senat wird aus gewählten Repräsentanten der einzelnen Staaten bestehen, die Deputirten sollen aus dem allgemeinen Stimmrecht hervorgehen. Man nimmt an, daß die Majorität diesem Projekt Castelars zustimmen wird.

21. Juni. Die Cortes haben in ihrer gestrigen Sitzung einen Antrag des Deputirten Blanec, dahin gehend, daß die ein⸗ zelnen Deputirten ihre resp. Wähler zum Kampfe gegen die Carlisten „mobilmachen“ sollen, in Erwägung zu ziehen be⸗ schlossen.

22. Juni. Die Cortes zogen heute den Vorschlag in Erwägung, der Rente eine gleiche Steuer aufzulegen, wie dem Grund und Boden. Ferner wurde eine Kommission zur Be⸗ rathung der Verfassung gewählt. Dieselbe besteht aus verschie⸗ denen Fraktionen der Kammer, namentlich aus Mitgliedern der Rechten. Balhuena beantragte, die Sitzungen der Cortes so lange zu suspendiren, als der Mangel an Disziplin in der Armee an⸗ dauert und eine permanente Kommission zu ernennen, welche zur Wie⸗ derherstellung der Disziplin Deputirte in die Provinzen entsenden soll. Pi y Margall beantragte die Bildung eines Ministeriums aus Männern, welche mit aller Entschiedenheit für die föderale Re⸗ publik sind. Cervera unterstützte diesen Antrag und verlangte den Ausspruch eines Vertrauensvotums für Pi y Margall, wo⸗ durch derselbe ermächtigt werden soll, das neue Ministerium zu bilden, um etwaigen weiteren Krisen zu begegnen. Die Be⸗ rathung des Antrags Cervera's wurde higrauf in namentlicher Abstimmung mit 184 gegen 45 Stimmen beschlossen.

In Folge dieses Beschlusses haben sämmtliche Minister ihre Demission eingereicht. Die Ruhe ist nirgend gestört. 1

In Barcelona hat die sozialistische Partei den Versuch gemacht, ein „Oeffentliches Wohlfahrts⸗Komite“ einzusetzen. Die Nationalgarde schritt hindernd ein und erhielt die öffentliche Ruhe aufrecht.

Ein von Santa Cruz erlaässenes Manifest bestimmt, daß nur Personen, welche mit Pässen versehen sind, vom 1. Juli ab in der Provinz Guipuzeoa reisen dürfen; hierbei sollen vier Klassen von Reisenden je nach ihrer sozialen Stellung unte schieden werden. Sehr schwere Strafen sind gegen alle Zuwide handelnden festgesetzt.

Der neue Kriegs⸗Minister General Estevanez hat fol⸗ gende Proklamation an die Armee erlassen:

Soldaten! Ich weiß nicht, ob meine Kräfte hinreichen werden, um dem mir von der Nationalversammlung übertragenen Mandat gerecht zu werden; meine ehemaligen Waffenbrüder aber wissen sehr wohl, daß ich es nicht an gutem Willen und Entschlossenheit fehlen lassen werde. Die Armee schreit seit Langem nach Gerechtigkeit. G rechtigkeit soll ihr werden und dieselbe von Neuem den vergessenen Pfad der Ehre betreten. Wenn die Bunde regierung nach dem Vorgang der andern Regierungen unglückseligen Andenkens ihrem Programm untreu werden und ihre Versprechungen vergessen sollte, dann könnte man alle Hoffnung verlieren, die Armee wieder ihre Würde annehmen zu sehen. Allein ich verspreche Euch auf mein Ehrenwort, daß, wenn ich an der Spitze des militärischen Departements bleiben soll, die Rekrutirung abgeschafft, die öffentliche Wehrkraft reorganisirt, die Vorordnungen modifizirt werden sollen. Die Disziplin wird herge⸗ stellt und eine vollständige Revision der Dienstlisten vorgenommen werden. Wir haben tapfere Soldaten, würdige Offiziere, glänzende Chefs, kurz alle Elemente, um die erste Armee der Welt zu sein. Ich gedenke Euch dies zu beweisen und sende Euch die herzlichen Grüße Eures ehemaligen Kameraden.

Rom, 21. Juni. (W. T. B.) Die Depu⸗

Paris, 20. Juni. „Journal

tirtenkammer war auch heute nicht beschlußfähig. Der „Voce della verita“ zufolge hat der Papst heute, am 28. Jahrestage seines Pontifikates, 200 dem Vereine der

katholischen Jugend Angehörige empfangen. Die Königin Isa⸗ bella mit ihren Töchtern, mehrere Kardinäle, Prälaten und au⸗ dere Personen wohnten dem Empfange bei. Nach demselben begab sich der Papst, umgeben von den Kardinälen und Prä⸗ laten, nach dem festlich geschmückten Garten. Die Ernen⸗ nung von Bischöfen, welche am nächsten Montag stattfinden sollte, ist verschoben worden.

In der Provinz Treviso sind einige Cholerafälle vorgekommen. Das Auftreten der Krankheit ist indeß nicht be⸗ unruhigend. Es sind Vorsichtsmaßregeln gegen die Verbreitung derselben getroffen. v1X““