— In Begleitung Sr. 128 des Herzogs zu Sachsen⸗Coburg⸗Gotha auf der Durchreise nach St. Pe⸗ tersburg waren hier eingetroffen: Der Oberst⸗Lieutenant von Schrabisch, Flügel⸗Adsutant Sr. Hoheit des Herzogs zu Sachsen⸗Coburg⸗Gotha, und der Premier⸗Lieutenant Graf von Schwerin IJ. vom Magdeburgischen Kürassier⸗Regiment Nr. 7.
— Der Rest des vor einiger Zeit zur Ausführung von Dynamit⸗Sprengarbeiten nach Hirschfelde, Königreich Sachsen, abgerückten Detachements des Eisenbahn⸗Bataillons ist nunmehr hierher zurückgekehrt.
— S. M. S. „Arcona“ ist am 19. Dezember 1873 in Rio de Janeiro eingetroffen. — An Bord Alles wohl.
8 — Die Preußische Hauptbank hat heut den Diskont Nauf 4 Prozent und den Lombard⸗Zinsfuß für Waaren und Effekten auf 5 Prozent ermäßigt.
Bayern. München, 17. Januar. Der König ist heute Nacht zur Begrüßung der Kaiserin von Oesterreich von Hohen⸗ schwangau hier eingetroffen.
— Wie die „Allg. Ztg.“ vernimmt, hat der König den Grafen Max von Seinsheim auf Grünbach durch offenes Dekret zum erblichen Reichsrath der Krone Bayern ernannt.
— Die Kammer der Abgeordneten hat gestern die Berathung des Justizetats beendigt; die sämmtlichen Po⸗ sitionen wurden nach den Vorschlägen des Ausschusses ange⸗ nommen. Auf den Antrag Trillers wurde der Gehalt der Geist⸗ lichen in den Gefängnißanstalten erhöht. Schließlich ward der Antrag Freytags, daß die bewilligten Theuerungszulagen für die pragmatisch angestellten Beamten als pragmatische Gehaltszulage zu betrachten seien, mit 92 gegen 40 Stimmen abgelehnt. Die nächste Sitzung findet am Montag statt.
— Bei der vorgestern Abends zwischen den Mitgliedern der beiden Fraktionen der Abgeordnetenkammer wegen Vertagung des Landtags stattgefundenen Besprechung einigte man sich dahin, der Staatsregierung vorläufig einen die Vertagung bezie⸗ lenden Wunsch nicht auszudrücken.
— 18. Januar. (W. T. B.) Der König hat den Frei⸗ herrn Schenk v. Stauffenberg, anläßlich seines 25jährigen Jubiläums als erster Präsident der Kammer der Reichsräthe, in den erblichen Grafenstand erhoben.
Baden. Karlsruhe, 17. Januar. In der heutigen 5. öffentlichen Sitzung der Ersten Kammer theilte der Präsident Ober⸗Hofrichter Obkircher den Inhalt eines Schreibens des Staats⸗Ministers mit, welches nach Allerhöchster Entschließung ans Großherzogliche Staats⸗Ministerium vom 15. d. auch der Ersten Kammer die Beschlüsse der Zweiten Kammer vom 22. v. M., eine allgemeine Verfassungsrevision betreffend, zur Berathung und Beschlußfassung vorlegt. Nachdem Graf von Berlichingen, unterstützt von dem Prinzen Karl von Baden, beantragt hatte, daß eine Kommission von 7 Mitgliedern hierfür eingesetzt werde, wurden gewählt: Prinz Wilhelm von Baden, Fürst Löwenstein⸗Freudenberg, Graf von Berlichingen, Freiherr von Rüdt, Geheimer Rath Dr. Renaud, Präsident Hildebrandt, Hr. Dennig.
— Die Zweite Kammer erledigte heute das Budget des Großherzoglichen Ministeriums des Innern für die Jahre 1874 und 1875. Darauf folgte die zweite Berathung und unverän⸗ derte Annahme der Gesetzentwürfe „über den Betrieb der Dampf⸗ kessel' und über die „Zuständigkeit der Amtsgerichte als Vor⸗ mundschaftsbehörde.“
— (Fr. J.) Der Kommissionsbericht über den Gesetzent⸗
wurf wegen Abänderung einiger Bengimmungen des Gesetzes über die rechtliche Stellung der Kirchen und kirch⸗ lichen Vereine im Staat vom 9. Oktober 1860 bejaht die Fragen, ob eine Ergänzung des letzteren Gesetzes in den Ver⸗ hältnissen begründet sei, und ob die von der Regierung vor⸗ geschlagene Ergänzung und theilweise Aenderung mit den Prinzipien des Gesetzes im Einklang stehe. Die Kommission ist im Allgemeinen mit der Vorlage einverstanden, beantragt aber verschiedene Aenderungen. So die folgenden Zusätze: „Vom dreijährigen Besuch einer deutschen Universität darf Der nicht dispensirt werden, welcher seine Studien an einer Anstalt gemacht hat, an der Jesuiten oder Mit⸗ glieder anderer verwandter Orden lehren“; und: „Die Knaben⸗ Seminarien und Knaben⸗Konvikte sind mit Ende des laufenden Schuljahres, die Konvikte für Studirende mit Ende des Sommer⸗ Semesters 1874 zu schließen“. Für den Paragraphen, durch welchen die freie Ausübung des Wahlrechts gegen kirchliche Beeinflussung möglichst gesichert werden soll, schlägt die Kom⸗ mission eine Fassung vor, welche die Wahl⸗Agitation in bestimm⸗ ter Parteirichtung verbietet und auch die mit Strafe bedrohte Handlung unzweideutig ausdrückt, nämlich folgende: Geistliche, welche in Anwendung ihrer kirchlichen Autorität aus Anlaß öffentlicher Wahlen auf die Wahlberechtigten in einer bestimmten Parteirichtung einzuwirken suchen, werden an Geld von 60 bis 600 Mark bestraft“. Das Gesetz wird in der nächsten Woche in der Zweiten Kammer zur Berathung kommen. — Für die Uebergangs⸗Bestimmung beantragt die Kommission fol⸗ gende Fassung: „Diejenigen Geistlichen, welche zur Zeit der Ver⸗ kündung dieses Gesetzes bereits die theologische Prüfung bestan⸗ den haben, bezw. zu Priestern geweiht sind, können, sofern sie unter die Verordnung vom 6. September 1867 fallen, ein Kirchenamt nicht erlangen, bevor sie die Staatsprüfung über ihre allgemein wissenschaftliche Vorbildung bestanden oder von der Regierung auf persönliche Bitte Dispens erhalten haben; da⸗ gegen wird ihnen gestattet, bis auf Weiteres kirchliche Funktionen auszuüben; die Regierung aber ist ermächtigt, durch Verordnung ihnen diese Befugniß wieder zu entziehen.“
Hessen. Darmstadt, 17. Januar. Die Berichte der Zweiten Kammer über die abermalige Rekommunikation der Ersten Kammer bezüglich der Gesetzentwürfe, die innere Verwaltung und die Vertretung der Kreise und Provinzen, die Städte⸗Ordnung und die Landgemeinde⸗Ordnung, erstattet von dem Abg. Küchler, und bezüglich des Entwurfes des Volksschul⸗ gesetzes, erstattet von dem Abg. Greim, sind jetzt im Druck er⸗ schienen. Hinsichtlich des Entwurfs wegen der Verwaltung und Vertretung der Kreise walret, wie „D. Z.“ mittheilt, keine Dif⸗ erenz mehr ob, dagegen bestehen noch diejenigen über die ande⸗ ren Entwürfe (also namentlich wegen der von der Ersten Kam⸗ er angenommenen Wahl der Hälfte der Stadtverordneten aus em höchstbesteuerten Viertheil des Wählbaren, wegen des von er Zweiten Kammer verfochtenen Prinzips der direkten Wahl des Bürgermeisters, wegen der Zulassung r ligiöser Orden an Lehr⸗ und Erziehungsanstalten des Großherzogthums Sund des Aus⸗ schlusses solcher Orden von öffentlichen Volksschulen).
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Ausschuß der Zweiten Kammer beantragt nun allenthalben Be⸗ harren auf den früheren Beschlüssen, ₰ in diesen schon so gründlich und erschöpfend behandelten Fragen sichz auf neue weitläufige Entwickelung einzulassen. eee en
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Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach.) Weimar, 18. Januar (W. T. B.) Der ordentliche Landtag des Großherzog⸗ thums ist heute in der herkömmlichen Weise eröffnet worden. In der landesherrlichen Propositionsschrift wird der erfolgten Vermählung des Erbgroßherzogs gedacht; die fortschreitende Befestigung des Deutschen Reichs und der weitere Ausbau der Reichsinstitutionen werden besonders hervorgehoben, ebenso der Abschluß der neuen Militärkonvention mit Preußen. Die für den Landtag bestimmten Vorlagen umfassen ein neues Volks⸗ schulgesetz, eine neue Gemeindeordnung, die Einführung von Friedensgerichten und ein neues Wahlgesetz. Das neu gewählte Präsidium des Landtags besteht aus den Abgeordneten Fries
Präsident), Brehm und von Rothenhan Vice⸗Präsidenten.)
Reuß. Greiz, 15. Januar. Zu der in Nr. 11 des „R. u. St.⸗A.“ veröffentlichten, der „Weimarischen Zeitung“ ent⸗ lehnten Mittheilung über einen Vorgang im hiesigen Landtage ist berichtigend zu bemerken, daß nach dem Protokoll dem Land⸗ tage von Fürstlicher Regierung nicht im Allgemeinen das Recht, auf die Abstimmung der Regierung im Bundesrathe beeinflussend einwirken zu wollen, abgesprochen, sondern lediglich die formelle Frage, ob die vom Abg. Leidholdt dem Landtage vorgeschlagene Erklärung, wie solche in dem obengedachten Artikel ihrem we⸗ sentlichen Inhalte nach enthalten ist, als ein Antrag im Sinne der Landesverfassung zu behandeln sei, diskutirt und von Fürst⸗ licher Regierung unter Bezugnahme auf die einschlagenden Ver⸗ fassungsparagraphen verneint worden ist.
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 16. Januar. Der Kaiser hat gestern Nachmittags 2 Uhr den außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister des souveränen Johanniter⸗Ordens am Allerhöchsten Hoflager Feldzeugmeister Bailli Sigismund Frhr. v. Reischach empfangen und dessen Beglaubigungs⸗ schreiben entgegengenommen.
— Die Landtage von Böhmen, Ober⸗Oesterreich, Tirol und Schlesien sind heute geschlossen worden.
— Der Kaiser hat am 12. d. M. 211 Personen Straf⸗ nachsicht, beziehungsweise Strafmilderung zu Theil werden lassen. In Folge Allerhöchster Entschließung vom 5. d. M. ist bereits der Rest der Strafe 387 Sträflingen erlassen worden. Der Begna⸗ digung auf Grund des Allerhöchsten Handschreibens vom 1. De⸗ zember 1873, in welchem der Kaiser an dem 25. Jahrestage der Thronbesteigung auch der dem Arme der strafenden Gerechtigkeit verfallenen Bewohner des Reiches in Gnaden gedachte, sind mithin 598 Personen theilhaftig geworden.
Lemberg, 17. Januar. Der Landtag nahm den Dring⸗ lichkeitsantrag an, welcher die Regierung auffordert, nebst der deutschen Reichs⸗ und Rechtsgeschichte auch das polnische Recht als obligaten Prüfungsgegenstand an der Lemberger und Kra⸗ kauer Universität einzuführen.
Triest, 18. Januar. (W. T. B.) Die Infantin Donna Maria Theresa von Spanien, geb. Prinzessin v. Beira, Wittwe des Don Carlos (Gräfin Molina), ist gestern Abend hier im 80. Lebensjahre gestorben.
Pesth, 17. Januar. Im Unterhaus erklärte auf eine Interpellation Emerich Huszars der Minister des Innern, daß er von den Ungesetzlichkeiten bei der Pancsovaer Abgeordnetenwahl Kenntniß habe und die strengse Ahndung derselben, so wie das Vexbot des Gebrauches serbischer Fahnen angeordnet habe. Die Antwort wurde zur Kenntniß genommen. Horn interpellirte den Minister⸗Präsidenten wegen Benachtheiligung der ungarischen Industrie bei der Offertausschreibung für die Heeresausrüstung. Der Kultus⸗Minister unterbreitete eine Gesetzvorlage betreffs Baus einer medizinisch⸗chirurgischen Klinik.
Schweiz. Am 31. v. M. sind zwischen dem Bundes⸗ Präsidenten Cresole und dem italienischen Gesandten Melegari unterzeichnet worden: 1) eine Uebereinkunft zur Berichtigung des auf dem Verlauf der Grenzlinie zwischen Brusio und Tirano bezüglichen §. 4 eines am 9. August 1867 zu Andeer in Aus⸗ führung des Vertrages von Piattamla vom 27. August 1863 über die Grenzregulirung zwischen Graubünden und Veltlin ab⸗ geschlossenen Marchprotokolls; 2) ein Vergleich, betr. Auf⸗ stellung eines Schiedsgerichts für die endgiltige Festsetzung der schweizerisch⸗italienischen Grenze auf der Alp Cravairolo (Tessin).
— 19. Januar. (W. T. B.) Von 100,000 stimmfähigen Bürgern des Kantons Bern haben 70,000 für das vom Regierungsrathe vorgeschlagene liberale Kirchengesetz gestimmt, 16,000 dagegen.
Belgien. Brüssel, 19. Januar. (W. T. B.) Die Stadt Brüssel hat eine Anleihe über 70 Mill. Frs. ef⸗ fektiv mit einer Gruppe von Finanz⸗Instituten und Bankhäusern abgeschlossen, an deren Spitze die Bank von Paris und die „Societé générale“ stehen.
Frankreich. Paris, 17. Januar. (W. T. B.) Baron Bourgoing ist nach St. Petersburg abgereist, um wegen eines neuen Handelsvertrages zwischen Rußland und Frankreich zu verhandeln.
Versailles, 17. Januar. (W. T. B.) Die National⸗ Versammlung fuhr heute in Berathung des Maire⸗Ge⸗ setzes fort. Zu einer längeren Diskussion führte ein von der Linken eingebrachtes Amendement, wonach die Regierung gehalten sein soll, die Maires aus der Zahl der Munizipalräthe zu wählen. Der Herzog von Broglie sprach sich gegen dieses Amen⸗ dement aus und hob hervor, man müsse eine Institution haben, welche hinreichende Garantien für die konservativen Interessen biete und die Heilung der vorhandenen Schäden sich angelegen sein lasse; die gegenwärtigen Mittel hätten sich als unzureichend erwiesen. Broglie rief für seine Behauptung Thiers zum Zeugen auf und erklärte, es bedürfe eines ganzen, nicht eines halben Heilmittels, wie ein solches mit dem Amendement vorgeschlagen werde. Das Amendement wurde darauf mit 343 gegen 329 Stimmen abgelehnt.
Spanien. Madrid, 18. Januar. (W. T. B.) Hier eingetroffenen Nachrichten zufolge sind die aufständischen Banden in der Provinz Burgos in der Stärke von 3000 Mann vollständig geschlagen worden und haben beträchtliche Verluste erlitten. — Der Viadukt bei Toquella auf der Eisenbahnstrecke von Valencia nach Almansa ist bei der Aus⸗ führung von Reparaturen eingestürzt. 33 Arbeiter verloren hier⸗ bei das Leben.
— Ein Telegramm aus Oran vom 18. Januar meldet: Die „Numancia“ wird heute Abend unter Begleitung des aus den Fregatten „Vittoria“ und „Carmen“ bestehenden
spanichen Geschwaders von dem Hafen Mers⸗el⸗Kebir nach Car⸗ tagena abgehen.
Italien. Rom, 13. Januar. Die „Unita cattolica“ giebt nachstehende Einzelnheiten über das Kardinalskollegium: Die Zahl der italienischen Kardinäle beläuft sich auf 35 und rechnet man die sechs neu ernannten dazu, auf 41. Frankreich hat 6, Oesterreich 4, Spanien 3, Deutschland, Portugal und Irland je einen, zusammen 57. Zwei hat Papst Pius IX. er⸗ nannt, es bleiben also noch 11 zu ernennen, um die in der Bulle Sixtus V. festgesetzte Zahl von 70 Kardinälen voll zu machen. An Jahren ist der Kardinal de Angelis der älteste, denn er ist am 16. April 1792 geboren und im Konststorium vom 13. September 1838 ernannt, aber in petto behalten wor⸗ den. Proklamirt wurde er im Konsistorium vom 8. Juli 1839. Dem Datum der Ernennung nach ist Patrizzi der älteste, denn er wurde im Konsistorium vom 23. Juni 1834 ernannt, aber in petto behalten und am 11. Juli 1836 proklamirt. Er wurde demnach 4 Jahre früher als de Angelis zum Kardinal ernannt, obgleich er 4 Jahre später als jener in Siena am 4. September 1798 geboren wurde. Von den Kardinälen, welche den gegen⸗ wärtigen Papst erwählt haben, leben nur noch acht: Patrizzi, Amat, de Angelis, Vannicelli, Casoni, Schwarzenberg, Asquini, Carasa und Riario Storza, Erzbischof von Neapel.
— Gestern verkaufte die Liquidations⸗Kommission wieder mehrere sequestrirte Klostergrundstücke. Ihr Werth war auf 144,120 Frs. taxirt worden, sie erbrachten aber 248,300 Frs.
— Nach dem von dem Handels⸗Minister veröffent⸗ lichten Rechnungsabschlusse der italienischen Kredit⸗In⸗ stitute am Ende November hatten die 89 Volksbanken und 114 gewöhnlichen Kreditanstalten, zusammen 233 Stück mit einem Einlagekapital von 393 Millionen Fr., 25,934,211 Fr. an Kassenscheinen in Umlauf gegen 27,492,309 Frs. am Ende Oktober. Die Cirkulation der sechs Emissionsbanken ist von 1551 Millionen auf 1544 Millionen und der baare Kassenbestand von 396 auf 373 Millionen gefallen. Die Sparkassen haben 9,039,892 Frs. eingenommen und 11,954,318 Fr. ausgezahlt, also 2,914,426 mehr als sie eingenommen hatten. Auch im ver⸗ gangenen Monat wurden 2,949,323 Frs. mehr zurückgezogen als eingelegt.
— 17. Januar. (W. T. B.) Der König hat in Folge der geschehenen offiziellen Notifikation vom Ableben der Königin⸗ Wittwe Elisabeth von Preußen eine 20tägige Hoftrauer an⸗ geordnet. 8
Rußland und Polen. 1 . Das im Auszuge telegraphisch mitgetheilte Kaiserliche Ma⸗ nifest, betreffend die Einführung der al gemeinen Dienstpflicht, lautet:
Von Gottes Gnaden Wir, Alexander der Zweite, Kaiser un Selbstherrscher all r Reußen, König von Polen, Großfürst von Finn land u. s. w. u. s. w. u. s. w. thun allen Unseren getreuen Unter⸗ thanen hiermit kund und zu wissen:
In der beständigen Sorge um das Wohl Unseres Reiches un um Werleihung besserer Institutionen für dasselbe haben Wir nicht umhin gekonnt, der bisher bestehenden Art und Weise für die Lei⸗ stung der Militärpflicht Unser Augenmerk zuzuwenden. Nach den bis jetzt zu Kaaft bestehenden Gesetzen hatten diese Le stung nur die Stände der Kleinbürger und Bauern zu tragen, und ein großer Theil russischer Unterthanen war von einer Verpflichtung befreit, die Alle
seich heilig sein muß. Dieser Modus, der sich unter anderen Ver hältmissen gestaltet hat, entspricht weder den veränderten Bedingunge des Staatslebens, noch genügt er den Anforderungen an das Militä der Jetztzeit. Die jüngsten Ereignisse haben dargethan, daß die Stärke der Staaten nicht allein in der Masse der Truppen beruht,
sondern voczugsweise in den sittlichen und intellektuellen Eigenschaften
derselben, die zur höchsten Entfaltung erst dann aclangen, wenn di
Sache der Vaterlandsvertheidigung Gemeingut des Volkes wird, wenn
Alle, ohne Unterschied des Berufs und des Standes, sich zu diesem heiligen Werk vereinigen. 8
In der Erkenntniß der Nothwendigkeit, die Organisation de militärischen Kräfte des Reiches nach den Fingerzeigen der derzeitigen Erfahrungen umzugestalten, befahten Wir im Jahre 1870 dem Kriegs Minister, zur Abfassung von Entwürfen zu einem vollkommeneren Modus der Kompletirung Unserer Truppen unter Heranziehung aller Stände zur Militärpflicht zu schreiten.
Die erprobte Bereitwilligkeit Unserer Unterthanen, sich der Hei⸗ math zum Opfer zu bringen, war Uns eine Bürgschaft, daß Unser Ruf in den russischen Herzen einen symvathischen Widerhall finden werde. Wir haben darin nicht geirrt. Unser großherziger Adel und die anderen, von der Rekrutirung ausg schlossen n Stände haben Uns in vielfachen Kundgevungen den freudigen Wunsch erk nnen lassen, mit dem übrigen Theile der Bevölkerung die Beschwerden des obliga⸗ torischen Kriegsdienstes zu theilen. 8
Wir haben diese Kundgebungen mit dem erhebenden Gefühl des Stolzes und mit ehrfurchtsvoller Dankbarkeit für die Vorsehuns ent⸗ gegengenommen, welche Uns das Scepter über ein Volk in die Hand gegeben, in dem die Liebe zum Vaterlande und die Selbstverleugnung ein unveräußerliches, von Geschlecht zu Geschlecht überkommenes Gut aller Stände bilden.
Um nach den angedeuteten Hauptgrundzügen das neue Statut über die Militärpflicht zu enrwerfen, wurde sodann eine besondere Kom⸗
mission aus Beamten verschiedener Ressorts und anderen Personen mit 8
der erforderlichen Sachkenntniß gebildet. Das von der Kommission entworfene und nach eingehender Berathung vom Reichsrathe verbesserte Statut entspricht vollkommen Unseren Absichten. Von der Grund⸗ bestimmung ausgehend, duß die Vertheidigung von Thron und Vater⸗ land eine heilige Pflicht jedes russischen Unterthanen ist, zieht dieses Statut zur Betheiligung an der Ableistung der Militärpflicht die ge⸗ sammte männliche Bevölkerung heran, ohne Zulassung des Loskaufs durch Geld oder der Stellvertretung durch Freiwellige. Die Werksam⸗ keit des neuen Gesetzes hat sich nur nicht auf die Kosakenbevölkerung zu erstrecken, welche den Militärdienst in einer für sie festzesetzten
Weise leistet, auf einige Nichtrussen, das transkaukasische Gebiet und
andere, in Unserem Edikt an den dirigirenden Senat benannte entfernte Gegenden, fur welche besondere Bestimmungen erlassen werden sollen. Mit diesen Ausnahmen und einzeinen gungen, die in demselben Edikt erwähnt sind, wird die ge⸗ sammte männliche Bevölkerung des Reiches und des Königreichs Polen
nach Erreichung des 20jährigen Lebensalters dem Loos unterworfen,
welches ein für allemal entscheidet, wer in den aktiven Dienst zu treten hat und wer von demselben befreit ist. Obgleich für die bei den Landtruppen Dienenden eine allgemeine 15jährige Dienstfrist angenom⸗ men ist, so werden dieselben doch nach Verlauf von sechs Jahren und, falls die Möglichkeit vorliegt, auch früher entlassen, mit der Verpflich⸗
tung, sich auf den Ruf der Regierung nur bei Gelegenheiten außer⸗
ordentlichen militärischen Bedarfes zur Fahne zu stellen. Für die Mannschaften der Flotte und der in einigen entfernten Gegenden sta⸗ tionirten Truppen werden besondere Dienstfristen f stgesetzt werden. Für junge Leute, die Schulunterricht, selbst den der Volksschul’n nscht ausgeschlossen, genossen haben, wird die Dauer des obligatorischen
Verbleibens bei den Truppen zur Friedenszeit nach dem Grad und der
Art ihrer Bildung bedeutend abgekürzt und außerdem werden ihnen andere wesent! iche Erleichterungen zugestanden.
Indem Wir das nach diesen Prinzipien en worfene Statut über die Mllitärpflicht bestäfigten und Unsere Unterthanen im Namen des uns allen theuren Vaterlandes zu hingebender Erfüllung der ihnen auferlegten Pflichten berufen, haben Wir nicht die Absicht, die Grund⸗ sätze aufzugeben, denen Wir während Unserer ganzen Regierung unab⸗ weichlich gefolgt sind. Wir suchen nicht den Glanz des Kriegsruhmes,
St. Petersburg, 3. Januar.
zeitweiligen Vergünsti-
1
wie Wir ihn bis jetzt nicht gesucht haben, und schätzen als das schönste
Loos, das Uns Gott hat zu Theil werden lassen, Rußland auf dem Wege friedlichen Fortschritts und allseitiger innerer Entwickelung zur Größe zu führen. Die Organisation einer gewaltigen Militärmacht wird diese Entwickelung weder aufhalten noch verzögern; sie wird im Gegentheil ihren regelmäßigen und unaufhaltsamen Gang gewährleisten, indem sie die Sicherheit des Reiches schützt und jedes Attentat auf seine Ruhe im Voraus abwendet. Mögen aber die den jungen Leuten, denen Bildung zu Theil geworden, jetzt verliehenen wichtigen Vorrechte ein neues Mittel zur Verbreitung wahrer Aufklärung in Unserem Volke werden, in der Wir den Grund und das Unterpfand seines künftigen Wohlergehens erblicken.
Gegeben zu St. Petersburg am 1. Januar im Jahre des Herrn eintausend achthundert und vierundsiebenzig, Unserer Regierung im neunzehnten. 888
Das Original ist von Sr. Kaiserlichen Majestät Höchst⸗ eigenhändig unterzeichnet. — 18. Januar. (W. T. B.) Der Feldmarschall General⸗ Adjutant Graf von Berg ist ernstlich erkrankt.
Schweden und Norwegen. Stockholm, 13. Januar. Auf Antrag der am 1. Januar eröffneten „Bank für Helsing⸗ land“, haben alle schwedischen Banken, welche zum Aus⸗ stellen von Zetteln befugt sind, Erlaubniß erhalten, dieselben auf Kronen lautend auszustellen. — Im nächsten Monat soll die Ausmünzung des größten Theils der 10⸗und 20⸗Kronen⸗ stücke in Gold ihr Ende erreichen. Um die Verwechslung der 20⸗Kronenstücke mit den 2⸗Oerestücken zu verhindern, gedenkt man den Glanz von den Bronzemünzen zu entfernen, so daß diese ihre ursprünglich dunklere Farbe beibehalten.
Amerika. (A. A. C.) Die neueste brasilianische Post bringt die Nachricht von dem Ende des Krieges in Entre⸗ Rios. Der „Buenos Ayres⸗Standard“ vom 16. Dezember berichtet darü er Folgendes: Die Regierungstruppen haben einen höchst entschiedenen Sieg über Lopez Jordan errungen, dessen Streitkräfte völlig zersprengt wurden. Ueber 1000 Mann fielen, die gesammte Artillerie und Baggage wurde erbeutet, und der Rebellenführer selber ergriff mit nur 20 oder 30 Anhän⸗ gern die Flucht. Die Freude, welche diese Nachrichten in Buenos Ayres hervorgerufen haben, beweist die Bedeutung des Sieges, und eine der größten Ursachen der anhaltenden Handelsstockung und Geldverlegenheit ist beseitigt worden. Oberst Grinza, der Jordan besiegte, ist auf dem Schlachtfelde auf Befehl des Präsi⸗ denten zum General proklamirt worden, und gestrige Telegramme von Rosario melden, daß sämmtliche höheren Offiziere des Jor⸗ dan sich im Lager einfanden, ihre Degen übergaben und der Nationalregierung den Lehnseid leisteten. Die Angelegenheit kann mithin als endgültig geregelt betrachtet werden.
Oberst Martin de Gainza hat folgenden Bericht über die Niederlage des Lopez Jordan erstattet: ‚Schlachtfeld, Don Gonzalo. Dienstag, 11 Uhr Abends. Heute stieß ich nach einem Marsche von 10 Meilen mit Jordans Armee, die aus 5000 oder 6000 Mann, incl. großer Massen Kavallerie und 5 Bataillonen Infanterie nebst 8 Feldgeschützen bestand, zusammen. Wir haben einen vollständigen Sieg errungen, indem wir die gesammte feindliche Infanterie tödteten oder gefangen nahmen, während viele ertranken oder vermißt werden. Wir erbeuteten auch die ganze Artillerie des Feindes 6 oder 7 Fahnen und eine Menge von den Flüchtigen im Stich gelassene Waffen und Mu⸗ nitonsvorräthe. Seine Kavallerie flüchtete nach allen Richtungen hin, und wenn ich eine Stunde mehr Tageslicht gehabt hätte, würde ich Lopez Jordan, der mit einem Gefolge von nur 40 Personen über den Strom setzte, gefangen genommen haben.“
— Die peruanische Regierung hat eine aus fünf Mitgliedern bestehende Kommission ernannt, welche die Guano⸗ lager in Peru inspiciren soll. Dieselbe hat in Jquique bereits ihr Werk begonnen.
— (Monatsübersicht) Die durch die Wegnahme des „Virginius“ entstandenen Differenzen zwischen Spanien und den Vereinigten Staaten, welche eine Zeit lang die Erhaltung friedlicher Beziehungen zu bedrohen schienen, sind durch das Ent⸗ gegenkommen der spanischen Regierung glücklich beigelegt worden. Der Rest der gefangen genommenen Passagiere und Mannschaft wurde am 18. Dezember in Santiago an den amerikanischen Kriegsdampfer „Juniata“ ausgeliefert und von demselben nach New⸗York gebracht. Der „Virginius“ selbst wurde schon am 16. in Bahia Honda, wohin derselbe Tags zuvor von Ha⸗ vannah gebracht worden war, dem amerikanischen Aviso⸗ dampfer „Despatch“ übergeben. Da es sich bei der in Washington angestellten Untersuchung herausgestellt hatte, daß der „Virginius“ nicht berechtigt gewesen war, unter amerikanischer Flagge zu fahren, so unterblieb bei der Uebergabe das von der amerikanischen Regierung früher beanspruchte Salu⸗ tiren der Flagge der Vereinigten Staaten. Während der Fahrt nach New⸗VYork scheiterte der „Virginius- am 26. Dezember in der Nähe von Cap Fear in Nord⸗Carolina.
Am 1. Dezember trat in Washington der 43. Kongreß zu seiner ersten Session zusammen Da das jetzige Repräsentanten⸗ haus das erste ist, welches nach der auf Grund des Census von 1870 neut eingeführten Distriktseintheilung gewählt wurde, so ist dasselbe um einige vierzig Mitglieder stärker als bisher. Was die politische Zusammensetzung des Kongresses anbetrifft, so hat die Regierung in jedem Hause über eine große Majorität zu ver⸗ fügen. Im Senate *-gaden sich 49 Republikaner, 18 Demokraten und 6 liberal. Republikaner, im Repräsentantenhause gehören 193 Mitglieder der Regierungspartei, 93 der Opposition an. Die an den Kongreß gerichtete Botschaft des Präsidenten beschäf⸗ tigt sich, neben der seitdem erledigten Virginius⸗Angelegenheit, hauptsächlich mit den finanziellen Zuständen des Landes, nament⸗ lich wird in derselben die Wiederaufnahme der Baarzahlungen befürwortet, welche das einzige Mittel sei, die augenblicklich so zerrütteten Finanzverhältnisse zu einer gesunden Basis zurückzu⸗ führen. Ferner spricht sich der Präsident darin zu Gunsten einer politischen Amnestie aus, welchem Wunsche das Haus durch die Erlassung eines Gesetzes, welches allen früheren Theilnehmern an der Sezession volle politische Rechte zurückgiebt, bereits entsprochen hat. Der Kongreß hat den vom Marine⸗Minister geforderten Kredit von 5 Millionen zur Ausrüstung der Kriegsmarine genehmigt. Dagegen war man bis zu der am 19. erfolgten Vertagung nicht darüͤber einig geworden, auf welche Weise das seit etwa 4 Monaten sich zeigende Defizit in den Staatseinnahmen, wel⸗ ches sich am 1. Januar bereits auf über 20 Millionen belaufen dürfte, für das nächste Finanzjahr aber auf 42 Millionen ge⸗ schätzt wird, zu decken wäre. Der Finanz⸗Minister, welcher augenblicklich genöthigt ist, den Reservefond von 44 Millionen anzugreifen, hat den Antrag gestellt, dies durch die Erhebung neuer Steuern, namentlich durch Wiedereinführung der Zölle auf Thee und Kaffee, zu erreichen, doch scheint die Majorität diesem Vorschlage nicht beistimmen zu wollen, und statt dessen einer neuen Anleihe oder der Verausgabung wei⸗
Papiergeldes geneigt zu sein. Vorläufig ist die
— Regierung
um Angabe der in allen Departements möglicherweise zu machenden Ersparnisse angegangen worden, doch dürften sich dieselben nicht höher als auf 5 Millionen be⸗ laufen. Das vom vorigen Kongresse angenommene Gesetz über die Erhöhung des Gehaltes der Kongreßmitglieder, wodurch im ganzen Lande eine große Mißstimmung hervorgerufen wurde, ist abermals Gegenstand der Berathung gewesen. Im Hause beschloß man, das Gehalt auf 6000 Dollars und die wirklichen Reisekosten zu normiren, doch hat der Senat diesen Antrag nicht angenommen, vielmehr hat das Finanzkomite desselben vor⸗ geschlagen, dies Gehalt auf die frühere Höhe zu reduziren.
Die seit dem Frühjahre schwebende Frage, welche der beiden Legislaturen, bez. welcher Gouverneur in Louisiana als rechtmäßig gewählt zu betrachten sei, ist noch nicht zur Ver⸗ handlung gekommen; doch hat sich das Haus dazu entschlossen, vorläufig die Abgeordneten der Kellogg⸗Partei zuzulassen.
Die Schuld der Vereinigten Staaten belief sich am 1. De⸗ zember auf 2,150,862,053 Dollars 46 C., nach Abzug des Be⸗ standes an baarem Gelde und ausschließlich der zu Gunsten der Pacifiebahnen emittirten Obligationen. Dieselbe hat demnach seit dem 1. November um 9,028,576 Dollars zugenommen. In Bezug auf die am 1. Januar 1874 fällige Anleihe von 1858 zum Betrage von 20 Millionen hat der Kongreß die Bestim⸗ mung getroffen, daß es den Inhabern derartiger Papiere frei⸗ stehen solle, dieselbe bis zum 1. Juli gegen andere fünfprozen⸗ tige Obligationen zu vertauschen. In industrieller Beziehung haben sich die Verhältnisse Die Mehrzahl der in den Neu⸗England Staaten und Pennsylvanien befindlichen Wollen⸗ und Baumwollenwaaren⸗Fabriken, welche in Folge der finan⸗ ziellen Krisis geschlossen wurden, haben wieder angefangen zu arbeiten. Ebenso haben die pennsylvanischen Eisenwerke begonnen, den Betrieb wieder aufzunehmen. Doch ist diese Wiederauf⸗ nahme fast überall mit einer Reduktion der Arbeitslöhne um 10 — 20 pCt. verknüpft gewesen. Wie aus den auf einer Massen⸗ Versammlung in New⸗York mit großem Enthusiasmus ange⸗ nommenen Beschlüssen hervorgeht, beginnen sozialistische Ten⸗ denzen unter der dortigen Arbeiter⸗Bevölkerung um sich zu greifen. In diesen Beschlüssen wird nicht nur das ‚„Recht auf Arbeit“ und deren Beschränkung auf acht Stunden, sondern auch die „Verpflichtung“ der Gemeinde, die unbeschäftigten Ar⸗ beiter und deren Familien auf öffentliche Kosten zu erhalten, beansprucht. Auch wird darin die Errichtung eines Sicherheits⸗ Ausschusses in Aussicht genommen.
Am 16. Dezem er wurde in Pennsylvanien die neue Kon⸗ stitution des Staates mit großer Majorität angenommen, und wird dieselbe am 1. Januar in Kraft treten. Die dadurch ins Leben tretenden Veränderungen sind durchgreifender Art. Die Legislatur wird um das Doppelte stärker sein, doch werden die Befugnisse derselben in hohem Grade eingeschränkt, und den größeren Städten eine fast vollständige Selbstverwaltung ge⸗ geben. Ebenso enthält dieselbe vielfache Bestimmungen, welche eine Schutzwehr gegen die Machtausdehnung der Eisenbahnge⸗ sellschaften und anderer Korporationen, namentlich auch gegen den Einfluß politischer Verbindungen bilden sollen. In den Staaten New⸗York und Kentucky, wo ähnliche korrupte politische Organisationen herrschen, wie bisher in Pennsylvanien, werden gleichfalls konstitutionelle Abänderungen beabsichtigt.
Mexiko. In einzelnen Gegenden dauert die durch die neuen Kirchengesetze hervorgerufene Aufregung fort. So haben in Zinacantepec, Tenancingo und Tejupilco blutige Aufstände der Indiuner stattgefunden, welche indessen durch die Energie der Behörden bald unterdrückt wurden. Die Anstifter derselben, die katholischen Priester Arias und Gillas, befinden sich in den Hän⸗ den der Regierung. Da indessen der Bischof von Queretaro das Volk aufgefordert hat, allen Widerstand gegen die Regierung aufzugeben, so erwartet man, daß die durch die Geistlichen ver⸗ anlaßte Aufregung sich überall in kurzer Zeit legen werde.
In Bucatan dauert die Revolution fort. Von Vera Cruz wurden Regierungstruppen nach Progreso befördert, und schien es, als ob ernstliche Maßregeln gegen den Anführer der In⸗ surgenten Vasquaz ergriffen werden sollten. Die Deputirten von Yucatan protestirten im Kongresse gegen jede Intervention der Bundesregierung in die inneren Angelegenheiten des Staates. Der Erklärung der Regierung zufolge ist dieselbe indessen nur auf die Aufforderung der mir dem Gouverneur in Konflikt ge⸗ rathenen legislativen Versammlung erfolgt.
Vom Kongreß ist die Einsetzung einer aus 15 Deputirten und 14 Senatoren bestehenden Permanenz⸗Kommission be⸗ schlossen worden. Dieser Kommission, welche den Kongreß wäh⸗ rend der Ferien desselben zu vertreten hat, steht das Recht zu, nach Besprechung mit der Exekutivgewalt, und wenn zwei Drittel der Stimmen sich dafür erklären, eine oder beide Kammern zu einer außerordentlichen Sitzung einzuberufen. Von Seiten der Regierung ist ein Gesetz vorgelegt worden, wonach alle im Lande neu zu errichtende Fabriken und neu einzuführende Gewerbs⸗ zweige völlig frei von Abgaben sein sollen.
Zwischen Mexiko und Guatemala ist ein Auslieferungs⸗ vertrag abgeschlossen worden.
Centralamerika. Seit der Vertreibung Palacios erfreut sich Guatemala andauernd eines inneren Friedens. Die Re⸗ gierung ist auf das Eifrigste darauf bedacht, für die Hebung der Landwirthschaft und Industrie zu sorgen, und sucht durch die Errichtung von Schulanstalten auch das geistige Wohl des Volkes zu fördern. Auch Salvador war ruhig, doch hatte die Regie⸗ rung in Folge des mit Ricaragua und Honduras abge⸗ schlossenen Schutz⸗ und Trutzbündnisses Truppen abgesandt zur Abwehr der unter Führung des Obersten Tinoco, angeblich mit Hülfe von Costa Rica, gemachten Invasion, welche bei San Bernardo gelandet war und sowohl Honduras als Nicaragua bedrohte. Tinoco besetzte am 23. November die im Depar⸗ tement Chotuleca, nahe der Grenze von Nicaragua in Honduras gelegene Stadt Corpus. Die amtliche Zeitung von Nicaragua sagt, daß der Präsident von Costa Rica, Thomas Guardia, den Plan habe, im Verein mit Correoso Panama und Nicara⸗ gua zu annektiren. Präsident Guardia dagegen beschuldigt Nicaragua kriegerischer Gelüste, und behauptet, daß es Costa Rica von allen Vortheilen des interoceanischen Kanals aus⸗ schließen wolle, auch dränge es unter dem Vorwande, daß der Präsident von Costa Rica als Verschwörer gegen den Frieden Central⸗Amerikas beseitigt werden müsse, zu Feindseligkeiten. In einer an das Volk von Costa Rica erlassenen Ansprache er⸗ klärt Präsident Guardin, daß er, von dem Wunsche beseelt, daß um seine Person kein Blut vergossen werde, sein Amt auf den ersten Stellvertreter übertragen habe. Demgemäß hat Salvador Gonzales, bisher Finanz⸗Minister, am 21. November die Regie⸗ rung übernommen.
In den Vereinigten Staaten von Columbien er⸗ regte die Wahl des nächsten Präsidenten allgemeine Aufregung. Da das Recht der Wahl den Legislaturen der einzelnen Staa⸗
bedeutend gebessert.
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ten zusteht und die Legalität einzelnex derselben, angeblich wegen vorgekommener Wahlfälschungen, angefochten wird, so wirkt dies auch auf die Rechtmäßigkeit der Präsidentenwahl zurück.
In Panama hat der Präsident, General Nigra, sein Amt niedergelegt und sich nach Buenventura eingeschifft. Der Legis⸗ latur des Staates ist es überlassen, einen Stellvertreter für den Rest seines Amtstermins zu ernennen. Die Ruhe ist in Panama dadurch nicht gestört worden.
Aus Grund der Grenzstreitigkeiten mit Columbien hat der Präsident von Venezuela, Guzman Blanco, alle Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Columbien abgebrochen. Im Stuate Zulia brach aus Veranlassung einer vom Gouverneur Pulgar erhobenen Kontribution von 30,000 Dollars eine Re⸗ volution aus. Die Regierungstruppen wurden geschlagen und sieht man weiteren Zusammenstößen entgegen. Der übrige Theil des Landes war ruhig.
Bolivien. Der zu Anfang Oktober in Chuquisaca eröff⸗ nete Kongreß, ist am 7. November geschlossen worden. Ein Theil der von der Regierung verlangten Anleihe wurde bewilligt. Der fehlende Theil soll durch neue Steuern und Herabsetzung der Beamtengehälter aufgebracht werden. Präsident Ballivian ist bereits nach La Paz zurückgekehrt. Die Gerüchte von der be⸗ vorstehenden Abdankung desselben gewinnen mehr und mehr an Wahrscheinlichkeit, und dürfte in diesem Falle Ur. Frias, wie nach der Ermordung des Präsidenten Morales, provisorisch die Leitung der Staatsgeschäfte übernehmen.
Chili. Der Kongreß hat das neue Strafgesetzbuch ge⸗ nehmigt. Von besonderer Bedeutung sind die darin enthaltenen Bestimmungen, welche die freie Ausübung jeder Religion fest⸗ setzen und die Geistlichkeit in gewissen Fällen der weltlichen Ge⸗ richtsbarkeit unterwerfen. Die Regierung hat den Antrag, jun⸗ gen Damen, welche sich durch eine Prüfung über ihre Kenntnisse ausgewiesen haben, die Fakultätsstudien zu gestatten, genehmigt.
Die argentinische Regierung hat bei der chilenischen Protest gegen die von der letzteren beabsichtigte Erbauung eines Leucht⸗ thurms am östlichen Eingange der Magellansstraße eingelegt.
Brasilien. Die religiöse Aufregung ist in Pernambuco im Wachsen. Der Bischof hat allen Geistlichen, zu deren Kirchen die interdizirten Brüderschaften gehören, untersagt, Gottesdienst abzuhalten, und sind in Folge dessen alle Pfarrkirchen geschlossen worden. Die Vikare sind indessen dadurch mit der weltlichen Macht in Konflikt gerathen, da der Präsident von Pernambuco verfügt hat, daß allen den Geistlichen, welche nicht nachweisen können, daß sie regelmäßig Gottesdienst absehalten haben, das Gehalt ferner nicht mehr ausbezahlt werden soll. Um die kleri⸗ kale Partei zu stärken, haben die Ultra vontanen im ganzen Lande die Bildung von Katholikenvereinen unternommen und dadurch der Regierung neue Schwierigkeiten bereitet. Gegen den vichsh von Para ist gleichfalls eine Untersuchung eingeleitet worden.
Die Regierung hat ein Dekret veröffentlicht, wonach vom 1. Januar ab wesentliche Veränderungen in den bisher erhobenen Zuschlägen auf die Einfuhrzölle eintreten sollen. Auch soll von demselben Zeitpunkte ab von allen fremden Schiffen, gleichviel ob in Ballast oder mit Ladung, ob sie aus einem fremden oder einheimischen Hafen kommen, ein Hafengeld von 200 Reis per Tonne von 1000 Kilogramm erhoben we den, doch nicht öfter als sechsmal im Jahre von demselben Schiffe. Ebenso sollen in allen Häfen, in denen sich Hospitäler befinden, welche Seeleute unentgeltlich aufnehmen, besonde e Abgaben erhoben werden.
Argentinische Republik. Die Rebellion in Entre Rios ist noch immer nicht unterdrückt. Wie es scheint, versucht Lopez Jordan eine Entscheidung bis zum nächsten Mai, zu welcher Zeit die Präsidentenwahl stattfindet, hinzuziehen. Präsident Sarmiento, welcher sich auf den Kriegsschauplatz begeben hatte, ist nach Buenos⸗Ayres zurückgekehrt. Eine Reserve⸗Armee von 5000 Mann unter General Iwanowski soll in Rosano aufge⸗ stellt werden. 8
Asien. Aus Calcutta wird den „Times“ vom 15. d. Mts. gemeldet: „Die heute eingegangenen Berichte der Pflanzer von Tirbut lauten schlimmer. Es ist unwahrscheinlich, daß der Vice⸗König dieses Jahr Simla besuchen wird. Sir G. Campbell hofft die heiße Saison in Calcutta zuzubringen. Er hat der Regierung einen V⸗ ranschlag für weitere Einfuhren unterbre tet und er dringt auf ein Verbot der Aus⸗ fuhr. Im letzten Monat wurden 42,000 Tons Reis exportirt Sälbe wird in Calcutta, Madras und Bombay knapp. Schnee hat die Ankunft von Depeschen von der Kaschgar⸗Gesandtschaft verhinder Russische Waaren sind in Yarkund reichlich vorhanden. Der Atali⸗ — ist im Begriff, einen anderen Gesandten nach Konstantinopel zu sen⸗ den. Der Fürst von Arcot starb gestern.“
Afrika. Die britischen Kriegsschiffe an der Goldküst haben, wie ein Telegramm aus London vom 17. d. M. meldet, Befehl erhalten, sich nach dem Kap zu begeben, weil im Natal . lande Unruhen ausgebrochen sind.
Statistische Nachrichten.
München, 16. Januar. Von vorgestern bis gestern Aben sind 21 Erkrankungen und 10 Todesfälle, von gestern bis hente Abend 33 Erkrankungen und 21 Todesfälle an Cholera hier vorgekommen
— Nach der „Austria“ umfaßte der Postverkehr in Wien i. J. 1872 29,222,559 Br efe im internen, 11,539,240 B. im inter⸗ nationalen Verkehr, zusammen 40,761,789 Briefe; im internen Fahr⸗ postverkehr 182,412 Packete und 2,527,236 Geld⸗ und Werthsendungen im Gesimmtwerth von 329,089,772 Gulden; im internationalen Fahrpostverkehr 169,290 Packete und 455,580 Geld⸗ und Werthsen⸗ dungen im Gesammtwerth von 258,656,293 G., zusammen im Fahr⸗ postverkehr 351,702 Packete und 2,982,816 Geld⸗ und Werthsendungen im Werthe von 587,746,0 55 G. .
Landwirthschaft. V
Wien, 17. Januar. Die „Wiener Z.“ schreibt: In landwirth⸗ schaftlichen Kreisen ist von mehreren Seiten der Wunsch geäußert wor⸗ den, daß für jene Wollen, die auf die auswärtigen Wollmärkte geführt, aber als unverkauft von denselben Eigenthümern zurückgeführt werden, der unsererseits gezahlte Ausfuhr⸗ sowie der jenseits gezahlte Einfuhrzoll rückersetzt, das heißt das volle Losungsverfahren eingerämt werde
Zur Information für die betheiligten Kreise wird hier bemerkt, daß dem erwähnten Wunsche, sofern es sich um die wichtigsten Woll⸗ in Deutschland und Italien handelt, thatsächlich bereits ent⸗ prochen sei. b
Es besteht nämlich einerseits ein Ausfuhrzoll für Wolle nach un⸗ 8 serem Zolltarife nicht und andererseits ist durch unsere Handelsverträge mit dem deutschen Zollvereine vom 9. März 1868, Reichs⸗Gesetzblatt Nr. 12 (Art. 6 a) und mit Italien vom 23. April 1867, Reichs⸗Ge⸗ setzblatt Nr. 108 (Art. X a), hinsichtlich unseres Verkehres mit diesen Staaten das volle Losungver ahren für den Marktverkehr im Allge⸗ meinen (ausgenommen bei Verzehrungsgegenständen) schon eingeführt
worden. Verkehrs⸗Anstalten.
Berlin. Der Centralverein für Hebung der deutschen Fluß⸗ und Kanalschiffahrt hielt am Sonnabend im Bürger⸗