rere der gegenwärtig geltenden Strandungsordnungen aus einer Zeit stammen, deren Rechts⸗ und Verwaltungsgrundsätze für die heutigen Verhältnisse theils unangemessen, theils unzureichend sind, sondern auch darin, daß das Nebeneinanderbestehen einer großen Zahl von Strand⸗ ungsordnungen, welche in ihren Bestimmungen vielfach von einander abweichen, auf manchen Strecken der deutschen Küsten Ungehörigkeiten begünstigt, welche einem für die ganze Ausdehnung derselben bestimm⸗ ten einheitlichen Gesetze gegenüber unmöglich s in würden.
Manchen Beschwerden, zu welchen der frühere Rechtszustand in Strandungsfällen Anlaß gab, ist allerdings durch die Einführung des Handelsgesetzbuchs, welches in den Art. 742 — 756 Bestimmungen über die Bergung und Hülfsleistung in Seenoth enthält, abgeholsen wor⸗ den. Diese Vorschriften des Handelsgesetzbuchs beschränken sich jedoch im Wesentlichen auf die Regelung der Ansprüche auf Berge⸗ oder Hülfslohn, während sie es in Betreff des Verfahrens der Berger, so⸗ wie der Behörden und Beamten, welche zur Beaufsichtigung derselben und zur Wahrnehmung des Interesses des Staats, wie der betheiligten Privatpersonen berufen sind, bei dem bestehenden Rechte belassen haben.
Bereits im Jahre 1868 wurde deshalb vom Bundesrath der Be⸗ schluß gefaßt, den Entwurf einer allgemeinen Strandungsordnung aus⸗ arbeiten zu lassen. Nach eingehenden Verhandlungen mit den Regie⸗ rungen der Bundesseestaaten ist zur Ausgleichung der hierbei hervor⸗ getretenen Meinungsverschiedenheiten eine von allen diesen Staaten beschickte Kommission berufen worden, aus deren Berathungen der vor⸗ liegende Entwurf hervorgegangen ist. Derselbe bezweckt, die bisher maßgebenden partikularrechtlichen Vorschriften vollständig zu beseitigen und 8— Wege der Reichsgesetzgebung durch ein einheitliches Recht zu ersetzen.
Zur Zeit gelten für Strandungsfälle an den deutschen Küsten fol⸗ gende Gesetze:
I. im Königreich Preußen (für die Provinz Preußen und die Regierungsbezirke Cöslin und Stettin gemeinsam) das Allgemeine Landrecht II. 15. §§. 80 — 87, welches jedoch nur einige allgemeine Grundsätze aufstellt und im Uebrigen auf die provinziellen Strandungs⸗ ordnungen verweist. Die letzteren sind folgende:
A. für die Provinz Pren sen die Strandungsordnung vom 10. November 1728 nebst der Deklaxation vom 20. November 1741.
1) In Ostpreußen beruht die fortdauernde Anwendbarkeit dieser Gesetze auf dem ostpreußischen Provinzialrecht, Zusatz 229.
2) In Westpreußen gilt außerdem das Publikandum wegen der den Strandbewohnern bei Strandungen obliegenden Pflichten vom 31. Dezember 1801 (Novum corpus constitutionum Prussico-Branden- burgensium Bd. XI. S. 1281), welches nebst den unter 1) erwähnten Sö durch das westpreußische Provinzialrecht vom 19. April 1844 §. 76 (Preuß. Gesetz⸗Samml. S. 103) aufrecht erhalten worden ist; für das Gebiet von Danzig hat das Gesetz, betreffend die Einführung des westpreußischen Provinzialrechts in die Stadt Danzig und deren Gebiet, vom 16. Februar 1857, Art. X. §§. 2, 3 (Gesetz⸗Samml. S. 91) einige besondere Bestimmungen getroffen.
B. In der Provinz Pommern kommt —
1) für die Regierungsbezirke Stettin und Cöslin das Edikt, wie es künftig auf den Seeküsten und Stränden wegen des Strandrechts gehalten werden soll, vom 4. April 1743 nebst der Kabinetsordre vom 13. März 1814 (Preußische Gesetz⸗Samml. S. 28),
2) für den Regierungsbezirk Stralsund die Verordnung wegen der Hülfe in Noth gerathener Schiffe und Bergung gestrandeter Güter, vom 14. Juli 1777 (Amtsblatt der Regierung zu Stralsund für 1845 S. 238) zur Anwendung.
C. In der Provinz Schleswig⸗Holstein gilt die Strand⸗ Ordnung vom 30. Dezember 1803 (Chronolog. Samml. der Verord⸗ nungen shr Schleswig und Holstein S. 134).
D. in der Provinz annover die Strandordnung vom 24. Juni 1846 (Hannoversche Gesetz⸗Samml. S. 119).
II. Für das Großherzogthum Mecklenburg⸗Schwerin ist die Instruktion vom 20. Dezember 1834 ergangen.
III. Im EEETEööö Oldenburg gilt der Art. 34 des Gesetzes, betreffend die Einführung des Handelsgesetzbuchs, vom 18. April 1864, und daneben
A. für das Herzogthum Oldenburg die Strandungsordnung vom 29. Juli 1844,
B. für das Fürstenthum Lübeck die Anweisung für die Auf⸗ seher ꝛc. des Ostseestrandes vom 27. Juli 1820.
IV. Im Gebiete der freien und Hansestadt Lübeck kommt das Lübecker Statut von 1586, Buch VI., Tit. 3 Art. 4, Tit. 6 Art. 3, zur Anwendung.
V. Für das Gebiet der freien Hansestadt Bremen ist die Ver⸗ ordnung in Betreff von Bergungsangelegenheiten vom 23. Mai 1834 ergangen.
VI. Im Gebiet der freien und Hansestadt Hamburg wird nach der Bekanntmachung, betreffend den Wirkungskreis des Vogts auf Neuwerk, vom 15. Juni 1868 verfabren.
Die Beseitigung dieser zahlreichen Partikularrechte durch einen Akt der Reichsgesetzgehung ist eine Aufgabe, welche schon die Ver⸗ fassung dem Reiche gestellt hat, indem sie demselben in Art. 4 Nr. 7 die Organisation eines gemeinsamen Schutzes der deutschen Schiffahrt zur See vorbehalten hat. Je größer gerade in Strandungsfällen das Be⸗ dürfniß eines solchen Schutzes für die Interessen der Schiffahrt ist, desto drin⸗ gender scheint es geboten, die Gewährung desselben an den heimischen Küsten in einer den Anforderungen der Gegenwart genügenden Weise sicher zu stellen, nachdem für den Fall der Strandung eines deutschen Schiffes im Auslande die thunliche Vorsorge bereits dadurch getroffen worden ist, daß das Gesetz über die Organisation der Bundeskonsulate vom 8. November 1867 (Bundes⸗Gesetzbl. S. 137) im §. 36 die Bundes⸗ konsuln berufen hat, die erforderlichen Bergungs⸗ und Rettungsmaß⸗ regeln einzuleiten und zu überwachen.
Der Zweck aller 111 welche in Strandungsfällen zu treffen sind, ist ein zweifacher: Rettung gefährdeter Menschenleben und Ab⸗ wendung des Verlustes von Eigenthum. Die Häufigkeit des Vor⸗ kommens solcher Unfälle macht es unthunlich, die Initiative lediglich der Willfährigkeit der Küstenbewohner zu überlassen und den Behörden nur diejenige Ueberwachung freiwilliger Bemühun⸗ gen um Rettung und Bergung zuzuweisen, welche zur Erhaltung der öffentlichen Ordnung erfordertich wäre. Soll den gefährdeten Personen und Interessen ein regelmäßiger und wirk⸗ samer Schutz zu Theil werden, so ist es unerläßlich, die Gewährung desselben als eine öffentliche Pflicht anzuerkennen und mit deren Er⸗ füllung eigene Behörden und Beamte zu betrauen. Zwar werden diese vielfach darauf angewiesen bleiben, die Beihülfe von Privatpersonen in Anspruch zu nehmen; die Leitung der Thätigkeit der letzteren durch Organe der öffentlichen Gewalt wird dann aber eine Garantie dafür bieten, daß dieser Beistand nicht in nutzlosen Anstrengungen zersplittert, sondern planmäßig und mit Erfolg geleistet wird. Neben einer solchen Regelung des Strandungswesens verfolgt der Entwurf durchweg die Tendenz, den einzelnen Betheiligten in der freien Verfügung über seine Person und sein Eigenthum nur insoweit zu beschränken, als es zur Abwendung erheblicher und dringender Gefahr unerläßlich ist;
weitergehende Eingriffe in die Freiheit der Person und in bestehende Privatrechte hat er vermieden, weil der Nutzen solcher Maßnahmen durch ihre Nachtheile überwogen wird.
ur Begruündung der Bestimmungen des Entwurfs ist im Ein⸗ zelnen Folgendes zu bemerken:
I. Abschnitt. Von den Strandbehörden.
Von der Einsetzung eigener Reichsbehörden für die Erledigung der Strandungsangelegenheiten ist abgesehen worden, weil es bei Ge⸗ schäften dieser Art vorzugsweise auf eine genaue Bekanntschaft mit örtlichen Verhältnissen und Gebräuchen ankommt, welche bei den in den betreffenden Küstenländern fungirenden Behörden am Vollständig⸗ sten anzutreffen ist. Aehnliche Ruͤcksichten haben dazu geführt, daß bisher die Ausführung sämmtlicher auf die Kauffahrteischiffahrt bezüg⸗ lichen Reichsgesetze innerhalb des Bundesgebiets in die Hand der Landesb hörden gelegt worden ist, wie dies z. B. im §. 3 des Ge⸗ setzes, betreffend die Nationalität der Kauffahrteischiffe, vom 25. Ok⸗ tober 1867 (Bundes⸗Gesetzbl. S. 35) und im §. 4 der Seemanns⸗ ordnung vom 27. Dezember 1872 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 409) geschehen
II. Abschnitt.
ist. Der Entwurf faßt daher die Strandbehörden als Staatsbehör⸗, den auf, behält aber, um die erforderliche Einheitlichkeit der Ausfüh⸗ rung des Gesetzes sicher zu stellen, dem Reiche die Oberaufsicht über die letztere vor.
Das Verfahren in Strandungsangelegenheiten ist theils admini⸗ sethgen theils richterlicher Natur. Den ersteren Charakter hat es, oweit es sich auf die Thätigkeit des Rettens und Bergens und die Fürsorge für die Aufbewahrung geborgener Sachen bezieht; die richterliche Funktion tritt ein, sobald Streitigkeiten zu entscheiden oder strafbare Handlungen zu verfolgen sind. Die administrativen Ge⸗ zu erledigen, sind in der Hauptsache die Strandbehoͤrden be⸗ rufen.
§. 1. Die Funktionen der Strandbehörden begreifen zwei Gat⸗ tungen von Geschäften in sich, die nach ihrem Charakter und nach der zu ihrer sachgemäßen Erledigung erforderlichen Qualifikation wesentlich von einander verschieden sind. Die Leitung des Rettens und Bergens ist eine rein technische Aufgabe; sie erfordert Umsicht, Entschlosfenheit und genaue Kenntniß der See, des Strandes und der Schiffahrt. Wer diese Eigenschaften besitzt, ist ausreichend befähigt, Schiffen in Seenoth mit Erfolg Hülfe zu bringen. Andere Anforderungen sind zu stellen, wenn die Bergung vollbracht ist. Die zweckmäßige Aufbewahrung der ge⸗ borgenen Güter, die Bemühungen um die Ermittelung der Empfangs⸗ berechtigten, die Aussonderung und der Verkauf der Gegenstände, deren Werth durch längere Aufbewahrung gefährdet sein würde, die Verhandlungen mit der Zollbehörd und dergl. setzen eine Bekannt⸗ chaft mit Verwaltungsgeschäften voraus, welche bei den Männern, denen die Bergung obgelegen hat, nicht immer anzutreffen ist. An der Nordsee sind deshalb diese beiden Arten von Funktionen von jeher verschiedenen Beamten übertragen worden (schleswig⸗holsteinsche Strandordnung §§. 4, 19; hannoversche Strandungsordnung . 2, 4, oldenburgische Strandungsordnung §§. 1, 8), und diese
rennung liegt so sehr in der Natur der Sache, daß der Entwurf sie im Prinzip unbedenklich aufgenommen hat. Er scheidet die Anordnung und Leitung des Rettens und Bergens von der Verwaltung der gebor⸗ genen Gegenstände und überträgt jene den Strandvögten, diese den Strandämtern, denen er zugleich die Strandvögte in ihren dienstlichen Verhältnissen unterstellt.
Die Strandämter sind nicht als eigene Behörden gedacht, deren Geschäftskreis ausschließlich Strandungsangelegenheiten umfassen soll; es werden vielmehr zweckmäßtg, wie es bisher schon vielfach üblich war, Lokalbehörden, welche in der Nähe des Strandes ihren Sitz haben, zugleich mit den Funktionen der Strandämter zu betrauen sein.
§. 2. Die Bestimmung des ersten Absatzes des §. 2 über die Organisation der Strandämter, die Abgrenzung ihrer Bezirke, die Anstellung der Strandbeamten, die Regelung des Verhältnisses der Strandvögte zu den Strandämtern, die Beaufsichtigung dieser Aemter und Beamten und die Dienstbezüge der letzteren ist eine Folge der im Eingange erörterten Absicht, die Ausführung der Strandungsordnung nicht Reichs⸗, sondern Landesbehörden zu übertragen. Das Reich würde in den bestehenden Organismus der letzteren unnöthig störend ein⸗ greifen, wenn es die Ordnung der bezeichneten Punkte nicht den ein⸗ zelnen Bundesstaaten überlassen wollte. Ueberdies sind die maßgebenden thatsächlichen Verhältnisse innerhalb der letzteren so verschiedenartig gestaltet, daß es mindestens sehr schwierig sein würde, in diesen Be⸗ ziehungen einheitliche Normen von praktischem Werth aufzustellen. Der Entwurf behält deshalb die erforderlichen Anordnungen über die bezeichneten Gegenstände den Landesregierungen vor.
Der zweite Absatz des §. 2 ertheilt den letzteren eine weiter⸗ gehende Ermächtigung, nämlich die, abweichend von dem §. 1, welcher die Strandämter und die Strandvögte als zwei von einander getrennte Behörden hinstellt, die Funktionen beider einer und derselben Person, dem Vorsteher des Strandamts, zu übertragen. Diese Ausnahme⸗ bestimmung ist aus Gründen der Zweckmäßigkeit für einen Theil des Ostseegebiets erforderlich. Dort gestattet die Beschaffenheit der Küste die Bildung größerer Strandbezirke, als an der Nordsee, so daß dort die Zahl der anzustellenden Strandvögte eine verhältnißmäßi gerin⸗ gere sein kann. Dieser Umstand ermöglicht es nicht selten, änner für die Funktionen der Strandbehörden zu gewinnen, welche gleich⸗ mäßig zur Leitung der Rettung und Bergung, wie zur Verwaltung der geborgenen Güter befähigt sind. Es liegt deshalb im Interesse der Vereinfachung der Organisation, für solche Fälle die Uebertragung der Geschäfte des Strandamts⸗Vorstehers und derjenigen des Strand⸗ vogts an eine und dieselbe Person ausdrücklich zuzulassen.
KF. 3. Die Bestimmung, daß dem Reiche die Oberaufsicht über die Verwaltung der Strandangsangelegenheiten zusteht, beruht auf Art. 4 Nr. 7 der Reichsverfassung.
Von dem Verfahren bei Bergung und Hülfsleistung in Seenoth.
Der zweite und der dritte Abschnitt des Entwurfs stellen die fest, nach welchen die Strandbehörden zu verfahren haben, wenn auf See ein Unfall eingetreten ist. Der zweite Abschnitt regelt dies Verfahren für die Fälle, in welchen ein Schiff und seine Ladung sich in gegenwärtiger Seenoth befindet und dadurch einer Gefahr aus⸗ gesetzt ist, um deren Abwendung es sich handelt; der dritte Abschnitt hat die Fälle zum Gegenstande, in welchen Theile eines Schiffs oder seiner Ladung, nachdem dasselbe vorher von einem Unfall betroffen worden, durch den letzteren in die See gerathen und in Folge dessen besitzlos geworden sind. Der zweite Abschnitt bestimmt im Allgemeinen in den §§. 4 bis 14 die Funktionen des Strandvogtes, in den §§. 15 bis 20 diejenigen des Strandamts. §. 4. Die Hülfe, welche der Strandvogt einem Schiffe im Falle der Seenoth zu bringen im Stande ist, kann in den meisten Fällen nur dann von Erfolg begleitet sein, wenn sie so schnell als möglich gewährt wird. Der Strandvogt muß deshalb von jedem derartigen Unfall unverzüglich in Kenntniß gesetzt werden. Wer ein auf den Strand gerathenes oder sonst unweit desselben in Seenoth befindliches Schiff wahrnimmt, muß hiervon sofort der Behörde Anzeige machen, wenn nicht die günstigste Zeit zur Rettung und Bergung verstreichen soll, ehe ein Beamter das Schiff wahrnimmt und seinerseits die Ge⸗ währung des nöthigen Beistandes veranlaßt Der Umstand, daß vom Lande aus nicht immer mit Sicherheit beurtheilt werden kann, ob nicht mit dem Schiffe auch Menschenleben gefährdet sind, rechtfertigt es, die Erstattung jener Anzeige allgemein als gesetzliche Verpflich · tung hinzustellen (mecklenburgische Verordnung vom 20. Dezember 1834 §. 1, hannoversche Strandungsordnung §. 11, oldenburgische Strandungsordaung §. 3, Anweisung für das Fürstenthum Lübeck vom 27. Juni 1820 §. 10, hamburgische Bekanntmachung vom 15. Juni 1868 §. III.). Diese Verpflichtung darf jedoch nicht soweit aus⸗ gedehnt werden, daß der Verpflichtete in jedem Falle gehalten sein soll, seine Mittheilung dem Strandvogt unmittesbar zu machen. Dem öffentlichen Interesse wird genügt, wenn die Anzeige, falls die nächste Gemeindebehörde eher als der Strandvogt zu erreichen ist, dieser er⸗ stattet wird, welche dann die Mittheilung ungesäumt an den Strand⸗ vogt zu befördern hat. Die Erfüllung der erwähnten Verbindlichkeit wird für den Ver⸗ 8öv bisweilen mit Versäumniß an Arbeitszeit oder selbst mit usgaben verknüpft sein. Damit dies nicht als Vorwand benutzt werde, die Anzeige zu unterlassen, empfiehlt es sich, dem ersten Ueber⸗ bringer derselben eine angemessene Vergütung als Entschädigung für jene Nachtheile zuzubilligen. §. 5. Die Bestimmung, daß die Gemeindebehörde eine ihr zugehende Anzeige über einen Fall der Seenoth sofort dem Strandvogt mitzu⸗ theilen hat, bildet eine unentbehrliche Ergänzung der im §. 4 aufge⸗ stellten Anzeigepflicht. Die fernere Vorschrift, daß die Gemeinde ver⸗ bunden ist, zur Beförderung der Anzeige an den Strandvogt einen Boten und die nöthigen Beförderungsmittel zu stellen, rechtfertigt sich durch die Erwägung, daß die schleunigste Benachrichtigung des Strand⸗ vogts unbedingt sicher gestellt werden muß. Die Vergütung, welche der Gemeinde für jene Leistung zu gewähren ist, wird sich zweckmäßig an jedem Ort nach den dort üblichen Sätzen richten, wie dies für einen ähnlichen Fall im §. 13 des Gesetzes über die Kriegsleistungen
vom 13. Juni 1873 (Reichs⸗Gesetzbl. S. 129) bestimmt ist. §. 6. Die Festsetzung der in den §§. 4 und 5 erwähnten Ver⸗
gütungen erfordert eine eingehende sachliche Prüfunz der erhobenen Ansprüche und der ihnen etwa entgegengestellten Einwendungen; sie scheidet daher aus dem Geschäftskreise des Strandvogts aus und wird dem Strandamt zu übertragen sein
Die Bestimmung, daß jene Vergütungen zu den Bergungs⸗ und Hülfskosten gehören, enthält eine Ergänzung des Art. 745 des Han⸗ delsgesetzbuchs. Der letztere zählt zu diesen Kosten von denjenigen Ausgaben, welche zum Zweck einer erst zu vollbringenden Bergung kraft gesetzlicher Vorschrift zu machen sind, nur die Kosten und Ge⸗ bühren der Behörden. Dieselben Gründe, welche die Verpflichtung des Eigenthümers der geborgenen Gegenstände zur Bezahlung dieser letzteren Kosten rechtfertigen, sprechen dafür, daß ihm auch die Ver⸗ bindlichkeit zur Entrichtung jener Vergütungen auferlegt werde, da die Mühwaltungen, für welche die letzteren zu gewähren sind, wesentlich dazu beitragen, daß ihm sein Eigenthum erhalten bleibt.
¹ Sobald der Strandvogt die Anzeige von einem Stran⸗ dungsfall erhält, hat er am Orte dieses Ereignisses ungesäumt seine Funktionen zu übernehmen. Das Bergungs⸗ und Hülfsleistungs⸗Ver⸗ fahren bedarf, zum von Erfolg begleitet zu sein, einer streng einheit⸗ lichen Leitung. Dieselbe muß dem Strandvogt deshalb im vollen Umfange nicht nur für die Thätigkeit auf See, sondern auch für die Aufrecht⸗ haltung der Ordnung am Strande anvertraut werden. Indem der §. 7 dies ausspricht, bezweckt er insbesondere im Inkeresse der Bergung, für die Dauer des Strandungsfalls jede Einmischung der örtlichen Polizeibehörde auszuschließen, da solche Einmischung im Falle einer Meinungsverschiedenheit zwischen der letzteren Behörde und 55 Strandvogt leicht die Bergung selbst verzögern oder erschweren ann. „Für das Strandamt und die Zollbehörde ist es von Wichtigkeit, über jeden Fall einer Strandung schleunigst unterrichtet zu werden. Das Strandamt bedarf einer Mittheilung, um die nöthigen Vorkeh⸗ rungen zur Unterbringung der geretteten Personen und der geborgenen Gegenstände ungesäumt treffen zu können. Für die Zollbehörde kommt die zollamtliche Behandlung der geborgenen Güter in Frage. Ueber die zollamtliche Behandlung des Strandguts sind in dem Zollgesetze vom 1. Juli 1869 (Bundes⸗Gesetzbl. S. 317) Bestimmungen getroffen. Von der Vorschrift, daß die Ueberschreitung der Zollarenze nur wäh⸗ rend der Tageszeit und nur auf einer Zollstraße erfolgen darf, ist für den Fall der Bergung von Strandgut eine Ausnahme zugelassen (§. 21 b. des Zollgesetzes); für beschädigte Güter, welche aus den an den Küsten von Zollvereinsstaaten gestrandeten Schiffen geborgen sind und im Wege öffentlichen Ausgebots zum Verkauf gelangen, ist auf den Antrag der Betheiligten ein Eingangszoll von 10 Prozent des Bruttoertrages des Auktionserlöses zu erheben, wenn sowohl die Be⸗ hörde, welche die Auktion abhält, als die Zollbehörde die stattgehabte Beschädigung der Waaren bescheinigt (§. 82 ebendaselbst); inländische Strandgüter von Schiffen, welche nach dem Auslaufen verungluͤcken, bleiben, wenn die Thatsache vollständig nachgewiesen ist, frei vom Eingangszell (§. 117 ebendaselbst). Die Ausführung dieser Bestim⸗ mungen erfordert ein Zusammenwirken der Strandbehörden mit den Zollbehörden und, ehe dasselbe beginnen kann, eine Vorkehrung für die interimistische Wahrnehmung des Zollinteresses. 8
Der Thätigkeit dieser Beamten und der “ welche zur Bergung bereit sind, ist jedoch eine bestimmte Grenze zu setzen. Er⸗ fahrungsmäßig geht eine Bergung aus einem in Seenoth befindlichen Schiffe, wenn sie nicht unter den Augen und nach den Anweisungen des Strandvogts erfolgt, häufig in ein völlig tumultuarisches Ver⸗ fahren über, welches nicht nur ein zweckloses Verschleppen der gebor⸗ genen Sachen nach den verschiedensten Punkten der Küste herbeiführt, sondern auch Entwendungen erleichtert. Um dies abzuschneiden, ge⸗ nügt die Vorschrift des Artikels 752 Nr. 1 des Handelsgesetzbuchs nicht, daß derjenige auf Berge⸗ und Hülfslohn keinen Anspru hat, welcher seine Dienste aufgedrungen, insbesondere ohne Erlaubniß des anwesenden Schiffers das Schiff betreten hat; der §. 8 des Entwurfs verbietet deshalb ausdrücklich daß ohne Erlaubniß des Strandvogts, namentlich also in seiner Abwesenheit Jemand an das gefährdete Schiff anlege oder dasselbe betrete. Eine Ausnah e hiervon kann nur zugelassen werden, wenn entweder der Schiffer selbst es verlangt oder wenn eine so dringende Gefahr für das Schiff vorliegt, daß ein sofortiges Anlegen an dasselbe als unerläßlich erscheint. Ob letzteres der Fall ist, hat dann derjenige, welcher an das Schiff anlegen oder es betreten will, auf eigene Verantwortlichkeit zu ermessen. Handelt er demnächst gegen jenes Verbot, ohne daß ein genügender Grund hierzu vorliegt, so trifft ihn die im §. 43 angedrohte Strafe. 8
Der Schlußsatz des §. 8 entbindet die Vereine zur Rettung Schiff⸗ brüchiger von der Beobachtung des gedachten Verbots, da ihre Thätig⸗ keit als eine so gemeinnützige und die Leitung derselben als eine so umsichtige sich bewährt hat, daß zu einer Beschränkung derselben kein Anlaß vorliegt.
§. 9 enthält eine Beschränkung der dem Strandvogt im §. 7 ertheilten Ermächtigung, alle zur Bergung oder Hülfsleistung erfor⸗ derlichen Anordnungen zu treffen. Der Strandvegt soll von dieser Ermächtigung der Regel nach nur dann Gebrauch machen, wenn den Maßregeln, welche er zu ergreifen beabsichtigt, von dem Schiffer kein Widerspruch entgegengesetzt wird, so daß der Strandoogt nur dann ganz nach eigenem Ermessen zu verfahren hat, wenn entweder ein Schiffer nicht vorhanden ist oder wenn der Schiffer sich in dispositions⸗ unfähigem Zustande befindet oder wenn derselbe die Leitung der Ber⸗ gung ꝛc. dem Strandvogt überläßt. Wird hiernach dem Strandvogt im Allgemeinen die Befugniß versagt, gegen den Willen des Schiffers einzuschreiten, so hat dies darin seinen Grund, daß der Schiffer in erster Reihe für das Schicksal des Schiffs, der dar⸗ auf befindlichen Personen und der Ladung verantwortlich ist, und dcß es zweckwidrig sein würde, ihm gerade im Zeitpunkt der Gefahr diese Verantwortlichkeit gegen seinen Willen abzunehmen und sie auf eine Person zu übertragen, welche mit den Verhältnissen des Schiffs und der Ladung weniger genau als er vertraut ist. Das Handelsgesetzbuch hat im Buch V. Titel 3 dem Schiffer eine weitgehende Haftpflicht gegenüber dem Rheder, dem Befrachter, dem Ablader, dem Ladungs⸗ empfänger, dem Reisenden, der Schiffsbesatzung und dem Schiffs⸗ gläubiger auferlegt und ihn im Artikel 485 für Fälle der Gefahr so⸗ gar von der Befolgung der Beschlüsse des Schiffsraths entbunden Das Interesse der genannten Personen wird in den meisten der Fälle in welchen eine Meinungsverschiedenheit zwischen dem Schiffer und den Strandvogt hervortritt, besser gewahrt sein, wenn der erstere das Kom
mando behält, als wenn der Strandvogt ohne Weiteres an die Stelle
des Schiffers gesetzt wird.
Eine Abweichung von diesem Prinzip ist nur da zuzulassen, w ein Grund zu der Besorgniß vorhanden ist, daß der Schiffer die ihm gestellte Aufgabe nicht erfüllen kann oder nicht erfüllen will. Fehl ihm das Geschick oder die Besonnenheit in dem Maße, daß seine Leitung des Schiffs das Leben der ihm anvertrauten Personen gefähr⸗ den oder die Sicherheit der Schiffahrt beeinträchtigen würde, oder liegt der begründete Verdacht vor, daß er sein Kommando mißbrau⸗
chen wolle, um absichtlich einen Unfall herbeizuführen, so ist es zur
Abwendung dieser Gefahr erforderlich, daß dem Strandvogt die Be⸗ fugniß gegeben werde, auch gegen den Willen des Schiffers die Lei⸗ tung des Verfahrens an sich zu nehmen. Den Strandvögten wird im Instruktionswege einzuschärfen sein, daß sie sich dieser Befugniß nicht üder das wirkliche Bedürfniß hinaus bedienen, die Befugniß selbst aber läßt sich ihnen ohne Schädigung wichtiger öffentlicher In⸗- teressen nicht vorenthalten.
§. 10. Wird im §. 9 der Grundsatz als Regel angenommen, daß der Strandvogt wider den Willen des Schiffers mit Bergungs⸗ oder Hülfsleistungs⸗Maßregeln nicht vorgehen darf, so liegt es in der Konsequenz, daß der Strandvogt, wenn er auch ohne Widerspruch Seitens des Schiffers seine Thätigkeit begonnen hat, dieselbe doch der Regel nach wieder einzustellen hat, sobald der Schiffer scinen Ent⸗ schluß ausspricht, die fernere Leitung des Verfahrens selbst zu über⸗ nehmen. Der Rücktritt des Strandvogts kann indessen in einem sol⸗ chen Falle nicht bedingungslos zugelassen werden.
Denjenigen Personkn, welche während der Leitung des Verfahrens durch den Strandvogt gefährdete Gegenstände an sich genommen und
in Sicherheit gebracht oder durch ihre Hülfe dazu beigetragen haben,
daß das Schiff oder Bestandtheile seiner Ladung aus Seenoth ge⸗ 8
rettet worden sind, steht nach Artikel 742 des Handelsgesetzbuchs ein Anspruch auf Berge⸗ bezw. Hülfstohn zu; daneben können Bergungs⸗ oder Hülfskosten noch anderer Art entstanden sein. Wegen der hieraus sich ergebenden Forderungen haben die Gläubiger nach Artikel 753 an den geborgenen oder geretteten Gegenständen ein Pfandrecht und an den geborgenen bis zur Sicherheitsleistung zugleich das Zurückbehal⸗ tungsrecht. Das letztere wird in Frage gestellt, wenn der Schiffer die fernere Leitung des Verfahrens in vollem Umfange zurückerhalten soll; den Retentionsberechtigten kann jedoch das Aufgeben des Gewahr⸗ ams an jenen Gegenständen nicht angesonnen werden, ehe in anderer
eise für ihre Befriedigung wegen der gedachten Forderungen in der durch Artikel 753 des ee. „vorgesehenen Weise Sorge getragen ist; der Schiffer muß deshalb für die bereits erwachsenen Bergungs⸗ und Hülfskosten einschließlich des Berge⸗ und Hülfslohns Sicherheit bestellen, wenn ihm die Uebernahme der Lei⸗ tung des Verfahrens gestattet sein soll. Ueber das Maß der Sicher⸗ heitsleistung kann nur der Strandvogt entscheiden, da eine andere Autorität nicht zur Stelle ist.
Die Rückgabe der Leitung an den Schiffer wird ferner in dem Falle nicht ohne Weiteres zuzulassen sein, wenn der Strandvogt auf Grund des §. 9 des Entwurfs eingeschritten ist, weil Grund zu der Besorgniß vorlag, daß durch die eigene Leitung des Sehiffers Gefahr für Menschenleben entstehen oder die Sicherheit der Schiffahrt beein⸗ trächtigt werden würde, oder daß der Schiffer in böser Absicht handle. Unter solchen Umständen darf der letztere nur dann wieder in Funktion treten, wenn der Strandvogt anzuerkennen hat, daß der Grund zu jener Besorgniß inzwischen weggefallen ist. —
. 11. Wenn der Strandvogt im Falle der Seenoth eines Schiffes Maßregeln zur Rettung, Bergung oder Hülfsleistung an⸗ ordnet, wird er selten in der Lage sein, dieselben allein mit dem Bei⸗ stande der ihm zugeordneten Unterbeamten zur Ausführung zu brin⸗ gen; gewöhnlich wird er sich darauf angewiesen sehen, die Beihülfe der Küstenbewohner in Anspruch zu nehmen. Ein direkter Zwang gegen die letzteren, ihm in allen solchen Fällen den nöthigen Beistand zu gewähren, wie er z. B. in der preußischen Strandungsord⸗ nung vom 10. November 1728 II. 5, 9, im ostpreußischen Provinzialrecht Zus. 229 §. 3, im westpreußischen Publikan⸗ dum vom 31. Dezember 1801 I. §. 1, in der neuvorpommerschen Verordnung vom 14. Juli 1777, §. 1, in der schleswig⸗holstein⸗ schen Strandordnung §. 6, in der hannoverschen Strandungsordnung §§. 1, 7, 8, in der Anweisung für das Fürstenthum Lübeck vom 27. Juni 1820 §. 3 vorgesehen und in dem pommerschen Edikt vom 4. April 1743 §. 10 d. sogar noch durch Zulassung einer Civilklage auf Schadensersatz gegen säumige Küstenbewohner geschärft ist, würde war als das geeignetste Mittel angesehen werden können, dem Ein⸗ schreiten des Strandvogts einen möglichst umfassenden Erfolg zu sichern; indessen läßt sich die Belastung der Küstenbewoyner mit einer o drückenden Verpflichtung nicht rechtfertigen, weil ein unbedingter Pnhan zu Dienstleistungen, welche lediglich den Zweck haben, Objekte des Privateigenthums aus der See in Sicherheit zu bringen, eine zu weit gehende Beschränkung der persönlichen Freiheit in sich schliehen würde, als daß er von der Reichsgesetz⸗ gebung gutgeheißen werden könnte. Ein solcher Zwang ist daher in Strandungsfällen nur in demselben Umfange zuzulassen, in welchem er allgemein als ein Nothrecht anzuerkennen ist. Die maßgebende “ enthält das Reichs⸗Strafgesetzbuch im §. 360, welcher estimmt: Mit Geldstrafe bis zu 50 Thalern oder mit Haft wird bestraft ꝛc.: 10) wer bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Noth, von der Polizeibehörde oder deren Stellvertreter zur Hülfe aufge⸗ fordert, keine Folge leistet, obgleich er der Aufforderung ohne er⸗ hebliche eigene Gefahr genügen konnte. 8 5
Ereignet sich ein Strandungsfall unter solchen Umständen, daß er den Charakter eines Unglücksfalls annimmt, so ist das zwangs⸗ weise Aufgebot der Küstenbewohner zur Hülfe ebenso berechtigt, wie beispielsweise in dem Falle, wenn ein Haus in Brand geräth und die Nachbarn von der, Obrigkeit zur Rettung der Gefähr⸗ deten angehalten werden. Unter diesen beschränkenden Voraussetzungen: daß ein Unglücksfall vorliegt, daß die verlangte Hülfeleistung für den dazu Aufgeforderten nicht mit erheblicher eigener Gefahr verbunden ist und daß der Zwang zur Hülfeieistung nicht ein physischer, sondern nur eine meralische Nöthigung mittelst Androhung der gesetzlichen Strafe sein darf, muß dem Strandvogt das Recht beigelegt werden, die Kuͤstenbewohner bei mangelnder Bereitwilligkeit zur Hülfe⸗ leistung anzuhalten, wenn nicht gerade in Fällen, in denen es sich um die Rettung von Menschenleben handelt, die Rettung deshalb in Aussicht stehende Berge⸗ oder Hülfslohn nicht hoch genug ist, um die Küstenbewohner zum freiwilligen Beistand zu bestimmen. Von diesen Erwägungen aus⸗ gehend, auf welchen auch die gleichartige Vorschrift der oldenburgischen Strandungsordnung §. 3 beruht, verweist der Entwurf lediglich auf §. 360 Nr. 10 des Strafgesetzbuchs mit der Maßgabe, daß die dort der Polizeibehörde ertheilte Befugniß in Strandungsfällen dem Strand⸗ vogte zustehen soll. Der Zweck dieser Modifikation ergiebt sich aus den Motiven zu §. 7 des Entwurfs, nach welchen der Strandvogt die Funktionen der Polizeibehörde in solchen Fällen auszuüben hat. .
Der Strandvogt bedarf aber zur Erfüllung seiner Aufgabe nicht nur persönlicher Unterstützung; ebenso nothwendig ist für ihn bisweilen die schleunige Beschaffung von Fahrzeugen und Geräthschaften zur Ausführung seiner Anordnungen, und um in möglichst kurzer Zeit Hülfe bringen zu können, wird er bisweilen genöthigt sein, andere Zu⸗ gänge zum Strande als die öffentlichen Wege in Anspruch zu nehmen. Wird ihm die Benutzung solcher Hülfsmittel versagt, so wird der Eigenthümer zur Gewährung derselben dann nicht gezwungen werden können, wenn es sich lediglich darum handelt, Sachen durch Bergung oder Hülfeleistung in Sicherheit zu bringen; denn das Eigen⸗ thum des Einen darf nicht angetastet werden, damit das Eigenthum des Anderen vor Schaden bewahrt werde. Handelt es sich aber um die Rettung von Menschenleben, so ist der Eingriff in das Eigenthum des We gernden zweifellos gerechtfertigt, wenn für den Schaden, wel⸗ chen er dadurch erleidet, Entschädigung gewährt wird. Der §. 11 des Entwurfs gestattet deshalb dem Strandvrogt, in diesem Falle die Ge⸗ währung der vorhin bezeichneten Hülfsmittel in Anspruch zu nehmen, und bedroht die Weigerung mit der im §. 360 des Straf⸗ sesetzbuchs bestimmten Strafe. Was das Maß der Entschädigung anlangt, so wird dabei ein entgangener Gewinn nicht in Rechnung
ebracht werden dürfen, weil die erwähnten Objekte lediglich zum weck der Erfüllung einer allgemeinen Menschenpflicht in An⸗ spruch genommen werden sollen. Der Entwurf sichert deshalb nur den Ersatz des wirklichen Schadens zu. Der letztere aber ist in jedem Falle zu vergüten; kann der Ensatz nicht wie andere Bergungs⸗ oder Hülfskosten, g⸗mäß Artikel 753 des Handelsgesetzbuchs gedeckt werden, so ist er auf die Staatskasse zu übernehmen, weil die Gegen⸗ stände, für welche die Entschädigung zu leisten ist, im öffentlichen In⸗ teresse der Verfügung des Eigenthümers entzogen worden sind.
Aus den zu §. 8 des Entwurfs angegebenen Gründen schließt der letzte Absatz des §. 11 die Anwendung der übrigen Vorschriften dessel⸗ ben auf die Vereine zur Rettung Schiffbrüchiger mit der Maßgabe aus, daß deren Fahrzeuge und Geräthschaften vom Strandvogt zur Ret⸗ tung von Menschenleben in soweit in Anspruch genommen werden dür⸗ fen, als die Vereinsmannschaft nicht selbst einschreitet. Die letztere Bestimmung ist erforderlich, damit zur Erreichung jenes Zweckes kein Hülfsmittel unbenutzt gelassen werde. “
§. 12 bezeichnet die Aufgaben, welche der Strandvozt in einem Strandungsfalle vor allen anderen zu erfüllen hat. Im Anschluß an die Bestimmungen, welche in den §§. 9 bis 11 im Interesse der ge⸗ fährdeten Menschenleben getroffen sind, legt der §. 12 dem Strand⸗ vogt ausdrücklich die Pflicht auf, zuerst für die Rettung der Personen zu sorgen, welche der Seenoth ausgesetzt sind. Sodann soll er, wenn es zur Bergung kommt, die Schiffs⸗ und Ladungspapiere, namentlich das Schiffsjournal an sich nehmen, das letztere mit dem Datum und seiner Unterschrift abschließen und dann die Papiere dem Schiffer zurückgeben. Die Anordnung ist erforderlich, damit die Erhaltung der als Beweismittel für eine Menge von Rechtsverhältnissen wichtigen Schiffs⸗ papiere gesichert und in das Journal ein amtlicher Vermerk aufge⸗
unterbleiben soll, weil der
nommen werde, durch welchen ersichtlich gemacht wird, daß demnächst emaß Art. 490 — 494 des Handelsgesetzbuchs eine Verklarung abzu⸗ egen ist.
§. 13. Der Zweck der Bergung und Hülfsleistung ist, Schiff und Ladung in Sicherheit zu bringen (Handelsgesetzbuch Art. 742). Ohne Gefährdung der Interessen der Eigenthümer dieser Objekte ist er nur zu erreichen, wenn der Verbleib der letzteren einer strengen Kontrole unterworfen wird. Der §. 13 bestimmt deshalb zunächst, daß ohpe Genehmigung des Schiffers oder des Strandvogts, je nachdem der eine oder der andere das Verfahren leitet, nichts aus dem Schiffe fortgeschafft werden darf. 8 8
Zugleich legt er diesen Personen die Befugniß bei, u bestimmen, an welchen Ort die fortgeschafften Gegen⸗ lande und das Schiff zu bringen sind. Dabei ist zugleich für die Fälle Vorsorge zu treffen, in welchen es aus irgend einem Grunde nicht angängig ist, daß der Berger die Bestimmung des Schiffers oder des Strandvogts über den Ort einhole. Bisher pfleg⸗ ten die Berger in solchen Fällen, namentlich an der Nordsee, die ge⸗ borgenen Güter dahin zu schaffen, wo sie für sich den größten Vor⸗ theil aus der Bergung zu ziehen hofften, ohne daß dabei auf das In⸗ teresse der Eigenthümer Rücksicht genommen wurde. Die Folge da⸗ von war nicht selten eine Verschleppung der Bestandtheile einer Schiffsladung nach verschiedenen entlegenen Orten, so daß den Eigen⸗ thümern nicht nur die Ermittelung des Verbleibs der Sachen erschwerit, sondern auch die Wiedererlangung der letzeren erheblich vertheuert wurde. Um diesen Nachtheilen vorzubeugen, ist es unerläßlich, den Ort, an welchen geborgene Gegenstände in Ermangelung einer Anwei⸗ sung des Schiffers oder des Strandvogts zu bringen sind, mög⸗ lichst genau im Voraus festzustellen. Der §. 13 bezeichnet deshalb als subsidiären Bestimmungsort des geborgenen Gutes den zunächst erreichbaren deutschen Hafen oder Landungsplatz. Nur wenn der Be⸗ folgung dieser Vorschrift erhebliche Hindernisse entgegenstehen, also z. B. wenn widriger Wind die Erreichung jenes Hafens oder Lan⸗ dungsplatzes verhindert, soll die Fortschaffung der Gegenstände an einen anderen Ort gestattet sein. Im Anschluß an den Art. 752 Nr. 2 des Handelsgesetzbuchs, welcher einen Anspruch auf Berge⸗ und Hülfslohn nicht zuläßt, wenn von den geborgenen Gegenstän⸗ den dem Schiffer, dem Eigenthümer oder der zuständigen Be⸗ hörde nicht sofort Anzeige gemacht wird, spricht der §. 13 des Entwurfs den gleichen Rechtsnachtheil für den Fall aus, daß geborgene Sachen, falls nicht Hindernisse entgegenstehen, v. einem anderen als dem zunächst erreichbaren deutschen Hafen oder Landungsplatz gebracht oder bei der Ankunft am Lande nicht sofort der nächsten Polizeibehörde oder dem Strandvogt angezeigt werden.
Der Schlußsatz des §. 13 ordnet die Verzeichnung der aus dem Schiff fortgeschafften Gegenstände an, um deren Kontrole zu er⸗ eichtern.
§. 14 des Entwurfs trifft ähnliche Bestimmungen, wie sie der §. 13 enthält, für den Fall, daß die Bergung nicht auf dem Wasser, sondern vom Strande aus erfolgt. Werden an den letzteren Theile des Schiffes oder Gegenstände, welche sich auf demselben befanden, angetrieben, so hat derjenige, welcher sie birgt, hiervon sofort einem der Strandbeamten Anzeige zu machen und, sobald es verlangt wird, die geborgenen Sachen abzuliefern.
§. 15. Das Zusammenwirken der Strandbehörden mit den Zoll⸗ behörden, welches durch die zollamtliche Behandlung des Strandgutes bedingt ist (vgl. zu §. 7), hat zur nothwendigen Folge, daß das ge⸗ borgene Gut von dem Strandamt und dem Zollbeamten in gemein⸗ schaftliche Gewahrsam genommen wird. Diese Gewahrsam endet naturgemäß, wenn die zollamtliche Abfertigung bewirkt ist.
§. 16. Es liegt gleichmäßig im Interesse der Eigenthümer des geborgenen Guts, wie der Zollverwaltung, daß die einzelnen Bestand⸗ theile desselben, sowie deren Werth und Menge thunlichst festgestellt werden. Schon in älteren Gesetzen, z B. in der preuzischen Stran⸗ dungsordnung vom 10. Novemher 1728 IV. 2, 6, 13 war hierfür Vorsorge getroffen. Zu diesem Zweck und mit Rücksicht darauf, daß nach dem Handelsgesetzbuche Art. 746 — 749 die Höhe des Berge⸗ oder Hülfslohns von dem Werth der geborgenen Sachen nicht ab⸗ hängt, schreibt der §. 16 eine Inventarisirung der geborgenen Sachen und die Verzeichnung ihres Werths und ihrer Menge, falls diese ohne Weiterungen zu ermitteln sind, unter Zuziehung des Schiffers und des Zollbeamten vor. Die Aufnahme dieser Nachweisung ist, wie das weitere Verfahren mit den geborgenen Gezenständen dem Strandamt übertragen, weil es sich hierbei um administrative Arbeiten handelt, mit welchen der Strandvogt unbeschadet seiner Berufsthätigkeit nicht belastet werden darfk. 8
Das Inventar soll seiner Bestimmung gemäß allen Interessenten zugänglich sein; es ist ihnen deshalb die Einsicht desselben und die Fertigung von Abschriften zu gestatten. 3
. 17. Sobald das Strandamt die Inventarisation beendet und der Zollbeamte die erforderlichen Vorkehrungen zur Sicherung des Zollinteresses getroffen hat, ist für die Deckung der Kosten Sorge zu tragen, welche durch die Bergung entstanden sind. Das Handelsgesetz⸗ buch giebt im Art. 753 wegen der Bergungskosten mit Einschluß des Bergelohns dem Gläubiger an den geborgenen Gegenständen bis zur Sicherheitsleistung ein Zurückbehaltungsrecht. Die Auslieferung dieser Gegenstände an die Eigenthümer bezw. deren Vertreter ist deshalb im §. 17 des Entwurfs davon abhängig gemacht, daß zuvor die Bergungs⸗ kesten und der Bergelohn bezahlt oder sichergestellt werden. Ist dies ge⸗ schehen, so soll die Auslieferung, falls der Schiffer anwesend ist, an ihn er⸗ folgen, da er für Schiff und Ladung verantwortlich und mithin zur Empfang⸗ nahme in erster Reihe legitimirt ist; fehlt der Schiffer und melden sich andere Personen unter Nachweisung ihrer Befugniß zur Empfang⸗ nahme, so werden ihnen die fraglichen Sachen ausgeantwortet.
§. 18. Nicht selten, namentlich wenn fremde Schiffe an den deutschen Küsten stranden, sind Schiffer, Rheder, Ladungseigenthümer und Versicherer in Verlegenheit, vertrauenswürdige und geschäftskun⸗ dige Personen in der Nähe des Strandungsortes zu ermitteln, welchen sie die Vertretung ihrer Interessen bei den Verhandlungen mit dem Strandamt, den Bergern ꝛc. übertragen können. Für die Privatbethei⸗ ligten wie für die Strandbehörden ist es von gleicher Wichtigkeit, daß diese Vertretung zuverlässigen Personen anvertraut wird: für die ersteren, damit der Strandungsfall nicht zu ihrer Uebervortheilung ausgenutzt werde, für die letzteren im Interesse der Beschleunigung und möglichsten Vereinfachung jener Verhandlungen. Der Entwurf ermächtigt daher die Landesregierungen, an geeigneten Orten Sachverständige zur Uebernahme solcher Vertretungen zu bestellen, welche dann nach jeder Strandung den Betheiligten namhaft zu machen sein würden. Ob die letzteren eine von diesen Personen oder eine andere mit ihrer Vertretung betrauen wol⸗ len, bleibt ihnen völlig freigestellt. . 3
§. 19. Nach Art. 504 des Handelsgesetzbuchs ist der Schiffer berechtigt, die ihm anvertraute Ladung zu verkaufen, wenn ein erheb⸗ licher Verlust wegen drohenden Verderbs oder aus sonstigen Gründen anders nicht abzuwenden ist, er soll jedoch, wenn thunlich, dazu die Anweisungen der Ladungsbetheiligten einholen. W“
Für die Zeit, während welcher sich geborgene Gegenstände in der Gewahrsam des Strandamts befinden, und dadurch der Verfügung des Schiffers entzogen sind, überträgt der Entwurf dessen Befugnisse und Verpflichtungen hinsichtlich der Veräußerung auf die gedachte Behörde mit denjenigen Modifikationen, welche sich aus der Natur der Verhältnisse von selbst ergeben (vergl. bremische Verordnung vom 23. Mai 1834, §. 3). 1 8
§. 20. Die Befugniß des Strandamts gemäß §. 17, die gebor⸗ genen Gegenstände dem Schiffer oder den sonstigen Empfangsberech⸗ tigten auszuliefern, kann nur in den Fällen Platz greifen, in welchen das Recht zur Empfangnahme zweifellos 88 und der Berechtigte bereit und in der Lage ist, die ihm zugewiesenen Sachen an sich zu nehmen. Ist die Legitimation einer Person, welche auf die Ausliefe⸗ rung Anspruch macht, zweifelhaft, oder ist ein Empfangsberechtigter nicht zu ermitteln, oder wird die Annahme von Gegenständen, welche das Strandamt auszuantworten bereit ist, verweigert, so kann von dieser lediglich mit administrativen Funktionen betrauten Behörde die Angelegenheit nicht erledigt werden, sondern es wird dann die Mit⸗ wirkung des Gerichts erforderlich, um die entstandenen Rechtsstreitig⸗ keiten zu entscheiden und nöthigenfalls die wirklich Berechtigten im
Wege des öffentlichen Aufzebots zu ermitteln. Der §. 20 bestimmt deshalb, daß das Strandamt unter den erwähnten Voraussetzungen die weitere Bestimmung über die Gegenstände, an deren Auslieferun an die Empfangsberechtigten es verhindert ist, unter Mittheilung der bezüglichen Verhandlungen dem zuständigen Gericht des Ortes de Bergung oder Hülfsleistung anheimzugeben hat. Die Verweisung der bezeichneten Angelegenheiten vor dieses Gericht rechtfertigt sich durch die Erwägung, daß es im Interesse der Vereinfachung der Rechtspflege liegt, alle auf einen Strandungsfall bezüglichen Proze duren in einem und demselben Forum vor sich gehen zu lassen un deshalb an die Stelle verschiedener persönlicher Fora, welche sonst 3 konkurriren könnten, den Gerichtsstand der belegenen Sache zu 33 Bestehen im Bereich des Bergungsorts mehrere Gerichte erster In⸗ stanz mit verschiedener Kompetenz neben einander, so wird dasjenige 8 mit der Sache zu befassen sein, welchem das dort geltende Recht die Strandungsfälle zuweist. Die Ueberweisung der Gegenstände wird in einer körperlichen Ablieferung zunächst nicht zu bestehen brauchen. Es genügt vor⸗ läufig, wenn das Strandamt dem Gerichte die Ueberweisung im schriftlichen Wege erklärt. Das Strandamt hat dann die Dispositio⸗ nen des Gerichts abzuwarten und wird, bis diese erfolgen, selbstver⸗ für die Aufbewahrung der Gegenstände Sorge zu tragen aben. 1 Auch wenn demnächst das Gericht die Leitung des Verfahrens übernommen hat, sind die administrativen Geschäfte noch nicht völlig abgeschlossen. Die ihm überwiesenen Gegenstände bedürfen während des Aufgebots⸗ oder Prozeßverfahrens ebenfalls einer sorgsamen Auf⸗ bewahrung und Verwaltung; es kann in dieser Zeit ihr Verkauf noth- wendig werden und nach Beendigung der gerichtlichen Prozedur ist die Auslieferung der Gegenstände oder ihres Erlöses an die Berechtigten vorzunehmen. Diese Geschäfte unbedingt durch das Gericht selbst wahrnehmen zu lassen, wird durch ein Vedürrni nicht geboten. Zum Theil werden sogar die Einrichtungen der Gerichte nicht der Art sein, um sie zur Wahrnehmung solcher Geschäfte in Stand zu setzen. Das zuständige Gericht ist daher befugt, die Aufbewahrung und den Ver⸗ kauf der geborgenen Gegenstände dem Strandamte selbst oder einer sonst geeigneten Stelle zu übertragen und im letzteren Falle das Strandamt zur Auslieferung der Gegenstände an die von ihm bezeich⸗ nete Stelle anzuweisen. Das Gericht hat es somit in der Hand, alle rein administrativen Akte von sich fern zu halten.
III. Abschnitt. Von Seeauswurf und strandtriftigen Gegenständen, sowie von versunkenen und seetriftigen Gegenständen.
Während der zweite Abschnitt die Aufgabe hatte, das Verfahren bei eigentlichen Strandungsfällen, in denen ein Schiff sich in gegen⸗ wärtiger Scenoth befindet, durch Detailbestimmungen erschöpfend zu regeln, beschränkt sich der dritte Abschnitt auf einige Vorschriften für die Fälle, in welchen, sei es nach vorangegangener Strandung eines Schiffs oder in Folge eines sonstigen Unfalls, einzelne in die See ge⸗ rathene Gegenstände an den Strand getrieben und hier gevorgen oder im Wasser aufgefunden und in Sicherheit gebracht werden. Eine regel⸗ mäßige Mitwirkung des Strandvogts hat in solchen Fällen nicht ein⸗ zutreten; es handelt sich vielmehr hier nur darum, ähnlich wie bei Sachen, welche auf dem Lande verloren gegangen sind und demnächst gefunden werden, für die Ermittelung des Eigenthümers Sorge zu tragen und die Voraussetzungen festzustellen, unter welchen die Berger Anspruch auf eine Vergütung für ihre Mühewaltung haben sollen.
§. 21. Das Handelsgesetzbuch sichert in Art. 742 die Gewährung eines Bergelohns nur für den Fall zu, daß ein Schiff oder dessen Ladung in einer Seenoth, nachdem sie der Verfügung der Schiffs⸗ besatzung entzogen oder von derselben verlassen waren, von dritten Personen in Sicherheit gebracht werden. Der §. 21 des Entwurfs gesteht einen Anspruch auf Bergelohn auch denjenigen zu, welche außer dem Fall der Seenoth eines Schiffs besitzlos gewordene Gegenstände, wenn sie von der See auf den Strand geworfen (Seeauswurf) oder gegen denselben getrieben werden (strandtriftige Gegenstände), vom Strande aus bergen. Diese Borschrift findet darin ihre Begründung, daß auch für die Bergung der hierbei in Frage kommenden Gegenstände im Interesse des Eigenthümers ein Bergelohn in Aussicht gestellt werden muß; unterbliebe dies, so würde nicht selten der Fall eintreten, daß entweder Niemand sich bereit finden ließe, den Mühewaltungen der Bergung sich zu unter⸗ ziehen, oder daß, wenn dies dennoch geschähe, die Berger die geborge⸗ nen Gegenstände, ohne sie zur Anzeige zu bringen, stillschweigend sich aneignen. Beiden Eventualitäten wird durch die Gewährung von Bergelohn am wirksamsten vorgebeugt. —
Das Handelsgesetzbuch giebt jedoch im Art. 752 Nr. 2 ein An⸗ recht auf Bergelohn nur bei Erfüllung der korrespondirenden Ver⸗ pflichtung, von den geborgenen Gegenständen dem Schiffer, dem Eigen⸗ thümer oder der zuständigen Behörde sofort Anzeige zu mochen. Der Schlußsatz des §. 21 des Entwurfs spricht deshalb für die hier in Rede stehenden Fälle diese Verpflichtung ebenfalls aus.
§. 22. Völlig gleichartig liegen im Wesentlichen die Verhält⸗
nisse, wenn die Bergung außerhalb des Falles einer gegenwärtigen
(versunkenene Gegenstände) oder in
Seenoth auf dem Meeresgrunde b Der §. 22 erklärt
offener See (seetriftige Gegenstände) vor sich geht.
deshalb auch auf diesen Fall die in §. 21 enthaltenen Bestimmungen
für anwendbar. Nur eine Modifikation hinsichtlich der Anzeige⸗ pflicht erscheint geboten. Wenn die Mannschaft eines Schiffs, wäh⸗ rend dieses auf einer Fahrt von Deutschland nach dem Auslande be⸗ griffen ist, unterwegs auf hoher See einen Gegenstand birgt, so kann das Schiff selbstverständlich seine Fahrt nicht zu dem Zwecke unter⸗ brechen, damit alsbald bei der zuständigen deutschen Behörde Anzeige von der Bergung gemacht werde. Mit Rücksicht hierauf ist im §. 22 bestimmt, daß die Pflicht zur Anzeige nach Maßgabe des §. 21 für Fahrzeuge, welche in offener See bergen, nur dann besteht, wenn sie nach der Bergung zuerst an der deutschen Küste anlegen oder vor Anker gehen. Geht das Schiff zunächst nach einem ausländischen Hafen, so wird nach Maßgabe der dortigen Gesetze mit den gebor⸗ genen Gegenständen zu verfahren sein. 1 8
§. 23 enthält hinsichtlich der Beförderung geborgener Gegenstände nach dem zunächst erreichbaren deutschen Hafen oder Landungsplatze für die Bergung außerhalb des Falles gegenwärtiger Seenoth die⸗ selbe Bestimmung, welche bezüglich der Bergung in Seenoth in §. 13 getroffen ist. 1 8
§. 24. Gegenstände, welche in der See verloren gegangen sind, werden häufig durch Wind und Wellen in Gewässer an der Küste ge⸗ trieben, von welchen es nach ihrer Beschaffenheit zweifelhaft sein kann, ob sie noch als Bestandtheile der See anzusehen sind. Daß die Ber⸗ gung auf solchen Gewässern oder auf den Ufern derselben eben so wie die Bergung auf der See oder ihrem Strande zu behandeln ist, liegt in der Natur der Sache; es werden deshalb die Vorschriften der §§. 21 — 23 auch auf diese Gewässer anzuwenden sein. Hierzu ist in⸗ dessen eine nähere Bezeichnung der letzteren für die einzelnen Theile der deutschen Küsten erforderlich, welche zweckmäßiger den betheiligten Landesregierungen vorbehalten bleibt. b
§. 25. Ist der Bergefall einer Behörde oder einem Beamten angezeigt, so wird zunächst eine Feststellung der Thatsachen erforder⸗ lich, von welchen die Ermittelung des Eigenthümers der geborgenen Gegenstände und die Gewährung des Bergelohns abhängig ist. Der §. 25 bestimmt deshalb, daß der Berger hierüber von dem Strand⸗ amt zu vernehmen und demnächst Seitens des letzteren für die Auf⸗ bewahrung der geborgenen Sachen Sorge zu tragen ist. In Betreff des weiteren Verfahrens mit denselben ist lediglich auf die auch hier anwendbaren §§. 17, 19, 20 zu verweisen.
§. 26. Gegenstände, welche unter den in den §§. 21, 22 ange⸗ gebenen Voraussetzungen geborgen sind, werden selten eine Bezeichnung an sich tragen, welche den Eigenthümer derselben ersichtlich macht. Ihre sofortige Abgabe durch das Strandamt an das Gericht zum Zwecke des öffentlichen Aufgebots würde häufig Kosten verursachen, welche zum Werthe des Objekts in keinem Verhältniß ständen, oder sie würde zu einer Verzögernng der Ermittelung des Empfangsberech⸗ tigten führen. Es empfiehlt sich deshalb, wo ein Bedürfniß dazu vorliegt, Einrichtungen zu treffen, welche eine Erledigung der Sache