1) die Wahl der Herren: Staats⸗Minister Delbrück uns Ritterguts. besitzer Kette zu beanstanden; 2) die Akten der Königlichen Staats⸗ regierung mit der Aufforderung zu überweisen, über die im Proteste der Herren Bergell⸗Crampe und Genossen, in der Erklärung des Re⸗ gierungs Präsidegien v. Kamptz in Cöslin und in der Eingabe der Herren Arnold⸗Zirchew und Genossen in Stolp angeführten Thatsachen gerichtliche Vernehmung zu veranlassen: a. der Protesterheber darüber, welche Thatsachen gaußer dem Auftreten des Regierungs⸗
räsidenten v. Kamptz im Hause des Herrn v. Blan⸗ 8. zu Hebron⸗Damnitz und bei dem Landrath z. D. v. Gottberg zu Stolp vorliegen, die eine unzulässige Wahlbeeinflussung Seitens der Königlichen Regierung in Cöslin und namentlich Seitens des Regierungs⸗Präsidenten v. Kamptz statuiren würden, sowie darüber, wann und in welcher Weise sie von jenen beiden Vorgängen in Hebron⸗ Damnitz und Stolp Kenntniß erhalten haben; v. der im Protest ge⸗ nannten Zeugen und zwar (zeugeneidlich) über den daselbst erzählten Vorgang im Hause des Herrn v. Blankensee; c. des Königlichen Land⸗ raths z. D. v. Gottberg (ebenfalls zeugeneidlich) über das im Protest berichtete Gespräch zwischen ihm und dem Regierungspräsi⸗ denten v. Kamptz; d) der Unterzeichner der Eingabe vom 18. No⸗ vember cr., Arnold⸗Zirchow und Genossen (ebenfalls zeugeneidlich) über die in dieser Eingabe behaupteten Thatsachen, namentlich aber darüber, wann und in wessen Gegenwart Herr v. Gottberg die Er⸗ klärung abgegeben hat, in Folge deren seine Kandidatur Seitens des Komites für regierungsfreundliche Wahlen fallen gelassen wurde — und diese Vernehmungen dem Hause mitzutheilen.
Daneben lag der Antrag der Abgeordneten Dr. Hammacher und Wachler (Oels) vor:
1) die Wahl der Herren Staats⸗Minister Delbrück und Ritter⸗ gutsbesitzer Kette zu beanstanden, und 2) die Königliche Staatsregierung aufzufordern, durch zeugeneidliche Vergehmung der in dem Proteste der Herren Bergell⸗Crampe und Genossen genannten Zeugen den da⸗ selbst erzählten Vorgang, durch zeugeneidliche Vernehmung des Landraths z. D. Herrn von Gottberg die behaupteten Aeußexungen des Regierungs⸗Präsidenten Herrn von Kamptz — und endlich durch zeugeneidliche Vernehmung der Protesterheber den Zenpunkt des Bekanntwerdens der Aeußerungen des Präsidenten v. Kamptz im Hause des Herrn v. Blankensee und gegenüber Herrn v. Gottberg festzustellen.
Endlich 3) der Antrag des Abgeordneten Tiedemann:
die Wahlen der Herren Staats⸗Minister Delbrück und Ritterguts⸗ besitzer Kette für gültig zu erklären. 18
Das Haus lehnte nach zweistündiger Debatte, an der sich die Abgg. Haken, Dr. Hammacher, Tiedemann, Berger und Dr. Windthorst (Meppen), so wie der Minister des Innern bethei⸗ ligten, den Antrag des Abg. Tiedemann ab und genehmigte den der Abtheilung, worauf bei Schluß des Blatts die Spezialbe⸗ rathung des Etats des Ministeriums der landwirthschaftlichen Angelegenheiten fortgesetzt wurde.
— Der Minister des Innern hat unterm 20. v. M. ein Regulativ zur Ordnung des Geschäftsgangs bei den Kreisausschüssen erlassen. Dasselbe besteht aus 21 Para⸗ graphen und betrifft: Geschäfte des Kreisausschusses (§§. 1. 2). Sitzungen des Kreisausschusses (§H§. 3. 4). Ferien (vom 21. Juli bis 1. September. §. 5). Befugnisse des Vorsitzenden, Leitung des Verfahrens (§§. 6— 10). Mündliche Verhandlung in öffentlicher Sitzung (§ §. 11 — 14). Ausfertigungen (§§. 15. 16). Besondere Arten des Verfahrens (§. 17). Berufungen (§§. 18. 19). Geschäfts⸗Kontrolbücher (§§. 20. 21).
— Der Evangelische Ober⸗Kirchenrath hat einen Nachtrag zu seiner Instruktion vom 31. Oktober d. J. zur Kirchengemeinde⸗und Synodal⸗Ordnung erlassen, wel⸗ cher die Möglichkeit eröffnet, je nach Bedürfniß die Wahlen der Kirchenältesten und der Gemeindevertreter in einem Akt innerhalb gewisser begrenzter Stunden vollziehen zu lassen, event. die Wahlakte auf verschiedene Sonntage zu vertheilen und auch außerhalb der Kirchen vornehmen zu lassen. Das Aktenstück
stimmten Kirchen zu 82 Wahlakt thatsächlich nicht verwendet werden können. Es bedarf kaum der Bemerkung, daß deshalb der Wahlakt nicht unterbleiben darf, vielmehr hat der Gemeinde⸗Kirchenrath, wo die Abhaltung der Wahl in der dazu angewiesenen Kirche thatsächlich unausführbar ist, ein anderes geeignetes Lokal für die Wahl zu be⸗ stimmen und dasselbe in den vorgeschriebenen Einladurgen zur Wahl namhaft zu machen. Das Königliche Konsistorium beauftragen wir, Vorstehendes durch die kirchlichen Amtsblätter schleunigst zur Kenntniß der Geist⸗ lichen und Gemeinde⸗Kirchenräthe zu bringen. v Evangelischer Ober⸗Kirchenrath. 8 — Der General⸗Major von Diringshofen, bisher Commandeur des 40. Infanterie⸗Brigade, ist aus Anlaß seiner vor Kurzem erfolgten Ernennung zum Commandeur der 18. Di⸗ vision behufs Abstattung persönlicher Meldungen hier einge⸗ troffen.
— Der Oberst und Chef des Generalstabes VII. Armee⸗ Corps von Schlichting hat sich nach Münster zurückbegeben.
Der zwischen dem Garnison⸗Repräsentanten und der Steuer⸗ und Einquartierungs⸗Deputation des Magistrats hier ab⸗ geschlossene Vertrag nebst Nachtrag, betreffend die Einquar⸗ tierungs⸗Verhältnisse der nicht kasernirten Truppen, ist durch das Königliche Kriegs⸗Ministerium⸗Militär⸗Oekonomie⸗ Departement bis ultimo Dezember 1874 prolongirt worden.
Stralsund, 5. Dezember. In der heutigen Sitzung des Kommunal⸗Landtags wurde der Jahresbericht über die Verwaltung der Neuvorpommerschen Provinzial⸗Hülfskasse pro 1872 verlesen. Aus demselben ist zu bemerken, daß vier Dar⸗ lehne ausgegeben und an Zinsgewinn die Summe von 857 Thlr. an den Landkasten abgeführt worden. Dem Antrage der Direk⸗ tion, eine Herabsetzung des Zinsfußes für ausgegebene Darlehne eintreten zu lassen, um die Benutzung der Kasse zu erleichtern, ertheilte der Landtag seine Zustimmung. Es wurde ferner der Bericht über die ständische Irrenheil⸗ anstalt zu Greifswald pro 1872 vorgetragen, nach welchem in diesem Jahre 70 Kranke in die Anstalt aufgenommen und im Ganzen 26 Kranke als geheilt und 10 als gebessert entlassen wurden. Die Anstalt befindet sich in einem ihrem Zweck durchaus entsprechenden Zustand. 8 Ein Antrag des hiesigen Magistrats auf Erhöhung der Pflegesätze für die auf ständische Kosten im hiesigen Arbeitshause zu verpflegenden Corrigenden wurde vom Landtage als berechtigt anerkannt und der engere ständische Ausschuß mit den erforder⸗ lichen Feststellungen betraut.
Auf das Gesuch der Gemeinde Papenhagen um eine Unter⸗ stützung aus dem Landarmenfonds wurde dessen Ablehnung beschlossen.
Görlitz, 6. Dezember. In der gestrigen Sitzung des Kommunal⸗Landtages wurde über Entlassung der aus dem Kreise ausgeschiedenen Stadt Görlitz aus der Schuldver⸗ bindlichkeit bezüglich zweier, dem Kreise Görlitz geliehenen Ka⸗ pitalien Beschluß gefaßt, der Etat für das Landarmenwesen pro 1874 und die Erhebung der Beiträge für Landarmen⸗Irren⸗ haus⸗ ꝛc. zwecke in bisheriger Art und Höhe festgestellt, zur Unterbringung Tobsüchtiger, die Summe bis zur Höhe von 200 Thlr. bewilligt, demnächst der Etat für die Waisenanstalt zu Reichenbach festgestellt, einige für die Verwaltung beider Angelegenheiten, sowie bezüglich der Hülfskasse erforderliche Be⸗ schlüsse gefaßt, der Schulfond⸗Etat festgestellt, dabei eine Summe zur Unterstützung von Lehrern, Seminaristen und Präparanden aus der Landesmitleidenheit, sowie zu einer Beihülfe für die Stadt Rothenburg zur Errichtung und Erhaltung einer Privat⸗
lautet: 1u Berlin, 6. Dezember 1873.
Es ist von verschiedenen Seiten darauf aufmerksam gemacht worden, wie die genaue Befolgung der Vorschriften über die Wahl
der Aeltesten und Gemeindevertreter nach der Instruktion vom 31. Oktober d. J. in stark bevölkerten Gemeinden eine so geraume Zeit in Arnspruch nehmen würde, daß der Wahlakt, zumal derselbe an einem der kürzesten Tage des Jahres vorzunehmen ist, leicht nicht an demselben Tage zu Ende geführt werden könnte. Auch die wahr⸗ scheinliche Ungunst der Witterung an dem festgesetzten Wahltage und die mangelhafte Beschaffenheit einzelner Kirchengebäude sind verschie⸗ dentlich als hindernd hervorgehoben. Um diesen Umständen die mög⸗ liche Verücksichtigung zu Theil werden zu lassen, haben wir, im Ein⸗ verständniß mit dem Herrn Minister der geistlichen Angelegenheiten, beschlossen, für die bevorstehende erstmalige Bildung der Gemeinde⸗ Kirchenräthe und Gemeindevertretungen in denjenigen Gemeinden, in denen mehr als Einhundert Wahlberechtigte in die Wählerliste einge⸗ trazen sind, nachfolgende Ergänzungen und Modisikationen in den Be⸗ stimmungen gedachter Instruktion sub Nr. 22 — 26 eintreten zu lossen:
1) Der Hauptgottesdienst am Wahltage ist so anzusetzen oder zu kürzen, daß womözlich die Wahlhandlung spätestens um 11 Uhr be⸗ innt.
g 2) Die Verlesung der §. 22 alin. 3 der Instruktion bezeichneten Bestimmungen der Kirchengemeinde⸗Ordnung und der Instruktion kann wegfallen.
3) Die Wahlhandlung ist den Wählern möglichst zu erleichtern und abzukürzen. Es kann zu diesem Zweck gestattet werden, daß ein jeder Wähler den Stimmzettel für die Gemeindevertretung sogleich nach dem Stimmzettel für die Aeltesten abgebe, wobei selbstredend darauf zu achten, daß die betreffenden Zettel sofort in zwei räumlich getrennt aufzu⸗ stellende Gefäße gelegt werden oder daß, wo dies ausführbar, zur Ent⸗ gegennahme der Stimmzettel gleichzeitig mehrere Annahmestellen — jede für eine bestimmte, etwa nach dem Anfangsbuchstaben abzugren⸗ zende Wählerzahl — in der Kirche eingerichtet werden, oder daß eine nach der Zahl der Wähler zu bemessende, bestimmt abgegrenzte Zeit angesetzt werde, innerhalb deren die Wähler ihre Stimmen abgeben können, ohne die ganze Zeit in der Kirche anwesend sein zu müssen, oder endlich, daß mehrere dieser Maßnahmen mit einander verbunden werden. Welcher dieser Wege für den angegebenen Zweck der geeignetste sei, ist mit Rücksicht auf die große Verschiedenheit der lokalen Ver⸗ hältnisse allgemein zu bestimmen unmöglich und bleibt daher dem pflichtmäßigen Erm ssen des Gemeinde⸗Kirchenraths überlassen.
4) Ebenso ist die Theilung des Wahlakts sowohl in Betreff der Wahl der Aeltesten und der Gemeindevertreter, als auch in Betreff der ordentlichen und einer ctwaigen engeren Wahl auf verschiedene Sonntage gestattet. b
5) Bei allen nach Nr. 3 und 4 zu treffenden Einrichtungen ist das entscheidende Gewicht darauf zu legen, daß der Wille aller Wahl⸗ berechtigten möglichst vollkommen zum Ausdruck gelangen kann; auch ist jedenfalls darauf zu halten, daß die Wahl der Gemeindevertreter erst nach der Wahl der Aeltesten abgeschlossen werden darf.
6) Darüber, in welcher Weise nach Maßgabe der vorstehenden Anordnungen der Wahlakt vollzogen werden soll, hat der Gemeinde⸗ Kirchenrath sofort nach Publikation dieses Erlasses Beschluß zu fassen und die entsprechenden Beftimmungen in die vorschriftsmäßigen Bekanntmachungen über den Wahltermin (Nr. 20 der Instruktion vom 31. Oktober d. J.) mit aufzunehmen, auch sonst möglichst all⸗
gemein, z. B. durch Anschläge am Wahllokal zur Kenntniß der Ge⸗ meinde zu bringen. Eine solche Bekanntmachung muß insbesondere dann, wenn die gesammte Wahl nicht an dem ersten Wahlsonntage abgeschlossen werden kann, in der Zeit zwischen diesem und den nächsten Wahltagen erfolgen.
Präparandenanstalt zur Disposition gestellt und die Gründung einer Pensions⸗Zuschußkasse für die emeritirten Elementarlehrer beschlossen, das desfallsige Reglement festgestellt und eine nicht unerhebliche fortlaufende Subvention dieser Kasse aus ständi⸗ schen Mitteln bewilligt.
Heute wurden aus dem Dispositionsfond der Hülfskasse, aus den, aus den Zinsen des Reservefonds der Sparkasse für gemeinnützige Zwecke bestimmten 1000 Thlr. und aus den Zin⸗ sen des Fonds zu milden Zwecken erhebliche Verwendungen für verschiedene gemeinnützige und wissenschaftliche öInstitute in der Oberlausitz beschlossen, sodann die Fort⸗ resp. Neuverleihung einer Anzahl von Stipendien und Unterstützungen aus den, unter ständischer Verwaltung stehenden Stiftungen beschlossen, worauf der Schluß des Landtags mit einem dreifachen Hoch guf Se. Majestät den Kaiser und König, in welches die Ver⸗ sammlung begeistert einstimmte, erfolgte.
Bayern. München, 8. Dezember. In der 2. öffent⸗ lichen Sitzung der Kammer der Reichsräthe, am 4. Dezember wurde, wie schon telegraphisch gemeldet, über den Antrag der Abgeordneten Dr. Völk und Herz, „die Abänderung der Ziffer 13, Ar. 4 der Verfassung des Deutschen Reiches betreffend“, berathen. Der Referent Reichsrath Dr. v. Neumayr erklärte, wie wir der „Allg. Ztg.“ ent⸗ nehmen, daß er sich für die Verneinung der Frage, ob hier ein Initiativantrag vorliege, entschieden, diese Ansicht aber die Billi⸗ gung der Mehrheit der Ausschüsse nicht gefunden habe. So schwierig es sei, eine fremde Ansicht zu vertreten, so unterziehe er sich der Aufgabe, die Ansichten der Mehrheit zu erläutern, und stelle im Namen der Ausschüsse den Antrag: daß der vorwürfige Antrag Herz⸗Völk als Initiativantrag nach Tit. X. Abs. 7 der Verfassungsurkunde zu behandeln sei. Der Präsident Freiherr von Stauffenberg eröffnete die Diskussion über die Vorfrage: ob hier ein Initiativantrag vorliege, oder nicht. Im Laufe der Debatte erklärte der Staats⸗Minister von Pfretzschner: In dieser formellen Frage stünden sich zwei Ansichten gegenüber, und er glaube in Uebereinstimmung mit dem Hohen Hause zu stehen, wenn er sage, daß die Diskussion erschöpft sei. Er halte es für nothwendig, die Stellung zu präzisiren, welche die Staatsregierung zu dieser Materie einnehme. Es handle sich einfach um die Anwendung des Art. 78 Abs. 1 der Reichsverfassung, nur um eine Abänderung der Reichsver⸗ fassung, nicht der bayerischen. Als Ende 1870 die Versailler Verträge angenommen worden seien, habe dieses Haus auch die Reichsverfassung und somit auch Art. 78 anerkannt. Das Haus sei sich, als es die Versailler Verträge annahm, sonach bewußt gewesen, daß es sich um keine Aenderung der bayerischen Ver⸗ fassung handle. Die Königliche Staatsregierung habe es aber stets als ihre moralische Pflicht erkannt, in Fällen von hervor⸗ ragender Wichtigkeit die Ansichten der bayerischen Landesvertre⸗ tung kennen zu lernen, ehe sie im Bundesrath abstimme; so habe sie es schon 1872 gegenüber dem Antrage Barth⸗Schüttinger ge⸗
halten, so halte sie es jetzt wieder. Die Ministerverantwortlichkeit erachte er als gedeckt, wenn eine einfache Mehrheit für den An⸗ trag vorhanden sei. Se. Königliche Hoheit der Prinz Ludwig äußerte: Man sei natürlich dem Ministerium dankbar, wenn es
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Zweifel, daß, wenn Wünsche auf Verfassungsänderung geäußert würden, es einer Zweidrittelmehrheit bedürfe, und er schließe mit dem Wunsche, daß sich eine solche finde.
Das Haus stimmte darauf über die Frage der formellen Be⸗ handlung des Antrags ab, und erklärte durch 24 gegen 15 Stimmen den Antrag als auf Abänderung der Verfassung gerichtet. (Ini⸗ tiativantrag.)
Sodann trat die Kammer in die Hauptdiskussion über den Antrag in seiner materiellen Beziehung ein, und der Referent Reichsrath v. Neumayr stellte den Antrag:
„Es sei dem Antrag der Kammer der Abgeordneten unter der Voraussetzung beizutreten, daß die Königliche Staats⸗ regierung im Bundesrath und im Reichstag dahin wirken wird, daß mit möglichster Vermeidung der Civilspezialgesetze die Ab⸗ fassung eines allgemeinen deutschen Civilgesetzbuches sofort in Angriff genommen werde, und der oberste Gerichtshof für Bayern möglichst erhalten bleibe.“ Se. Königliche Hoheit der Prinz Ludwig bemerkte, daß er den obersten bayerischen Ge⸗ richtshof erhalten haben möchte, und ersuchte den Justiz⸗ Minister, Hrn. Dr. von Fäustle, dem Haus eine ähnliche Auf⸗ klärung zu geben, wie dem kombinirten Ausschuß. Der Justiz⸗Minister Dr. von Fäustle erklärte, er wolle sich in der Sache selbst kurz fassen, weil er den Gründen des Be⸗ richterstatters dieses Hauses keine besseren hinzuzufügen wisse. Man bestreite das Bedürfniß einer gemeinsamen Civilgesetzgebung. Bei den enormen Dimensionen des heutigen Verkehrs, der die Menschen einander näher rücke als je, sei auch das Bedürfniß nach einem Gesetze dringender als je geworden. Das Recht sei kein loses Aggregat verschiedener Materien, sondern von großen einheitlichen Prinzipien getragen. Die gemeinsamen Regierungen hätten sich alle fuͤr die Kompetenzerweiterung des Reiches aus⸗ gesprochen, so daß der Versuch der bayerischen Regierung, für sich selbst eine Kodifikation herzustellen, von vornherein vereitelt wäre. Er glaube, man dürfe auch in dieser Beziehung Ver⸗ trauen haben, denn es werde Alles aufgeboten werden, um ein Deutschlands würdiges Werk zu schaffen. Sonderbildungen hätten die Bayern nicht allein; es gebe kaum einen deutschen Staat, der nicht Sonderrechte habe. Er (Redner) halte die Einführung eines gemeinsamen bürgerlichen Rechtes für das wirk⸗ samste Korrektiv gegen Spezial ⸗Reichsgesetze. Man habe die Frage aufgeworfen: ob nicht dem obersten Gerichtshofe präjudizirt werde? Die Frage des Reichsgerichtshofes sei noch lange nicht in das Stadium einge⸗ rückt, daß man sich schon jetzt damit befassen könne, da man noch nicht einig sei, ob man ihm die revisio in jure zugestehen solle, und ohne diese Berufung in Civilsachen auch kaum durch⸗ dringen werde. Bevor die Frage, wie ein Rechtsmittel beschaffen, nicht entschieden sei, so lange sei auch das oberste Reichsgericht nicht entschieden. Die Frage des Reichsgerichtshofes berühre kein bayerisches Reservatrecht wie die Existenz des Reichs⸗Oberhandels⸗ gerichts beweise. Ohne Einheit der Rechtsgesetzgebung sei die Einheit der Rechtsprechung kein ideales Gut; die Einheit des Rechtes — er spreche es gern an dieser Stelle aus — sei aber auch die Grenze des Reichsgerichtshofes. Bayern werde, auch wenn eine Rechtseinheit erzielt werde, den obersten Gerichtshof nicht entbehren können, und er spreche aus, daß er es für seine Psiicht erachte, in Berlin den Standpunkt Bayerns nach dieser Richtung vollständig zu wahren. Er sei nicht nur aus Pflicht, sondern auch mit dem Herzen der Krone treu, und er hätte es nie gewagt,
dieser Antrag ebensowohl zum Heile Deutschlands als ganz be⸗ sonders zum Wohl und Segen Bayerns gereiche. Nachdem der Antrag auf Schluß mit 30 gegen 12 Stimmen angenommen worden, wurde dem Wunsche des Reichsraths Dr. v. Pözl gemäß der Antrag des Referenten: „es wolle dem Antrage der Kammer der Abgeordneten unverändert beigestimmt werden,“ zuerst der Abstimmung unterworfen und derselbe mit 24 gegen 15 Stim⸗ men abgelehnt. Sodann wurde der Antrag des Prinzen Lud⸗ wig zwar mit 27 gegen 15 Stimmen angenommen, jedoch im Gesammtbeschluß wegen mangelnder Zweidrittelsmehrheit ab⸗ gelehnt. Bei der Abstimmung über den Antrag des Prinzen Ludwig, dem Beschlusse der Abgeordnetenkammer unter Modifi⸗ kationen beizutreten, stimmten gegen denselben: Prinz Luitpold, Fürst v. Oettingen⸗Spielberg, Erzbischof v. Scherk, Bischof v. Dinkel, Graf Schönburg⸗Wiesentheid, Graf Alrco⸗Valley, Graf Preysing, Frhr. zu Franckenstein, Frhr. v. Würtzburg, Graf Deym, Graf Montgelas, Frhr. v. Aretin, v. Niethammer, Graf v. Ler⸗ chenfeld und der erste Präsident Frhr. v. Stauffenberg.
Württemberg. Stuttgart, 6. Dezember. Die Rede, welche in der Abendsitzung der Kammer der Abgeordneten am 3. d. M. der Minister der Auswärtigen Angelegenheiten v. Mittnacht über den vom Reichstage angenommenen Antrag, betreffend die Ausdehnung der Reichskompetenz auf das gesammte bürgerliche Recht gehalten hat, lautet nach dem „St. A. f. W.“ wie folgt:
„Im April d. J. hat der Deutsche Reichstag die Annahme fol⸗ genden Gesetzentwurfs beschlossen:
An die Stelle der Nummer 13 des Artikels 4 der Verfassung des Deutschen Reiches tritt die nachfolgende Bestimmung: Die gemein⸗ same Gesetzgebung über das gesammte bürgerliche Recht, das Straf⸗ recht und das gerichtliche Verfahren. 4
Am 30. Januar 1873 hat dieses Hohe Haus den Beschluß gefaßt:
Die Kammer der Abgeordneten wolle regierung gegenüber die Erklärung abgeben:
daß sie die in der Sitzung vom 24. Januar von dem Herrn Justiz⸗Minister gemachten Mittheilungen in Betreff der Weiterent⸗ wickelung der Reichsgesetzzebung auf dem Gebiete des Privatrechts, des Prozeßrechts und der Gerichtsorganisation mit Befriedigung ent⸗ gegengenommen habe, und daß sie sich im Hniblick auf dieselben der Erwartung hingebe, die Königliche Staatsregierung werde bei den Verhandlungen im Bundesrathe “ 1
1) für die verfassungsmäßige Zuständigkeit des Reichs zur Gesetz⸗ gebung über das Privatrecht unter Beseitigung der bisherigen Be⸗ schränkung auf das Obligationen⸗, Handels⸗ und Wechsetrecht, und für die Herstellung eines allgemeinen deutschen Civilgesetzbuchs unter Begutachtung der auf einzelnen Gebieten wünschenswerthen Freiheit der eigenartigen Rechtsbildung thätig sein. “
Die Ziffern 2 und 3 des Beschlusses gehören zunächst nicht hierher.
Am 12. März 1873 trat der Reichstag zusammen. Am 2. April fand die 1. und 2. Lesung des Antrags Lasker und Genossen auf Wiederannahme obigen Gesetzentwurfes statt. Der Präsident des Reichskanzler⸗Amts, Staats⸗Minister Delbrück, hat hierbei folgende Erklärung abgegeben:
Meine Herren, der im vergangenen Jahre von Ihnen angenom⸗ mene Antrag des Herrn Vorredners und seiner Genossen, welcher heute Ihnen wiederum zur Berathung vorliegt, ist im Bundesrath wieder⸗ holt zum Gegenstand der Verhandlung geworden. Die bei diesen Verhandlungen hervorgetretenen Schwierigkeiten haben im Laufe des letzten Jahres einen Abschluß der Sache nicht gestattet. Gegenwärtig
—
sind sie indessen so weit überwunden, daß die begründete Aussicht vor⸗
der Könialichen Staats⸗
Schließlich bemerken wir, wie wir auch darauf hingewiesen sind, daß in einzelnen Orten die zum regelmäßigen Hauptgottesdienst be⸗
die Kammern befrage. Das einzige was ihnen zustehe, sei, der
handen ist, es werde die in einer so wichtigen Frage gewiß wünschens⸗
Staatsregierung ihre Wünsche auszudrücken. Er habe keinen
obersten
diesem Hohen Hause zu empfehlen, dem Antrage zuzustimmen, wenn er nicht die Ueberzeugung hätte, daß
werthe Einstimmigkeit, oder doch die verfassungsmäßig erforderliche
Stimmenmehrheit für die in Rede stehende Abänderung der Verfassung
in naher Zeit erzielt werden. Die verbündeten Regierungen beabsich⸗ tigen in diesem Falle, gleichzeitig mit der Verkündung der Verfassungs⸗ änderung, eine Kommission zu berufen zur Ausarbeitung des Entwurfs eines allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches, indem sie davon ausgehen,
daß die Einheit des bürgerlichen Rechts in einem Gesetzbuche für. Deentschland der wesentlichste Zweck und das wesentlichste Ziel des vor⸗
iegenden Antrags ist.
„Ueber diese Erklärung hatte sich unmittelbar vor der Reichstags⸗ sitzung am 2. April der Bundesrath verständigt nach einer vorherge⸗ gangenen vertraulichen Berathung der Ausschüsse für Verfassung und für Justizwesen. Die Vertreter der Mittelstaaten hatten dabei die sosortige Inangriffnahme der Kodifikation nachdrücklich empfoblen. Eine Abstimmung über den Beschluß des Reichstags hat im Bundes⸗ rath seitdem nicht stattgefunden. Nun aber stebt sie unmittelbar be⸗ vor; es scheint, daß die vorbereitenden Schritte zur Einsetzung einer Sachverständigen⸗Kommission und namentlich auch die Befragung der Regierungen darüber, welche Materien nach ihrer Ansicht von der gemeinsamen Gesetzgebung auszuschließen, respektive der Partiku⸗ largesetzgebung zu reserviren seien, nicht länger im Anstand gelassen werden wollen. Die sächsische Regierung hat ihre Absicht, für den Ent⸗ wurf im Bundesrath zu stimmen, am 16. Oktober 1873 ihren Ständen mitgetheilt und die Ertheilung der ständischen Genehmigung beantragt. Am 8. November hat die dortige Erste Kammer mit 39. gegen 1 Stimme beschlossen: „das Einverständniß damit zu erklären, daß die Regierung der beabsichtigten Erstreckung der Reichskompetenz ihre Zustimmung ertheile.“ Einen gleichlautenden Beschluß hat die Zweite Kammer am 20. November mit allen gegen 5 Stimmen ge⸗ faßt. Das bayerische Abgeordnetenhaus hat am 8. November „die Königliche Stgatsregierung aufgefordert, daß sie bei Abgabe ihrer Stimmen im Bundesrath dem die Reichskompetenz erweiternden Be⸗ schlüse des Reichstags ihre Zustimmung gebe“. Dieser Beschluß wurde der bayerischen Reichsrathskammer mit⸗ getheilt. Der Beschluß derselben ist demnächst zu er⸗ warten. Bis jetzt liegt mir nur das Referat des Reichsrathes und Ober⸗Appellationsgerichts⸗Präsidenten von Neumayr vor, welches Zustimmung zum Beschluß der Abgeordnetenkammex beantragt. Die von einer Hohen Persönlichkeit beantragte Modifikation ist aus den Zeitungen bekannt. Am 8. November hat in der bayerischen Kammer der bayerische Herr Justiz⸗Minister erklärt, daß die Regierung die Zu⸗ stimmung im Bundesrathe für „dringend wünschenswerth“ halte. Das Königlich württembergische Mmisterium baabsichtigt, demnächst die Zustimmung Württembergs im Bundcsrath bei Sr. Majestät dem König in Antrag zu bringen. Der auf gewissen Gebieten wünschens⸗ werthen Freiheit der eigenartigen Rechtsbildung im weiteren Verlaufe Beachtung zu verschaffen, werden wir nach dem Beschluß dieses Hohen Hauses bestrebt sein“
— In der Abendsitzung der Zweiten Kammer vom 4.
d. M. wurde der Antrag des Abg. Hölder und Genossen über
ie Reform der Gemeinde⸗ und Bezirksverfassung vollends zu Ende berathen. Derselne ward in einer von dem Abg. v. Schwandner vorgeschlagenen veränderten Fassung angenom⸗ men, und zwar im ersten Theile, der die Gemeindeverfassung etrifft, in der Weise, daß nur eine Geschäftsvereinfachung durch Verminderung der zu weit gehenden staatlichen Aufsicht geboten wurde, mit 73 gegen 9 Stimmen, und im zweiten, der die Be⸗ zirksverfassung betrifft, mit 71 gegen 11 Stimmen.
— Die Kammer der Standesherren hielt am 4. und
5. Sitzungen und fuhr in der Etatsberathung fort. Sie stimmte auch hier den sämmtlichen Verwilligungen der andern Kammer zu, dagegen lehnte sie den Beitritt zum Beschluß derselben in Betreff der Wiener Gesandtschaft ab, wo bekanntlich das andere Haus beschlossen hatte, die Aufhebung dieser Gesandtschaft der Regierung zur Erwägung anheimzugeben. In Betreff der Ab⸗ sicht der Regierung, im Bundesrath dem Laskerschen Antrag zuzustimmen, erklärte sich die Kammer einstimmig damit ein⸗ verstanden.
Mecklenburg. Schwerin, 8. Dezember. Der Ober⸗ Hofmeister und General⸗Lieutenant Freiherr von Sell ist vor einigen Tagen nach Dresden abgesandt, um ein auf den Thron⸗ wechsel in Sachsen bezügliches Kondolenz⸗ und Glückwunsch⸗ schreiben des Großherzogs an den König von Sachsen zu über⸗ bringen.
— Die heutigen „Meckl. Anz.“ enthalten folgende Mittheilung:
„Die Mecklenburgische Verfassungsfrage ist dadurch in ein neues Stadium getreten, daß die beiden Regierungen die Verhand⸗ lungen mit den Ständen über die Modification der bestehenden Landes⸗Verfassung auf Grundlage der bisherigen Vorlage sistirt haben, nachdem sie zu der Ueberzeugung gelangt sind, daß für diese Vorlage nicht auf die Zustimmung beider Stände zu rechnen, mithin die Fortsetzung der Verhandlungen auf dieser Grundlage nutzlos ge⸗ wesen wäre. Durch den zugleich ausgesprochenen Vorbehalt weiterer Eröffnungen ist aber die Sistirung als eine nur zeitweilige hingestellt und darauf hingewiesen, daß die Regierungen die Initiative zur Fort⸗ führung der Verhandlungen mittelst weiterer Vorlagen ergreifen wollen. Es ist klar, daß damit das Ziel einer Lösung der Ver⸗ fassungsfrage durch Vereinbarung zwischen den verschiedenen legislato⸗ rischen Faktoren beider Großherzogthümer innerhalb Mecklenburgs festgehalten wird. Mögen die der Errcichung dieses Zieles entgegen⸗ stehenden Schwierigkeiten zur Zeit noch immerhin als groß erscheinen, so darf doch das Vertrauen gehegt werden, daß es den einmüthig zu⸗ sammenstehenden beiden Regierungen gelingen wird, eine allseitige Verständigung über die als nothwendig erkannte Aenderung der Ver⸗ fassung auf einer den Verhältnissen des Landes entsprechenden Basis herbeizuführen.“
Sternberg, 4. Dezember. gegangenes schwerinsches Reskript antragt einen Zuschuß zur Unterhaltung der Ge⸗
Ein dem Landtage zu⸗ vom 29. v. M. he⸗
als außerordentlichen Gesandten des Königs von welcher das Notifikationsschreiben bezüglich des Ablebens des Königs Johann und der Thronbesteigung des Königs Albert überreichte. Darauf wurde auch der Königlich sächsische Gesandte von Carlowitz empfangen, welcher sein neues Creditiv überreichte. Zu Ehren beider Gesandten fand Gala⸗Diner statt.
Hamburg. 7. Dezember. Das Staatsbu fü 1874 weist eine Gesammteinnahme von Ct. Mrk. hstg 2385 und eine Gesammtausgabe von 18,649,235 Ct. Mk., mithin ein Defizit von 700,000 Ct. Mk. auf, welch letzteres aus den Ueber⸗ schüssen früherer Jahre gedeckt werden soll. Demselben entnehmen wir folgende Positionen: A. Einnahme: Staatsvermögen, Domänen und Regalien: Et. M. 4,106,385; Steuern und Abgaben: 11,655 700 Et. Mk.; Gebühren und sonstige Einnahmen der einzelnen Be⸗ hörden: 1,812,450 Ct. Mk.; Außerordentliche Einnahmen: 374,700 Ct. Mk. B. Ausgabe: Senat und Bürgerschaft 371,850 Ct. Mk.; Verwaltungs⸗Abtheilungen: 1) Finanzen: 6,350,950 Et. Mk.; 2) Handel und Gewerbe: 448,750 Ct. Mk.; 3) Bau⸗ wesen: 3,291,210 Ct. Mk.; 4) Militärwesen: 21,950 Ct. M.; 9 Unterrichtswesen: 835,800 Ct. Mk.; 6) Justizwesen: 586,050 Ct. Mk ;7) Polizei und andere innere Angelegenheiten: 2, 186,210 Ct. Mk.; 8) Oeffentliche Wohlthätigkeit: 1,740,950 Ct. Mk.; 9) Auswärtige Angelegenheiten: 41,000 Ct. Mk.; 10) Patronat Landherrenschaften: 354,200 Ct. Mk. Außerordentliche Agsgahen: 376,765 Ct. Mk.; Reichshaushalts Etat: 2,013,000
Desterreich⸗Ungarn. Pest h, 8. Dezemver. (W. T. B.) Weninger hat das ihm offerirte Finanzportefeuille nachträglich wieder abgelehnt. Die vom Minister⸗Präsidenten Szlavy ange⸗ botene Entlassung hat der Kaiser gleichwohl in dem gestrigen Ministerrathe nicht angenommen.
Schyweiz. Bern, 4. Dezember. Der Nationalrath ist bei Wiederbeginn seiner Berathung der Bundesrevision ohne erhebliche Debatte von Art. 103 bis Art. 118 vorgerückt, womit er das Revisionswerk bis auf die Artikel, betreffend die Rechtseinheit, Referendum, Initiative, die aus der Rechtseinheit erwachsenden Bundesgerichts⸗Kompetenzen und bis auf die Ueber⸗ gangsbestimmungen erledigt hat. Neue Redaktionen erhielten:
„„ Art. 104. Die Mitglieder des Bundesgerichts und die Ersatz⸗ männer werden von der Bundesversammlung gewählt. Das Gesetz bestimmt die Organisation des Bundesgerichts und seiner Abtheilungen die Zahl der Mitglieder und Ersatzmänner, deren Amtsdauer und Besoldung.
Art. 105. In das Bundesgericht kann jeder Schweizerbürger er⸗
nannt werden, der in den Nationalrath wählbar ist. Die Mitglieder der Bundesversammlung und des Bundesraths und die von diesen Behörden gewählten Beamten können nicht gleichzeitig Mitglieder des Bundesgerichtes sein. Auf dem Wege der Bundesgesetzgebung können auch andere Beamtungen und Berufsarten als mit der Stelle eines Bundesrathes unvereinbar erklärt werden. Art. 107. Das Bundesgericht beurtheilt civilrechtliche Streitig⸗ keiten: 1) zwischen dem Bunde und den Kantonen; 2) zwischen dem Bunde einerseits und den Korporationen oder Privaten andererseits wenn der Streitgegenstand eine durch die Bundesgesetzgebung zu be⸗ stimmende Bedeutung hat und wenn diese Korporationen oder Private Kläger sind; 3) zwischen den Kantonen unter sich; 4) zwischen den Kantonen einerseits und Korporationen oder Privaten andererseits wenn der Streitgegenstand von einer durch die Bundesgesetzgebung zu bestimmenden Bedeutung ist und eine Partei es verlangt. Das Bun⸗ desgericht urtheilt ferner über Anstände, betreffend Heimathlosigkeit, sowie über Bürgerrechtsstreitigkeiten zwischen Gemeinden verschiedener Kantone.
Art. 108. Das Bundesgericht ist verpflichtet, die Beurtheilung auch anderer Fälle zu übernehmen, wenn dasselbe von beiden Parteien angerufen wird und der Werthgegenstand von einer durch die Bundes⸗ gesetzgebung zu bestimmenden Bedeutung ist. —
Alrt. 109. Das Bundesgericht urtheilt mit Zuziehung von Ge⸗ schworenen, welche über die Thatfrage absprechen, in Straffällen: 1) über Hochverrath gegen die Eidgenossenschaft, Aufruhr und Gewalt⸗ that gegen die Bundesbehörden; 2) über Verbrechen und Vergehen gegen das Völkerrecht; 3) über politische Verbrechen und Vergehen die Ursache oder Folge derjenigen Unruhen sind, durch welche eine bewaffnete eidgenössische Intervention veranlaßt wird, und 4) in Fällen, wo von einer Bundesbehörde die von ihr ernannten Beamten zur strafrechtlichen Beurtheilung überwiesen werden
Art. 110. Das Bundesgericht urtheilt ferner: über Kompetenz⸗ konflikte zwischen Bundesbehörden einerfeits und Kantonalbehörden andererseits; über Streitigkeiten staatsrechtlicher Natur zwischen Kan⸗ tonen; über Beschwerden, betreffend Verletzung verfassungsmäßiger Rechte der Bürger, sowie über solche von Privaten wegen Verletzung von Konkordaten und Staatsverträgen. Vorbehalten sind die durch die Bundesgesetzgebung näher festzustellenden Administrativstreitigkeiten. In allen diesen Faͤllen sind jedoch die von der Bundesversammlung erlasse⸗ nen Gesetze und allgemein verbindlichen Beschlüsse, sowie die von ihr genehmigten Staatsverträge für das Bundesgericht maßgebend.
Art. 118 Die revidirte Bundesverfassung tritt in Kraft, wenn sie von der Mehrheit der an der Abstimmung Theil nehmenden Bür⸗ ger und von der Mehrheit der Kantone angenommen ist. Bei Er⸗ mittelung der Mehrheit der Kantone wird die Stimme eines Halb⸗ kantons als halbe Stimme gezählt. Das Ergebniß der Volksabstim⸗ mung in jedem Kanton gilt als Standesstimme desselben.“
Nachträglich wurde vom Nationalrathe in seiner heutigen Sitzung die in Art. 28 festgesetzte Zollentschädigung für die Kan⸗ tone Uri und Tessin von 70,000 Fr. auf 80,000 Fr. erhöht.
— 8. Dezember. (W. T. B.) Der Nationalrath hat heute den Art. 111 der Bundesverfassung, welcher die Bundesgesetzgebung und insbesondere die Feststellung der Kom⸗
werbeschulen aus dem städtischen Industriefonds. Die Ein⸗ nahme des Industriefonds besteht aus den Zinsen von 132,285 Thlr. (4836 Thlr.) und 1963 Thlr., welche aus allgemeinen Landesmitteln gegeben werden. Zu den Gewerbeschulen zahlte dieser Fonds bereits jährlich 6650 Thlr. — Ein schwerinsches Reskript vom 2. d. M. mit Verordnungsentwurf, betreffend die Eintragung von Hypotheken auf den eigenen Namen in Grund⸗ besitz, geht ebenfalls in das Justiz⸗Komite. Das Polizei⸗ Komite berichtete weiter über ein schwerinsches Reskript vom 18. v. M. und empfahl die darin beantragte Landeshülfe von 1000 Thlr. jährlich zu einer landwirthschaftlichen Versuchsstation. Der Bericht wurde genehmigt. — Senator Stegemann⸗Parchim, B.⸗M. Piper⸗Gadebusch, Hofrath Pohle⸗Schwerin und B.⸗M. Hermes⸗Röbel gaben zu Protokoll: 1
„Nachdem das Komite ad cap. III. seit etwa 3 Wochen thätig ist, die ihm überwiesene Aufgabe zu lösen, glauben wir jetzt den Wunsch äußern zu dürfen, daß das Resultat der bisherigen Verhand⸗ lungen der Landtagsversammlung nicht länger vorenthalten werde. Wir beantragen: Hochansehnliche Landtagsversammlung wolle das Komite ad cap. III. zur Berichterstattung über den Stand der Verfassungs⸗ Angetegenheit veranlassen.“
Landrath von Rieben erklärte, an dem Komite liege es nicht, wenn bisher noch kein Bericht erstattet sei, derselbe stehe aber in baldiger Aussicht. Pogge⸗Blankenburg forderte das Komite auf, mündlich etwas mitzutheilen, worauf Landrath von Rieben antwortete, er könne nichts weiter mittheilen, als was er schon gesagt habe.
Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Coburg. 7. Dezember.
Der Herzog empfing heute den General Senfft von Pilsach
petenz der Bundesgerichte betrifft, nach den Anträgen der Kom⸗ mission angenommen. Der Ständerath ist den Beschlüssen des Bundesraths betreffs der Artikel 1 bis 18 der Verfassung mit einigen unwesentlichen Modifikationen beigetreten. G
Großbritannien und Irland. London, 6. Dezem⸗ ber. Die Königin wird am nächsten Montag auf Windsor ein Kapitel des Bath⸗Ordens abhalten.
— Eine Marmorbüste der verstorbenen Fürstin Hohen⸗ lohe⸗Langenburg, Stiefschwester der Königin, wurde dieser Tage in einer Nische unter dem Mausoleum der Herzogin von Kent in Frogmore aufgestellt. Der Sockel, aus Aberdeener Granit, trägt eine vom Dechanten von Westminster verfaßte la⸗ teinische Inschrift, die in der Uebersetzung lautet: „Zum immer⸗ währenden Angedenken an Ihre Durchlaucht Feodora, Fürstin von Hohenlohe⸗Langenburg, wurde dies Ebenbild ihrer geliebten Gestalt von ihrer einzigen Schwester, Victoria R., unter dem Grabe der von beiden beweinten Mutter aufgestellt: Im Jahre des Heils 1873.“
— Der Prinz und die Prinzessin von Wales wer⸗ den sich mit ihrem Gefolge am 10. Januar nach St. Peters⸗ burg begeben, um bei der Vermählung des Herzogs von Edin⸗ burgh mit der Großfürstin Marie zugegen zu sein. Das neu⸗ vermählte Paar wird nach seiner Ankunft in England bis zur Vollendung von Clarence⸗House Gemächer im Birmingham⸗ Palast bewohnen.
— Der frühere französische Botschafter am Hofe von St. James, Graf d'Harcourt, hat sich von London nach
Sachsen,
Paris begeben. Der Herzog Decazes, der zu seinem Nach⸗ folger ernannt worden war, überreichte der Königin niemals seine Accreditive, wird daher auch sein Abberufungsschreiben nicht überreichen.
— Der Vorsitzende des Zollamts⸗Direktoriums (Board of Customs), Sir Thomas Freemantle, hat nach fast 50 jähri⸗ ger Dienstzeit seinen Posten niedergelegt. Sein Nachfolger wird Herr Frederick Goulburn, der bisherige Vice⸗Vorsitzende, sein, und dieser Posten wird durch den Oberst⸗Lieutenant Fre⸗ derick Romilly, einen der Kommissäre, wiederbesetzt werden.
Frankreich. Paris, 9. Dezember. (W. T. B.) Das Urtheil des Kriegsgerichts in dem Prozeß Bazaine ist, wie die „Agence Havas“ meldet, erst morgen zu erwarten. Versailles, 8. Dezember. (W. T. B.) Die National⸗ versammlung hat in ihrer heutigen Sitzung das Budget für das Justiz⸗Ministerium genehmigt und die Berathung über den Etat des Ministeriums der auswärtigen Angelegenheiten begonnen. Die Regierung verhieß, das Gelbbuch innerhalb vierzehn Tagen vorzulegen.
Spanien. Madrid, 9. Dezember. (W. T. B.) Prä⸗ sident Grant hat, dem Vernehmen nach, die Demission des hie⸗ sigen nordamerikanischen Gesandten, General Sickles, nicht an⸗ genommen. — Die Orte Irun und Fuenterrabia sind gestern von Regierungstruppen unter dem Brigadier Loma besetzt worden.
— Italien. Rom, 2. Dezember. In der Sitzung der Deputirtenkammer am Sonnabend fragte der Abgeordnete
della Rocca den Minister des Innern, warum er verboten habe, telegraphische Depeschen über das Finanzexposé des Herrn Ming⸗ hetti abgehen zu lassen, und der Minister antwortete darauf, daß sich das Verbot nur auf solche Depeschen bezogen habe, welche dem Staatskredite hätten schaden können. Damit war die Sache abgethan, und die Kammer beschäftigte sich hernach mit der Berathung des Voranschlags der Staatseinnahmen im Jahre 1874. . — Der General Cialdini bleibt, wie „Diritto“ mit⸗
theilt, bei dem Entschlusse, seinen Abschied zu nehmen. E111““ „Economista d'Italia“ berichtet: Die mit der fran⸗ zösischen Regierung eingeleiteten Verhandlungen über den Post⸗ vertrag zur Beförderung der Briefe aus Italien über den Mont Cenis durch Frankreich nach England statt über den Bren⸗ ner und Antwerpen sind dem Abschlusse nahe. 8
1 Nußland und Polen. St. Petersburg, 7. Dezember Vorgestern hatte der hier eingetroffene General der Kavallerie und Kriegs⸗Minister des Königs von Sachsen v. Fabrice die Ehre, dem Kaiser in Audienz vorgestellt zu werden, wobei er Sr. Majestät die Notifikation des Königs von Sachsen über die Thronbesteigung desselben überreichte. Hierauf wurde General v. Fabrice auch von der Kaiserin in Audienz empfangen.
— Ueber die heute stattgehabte Enthüllung des Denk⸗ mals der Kaiserin Katharina lIlI. entnehmen wir der „St. Petersburger Zeitung“ Folgendes:
Am frühen Morgen wurde durch fünf Kanonenschüsse von der Peter⸗ Pauls⸗Festung die Feier eingeleitet. Die Aufstellung der Truppen war um
10 Uhr vollendet und hatte in folgender Weise stattzefunden: An dem Schloßquai der Newa vom Sommergarten bis zur Schloßbrücke war die Artillerie placirt, beginnend mit der Michael⸗Artillerieschule und endend mit der reitenden Lehr⸗Batterie. Auf dem Platze zwischen dem Winter⸗ Palais und dem Generalstab standen das Leib⸗Garde⸗Kürassier⸗Regiment der Kaiserin, das Leib⸗Garde⸗Kürassier⸗Regiment des Kaisers, die Chevaliergarde, das Leib⸗Garde⸗Grenadier⸗Regiment zu Pferde die Leibgarde⸗Ulanen., Husaren⸗, Kosaken⸗Regimenter, das Ataman⸗Regi⸗ ment des Großfürsten Thronfolgers, die Uralsche Schwadron, die Nikolai⸗Kavallerieschule und die Halbschwadron der Leib⸗Garde⸗ Gensd'armen. Die letztgenannten Truppenabtheilungen standen bereits hart an dem Uebergange zum Newski⸗Prospekt. Auf dem letzteren waren aufgestellt, und zwar vom Admiralitätsplatze beginnend: Di Regimenter Nowotscherkask und Irkutsk, ein kombinirtes Bataillon, das Infanterie⸗Lehr⸗Bataillon, die St. Petersburger Junker⸗ schule, das Kadre⸗Bataillon des Leibh⸗Garde⸗Reserve⸗Infanterie⸗ Regiments, die Garde⸗Eqnipage, das Leib⸗Garde⸗Sapeur⸗Bataillon, das Schützen⸗Bataillon der Kaiserlichen Familie, das zweite Garde⸗Schützen. Bataillon, das Schützen⸗Bataillon des Kaisers, das Finnländische, Pawlowsche, das Leib⸗Garde⸗Grenadier⸗Regiment, das Moskausche Regiment, das Leib⸗Garde⸗Jäger⸗Regiment, die Konstan⸗ tin⸗Militärschule, die St. Petersburger Bereiterschule. Auf dem Piatze vor dem Alexandra⸗Theater, den Square des Denkmals um gebend, standen die Parlowsche Militärschule, die Marineschule, das Preobrashenski’sche, Ssemenowsche und Ismailowsche Leib⸗Garde⸗Re⸗ giment. Zu beiden Seiten des Alexandra⸗Theaters hatte das Regi⸗ ment der Garde zu Pferde Aufstellung genommen.
Schon vor 11 Uhr war der Kaiser zu Pferde gestiegen und hatte den Oberbefehl über die Truppen übernommen. Gefolgt von den Großfürsten (mit Ausnahme der Großfürsten Wladimir und Alexei Alexandrowitsch, welche sich bei ihren Truppen befanden), den preußi⸗ schen und sächsischen Gästen und einer zahlreicher Suite, hatte sich Se. Majestät direkt auf den Festplatz begeben und war von da vor der Front der Truppen vorbei, die ihn mit schallenden Hurrah be⸗ grüßten, zum Winterpalais zurückgeritten. 8 Um 10 Uhr bereits waren die am Zuge theilnehmenden Personen
im Winterpalais versammelt, die nicht am Zuge theilnehmenden dem Denkmal, das
Staatswürdenträger und Standespersonen bei ohne Hülle in dem vollen Glanz seiner Schönheit pr. j 3 3 1 Hlanz Schönh rangte; das di matische Corpz, mit Ausnahme der militärischen Rang venardnh. 1“ der GRitteb eoolmt Wund Militä attaches hatte sich in dem Gebäude der Kaiserlichen öffentlie zibliothet 3 - 8 0 Nalh ) entlich — 2 0 . versammelt. 8 er. 8 Zu beiden Seiten des Denkmals waren je ein Zug Kavalleristen shah 92 demselben zwel Chevaliersgardisten als Schildwachen aufge ellt. 9 anfges Die Kaiserin, gefolgt von den Großfürstinnen, bestieg um 11 Uhr die Equipagen vor der Anfahrt Ihrer Majestät. Sofort setzte sich der Zug über den Palaisplatz und den Newsk.⸗Prospekt in Be⸗ wegung. Ihn eröffnete die kaukasische Kosakenschwadron der eigenen Eskorte Sr. Majestät, der eine Abtheilung grusinischer Junker folgte In dem Staatswagen saß neben der Kaiserin zur Linken die Groß⸗ fürstin Cesarewng, gegenüber auf dem Rückfitz die Großfürsti Mark Alexandrowna. Zur Seite der Kutsche Ihrer Majestät ritt der Kaiser Sr. Masfestät folgten. die Großfürsten, der Minister des Kaiserlichen Hofes, der Kriegs⸗Minister, der dienstthuende General⸗Adjutant, Ge . * 4 1 8 die Adjutonten der
neral⸗Major von der Suite und Flügel⸗Adjutant roßfürsten, die preußischen und sächsischen Gäste, der General⸗Adin⸗ tant v. Kauffmann, der Fürst Dolgoruckow, General. Geuverneur 8 Moskan, der deutsche Botschafter, General⸗Adjutant Prinz Reuß P preußischen, französische F zsterreichtt Irrant Prinz Feer. preußischen, französischen und österreichischen Militär⸗Bevollmächtiaten Nach einer zweiten Abtheilung grusinischer Junke “ „ Nach einer zw 8 g grusinischer Junker kam der Wa⸗ gen der Großfürstinnen Alexandra Josephowna und Alexandra Pe⸗ trowna. Der zweite Zug der kaukasischen Schwadron von Sr. M. 8. jestät Eskorte schloß sich an und darauf, folgten die Kutschen Stgatsdamen, Kammerfräulein, Hofmeisterinnen u. s. w Zw K Zü der kaukasischen Schwadron schlossen den Festzug. Während ” Behe überfahrt spielten die Musikcorps, praͤsentirten die Truppen und n 8 den die Aherhöchsten und Höchsten Herrschaf die Aherhöchsten und Höchsten Herrschaften von dem zahlreichen Publikum mit lauten Hurrahrufen empfangen. 1“ Am Fuße des Denkmals angelangt, sti üs 16 u s Denkmals angelangt, stieg der Kaise — Pferde und begab sich auf die Estrade, während sch die Kailti 8n Großfürstinnen und die Damen des Kaiserlichen Hofes in die San der Kaiserlichen öffentlichen Bibliothek begaben, um von büee