1873 / 278 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 25 Nov 1873 18:00:01 GMT) scan diff

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öu Minister führen. Der Krone müsse dabei stets das

rccien Entschließung vorbehalten werden. Die haße nun 88 Bitte der Kammer entsprochen und damit einegroße Konzession gemacht, und sie sei bereit, diese Einrichtung zu einer definitiven zu machen. Hölder stellte sei⸗ nen Standpunkt zu dieser Sache und den seiner Freunde dar. Sie erkennen gern das Entgegenkommen der Regierung an und erblicken darin ein wichtiges Zugeständniß, wodurch sie sich, in Verbindung damit, daß auch das Verhalten der Regierung im Bundesrath ein durchaus korrektes sei, verpflichtet fühlen, dem Ministerium in der Frage der Gesandtschaften für jetzt keine Schwierigkeiten zu bereiten, und daher für die Gesandt⸗ schaften stimmen werden, ohne aber darum ihrer Ueber⸗ zeugung und ihren Grundsätzen etwas zu vergeben, aber auch für die folgenden Etatsperioden ihre freie Abstimmung sich vorbehaltend, denn sie wollen damit dem Ministerium nur die nöthige Zeit gewähren, die Sache nochmals zu erwägen. Pfeiffer wollte von einer solchen Rücksicht nichts wissen, er werde wie im vorigen Jahre gegen die Gesandtschaften stimmen. Schmid, Mohl, Probst, Oesterlen sprachen sich gleich⸗ falls für die Gesandtschaften, v. Wöllwarth gegen dieselben aus. Die Münchener Gesandtschaft wurde hierauf, wie schon tele⸗ graphisch gemeldet, mit 73 gegen 11 Stimmen, die Wiener mit 70 gegen 13 Stimmen verwilligt. Endlich wurde noch die Bitte an die Regierung gerichtet, bis zum nächsten Etat in Erwägung 8 zu ziehen: ob nicht die Gesandtschaft in Wien beseitigt werden käüöönne, doch nur durch Stichentscheid des Präsidenten, da sich 141 Ja und 41 Nein ergeben hatten. Herr v. Mittnacht hatte sich der Abstimmung enthalten.

Baden. Carlsruhe, 24. November. (W. T. B.) Von der Regierung wurden in der heutigen Sitzung der Abgeordnetenkammer Gesetzentwürfe betreffs der Erhöhung der Gehalte der Volksschullehrer, betreffs Ein⸗ führung von Fortbildungsschulen, eine Vorlage zur Ergänzung der Kirchengesetze und die neue Städteordnung eingebracht. Der Finanz⸗Minister legte ferner das neue Budget vor. Der Hauptfinanz⸗Etat schließt mit einem Gesammtüberschusse von 47,652 Gulden ab, die Betriebsüberschüsse für das Ende des Jahres werden 4 bis 5 Millionen betragen. Vom Finanz⸗ Minister wurden außerdem Gesetzentwürfe über die Gewährung von Wohnungsgeldern an die Staatsbeamten, die Erhöhung von Pensionen, die Einführung einer allgemeinen Einkommensteuer

und die provisorische Erhebung der Steuern eingebracht.

Mecklenburg. Malchin, 22. November. Der Gr oß⸗ herzog von Sachsen hat heute Schloß Remplin nach sechs⸗ tägigem Aufenthalte wieder verlassen und ist nach Berlin gereist. Gestern langte in Remplin die Herzogin Caroline aus Neustrelitz an. Auch die Großherzogin⸗Mutter von Mecklenburg⸗Strelitz verweilt noch in Remplin.

Sternberg, 20. November. In der heutigen Land⸗ tagssitzung wurden zahlreiche Propositionen, die nur Berichte enthielten, erledigt. Für die Gründung einer landwirthschaftlichen Versuchsstation forderte die Regierung einen jährlichen Beitrag

on 1000 Thlr. und erklärt sich bereit, im Falle der Bewilli⸗ gung hier einmal 15,000 Thlr. gegen billige Zinsen bei all⸗ mählicher Amortisation herzugeben. Angeschlossen war dem Reskript ein Bericht des Grafen zur Lippe in Rostock, woraus hervorgeht, daß die Stadt Rostock etwa 3000 Q.⸗R., für 1 ½ Thlr. O.⸗R., dazu anweisen will. Der Professor Graf zur Lippe be⸗ merkte aber gleichzeitig in diesem Bericht, daß es nicht die Absicht ei, eine Musterwirthschaft dort einzuführen, wovon der Praktiker höchstens lernen könne, wie er nicht wirthschaften müsse, sondern daß Rostocker Ackerbürger das Feld bestellen sollten. Bock⸗Gr.⸗ Weltzien führte noch aus, wie das Kuratorium zusammengesetzt sein solle; eine sofortige Bewilligung erfolgte jedoch nicht, sondern Stände forderten erst einen Bericht vom Polizei⸗Komite. Hierauf wurde die gestern abgebrochene Debatte, ob ein auswärts die Schule besuchendes Kind auch im Heimathsorte Schulgeld be⸗ zahlen müsse, wieder aufgenommen und nach längerer Debatte beschlossen, daß man die Sache auf sich beruhen lassen wolle. Beschlußmäßig legte der Engere Ausschuß wieder die Frage vor, ob der Landtag auchbei der jetzigen Vererbpachtung der Domanial⸗Bau⸗ stellen Garantien fordern wolle wegen etwaiger Verminderung des Do⸗ manial⸗Vermögens. InRücksicht auf die bevorstehende Verfassungs⸗ Modifikation wurde der Gegenstand aber von der Tagesordnung abgesetzt und der Engere Ausschuß beauftragt, die Proposition event. im nächsten Jahr wieder vorzulegen. Zur Beseitigung einiger Uebelstände bei der umfänglichen Auswanderung war die Re⸗ gierung schon beschlußmäßig durch den Engeren Ausschuß aufgefor⸗ dert, einen Gesetzentwurf herauszugeben. Stände wollen nämlich die Auswanderung erschweren und eine schärfere Kontrole an den Ein⸗ schiffungsorten durch die Reichsgesetzgebung herbeiführen. Da die Regierung bisher sich aber noch nicht geäußert hatte, so wurde der Engere Ausschuß angewiesen, die Sache auf dem näch⸗ sten Landtage wieder vorzulegen.

Anhalt. Dessau, 22. November. Die Herzogin von Anhalt befindet sich nicht in Straßburg, wie die „Str. Ztg.“ unterm 17. d. M. irrthümlich meldet, sondern hat sich gestern in Begleitung des Herzogs von hier aus auf 5 Tage zum Be⸗ such an den Hof von Sondershausen begeben. Die obige Nach⸗ richt bezieht sich auf die Wittwe des letzten Herzogs von Anhalt⸗ Bernburg, Herzogin zu Anhalt, geb. Prinzessin von Holstein.

Schwarzburg⸗Rudolstadt. Rudolstadt, 24. Novem⸗ ber. Die Feier des Geburtsfestes des Fürsten ist wegen des am 23. d. M stattgehabten Todtenfestes schon am 22. d. M. be⸗ gangen worden.

G RNeuß. Gera, 22. November. Der Fürst empfing heute den Kammerherrn von Boxberg als außerordentlichen Ge⸗ sandten des Königs von Sachsen. Am Abend folgte ein großes Diner. Prinz Heinrich IV. Reuß⸗Köstritz traf heute am Fürstlichen Hof zum Besuche ein.

Lübeck, 23. November. Der Entwurf für das Staats⸗ budget des Jahres 1874, welcher jetzt veröffentlicht ist, weist eine ordentliche Einnahme von Crt. Mk. 1,858,322 nach bei einer durch Crt. Mk. 1,892,462 veranschlagten ordentlichen Ausgabe, so daß also ein Defizit von Crt. Mk. 31,140 in Aussicht steht. Für dasjenige des laufenden Jahres war ein Ueberschuß von cg. Crt. Mk. 100,000 veranschlagt worden und dürfte auch erzielt werden. Der Grund für die minder günstige Aufmachung des nächstjährigen Budgets liegt den „H. N.“ zufolge daran, daß die Ausgaben um ca. Crt. Mk. 60,000 für Gehaltserhöhungen, um Crt. Mk. 40,000 für Kapitalabtrag auf die Staats⸗Prämien⸗ anleihe, um Crt. Mk. 37,500 als diesseitiger Beitrag zur Ver⸗ zinsung der Lübeck⸗Eutiner Eisenbahn⸗Prioritätsanleihe und um Crt. Mk. 94,000 für dringliche Austiefungsarbeiten im Trave⸗ münder Hafen und größere Bauten auf einem Domanialhofe

gegen das Vorjahr haben erhöht werden müssen, während der!

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Ausfall von Ert. Mk. 50,000 bei der abermals hrrazgesehren

Konsumtionsaccise, die in diesem Jahre schon um ca. Crt. 60,000 weniger eintrug, als im Vorjahr, die früheren Vor⸗ anschläge bei anderen Einnahmeposten, die auf ca. Crt. Mk. 148,000 angenommen sind, großentheils paralysirt. Es wird vorgeschlagen, das voraussichtliche Defizit aus der Reservekasse zu decken; in⸗ dessen dürften die fehlenden circa 30,000 Mk. noch durch Ueber⸗ schüsse ihre Deckung finden.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 24. November. (W. T. B.) das Abgeordnetenhaus hat heute in einer mehrstündigen tzung die Spezialdebatte über den Gesetzentwurf, betreffend die

Hülfsanleihe, bis zum Artikel 4 erledigt. Die ersten 3 Artikel der Vorlage wurden nach erschöpfender Debatte in der Fassung des vom volkswirthschaftlichen Ausschusse des Hauses vorgelegten Entwurfs, für welche auch die Regierung eintrat, angenommen und alle Zusatzanträge abgelehnt. Im Laufe der Debatte erklärte der Finanz⸗Minister u. A., die Regierung werde auch die In⸗ teressen des Ackerbaues berücksichtigen. Vom Art. 4 des Gesetzes gelangten noch die Bestimmungen über die Ertheilung von Vor⸗ schüssen gegen Wechsel, Waaren und gegen Verpfändung von Papieren von pupillarischer Sicherheit in Gemäßheit der Anträge des Ausschusses zur Annahme.

In der heutigen Abendsitzung machte der Präsident Rechbauer zunächst die Mittheilung, daß die Bestimmung des Art. 4 des Gesetzes, betreffend die Huülfsanleihe, nach welcher auch die Beleihung anderer, als der zur Anlegung von Puplllar⸗ geldern gesetzlich qualifizirten Werthpapiere zulässig sein sollte, mit 119 gegen 116 Stimmen abgelehnt worden sei. Das Ab⸗ geordnetenhaus nahm darauf die übrigen Alineas des Art. 4, sowie alle weiteren Artikel nebst den dazu vom volkswirthschaft⸗ lichen Ausschusse getroffenen Beschlüssen in der Fassung des Letzteren an und genehmigte sodann in dritter Lesung das Gesetz im Ganzen.

Pesth, 24. November. (W. T. B.) Wegen des beabsich⸗ tigten Rücktritts der Minister Kerkapolyi und Tisza haben zwischen den übrigen Mitgliedern der Regierung und hervor⸗ ragenden Perfönlichkeiten der Deakpartei Besprechungen statt⸗ gefunden, ohne daß bisher ein definitives Resultat erzielt wäre.

Das Abgeordnetenhaus hat beschlossen, morgen die Berathung über das Gesetz, betreffend die ungarische Anleihe, vorzunehmen.

Schweiz. Bern, 20. November. Der Nation alrath hat in Fortsetzung der Bundesrevision bei Regelung der Niederlassungsverhältnisse bei Art. 42 wieder zwei neue kon⸗ stitutionelle Grundsätze in die Bundesverfassung aufgenommen, zämlich, daß kein Schweizer seiner politischen Rechte verlustig werden kann, außer durch gerichtliches Urtheil und im Falle von Geisteskrankheit, und daß der Ertrag der Bürgergüter in erster Linie für die öffentlichen Bedürfnisse verwendet und private Nutzungen erst vertheilt werden sollen, wenn in der betreffenden Gemeinde keine permanenten Gemeindesteuern bezogen werden; die endgültige Abstimmung über Art. 42 ist indessen noch nicht erfolgt, da er zur definitiven Redaktion an die Kommission noch⸗ mals zurückging, welche auch die Frage prüfen soll, ob die auf das Niederlassungswesen Bezug habenden Beschlüsse in einen oder mehrere Artikel einzukleiden seien. Nach der bundesräth⸗ lichen Vorlage fand Art. 43 Annahme. Derselbe lautet:

„Kein Kanton darf einen Kantonsbürger aus seinen Gebieten

verbannen (diese Bestimmung ist ebenfalls neu) oder ihn des Bürger⸗ rechts verlustig erklären. Die Bedingungen für die Ertheilung des Bürgerrechts an Ausländer, sowie diejenige, unter welcher ein Schwei⸗ zer zum Zwecke der Erwerbung eines ausländischen Bürgerrechtes auf b verzichten kann, werden durch die Bundesgesetzgebung geordnet.“ 9 Augenblicklich ist der vom Heimathsrecht handelnde Art. 44 in Diskussion, welcher zu einer ganzen Reihe von Anträgen An⸗ laß gegeben hat und noch geben wird, so daß vor übermorgen kein Beschluß gefaßt werden dürfte.

Niederlande. Haag, 19. November. ist seit einigen Tagen von Unwohlsein ergriffen.

Ein Telegramm aus Penang vom 16. d. M. enthält die Angabe, in Batavia herrsche noch immer die Cholera. Nach den direkten Meldungen aus Batavia hat zwar daselbst die Cho⸗ lera in letzterer Zeit einige Opfer gefordert; aber von einem Um⸗ sichgreifen der Epidemie in stärkerem Grade wird in diesen Be⸗ richten nicht Erwähnung gethan.

Aus Bataviag sind ferner Briefe und Journale vom 8. Oktober eingetroffen. Es herrscht dort anhaltend drückendste Hitze und große Trockenheit. In Mittel⸗Java hatte ein heftiger Gewittersturm beträchtlichen Schaden angerichtet; er hatte eine große Anzahl inländischer Häuser zerstört, und auch steinerne Gebäude waren eingestürzt; der Bezirk Demak hat wieder am meisten gelitten; dort wurden etwa 1100 Häuser niedergeworfen; unter den Einwohnern Demaks herrschte peinliche Noth; die Behörden ließen Arbeiten vornehmen, um der Bevölkerung einigen Verdienst zu verschaffen. In Mittel⸗Java ließ die Sicherheit fort⸗ während viel zu wünschen übrig. In Folge der anhaltenden Trocken⸗ heit waren die Reispreise im Steigen. Die Vorbereitungen zu der Expedition gegen Atchin waren noch nicht beendet. Die Blokade der atchinesischen Küste würde strengstens gehandhabt; fortwäh⸗ rend würden feindliche Fahrzeuge weggenommen, und bereits war eine Anzahl von Ortschaften an der Küste, von wo aus Schiffe der Blokade⸗Flotte beschossen worden waren, schwer gezüchtigt worden; von Abtheilungen der Landungsdivision wurden dies Ortschaften zerstört und die Einwohner verjagt. Bis jetzt wurde bei diesen Unternehmungen auf niederländischer Seite Niemand getödtet oder verwundet. Der Gesundheitszustand auf den Schiffen der Blokadeflotte war anhaltend ein guter.

Großbritannien und Irland. London, 22. No⸗ vember. Der Geburtstag der Kronprinzessin des Deut⸗ schen Reichs und von Preußen (Prinzeß Royal von Großbritannien und Irland) wurde am 21. d. M. in Windsor festlich begangen.

Die neueste Nummer der „London Gazette“ enthält den Text eines zwischen Großbritannien und B rasilien zum Abschluß gelangten Auslieferungs⸗Vertrages, der am 1. Dezember in Kraft tritt.

In dem am Donnerstag auf Balmoral unter dem Vor⸗ sitz der Königin abgehaltenen Conseil wurde die weitere Pro⸗ rogation des Parlaments bis zum 5. Februar nächsten Jahres verordnet.

Frankreich. Paris, 23. November. Das „Journal officiel“ veröffentlicht heute das Gesetz, betreffend die Verlän⸗ gerung der Präsidentschaft des Marschalls Mac Mahon. Dasselbe lautet, wie folgt:

Gesetz, welches zum Zweck hat, dem Marschall Mac Mahon,

von Magenta, die Exekutivgewalt für sieben Jahre anzuver⸗

Die Königin

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8 Die Nationalversammlung hat das Gesetz angenommen, dessen Wortlaut folgt:

Art. 1. Die Exekutivgewalt wird für sieben Jahre dem Mar⸗ schall Mac Mahon, Herzog von Magenta, von der Veröffentlichung des gegenwärtigen Gesetzes ab anvertraut; diese Gewalt wird mit dem Titel eines Präsidenten der Republik und unter der gegenwärtigen Be⸗ dingung bis zu den Modifikationen ausgeübt, welche durch die konsti⸗ tutionellen Gesetze an derselben angebracht werden können. Art. 2, In den drei Tagen, welche der Veröffentlichung dieses Gesetzes folgen wird eine Kommission von 30 Mitgliedern in öffentlicher Sitzung und nach einer Abstimmungsliste für die Prüfung der konstitutionellen Gesetze ernannt werden.

Beschlossen in öffentlicher Sitzung zu Versailles am 20. Novem⸗

ber 1873.

Der Präsident: L. Buffet. Die Sekretäre: L. Grivart, Albert Desjardins, Vicomte Blin de Bourdon, Felix Voisin, Francisque Rive, E. de Cazenove de Pradine. 1

Der Präsident der Republik veröffentlicht das gegenwärtige Gesetz. Marschall Mac Mahon, Herzog von Magenta. Der Siegelbewahrer,

Justiz⸗Minister E. Ernoul.

Am 2. Dezember findet in der Kirche von Champigny sur Marne ein Trauergottesdienst zu Ehren der Offiziere und Soldaten statt, welche in den Schlachten am 30. November und 2. Dezember 1870 gefallen sind. Die Armee wird durch Detachements einer jeden Waffengattung vertreten sein. Einer der Generale, welche bei Champigny mitgekämpft, vertritt den Gouverneur von Paris. Nach dem Gottesdienst wird das Denkmal enthüllt werden, welches man auf dem Schlachtfeld errichtet hat.

25. November. (W. T. B.) Das „Journal officiel“ meldet, sämmtliche Minister hätten ihre Entlassung ge⸗ geben, und es sei dieselbe angenommen worden. Man glaubt, daß das amtliche Blatt morgen die Zusammensetzung des neuen Ministeriums veröffentlichen wird.

Versailles, 24. November. (W. T. B.) Bei Beginn der heutigen Sitzung der N ationalversammlung gelangte zunächst ein Schreiben des Marschalls Mac Mahon zur Verlesung, in welchem derselbe der Versammlung seinen Dank

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für die Verlängerung seiner Vollmachten ausspricht. In dem Schreiben heißt es u. A.: Indem Sie mir die öffentliche Gewalt auf sieben Jahre anvertrauten, haben Sie zu erkennen gegeben, daß Sie darin diejenige Sicherheit erblickten, welche allein die Wohlfahrt des Vaterlandes gewährleisten kann. Sie werden in mir einen unerschütterlichen Vertheidiger der Ordnung und einen getreuen Hüter der Beschlüsse der Nationalversammlung finden. Nach der Verlesung des Schreibens des Präsidenten der Re⸗ publik brachte der Deputirte Janzé einen Antrag ein, nach wel⸗ chem den zu Deputirten gewählten Offizieren das Verbleiben im aktiven Dienste oder die Niederlegung ihres Mandats zur Wahl gestellt werden soll, und verlangte dringliche Be⸗ rathung desselben. Die Dringlichkeit des Antrages Janzé wurde indessen abgelehnt. Es folgte sodann die Berathung über die Interpellation von Léon Say betreffs der Nichteinberufung der Wahlkollegien zur Vornahme der Ersatzwahlen. Bei Begründung der Interpellation erklärte Say, obgleich er dem Ministerium nicht den Vorwurf machen wolle, daß es durch Hinausschiebung der Wahlen das Gesetz ver⸗ letzt habe, könne er darin doch nur die Absicht erblicken, einzelne Parteien zu begünstigen. Der Minister des Innern, Beulé, be⸗ antwortete die Interpellation und erklärte, daß er die Verantwort⸗ lichkeit für den Aufschub der Wahlen übernehme. Das Mini⸗ sterium habe die Wahlfrage zu der Zeit in Erwägung gezogen, als der gesetzliche Termin für die Vornahme der ersten der nothwendig gewordenen Ersatzwahlen abgelaufen sei, und sei zu dem Resultat gelangt, die Wahlen nicht alle auf einmal statt⸗ finden zu lassen, weil damals sich im Lande einige Unruhe ge⸗ zeigt habe. Später habe das Ministerium vorgezogen, die Wahlen der Reihe nach, je nach dem Ablauf des gesetzlichen Termins für ihre Vornahme, abzuhalten, ein Verfahren, welches jeden⸗ falls besser und unparteiischer sei, als das von der Regierung des Präsidenten Thiers beobachtete System, nach welchem die Wahlen nur nach der Bestimmung der Regierung und ohne eine Reihenfolge stattgefunden hätten. Der Deputirte Bethmont ent⸗ gegnete dem Minister und richtete einen Angriff gegen das ge⸗ sammte Ministerium, weil dasselbe dem Versuch, die Monarchie wieder einzuführen, seine Unterstützung habe zu Theil werden lassen. Der Herzog von Broglie erwiderte Namens des Mi⸗ nisteriums und erklärte, das Kabinet habe sich damals jeder Einmischung in diese allgemeine politische Frage enthalten, er müsse indessen für jeden Minister das Recht beanspruchen, per⸗ sönlich eine Initiative auszuüben, wenn er dadurch dem Gemein⸗ wesen und den gesellschaftlichen Interessen nütze. Die Ver⸗ sammlung beschloß darauf unter Zustimmung der Regierung mit 364 gegen 314 Stimmen über die Interpellation zur einfachen Tagesordnung überzugehen. Die Wahlen der Mitglieder der Kommission zur Vorberathung der konstitutionellen Gesetzentwürfe werden am nächsten Mittwoch vorgenommen werden.

Italien. Rom, 18. November. Die Deputirten⸗ kammer konnte heute abermals die Präsidentenwahl nicht vor⸗ nehmen, weil sich zu wenig Abgeordnete eingefunden hatten. Der Alterspräsident verordnete, daß die Namen der fehlenden Mitglieder in der offiziellen Zeitung veröffentlicht werden.

Der Senat hat gestern einstimmig beschlossen, der Familie des verstorbenen Senators Graf Casati und dem Stadtrath von Mailand sein Beileid über den Verlust des greisen Patrio⸗ ten zu erkennen zu geben. Der Kriegs⸗Minister hat befohlen, daß die ganze Besatzung von Mailand beim Begräbniß des Grafen sich dem Leichenzuge anschließen soll. Der Finanz⸗ Minister und der Handels⸗Minister haben dem Senate mehrere Gesetzentwürfe vorgelegt, darunter auch denjenigen, welcher den Loskauf der Cavourkanäle betrifft, und für welchen die Dringlichkeit erklärt wurde. .

Die Liquidations⸗Kommission hat gestern wieder nachstehende Klöster in Besitz genommen: das Kloster der Ma⸗ riendiener in S. Marcello, das Kloster der Cisterienserium S. Susanna, das Kloster der Minori Conventuali neben der hei⸗ ligen zwölf Apostelkirche, das Kloster der Minimi vom heiligen Franciscus di Paola, das Kloster der Lateranischen Kanoniker in S. Pietro in Vinculis, das Kloster der Tercionier des heiligen Francius a. S. Paolo alla Rejola, das Kloster der regulären Chieriker von Santa Maria in Camjutelli, das Kloster der Franziskaner Clarissinnen S. S lvestro in Capite.

Während in Rom kein einziger Ch olera mehr vor⸗ gekommen, rafft die Krankheit in Neapel, namentlich unter den niederen Klassen zahlreiche Opfer weg.

24. November. (W. T. B.) Die Abhaltung einer Volksversammlung, die sich zu Gunsten des allgemeinen direkten Stimmrechts aussprechen sollte, ist verboten worden.

Amerika. Der amerikanische Kongreß wird in der bevor⸗ stehenden Session die Summe festsetzen, die nothwendig ist, um Großbritannien die von der jüngsten anglo⸗amerikani⸗ schen Ansprüche⸗Kommission zuerkannte Entschädigung

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zu bezahlen. Nach dem Washingtoner Vertrage ist diese Zah⸗ lung am 26. September 1871 fällig. Dem Vernehmen nach wird das Geld im Staatsschatze bleiben und den Reklamanten unter der Aufsicht eines Agenten der britischen Regierung direkt gezahlt werden. In der bevorstehenden Session wird der Kon⸗ greß auch Beschlüsse über die Verwendung der Alabama⸗ Entschädigung, die nun im Staatsschatze in Form eines öprozentigen Vereinigten Staaten⸗Bonds für 15,500,000 Dollars liegt, zu fassen haben. Betreffs der gehörigen Vertheilungs⸗ methode giebt es widersprechende Meinungen, insbesondere über die Frage, ob die Ansprüche der Assekuratoren befriedigt werden 58 Man erwartet eine längere Debatte über den Gegen⸗ tand.

8 Die „Times“ vom 25. d. M. enthält ein Telegramm aus Philadelphia vom 24. d. M., wonach der spanische Minister der Kolonien von Havanna aus telegraphisch hat anzeigen lassen, daß man dort mit der Rückgabe der mit dem „Virginius“ weggenommenen, amerikanischen Eigenthümern gehörigen Waaren beschäftigt sei. Der Kongreß werde, so weit verlaute, sich für eine friedliche Politik aussprechen.

Die Nr. 83 des „Amts⸗Blatts der Deutschen Reichs⸗ Postverwaltung“, enthält: General⸗Verfügungen vom 22. No⸗ vember 1873: Sicherstellung des Uebergabegeschäfts auf den Bahn⸗ höfen; vom 20. November: Ermäßigung des Portos für Postkarten nach den Vereinigten Staaten Amcrikas bei der Beförderung Via Bremen, Hamburg oder Stettin; vom 22. November: Fahrposttarif vom 1. Januar 1874 ab; vom 18. November: Erhebung des Per⸗ sonengeldes für den Bockplatz des Hauptwagens; vom 21. November: Behandlung nach⸗ und zurückzusendender Packete.

Landtags⸗Angelegenheiten. „Berlin, 25. November. Der dem Hause der Abgeordneten jetzt vorgelegte Bericht der zur Untersuchung des Eisenbahn⸗ konzessionswesens eingesetzten Spezialkommission enthält auf 193 Druckseiten: J. Darstellung der Entstehung fol⸗ gender Eisenbahnen: 1) Pommersche Centralbahn (Anlagezeich⸗

nungen), 2) Breslau⸗Warschau (Anlagevertrag vom 2. März 1870), 3) Berliner Nordbahn, 4) Berlin⸗Görlitz, 5) Märkisch⸗Posener Bahn (Anlagenachweisung über die Verwendung des Anlage⸗ kapitals bis ultimo 187 , 6) Halle⸗Sorau⸗Guben, 7) Rechte⸗ Oder⸗Uferbahn, 8) Hannover⸗Altenbeken, 9) Löhne⸗Vienenburg, 10) Berlin⸗Dresden, 11) Posen⸗Kreutzburg, 12) Artern⸗ Naumburg (Unstrutbahn), 13) Cottbus⸗Großenhain, 14) Oberlausitzer Bahn, 15) Nordhausen⸗Sondershausen⸗Erfurn, 16) Berlin⸗Lehrte, 17) Langelsheim⸗Clausthal, 18) Berlin⸗Kiel, 19) Löhau⸗Weißwasser⸗Guben, 20) Dortmund⸗Enschede, 21) En⸗ schede⸗Münster, 22) Wesel⸗Bocholt, 23) Angermünde⸗Genthin und Stettin⸗Stendal, 24) Stargard⸗Berlin, 25) Oels⸗Gnesen, 26) Gnesen⸗Nakel⸗Conitz; II. Allgemeine Bemerkung in Bezug auf die Ausdehnung der thatsächlichen Untersuchung; III. Gut⸗ achtliche Aeußerungen der Kon mission über: A. Vorarbeiten, B. Konzessionsverfahren, GC. Eisenbahnaktiengesellschaften, D. Auf⸗ sicht des Staates; IV. Formulirung der Mißstände und Vor⸗ schläge. Der letzterwähnte Abschnitt lautet:

A. Mißstände.

1) Bei dem Mangel eines fixirten Planes für den Ausbau be⸗ stimmter Linien sind allgemein leitende Grundsätze für die Gewähr oder die Versagung der Erlaubniß zu den Vorarbeiten, wie der Kon⸗ zession nicht erkennbar geworden.

8 2) Es fehlte an einem fest geordneten Verfahren, in welchem die Bewerber und Betheiligten nach einer gewissen Regel gehört und be⸗ schieden wurden.

3) Beide Mängel hatten zur Folge: a. daß eine Ungleichmäßig⸗ keit der Entscheidungen sich nicht vermeiden ließ; b. daß die Gründe abweichender oder anscheinend widersprechender Entscheidungen nicht

immer zu ermitteln sind; c. daß Beschwerden über Ungleichmäßigkeit

entstanden.

4) Thatsächlich verschaffte, im Gegensatze zu einem häufig wic⸗ derholten Grundsatze, die Erlaubniß zu den Vorarbeiten oft schon die Erörterung von Projekten, durch Ausschluß der Konkurrenz einen An⸗ spruch auf die Konzession. In Folge dessen wurde: a. zuweilen die Erlaubniß zu den Vorarbeiten mißbräuchlich ausgebentet; b. die Aus⸗ führung wünschenswerther Projekte gefährdet.

5) Die abweichenden Grundsätz über die Ausführung des Baues, die bald gestattete, bald untersagte General⸗Entreprise, bald leichtere, bald strengere Prüfung der Finanzirung haben unter anscheinend gleich⸗ artigen Verhältnissen verschiedenartige Entscheidungen herbeigeführt und eine feste Praxis verhindert.

6) Die mangelnde Kontrole über die vor der Konzession erörter⸗ ten Voraussetzungen derselben, insbesondere soweit die Art der Bau⸗ ausführung und die Finanzirung in Betracht kommen, hat in der

braxis bei der Bildung neuer Eisenbahngesellschaften eine weitgrei⸗ 8 Differenz zwischen dem Programm und der Ausführung bewirkt und zur Folge gehabt: a. Es wurde ein System herangebildet, welches die Ausgabe von Eisenbahnaktien unter pari gegen die ausdrückliche Vor⸗ schrift des Gesetzes zur Regel machte. b. Es wurde Anlaß zu der vielfach verbreiteten Meinung gegeben, daß die Staatsregierung das gefetzlich ver⸗ botene Verfahren gestatte. c. Es entstand in weitem Umfange die Praxis, untaugliche Zeichnungen vorzulegen und die Staatsregierung wie das

Publikum über den Werth der finanziellen Grundlagen und Vorberei⸗

tungen zu täuschen. d. Die Baunausführung und die Finanzirung wurden in eine für die Solidität des Unteruehmens durchaus nach⸗ theilige Verbindung gebracht; heimliche und Scheinverträge wurden zur Regel, und die Organe der Gesellschaft (Generalversammlung, Vorstand, Aufsichtsrath) wurden der ihnen vom Gesetz und Staat zu⸗ gewiesenen Aufgabe entrückt. e. Der Eisenbahnbau wurde in einer, der Natur des Unternehmens nicht entsprechenden bedenklichen Weise von den Schwankungen der Börsengeschäfte abhängig gemacht.

7) Das Vertrauen auf voöllig unpartheiische Entschei⸗ dungen wurde beeinträchtigt durch die Vereinigung der Kon⸗ zessions⸗ und Aufsichtsinstanz in der Hand derselben Behörde, welcher die Verwaltung der Staatsbahnen im Interesse des Fiskus und einzelner Privaͤtbahnen im Interesse von Neivatgefellschaften obliegt.

B. Vorschläge.

I. 1) In einem allgemeinen, im Laufe der Zeit zu ergänzenden Plane ist ein Netz derjenigen Eisenbahnen zu entwerfen, deren Aus⸗ führung als nützlich angesehen wird. 2) Für die in dieses Netz aufgenommenen Linien sind in thunlichster Beschleunigung die generellen Vorarbeiten auf Staatskosten anzufertigen. 3) Soweit die allgemeinen Landesinteressen eine Einschränkung nicht erfordern, ist Anträgen auf Ertheilung der Erlaubniß zu Vorarbeiten stattzugehen, auch für solche Linien, welche nicht in den allgemeinen Plan aufgenommen sind. Verschiedenen Bewerbern ist diese Erlaub⸗ niß zugleich zu ertheilen. Die durch Ertheilung der Erlaubniß zu Vorarbeiten begründeten Befugnisse sind durch das Expropriations⸗ gesetz festzustellen. Die Ertheilung dieser Erlaubniß ist abhängig zu machen: a. von einer, die Interessen des Grundbesitzes sichernden Kau⸗ tion; b. von Uebernahme der Verpflichtung, auf Erfordern die angefer⸗ tigten Vorarbeiten gegen Kostenerstattung dem Staate zu überlassen. Die Ertheilung der Erlaubniß und deren Erlöschen ist zu veröffent⸗ lichen. 4) Die vom Staate gefertigten Vorarbeiten sind in geeigneten Fällen für den öffentlichen Gebrauch zugänglich zu machen und Be⸗ werbern um die Bauausführung zu überlassen. 5) Jedes Anrecht aus den Vorarbeiten auf die Konzession selbst ist auszuschließen.

II. In technischer Beziehung werden die Vorarbeiten insbeson⸗ dere so beschaffen sein muͤssen, daß sie eine möglichst sichere Grund⸗

lage für Bemess ung des Anlage⸗(Bau.) Kapitals gewähren und durch visgelchft genaue Feststellung der leitenden Punkte der Bahnlinie solche 2 anderungen nach der Konzessionirung thunlichst ausschließen, welche die Finanzirung wesentlich beeinflussen würden. 1 J. 1) Die Konzession ist durch die Staatsregierung zu erthei⸗ len, Uees Entscheidung vorzubereiten ist: a. durch Mittheilung der Bewerbungen an das Reich; b. durch Veröffentlichung derselben; c. durch Einholung gutachtlicher Aeußerungen der betheiligten Kreis⸗ und Provinzialbehörden und Vertretungen (Ausschüsse), welche vorher erforderlichen Falles die Betheiligten zu hören haben; d. durch Vor⸗ legung des gesammten Materials an eine kollegialisch organifirte Verwaltungsbehörde zum Zweck gutachtlicher Beurtheilung. 2) Mit der Bewerbung um die Konzession ist zu verbinden: a. die Vorlegung gceigneter Vorarbeiten; b. die allgemeine Darlegung der beabsichtigten Art der Finanzirung mit dem Erbieten, die bewiekte Finanzirung innerhalb einer bestimmten Frist nach Ertheilung der Konzession nachzuweisen; c. das Anerbieten einer, die Innehaltung die⸗ ser Frist sichernden Kaution. 3) Das Statut muß entsprechen: a. den allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen über Aktiengesellschaften und insbesondere über Eisenbahn⸗Aktiengesellschaften; b. den generell und den für den speziellen Fall dem Gesetze gemäß beson⸗ ders aufgestellten Konzessionsbedingungen. Das Statut ist mit dem Nachweis der Finanzirung der Staatsbehörde zur Erklä⸗ rung vorzulegen, ob in diesen Beziehungen Erinnerungen zu machen sind. Eine weitere staatliche Genehmigung ist nicht frforderlich. 4) Die Gesetzgebung hat Fürsorge zu treffen, daß bei 8 5 8 5673 . ½ A 9 8 oroas Hor Konzessionen die Möglichkeit vkünftigen Erwerbes der Ba durch den Staat gewahrt werde. 5) Die Herstellung von Lokalbahnen, für welche die Kommunalverbände ihre Theilnahme be⸗ thätigen und Beisteuern der Adjazenten und Kommunen vorliegen, ist durch Staatssubventionen möglichst zu fördern.

7. 1) Die Eintragung der Eisenbahn⸗Aktiengesellschaften in das Handelsregister darf erst erfolgen, wenn der Verwaltungsbehörde die Fi⸗ nanzirung des Unternehmens, insbesondere die Beschaffung des in den Kon⸗ zessionsbedingungen vorgesehenen Anlage⸗ (Bau⸗) Kapitals durch volle Zeichnung des Grundkapitals (Artikel 209 des Handelsgesetzbuchs) nachgewiesen ist. 2) Das Anlage⸗ (Bau⸗) Kapital muß als effektiver Geldbetrag in seiner vollen Höhe zur Kasse der Gesellschaft gelangen. 3) Es ist nicht unbedingt auszuschließen, daß zur Beschaffung dieses Anlage, (Bau⸗) Kapitals Aktien in einem dasselbe übersteigenden Ge⸗ sammtbetrage ausgefertigt und an die ersten Zeichner zu einem ent⸗ sprechenden Course unter ihrem Nennbetrage ausgegeben werden, sofern hierbei folgende Vorschriften beobachtet sind: a. Gleichwerthige und gleichbezeichnete Aktien desselben Unternehmens dürfen nur zu einem und demselben Course (Emissionskurse) an die Zeichner bege⸗ ben werden; b. der Prozentsatz, zu welchem die Ausgabe der Aktien erfolgt (Emissionskurs) ist 2. in der für Bekanntmachungen der Ge⸗ sellschaft vorgesehenen Art zu veröffentlichen und ferner: 5. in den durch Prospekte oder in sonstiger Weise erfolgenden Aufforderungen zur Zeichnung, y. in den Zeichnungsscheinen, und 9. auf der Aktie selbst anzugeben. 4) Die gesetzliche Bestimmung, daß die einzelne Aktie nicht unter einem bestimmten Betrage ausgefertigt werden darf, ist festzuhalten; für den gesetzlich festgestellten Mindestbetrag kommt bei solchen Aktien, welche unter dem Nennbetrage ausgegeben werden, nicht der Letztere, sondern der Emissionskurs EEEEö tracht. 5) Bauzinsen sind zu gestatten. Die Zeit, für welche Bauzinsen versprochen werden dürfen, ist zu begrenzen. Die Zinsen dürfen einen bestimmten höchsten, nach dem Emissionsbetrage zu be⸗ messenden Prozentsatz nicht übersteigen. 6) An den Bestimmungen des Artikels 210a 1 und 2 des Handelsgesetzbuchs, die Vollzeichnung des Grundkapitals und die Einzahlung von mindestens 10 Prozent betreffend, ist festzuhalten. 7) Keine Aktie darf ausgegeben werden, ehe nicht der volle, dem Emissionskurse entsprechende Betrag zur Gesellschaftskasse gezahlt ist. 8) Das Verhältniß der Gründer zur Gesellschaft ist gesetzlich zu regeln und hierbei davon auszu⸗ gehen: a. die Gründer können alle auf die Finanzirung bezüg⸗ lichen Verträge abschließen; b. der definitive Abschluß der Bau⸗ verträge ist der konstituirten Aktiengesellschaft vorzubehalten; c. alle auf die Finanzirung, Geldbeschaffung und außergewöhnlichen Unkosten bezüglichen Abmachungen, insbesondere auch diejenigen, welche den Gründern Vortheile zuwenden, sowie ferner diefenigen, welche die Betheiligung der von den Gründern in Aussicht genommenen Bau⸗ unternehmer an der Beschaffung des Anlage⸗(Bau⸗) Kapitals berühren, müssen den Aktienzeichnern offen dargelegt werden. 9) Die Finanzirung ist von der Bauausführung zu trennen. Sofern danach nicht die Bauausführung gegen Hingabe von Aktien erfolgt, ist das System der Generalentreprise nicht zurückzu⸗ weisen. 10) Ein Bedürfniß zur gesetzlichen Beschränkung des Stimmrechts der Aktionäre ist nicht vorhanden, ebensowenig empfiehlt es sich, auf die Aufnahme einer dahin gehenden Bestimmung in die Statuten im Verwaltungswege einzuwirken. Soweit die Statuten bestimmte Vorschriften über die Ausübung des Stimmrechts enthal⸗ ten, sind letztere dadurch zu schützen, daß ihre Umgehung bei Strafe verboten wird. 11) Alle Vorschriften, welche im öffentlichen Interesse aufgestellt werden, sind durch ausdrückliche Bestimmungen, welche Strafe androhen oder die civilrechtliche Verantwortlichkeit feststellen, gegen Zuwiderhandlung und Umgehung (Delikt) zu schützen. 12) Für alle Fälle des Delikts ist die Verantwortlichkeit auf diejenigen Personen auszudehnen, welche zur gesetzmäßigen Ausführung jener Vorschriften berufen sind. (Gründer, Vorstand, Aufsichtsrath). 13) Die Gesellschaft hat für eine selbständine Kontrole dies

führung Sorge zu tragen, besonders durch Bestellung von Revisoren, welche in keinerlei Verbindung mit der Verwaltung stehen und be⸗ rechtigt find, das Einschreiten des Richters zu bestimmten Zwecken der Revision und zu Sicherheitsmaßregeln zu bewirken. 14) In Betreff der Verantwortlichkeit aus Delikten soll das Gesetz je nach der Be⸗ schaffenheit des in Frage kommenden Delikts, entweder einem einzelnen Aktionär, oder einer Anzahl vereinigter Aktionäre die Befugniß geben: a. trotz der von der Generalversammlung geleisteten Decharge seine

oder die Gesellschaftsrechte geltend zu machen, sofern der betreffende

Aktionär in der Generalversammlung anwesend gewesen ist und den Anspruch geltend gemacht hat; b. die Einsetzung besonderer Revisoren bei dem Richter zu beantragen, wenn die gesetzwidriae Geschäftsführung wahrscheinlich gemacht wird und die bestehende Re⸗ vision als lässig sich erweist. 15) Die Rechte der Minderheit sind auf Anrufen durch den Richter zu schützen, wenn dargethan wird, daß die Mehrheit in der Generalversammlung durch solche Manipulationen vorbereitet worden ist, welche das Gesetz oder das Statut ausdrücklich ausschließt. 8 V. 1) Die staatliche Aufsicht hat sich während der Bauzeit auf die nachhaltige Solidität des gesammten Baues einschließlich der Ausrüstung der Bahn zu erstrecken. 2) Durch das Gesetz ist dem Staate die Ausübung einer Aufsicht über die Beobachtung und Er⸗ füllung aller derjenigen gesetzlichen und Verwaltungsvorschriften zu er⸗ möglichen, welche die Voraussetzung der Ertheilung der Konzession bilden; insbesondere gilt dies, soweit die Geldbeschaffung, die Einzah⸗ lungen und die Ausgabe der Aktien in Betracht kemmen.

VI. 1) Die mit Ertheilung der Erlaubniß zu Vorarbeiten und mit dem Konzessionsverfahren befaßte, sowie die mit der Aufsicht über die Eisenbahnen beauftragte Behörde ist von derjenigen zu trennen, welcher die Verwaltung der Staatsbahnen und einzelner Privatbahnen obliegt. 2) Es erscheint wünschenswerth, die Aufsicht über die Eisen⸗ bahnen in Ausführung der Bestimmungen der Reichsverfassung (Art. 41 bis 47) dem Reiche zu übertragen, dieselbe durch Erlaß eines Reichseisenbahngesetzes zu regeln und eine Reichsrekursinstanz einzusetzen. Königsberg, 25. November. (W. T. B.) Bei der heutigen Nachwahl zum Abgeordnetenhause ist der Redacteur Hoppe in Berlin mit 459 von 499 Stimmen zum dritten Abgeordneten für den Wahlbezirk Königsberg⸗Fischhausen gewählt worden.

Statistische Nachrichten. 3

Die Elementar⸗Schullehrer⸗Wittwen⸗ und Waisen⸗

Kasse des Regierungsbezirks Stettin hatte im J. 1872

28,498 Thlr. Einnahmen (darunter 1110 Thlr. Antrittsgelder, 1229 Thlr. Gehaltsverbesserungsgelder, 7016 Thlr. Kapitalzinsen, 6621 Thlr. Kassenbeiträge der Lehrer⸗Mitglieder, 6973 Thlr. der Gemeinden) und 24,825 Thlr. Ausgaben (darunter 12,749 Thlr. zur Anlegung von Kapitalien, 10,276 Thlr. Pensionen an Lehrerwittwen, 1200 Thlr. an Lehrerwaisen. Das Vermögen der Kasse betrug am Schlusse 1872 160,943 Thlr. 1

München, 23. November. Von gestern bis heute Abends sind an Cholera 8 Erkrankungen und 3 Todesfälle vorgekommen.

Kunst und Wissenschaft.

In der Sitzung der historischen Sektion der Schlesi⸗ schen Gesellschaft für vaterländische Cultur am 13. No⸗ vember beschloß der Archivrath Dr. Grünhagen seine Mittheilungen aus dem Tagebuche des Dr. Scholz in Schweidnitz aus der Zeit des ersten schlesischen Krieges. Die mitgetheilten Stücke betrafen die Zeit nach der Mollwitzer Schlacht und die durch den unerwarteten Flanken⸗ marsch Neippergs und Friedrichs Gegenmaßregeln dagegen entstandene Aufregung in den Städten Niederschlesiens. Die Rathserneuerung, die auf Friedrichs Befehl am 18. August in Schweidnitz vorgenommen wurde, berief, auch den Tagebuchschreiber in den Rath; deshalb ist hierüber, sowie über die Huldigung der Stadt Schweidnitz, sein Be⸗ richt ein ausführlicher und authentischer. Auch über die Einnahme des nahen Städtleins Zobten durch die Oestreicher am 31. Juli 1741 enthält das Tagebuch eine sehr genaue Schilderung nach den Nach⸗ richten von Augenzeugen.

Die Nr. 94 der „Wissenschaftlichen Beilage der Leipziger Zeitung“ vo.n 23. November hat folgenden Inhalt: Ein ästhetischer Pädagog. Frug und fragte. Ein kurzer Gang auf dem Gebiete der historischen Grammatik. Rezensionen und Be⸗

sprechungen. Gewerbe und Handel.

„Der Preußische Termin⸗ und Notiz⸗Kalender zum Gebrauch der Beamten der allgemeinen Verwaltung und der Verwaltung des Innern ist im 5. Jahrgang auf das Jahr 1874 (Berlin, Friedr. Schulze's Verlag) erschkenen. Der Kalender enthält nach den für Notizen bestimmten Blättern, wobei für jeden Tag eine halbe Seite freigelassen ist, die Genealogie des Königshauses, die ge⸗ bräuchlichen Eide, Zinstabellen, Münz⸗Vergleichungs⸗Tabellen, die neuen Maße und Gewichte, Portotare, Gesetze, betreffend die Tage⸗ gelder und die Reisekosten der Staatsbeamten vom 24. März 1873, betreffend die Gewährung von Wohnungsgeldzuschüssen vom 12. Mai 1873, ein Verzeichniß der Behörden und Beamten der allgemeinen Verwaltung und der Verwaltung des Innern, Centralstellen, Regie⸗ rungen und Landdrosteien, der Landräthe und Kreis⸗Sekretäre, Kreis⸗ und Amtshauptmänner ꝛc., Räthe. Assessoren ꝛc. in der landrathlichen Polizei⸗, Amts⸗ und Kommunal⸗Verwaltung, Ober⸗Bürgermeister und Bürgermeister in den Städten der Monarchie, Namenregister.

Elbing, 23. November. Am kommenden Dienstag wird aus der Lokomotiv⸗Bauanstalt des Kommerzien⸗Raths Schichau hierselbst die 100. Lokomotive hervorgehen. Die ersten zwei Lokomo⸗ tiven wurden im Jahre 1859 gebaut. Nach Fertigstellung der jüng⸗ sten Neubauten hofft die Fabrik im Stande zu sein, Lieferungen von 100 150 Lekomotiven nebft Tendern pro Jahr zu bewältigen. Der Tag wird durch ein von dem Besitzer zu veranstaltendes Arbeiterfest

gefeiert werden. Verkehrs⸗Anstalten.

Die Nr. 97 der „Zeitung des Vereins Deutscher Eisenbahn⸗Verwaltungen“ hat folgenden Inhalt: Das Be⸗ triebs⸗Reglement für die Eisenbahnen Deutschlands (§. 60 u. 61). Vereinsgebiet: Berliner Briefe. Aus Sachsen. Die Verbindungsbahn zwischen dem Badischen Bahnhofe und dem Bahnhofe der Schweizer Centralbahn in Basel eröffnet. Aachener Industrie⸗Aktien⸗Gesellschaft. Ausland: Gotthardtbahn (10. Monatsbericht). Literatur. Offizielle Anzeigen: Fahrplan der Königlichen Ostbahn vom 1. Dezember 1873. Submissionen.

Southampton, 24. November. (W. T. B.) Der Dampfer des norddeutschen Lloyd „König Wilhelm I.“ ist heute hier ein⸗ getroffen.

Plymouth, 24. November. (W. T. B.) Der Hamburger Post⸗ dampfer „Cimbria“ ist hier eingetroffen.

Aus dem Wolff'schen Telegraphen⸗Bureau.

Versailles, Dienstag, 25. November, Vormittags. Das Ministerium hat sich bisher noch nicht definitiv konstituirt. Wie verlautet, dürfte der Herzog von Decazes als Minister des Aus⸗ wärtigen oder des Innern in das Kabineteintreten und von Beulé das Kultus⸗Ministerium, von Batbie die Präsidentschaft des Staatsraths übernommen werden. Die Ernennungen der Unterstaatssekretäre sollen bereits feststehen und Baragnon für das Innere, Lefebure für das Finanz⸗Ministerium und Chaudordy für das Auswärtige in Aussicht genommen sein. Der Vicomte von Gontaut⸗Biron wird, wie die „Agence Havas“ mittheilt, am Donnerstage auf seinen

Posten nach Berlin und voraussichtlich auch der General Leflo als Gesandter nach St. Petersburg zurückkehren. Derselben Quelle zu⸗ folge wird das Ministerium noch in dieser Woche Gesetzentwürfe über die Verwaltung der Munizipal⸗Polizei und über die Ernennung der Maires der Nationalversammlung vorlegen und in der

nächsten Woche ein Preßgesetz einbringen. Sämmtliche Mi⸗

snister und die auswärtigen Gesandten waren gestern bei dem

vom Marschall Mac Mahon abgehaltenen Empfange anwesend um demselben ihre Glückwünsche darzubringen. 4

Rom, 25. November, Morgens. Bei Gelegenheit der Be⸗ rathung des Budgets in der gestrigen Sitzung der Deputirten⸗ kammer beantragte Manecini, eine Resolution anzunehmen, welche sich für die Errichtung eines internationalen Schiedsgerichts aus⸗ sprach. Nachdem auch die Regierung der Resolution zu stimmt hatte, wurde dieselbe von der Kammer mit Einstimn keit genehmigt. Der Minister des Auswärtigen, Visconti⸗Ve⸗ nosta, erklärte in derselben Sitzung auf eine bezügliche Anfrage, daß die Regierung zu Spanien in den besten Beziehungen stehe und in Bezug auf die Frage der Anerkennung der gegenwärti⸗ gen spanischen Regierung eine derjenigen der übrigen konforme Haltung beobachten werde.

Königliche Schauspiele. Mittwoch, 26. November. Opernhaus. (232. Vorstellung.) Soseph in Aegypten. Musikalisches Drama in 3 Akten. Must von Méhul. Benjamin: Frl. v. Bretfeld. Jacob: Hr. Fricke Joseph: Hr. Niemann. Simeon: Hr. Woworsky. Anfang 7 Uhr. Mittel⸗Preise. 1b Wegen Unpäßlichkeit der Fr. Mallinger kann die angekün digte Vorstellung „Margarethe“ nicht stattfinden. Schauspielhaus. (241. Abonnements⸗Vorstelung.) Die piel j Akte Frei uf n 1 spiel in 4 Akten von Freitag. Anfang halb Mittel⸗Preise. Donnerstag, 27. November. Opernhaus. (233. Vorstellung.) Don Juan. Oper in 2 Abtheilungen mit Tanz von Mozart. Donna Elvira: Frl. Lehmann. Donna Anna: Fr. v. Voggen huber. Zerline: Frl. v. Bretfeld. Don Juan: Hr. Betz. Comthur: Hr. Fricke. Don Octavio: Hr. Schott. Leporello: Hr. Salomon. Masetto: Hr. Krolop. Anfang halb 7 Uhr. Mittel⸗Preise. Schauspielhaus. (242. Abonnements⸗Vorstellung.) Die Räuber. Trauerspiel in 5 Akten von Schiller. Anfang halb 7 Uhr. Mittel⸗Preise. 8

5 Journalisten. Lusts 7 Uhr.