— Der Staats⸗Minister Dr. Fäustle reist heute zur Theil⸗ nahme an den Verhandlungen des Bundesrathes nach Berlin und ist für die Dauer der Abwesenheit die Leitung des Staats⸗ Ministeriums der Justiz- dem Staatsrath v. Fischer übertagen worden.
Sachsen. Dresden, 27. Januar. Der Geburtstag der Königin Marie wurde heute festlich begangen.
— Der König hat sich zum Chef des 1. Leib⸗Grenadier⸗ Regiments, des Feld⸗Artillerie⸗Regiments, Corps⸗Artillerie und des Garde⸗Reiter⸗Regiments erklärt. Auch hat Se. Majestät im Verfolg der letztwilligen Verfügung des Hochseligen Königs Jo⸗ hann allen in⸗ und ausländischen Regimentern, deren Chef er gewesen, die Säbel resp. Degen, die der Verewigte als Chef dieser Regimenter getragen hat, zum Andenken an den erlauch⸗ ten Chef übersenden lassen.
— Die Erste Kammer berieth in ihrer heutigen Sitzung das Postulat der Staatsregierung für Justizbauten bez. Erwer⸗ bung von Bauplätzen zu Erbauung von Landgerichten, und schloß sich allenthalben den von der Zweiten Kammer gefaßten Beschlüssen an, abgesehen von den Postulaten für Landgerichte in Döbeln und Freiberg, worüber die Berathung ausgesetzt wurde. Vorher ging eine allgemeine Diskussion, die sich in Veranlassung mehrerer Bemerkungen der Deputation in ihrem Berichte über die Höhe des diesmaligen außerordentlichen Budgets zu
einer Generaldebatte über das außerordentliche Budget selbstgestaltete. Staats⸗Minister Freiherr von Friesen nahm Gelegenheit, dem Vorwurfe gegenüber, der in jenen Bemerkungen gefunden wer⸗ den könnte, eingehend die Grundsätze darzulegen, nach denen die sächsische Finanzverwaltung unter seiner Leitung verfahren sei, und auf die vorzüglichen Erfolge hinzuweisen, die während dieser Zeit erzielt worden sind. Die Mitglieder der Kammer, welche über diese Angelegenheit das Wort ergriffen, erklärten, daß in dem Berichte der Deputation in keiner Weise ein Vorwurf gegen die Finanzverwaltung liege, daß aber die Höhe des außerordent⸗ lichen Budgets dringend dazu auffordere, ein wachsames Auge darauf zu haben, daß die Lage der sächsischen Finanzen auch in Zukunft eine gleich günstige bleibe, wie bisher.
— Die Zweite Kammer brachte heute die gestern abge⸗ brochene Berathung des Landtagsordnungsentwurfs zu Ende. Eine längere Debatte rief bei §. 27 der Vorschlag der Deputation hervor, nach welchem an die Beantwortung einer Interpellation oder deren Ablehnung auf genügend unterstützten Antrag eine Besprechung des Gegenstandes der Interpellation sich anschließen kann, wogegen das Recht des Interpellanten zur Begründung seiner Interpellatien wegfallen soll. Für diesen Vor⸗ schlag sprachen die Abgg. Dr. Biedermann, von Könneritz, Referent von Einsiedel, dagegen die Abgg. Günther und Jungnickel und Seitens der Regierung Staats⸗Minister v. Nostitz⸗ Wallwitz und Geheimer Rath Schmaltz. Die Kammer nahm den Antrag der Deputation in seinem ersten Theile an, stellte aber zugleich durch Annahme eines Antrags des Abg. Jung⸗ nickel das Recht des Interpellanten wieder her, seine Interpella⸗ tion näher auszuführen. Bei §. 32 rief die Diätenfrage eine Debatte hervor, welche jedoch bald durch Annahme eines Schluß⸗ antrags abgeschnitten wurde. Der Deputationsantrag, die Tagegelder auf 12 Mark festzusetzen, wurde angenom⸗ men, damit fiel ein Antrag des Abg. Fahnauer, sie auf der bisherigen Höhe von 3 Thlr. zu belassen. Ebenso wurde ein Antrag desselben Abgeordneten, welcher Staatsbeamte, die
Diäten als Abgeordnete beziehen, gehalten wissen will, ihre Stell⸗ vertretung aus eigenen Mitteln zu übertragen, abgelehnt. Den Beitritt zu dem Beschluß der Ersten Kammer, wonach in der Regel nach Konstituirung der Kammern und Wahl der Deputa⸗ tionen die Kammern auf vier Wochen vertagt und hierbei die⸗ jenigen Deputationen bezeichnet werden sollen, welche während der Vertagung zusammenzubleiben und ihre Arbeiten fortzusetzen haben (einem Beschlusse, der auf Anregung der die Abkürzung der Landtage bezweckenden Anträge der Abgg. Walter und Kretzschmar gefaßt worden war), lehnte die Kammer nach län⸗ gerer Debatte ab. Z8II111“
Leipzig, 27. Januar. (W. T. B.) Die beiden hiesigen politischen Vereine, die gemeinnützige Gesellschaft und der stati⸗ stische Verein, beschlossen in gemeinschaftlicher Versammlung eine engere Verbindung der Mitglieder der reichstreuen liberalen Partei, znnächst im Königreich Sachsen, herzustellen und zwar zur Hebung des politischen Lebens, zur Verständigung über die auf wirthschaftlichem Gebiete möglichen und zu erstrebenden Re⸗ formen und endlich zur gemeinsamen Bekämpfung der reichs⸗ und kulturfeindlichen Tendenzen, insbesondere der ultramontanen und sozialistischen Parteien. Zur Herbei⸗ führung dieser engeren Verbindung wurde ein Ausschuß von 15 Personen gewählt, der sich unverzüglich mit sämmtlichen libe⸗ ralen Wahlkomites in Sachsen in Verbindung setzen soll. Die Versammlung beschloß, nach London folgende telegraphapischen Depesche abzusenden:
Den in London am 27, d. versammelten Engländern sagen heute die in Leipzig vereinten, allen Konfessionen angehörenden, deutschen Männer ihren herzlichsten Dank. Sie betrachten die dortige Ver⸗ sommlung nicht nur als eine wichtige moralische Unterstützung des Deutschen Reiches in seinem Kampfe mit der herrschenden Richtung der katholischen Kirche, sondern auch als Anerkenntniß der Thatsache, daß es sich weder handelt um die Verkümmerung der katholischen Glaubenswahrheiten, noch um eine nur Deutschland angehende An⸗ gelegenheit, daß vielmehr die Interessen der gesammten Kultur ge⸗ schützt werden sollen als die Lebensbedingungen, auf denen alle Staaten beruhen und die darum von allen Staaten vertheidigt werden müssen.
Württemberg. Stuttgarr, 25. Januar. Der Land⸗ tag wird, wie Minister von Mittnacht andeutete, wahrscheinlich noch in dieser Woche vertagt werden, falls bis dahin der Haupt⸗ finanz⸗Etat und das Finanzgesetz für 1873/75 vollends zum Abschluß gebracht sind. Da aber mehrere wichtige Vorlagen, wie das Eisenbahnbaugesetz und das Retablissement der Armee, noch ihre Erledigung finden sollen, so steht die Wiederberufung des Landtags für die Zeit nach Beendigung des Reichstages, wie bis jetzt vermuthet wird, auf die Woche nach Ostern in Auessicht.
— In der gestrigen Sitzung der Kammer der Abgeord⸗ neten wurde von derselben eine Exigenz von 74,618 fl. 28 kr. verwilligt zur Entschädigung der durch die reichsgesetzliche Auf⸗ hebung der Floßabgaben benachtheiligten früheren Besitzer dieser Gefälle, so weit sie das bisherige Recht auf die Erhebung er⸗ weisen. Die Entschädigung erfolgt im zwölffachen Maßstab des reinen Jahreswerths sammt 4 ½ Proz. Zins vom 1. Juli 1872 bis 1. Mai 1874, und wird aus den französischen Kriegegeldern genommen. Da beide Kammern selbst in einer Eingabe an Se. Majestät den König um die Entschädi⸗ gung gebeten haben, so war die Verwilligung selbstverständlich.
ußerdem wurde in der gestrigen Sitzung noch der Gesetzentwurf über die Aufhebung des Lehensverbandes berathen und in seinen zwölf Artikeln mit allen abgegebenen Stimmen gegen die eine des Abg. Mohl angenommen. Der erste Artikel des Entwurfs
1 — autet 2
„Das Ober⸗Eigenthum über Lehen, welche nach den Grundsätzen des Ritterlehens verliehrn sind, mit Ausnahme der kronlehnbaren Erb⸗ ämter und der Art. 5 genannten Mannlehen, erlischt mit Verkündigung dieses Gesetzes. Die Errichtung neuer Lehen, sowie die Wiederver⸗ leihung heimgefallener Lehen, letztere mit Ausnahme der kronlehnbaren Erbämter, ist ungültig.“ 8
Die weiteren enthalten uur die Modalitäten der Ablösung, den Maßstab u. s. w.
Baden. Karlsruhe, 26. Januar. Der Landgraf Friedrich von Hessen, sowie dessen Gemahlin, Prinzessin Anna von Preußen, trafen vorigen Sonnabend, den 24. d., von Baden kommend, zum Besuch der Großherzoglichen Familie dahier ein und kehrten am nämlichen Tage dorthin zurück.
Heute haben die Herzogin von Hamilton, Prinzessin von Baden, sowie die Erbprinzessin von Monaco und die gleichfalls in Baden weilende Fürstin Leontine von Für⸗ stenberg, Wittwe des Fürsten Maximilian von Fürstenberg, ihre Hohen Verwandten dahier besucht und verabschiedeten sich am Abend von den Großherzoglichen Herrschaften, um nach Baden zurückzukehren.
— Die Abgeordnetenkammer beschloß, den erzbischöf⸗ lichen Tischtitel nur für das Jahr 1874 nicht aber für 1875 zu bewilligen und die Zahlung des Tischtitels pro 1874 einzustellen, wenn das Domkapitel die Vorlage neuer Vorschlagslisten für die Besetzung des Erzbisthums verweigern sollte. Staats⸗ Minister Jolly theilte mit, das Domkapitel habe die demnächstige Vorlage neuer Vorschlagslisten für die Besetzung des Erzbis⸗ thums angezeigt.
Hessen. Darmstadt, 26. Januar. Die Berathungen des Großherzoglichen Justiz⸗Ministeriums über den Gesetzent⸗ wurf, betreffend die Beurkundung des Personenstandes und die Form der Eheschließung in den Provinzen Starkenburg und Oberhessen, haben, wie die „D. 3.“ vernimmt, zu Ende der verflossenen Woche ihren Anfang genommen.
Mecklenburg. Schwerin, 27. Januar. Der Erb⸗ großherzog ist am Sonntag Nachmittag von hier nach Rostock wieder abgereist, die Großherzogin Mutter gestern Abend von Berlin hierher zurückgekehrt.
Schwarzburg⸗Sondershausen. Sondershausen, 23. Januar. In der gestrigen öffentlichen Sitzung des Land⸗ tags wurde der Gesetzentwurf, die Schonzeiten des Wildes be⸗ treffend, nach Berichterstattung durch den Abg. Drechsler, in den 7 ersten Paragraphen unverändert angenommen. Bezüglich eines Antrags des Abg. Drechsler auf Einführung von Jagd⸗ tageskarten zu 15 Sgr. für im Auslande wohnende Jagdtheil⸗ nehmer, ergab sich bei der Abstimmung Stimmengleichheit, in Folge dessen in der nächsten Sitzung nochmals über den Antrag abgestimmt werden muß.
Schweiz. Bern, 27. Janugr. (W. T. V.) rath hat die zweite Revision der Bundesverfassung beendet und den bezüglichen Beschlüssen des Nationalraths gegen⸗ über sich für Beibehaltung der Todesstrafe erklärt, auch daran festgehalten, daß betreffs des Referendums schon die Anzahl von 30,000 stimmberechtigten schweizer Bürgern genügen soll.
— Der Nationalrath hat den Handelsvertrag mit Persien ratifizirt.
— Der Bundesrath wurde von 88 Mitgliedern des National⸗ raths darüber interpellirt, ob er Kenntniß habe von den Um⸗ trieben, die kürzlich zum Zweck der Intervention einer aus⸗ ländischen Macht in der Schweiz zu Gunsten der Ultramon⸗ tanen stattgefunden haben sollten, und welche Maßregeln er eventuell dagegen zu treffen gedenke.
— In dem jurassischen Grenzort Fahy hat sich die Be⸗ völkerung der Verhaftung des seiner Stellung entsetzten Pfarrers gewaltsam widersetzt, und ist eine Kompagnie Infanterie dorthin entsendet worden.
Genf, 27. Januar. (W. T. B.) Ein an Abbé Collet, Sekretär des Bischofs Mermillod, adressirter Ballen des in Bar le Due gedruckten Aufrufs an die Mächte um Intervention zu Gunsten der schweizer Katholiken, ist hier mit Beschlag belegt worden.
Belgien. Brüssel, 27. Januar. (W. T. B.) In der Deputirtenkammer stellte heute der Deputirte Bergé die Anfrage an die Regieeung, ob die Mittheilung des „Daily Telegraph“, daß die deutsche Regierung betreffs der Haltung der klerikalen Presse und des Klerus eine Note an Belgien gerichtet habe, richtig sei und welche Antwort eventuell darauf ertheilt worden sei. Der Interpellant hob bei Begründung der Inter⸗ pellation hervor, daß die belgische Konstitution die Freiheit der Presse garantire, welche erst nach langen Kämpfen er⸗ rungen sei. Die Kammer könne nicht gestatten, daß dieselbe beeinträchtigt werde. Wenn auch die wenig ge⸗ mäßigte Sprache gewisser katholischer Journale zu be⸗ klagen und zu bedauern sei, daß das belgische Episkopat nicht Patriotismus genug besitze, sich einer solchen Sprache zu ent⸗ halten, so könne die Regierung doch nicht für Journalartikel ver⸗ antwortlich gemacht werden. Der Minister der auswärtigen An⸗ gelegenheiten gab hierauf eine Erklärung ab, in welcher er die Informationen der ausländischen Presse über diesen Gegenstand als unrichtig bezeichnete und es in Abrede stellte, daß die deutsche Regierung eine Note, betreffend die Haltung der belgischen Presse so⸗ wie des Klerus an die belgische Regierung gerichtet habe. Der Minister fuhr alsdann fort: „Vor nicht langer Zeit hat ein damals im Amte befindlicher Minister es für angemessen gehalten, die Presse zur Beobachtung einer maßvollen und unparteiischen Haltung auf⸗ zufordern. Ich glaube den Interessen des Landes zu dienen, wenn ich diese Aufforderung erneuere; ich gebe mich der Hoff⸗ nung hin, daß dieselbe nicht vergeblich sein wird. Ich nehme um so weniger Anstand, mich in diesem Sinne auszusprechen, als ich dabei aus freiem Antriebe den berechtigten Rücksichten und Gefühlen Rechnung trage, zu denen wir den befreundeten Mäch⸗ ten gegenüber verpflichtet sind, und indem ich mich gleichzeitig auch von dem Bestreben leiten lasse, die vortrefflichen Beziehun⸗ gen dieser Mächte zu Belgien noch mehr zu befestigen.“ Der Zwischenfall ist damit erledigt.
Großbritannien und Irland. London, 26. Januar. Zur Feier der Vermählung des Herzogs von Edin⸗ burgh gab die Königin auf Osborne am Freitag ein Diner, bei welchem Prinz Leopold, Prinzessin Beatrice, der Herzog von Cambridge, Prinz Leiningen, Graf und Gräfin Gleichen, sowie die Mitglieder des Hofstaates Ihrer Majestät zugegen waren. Am Abend fand ein Ball für die Dienerschaft und Pächterschaft des Gutes Osborne statt, dem die Königin und die Königliche Familie eine Zeit lang anwohnten.
— Unter dem Vorsitz der Königin fand heute auf Osborne ein Ministerrath statt, in welchem die Auflösung des alten Par⸗ laments und die Einberufung des neuen Gegenstand der Erör⸗ terung bildeten.
Es handle sich nicht darum, sich über
— 27. Januar. (W. T. B.) Das auf heute Nachmittag in St. James Hall anberaumte protestantische Sympathie⸗ Meeting für die Kirchenpolitik der deutschen Regie⸗ rung hat unter außerordentlicher Betheiligung stattgefunden. Das Meeting, das gegen 4 Stunden dauerte, begann mit einem Gebete, das Prediger Cadman für Erhaltung der Freiheiten und Privilegien sprach, deren sich Großbritannien erfreue, und das mit dem Wunsche schloß, daß es dem Deutschen Kaiser gelingen
möge, die nämlichen Freiheiten auch für seine Unterthanen
zu erringen. Präsident Sir John Murray zeigte demnächst an, daß unzählige Zustimmungs⸗Adressen und Erklä⸗ rungen aus allen Gegenden der Welt eingegangen seien, unter Anderem von Seiten der Erzbischöfe von Canterbury und Vork, von 337 Mitgliedern des Parlaments, von 1200 den ver⸗ schiedensten religiösen Bekenntnissen angehörenden Geistlichen und aus 60 größeren Provinzialstädten. Nach demnächstiger Ver lesung der Briefe Lord Russells und Stanleys erklärte der Prä⸗ sident, der Zweck des heutigen Meetings sei ein zweifacher. Es solle der Sympathie Ausdruck gegeben werden, die das englische Volk für Deutschland in dessen Kampfe montanismus empfinde, es solle aber auch Großbritannien selbst aus seinem lethargischen Schlafe zur nachdrücklichen Bekämpfung des gefährlichsten aller Feinde erweckt wer den. Die unübertreffliche Antwort des Deutschen Kaisers auf die Zuschrift des Papstes habe nicht nur bei allen Protestanten Europas die lebhafteste Billigung gefunden, sondern sei vo Allem auch als ein noch zeitiger Warnungszuruf für die britisch Nation hoch anzuschlagen. (Stürmischer Beifall). Das heutig⸗ Meeting solle nun bekunden, daß Männer des verschiedensten religiösen Bekenntnisses und der verschiedensten politischen Partei⸗ stellungen zusammengekommen seien, um alle ihre kleinlichen Meinungsverschiedenheiten aufzugeben und zu begraben und sich zu einigen in dem einen Ziele, daß dem Papste und den Vertre tern des Papstthums ein energisches Halt! zugerufen werder müsse. (Wiederholter stürmischer Beifall). Der Dechan von Canterbury begründete hierauf die erste Resolution diesenigen Punkte auszusprechen, in denen die Katholiken und Protestante als religiöse Körperschaften auseinandergehen; die gegenwärtigen Forderungen der Katholiken seien viel weitgehender als vor 40 Jahren, wo dieselben in Großbritannien die Emanzipation ihres Klerus verlangten. Den Protestanten komme es nicht entfernt bei die religiöse Freiheit der Katholiken zu beschränken; es sei aber ihr Recht, für sich dieselbe Freiheit in Anspruch zu nehmen, welche die Katholiken genössen. Es handele sich bei der ganzen Frage überhaupt nicht um die Religion, sondern um die jedem Bürge eines Staates obliegende Pflicht des Gehorsams gegen Gesetz und Verfassung. Die Theilnehmer des Meetings seien lediglich in ihrer Eigenschaft als Bürger eines Staates zusammengetreten;
nicht der Katholizismus, sondern der Ultramontanismus werde
von ihnen bekämpft, dem Kampfe Deutschlands gegen diesen
Ultramontanismus solle durch das Meeting Zustimmung un
Sympathie ausgedrückt werden. Der Deutsche Kaiser aber er⸗
fulle eine ihm obliegende Pflicht, wenn er seine Unterthanen in
ihren Rechten und in ihrer Gewissensfreiheit schütze. Der Ultra
montanismus sei unmöglich, denn derselbe sei nichts als da 8
Verlangen absoluter Gewalt in allen materiellen und geistigen Angelegenheiten für den Papst. Alles solle dem Papste unter⸗
worfen sein. Der Papst habe jetzt sogar auf Kosten der frühe ren Unabhängigkeit seiner Bischöfe und Priester seine Macht
vergrößert. Die römische Kurie bestehe thatsächlich nur aus Je⸗ suiten, deren Ansichten dem Geiste der Zeit diametral entgege.⸗
gesetzt seien. Dr. Döllinger in München sei früher gleichfall
ultramontan gewesen, er habe jedoch den Jesuiten auf dem vor
diesen eingeschlagenen Wege nicht weiter zu folgen vermoch, mit ihm viele Andere, wie sich dies aus der religiösen Bew⸗ gung in Deutschland und der Schweiz ergebe. Der Deutsge Kaiser und der Reichskanzler Fürst Bismarck (stürmischer Bä⸗ fall) seien die Vertreter der Ideen und der Gefühle des dert schen Volks. Ihnen werde von den deutschen Bischöfen haft⸗ näckiger Widerstand geleistet. Der Deutsche Kaiser sei aber in so großer Mann und besitze in seinem Reichskanzler ein so je⸗ waltiges Rüstzeug seiner Pläne, daß er die Rechte seiner Untr⸗ thanen nicht verkümmern und die Zukunft der großen deutscjen Nation nicht aufs Spiel setzen lassen könne. Es sei daher der Wunsch gerechtfertigt, daß der begonnene Kampf erfolgreich zu Ende geführt werde. — Parlamentsmitglied Sir Thomas Chim bers drückte seine Befriedigung darüber aus, daß bürgerliche in geistige Freiheit und päpstliche Herrschaft einander im Kanpfe gegenüber stehen. Seit 500 Jahren sei kein Augenllick vergangen, in dem es nicht nothwendig gewesen, ggen Vergewaltigungen durch die römische Geistlichkeit anzukämpfen, ja sogar dagegen anzustreben, daß nicht aller Grundbesitz in de⸗ ren Hände gerathe. Die Rechte der Krone seien gefährdet ge⸗ wesen und, bevor noch das Wort: „Ultramontanismus“ erfunrden worden, habe sich Großbritannien dagegen erhoben. Wollten Kai⸗ ser, Könige und Präsidenten die jetzigen Forderungen d Papstes sich gefallen lassen, so würden sie nur einfache Mifust des Papstes sein. (Lebhafter Beifall.) Namens der unabhän gigen Religionsbekenntnisse führte Jobson für die Resolutisnen das Wort. Die zweite Resolution wurde von Whzistle begründet. Derselbe machte hauptsächlich geltend, daß in allen Ländern ein gemeinsames Bestreben hervortrete, die Ein⸗ flüsse der jedem Fortschritt feindlichen katholischen Geist⸗ lichkeit zurückzuweisen. Nemdegate unterstützte die Resolutian und wies darauf hin, daß der Jesuitismus fast alle politischm Verwickelungen und Kriege unter den Völkern heraufbeschworen habe. Als Begründer der dritten Resolution trat Sir Kobert
Peel auf. Deutschlands Macht so wachsen möge, daß dasselbe im Stand
sei, in dem begonnenen Kampfe Sieger zu bleiben und dem
deutschen Stamme, in dem die Tugenden der Gerechtiakei und Nachsicht vereinigt seien, seine bürgerliche und religiöse Freiheit sicher zu stellen. Alle Redner hoben hervor, daß es an Goßbri⸗ tannien sei, den Vergewaltigungen des Ultramontanismus der entschiedensten Widerstand entgegen zu setzen.
Aus vielen deutschen Städten waren zustimmende Tele gramme eingegangen, welche zur Verlesung gebracht wurden.
Die von der Versammlung angenommenen Resolutionen sollen Sr. Majestät dem Deutschen Kaiser mitgetheilt werden.
— 28. Januar. (W. T. B.) Das zweite, gestern Abend i Exeter⸗Hall stattgehabte Protestanten⸗Meeting war gleich falls außerordentlich zahlreich besucht. Sir John Murray führte gleichfalls den Vorsitz. Die beantragten Resolutionen fnd die nämlichen, die in dem Meeting in St. James⸗Hall angenammen waren. Die erste spricht dem Briefe des Deutschen Kaisers an den Papst Anerkennung aus. Die zweite erklärt, daß „es Recht un Pflicht der Völker ist, bürgerliche und religiöse Friheit zu wahren und daß daher die Versammlung dem deutschm Volke in seinem Entschlusse, olitik der ultramontanen Partei in
8 8
mit dem Ultra-
Er gab hauptsächlich dem Wunsche Ausdruch daß
der katholischen Kirche standfesten Widerstand zu leisten, tiefes Mit⸗ gefühl entgegenbringe.“ Die dritte Resolution beauftragt den Vorsitzenden, die vorstehenden Beschlüsse zur Kenntniß des Deutschen Kaisers und des deutschen Volkes zu bringen. Die Begründung der ersten Resolution erfolgte durch Dr. Smith. Derselbe hebt hervor, was der Deutsche Kaiser gethan, sei durchaus recht und billig; es sei zu wünschen, daß derselbe auf der betretenen Bahn fortschreite. Dieheutigen Meetings würden für Großbritannien von der größten Bedeutung werden. Die große Wichtigkeit der Frage, um die es sich handele, werde von den englischen Staatsmännern und Geistlichen noch nicht genügend gewürdigt. Man solle ja nicht dem Glauben sich hingeben, daß der Kampf auf nur ein einziges Land beschränkt bleiben könne. Der Amerikaner Dr. Chi⸗ niquy, der 25 Jahre lang katholischer Geistlicher gewesen, erklärt, der Ultramontanismus sei nichts wie eine große Verschwörung gegen die göttlichen Wahrheiten und gegen die Rechte jedes geordneten Landes. Dr. Aldwell aus Portsmouth wendet sich gegen den Erzbischof Manning und hebt hervor, das Papstthum wolle auch Englands Gesetze mit Füßen treten. Dr. Evans aus Birmingham spricht dem geeinigten Deutschland seine Glückwünsche aus und feiert dessen Kaiser mit enthusiastischen Worten. Alle Reso⸗ lutionen wurden unter großem Beifall angenommen.
— Earl Russell, welcher durch Unwohlsein behindert war, den Vorsitz in dem Meeting zu übernehmen, hatte an den Chairman des die Vorbereitungen leitenden Komites, Sir John
Murray, folgendes Schreiben gerichtet:
„Pembroke Lodge, 19. Januar 1874.
Lieber Sir John Murray!
8 Ich habe Sie bereits von dem Grunde benachrichtigt, der mich behindern wird, dem Meeting vom 27. Januar zu präsidiren. Lassen Sie uns nun erwägen, was der Zweck der Versammlung ist.é Erzbischof Manning stellt seine Lehre ganz deutlich und dreist auf: „Die Kirche“, sagt er, „steht für sich und am höchsten (supreme)h. Was aber heißt am höchsten. Eine Macht, die unabhängig ist und selbst die Grenzen ihrer eigenen Ge⸗ richtsbarkeit, sowie damit die Grenzen aller anderen Gerichtsbarkeiten bestimmen kann, ist ipse facto die oberste. Die Kirche Christi in der Sphäre der Offenbarung, des Glaubens und der Moral ist Alles dieses, oder sie ist Nichts, schlechter als Nichts, eine Täuschung und eine Usurpation, d. h. sie ist Christ oder Antichrist.’“ Erzbischof Manning fährt fort zu sagen: „wenn sie Antichrist ist, so ist jeder Cäsar von Nero bis auf den heutigen Tag gerechtfertigt.“
Mit ganz demselben Rechte können wir wenn die römische Kirche Christus ist, so ist jeder Papst von Rodrigo Borgia bis auf den heutigen Tag gerecht⸗ fertigt und muß als Christus betrachtet werden. Was mich betrifft, so waren viele Jahre meiner partamentarischen Laufbahn der Förderung religiöser Frelheit gewidmet. Von 1813 bis 1829 habe ich für die Zulassung der Katholiken zu Aemtern und Parlament ge⸗ stimmt. 1828 nahm ich leitenden Antheil an der Befreiung protestan⸗ tischer Dissenters von den Beschränkungen der Korporation⸗ und Test⸗ Akte. Wiele Jahre lang nachher vabe ich an der Gleichstellung der Juden gearbeitet. Aber weder für römische Katholiken, noch für protestantische Dissenters, noch für Juden habe ich jemals mehr gefor⸗ dert, als gleiche Freiheiten und gleiche Gesetze. Erzbischof Manning sagt von der Kirche: „weon sie Christus ist, so ist sie die höchste Gewalt unter Measchen, das heißt:
1) sie hat ihre Bestallung und Autorität von Gott,
2) ihr ist die Bewahrung des Glaubens und der christlichen Satzung übertragen,
3) sie ist die einzige Auslegerin jenes Glaubens und jener Satzung; „sie hat in jener Sphäre die autoritat’ive Gewalt, Gesetze zu geben und die Gewissen all r in der Taufe Wiedergeborenen zu binden.“
Das aber ist nicht Freiveit, weder bürgerliche noch religiöse. Das heißt die Knie beugen vor einer despotischen, dem Irrthum unter⸗ worfenen Priesterschaft. Dieselben Grundsätze, welche es mir zur Pflicht machten, gleiche Freiheit für römische Katholiken, protestan⸗ rische Dissenters und Juden zu fordern, zwingen mich, gegn eine Verschwörung zu preotestiren, welche bezweckt, das Deutsche Kaiserreich in, so hofft man, nimmer abzuschüttelnde Ketten zu schlagen. Ich eile mit allen Freunden der Freiheit und, wie ich vertraue, mit dem größten Theil der englischen Na⸗ tion, zu erklären, daß ich mich nicht länger einen Jünger bürger⸗ licher und religlöser Freiheit nennen könnte, wenn ich nicht meine Sympathien mit dem Kaiser von Deutschland in dem edlen Kampfe erklären wollte, in dem er begriffen ist. Wir haben nichts mit den Einzelheiten der deutschen Gesetze zu thun; sie mögen gerecht sein oder hart. Wir können es nur dem deutschen Volke anheimstellen, darin 8 sich selbst zu entscheiden, wie wir für uns selbst entschieden haben.
behaupten:
edenfalls aber können wir erkennen, daß die Sache des Deutschen
aiserz die Sache der Freiheit, und daß die Sache des Papstes di Sache der Sklaverei ist. 5
Ich verbleibe ꝛc. 8 gez. Russell.“
Frankreich. Versailles, 27. Januar. (W. T. B.) Die Nationalversammlung nahm heute den Gesetzentwurf über das Almosenier⸗Amt in der Armee mit 345 gegen 263 Stimmen an und bestätigte die Wahl von Marcou zum Deputirten für das Aude⸗Departement. Der Deputirte Gavardie bekämpfte die Bestätigung der Wahl auf das Lebhafteste und gerieth bei dieser Veranlassung in einen heftigen Konflikt mit Gambetta. Die nächste Sitzung findet am Donnerstage statt.
Spanien. Madrid, 27. Januar. (W. T. B.) In dem heutigen Ministerrathe gelangte ein Manifest, welches an die auswärtigen Mächte erlassen werden soll, zur Annahme. Dasselbe wird wahrscheinlich morgen durch die amtliche Zeitung veröffentlicht werden. “
— Den alphonsistischen Klubs soll, wie verlautet, in nächster Zeit gestattet werden, sich wieder zu konstituiren.
— 27. Januar. (W. T. B.) Der General Moriones hat seine Operationen gegen die Carlisten im Norden wieder begonnen und Lopez Dominguez den Oberbefehl in der Pro⸗ vinz Valencia übernommen. — 1
Italien. Rom, 21. Januar. Aus der vom Finanz⸗ Minister veröffentlichten vergleichenden Uebersicht der Einnahmen und Ausgaben des Staatsschatzes in den Jahren 1872 und 1873 ergiebt sich, daß die Einnahmen des Jahres 1873 5 Mill. 799,795 L. weniger betrugen als die des Jahres 1872.
— Die Deputirtenkammer hat heute ihre Sitzungen wieder aufgenommen und über den Gesetzentwurf berathen, wel⸗ cher den obligatorischen Primärunterricht betrifft.
— Die zur Berathung und Berichterstattung über den die Papiergeld⸗Emission betreffenden Gesetzentwurf ernannte Kommission wird am 23. d. M. ihren Bericht vorlegen lassen.
— Der ‚EFsercito“ schreibt, daß die General⸗Direktoren der großen italienischen Eisenbahn⸗Gesellschaften heute (19.) im Kriegs⸗Ministerium zusammentreten werden, um sich mit dem Kriegs⸗Minister über die Grundlagen des Eisenbahndienstes im Falle einer Mobilmachung der Armee zu verständigen.
— Dem „WMonitore della strade ferrate“ wird aus Rom berichtet, daß der Minister der öffentlichen Arbeiten der Kammer am 20. Januar bei ihrem Wiederzusammentritt den auf den Verkauf der römischen Eisenbahnen bezüglichen Gesetz⸗ entwurf zur Genehmigung vorlegen wird.
— Nach einer Mittheilung der Postverwaltung waren Anfang vorigen Jahres in den 8331 italienischen Gemeinden 2618 mit Postämtern versehen und 3322 hatten Landbriefboten.
— Von den italienischen Kriegsschiffen soll demnächst wieder eines, der „Vittor Pisani“, eine Reise um die Welt machen.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 25. Januar. Am heutigen Tage besuchte Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz des Deutschen Reichs und von Preußen den Vormittagsgottesdienst in der Kirche zu St. Petri, wo der Pastor Dr. Stieren die Predigt hielt. Um 1 Uhr Nachmittags wohnte der Kronprinz, sowie die anderen Hohen Gäste der Parade der Garde⸗Equipage bei, welche in der Michael⸗Reitbahn abgehalten wurde. Abends war der Kronprinz zum Diner bei dem Bot⸗ schafter des Deutschen Reichs Prinzen Heinrich VII. Reuß.
— 27. Januar. (W. T. B.) Der „Regierungs⸗Anzeiger“ veröffentlicht den Kaiserlichen Ukas, durch welchen der General⸗ Adjutant von Kotzebue mit der obersten Leitung der Regie⸗ rung Polens in Civil⸗ und Militär⸗Angelegenheiten beauftragt wird.
Schweden und Norwegen. Stockholm, 24. Januar. Beide Kammern haben vorgestern die Mitglieder zu den ge⸗ wöhnlichen Ausschüssen gewählt, nämlich 20 in den Konstitu⸗ tions⸗, 24 in den Staats⸗, 20 in den Bewilligungs⸗, 16 in den Bank⸗ und 16 in den Gesetzausschuß nebst der halben Anzahl Suppleanten. 8
— Das Gutachten des Komites, welches eingesetzt war, um über den von dem Professor A. E. Nordenskjöld bei dem Reichstage 1872 gemachten Vorschlag, betreffend die Vereini⸗ gung der Stockholmer Fachschulen, des technologischen Instituts, der Bergschule, der Kriegs⸗Hochschule auf Marienberg, des Forstinstituts, des pharmazeutischen Instituts und des Unter⸗ richtskurses für Landmesser, sowie die Umbildung derselben zu einer technischen Hochschule zu berathen, liegt jetzt gedruckt vor und wird allgemein als eine gründliche und vortreffliche Arbeit begrüßt. Das Komite billigt den Vorschlag und empfiehlt aufs Wärmste die Annahme desselben, nimmt jedech davon die Kriegs⸗ Hochschule aus, geht dabei aber noch einen Schritt weiter als der Vorschlagsteller, indem es die Errichtung einer voll⸗ ständigen polytechnischen Hochschule in Stockholm nach dem Muster der besten ausländischen, z. B. in Zürich, München, Stuttgart und Aachen, vorschlägt, wozu es die jährlichen Kosten auf 122,700 Thaler berechnet, während die jetzt bestehenden erwähnten Fachschulen 110,475 Thaler erfordern. Die Erhöhung dieser Kosten von 12,225 Thaler wird schon durch die Errichtung einer auf jeden Fall nothwendigen Architektur⸗ Abtheilung in der künftigen Hochschule aufgewogen, aber noch dadurch ermäßigt, daß die Gebäude der Fachschulen, besonders des Forstinstituts, durch die Verlegung nach dem jetzigen tech⸗ nologischen Institute zu andern Zwecken disponibel werden.
— Das im November wegen einer neuen Organisation des Brandwesens in Stockholm eingesetzte Komite hat seine Arbeiten vollendet und seine Vorschläge an die Stadtbevollmäch⸗ tigten abgegeben. — 8
— Zum Inspektor der praktischen Uebungen und der theoretischen Unterrichtsanstalten bei den Stationen der Flotte, mit Ausnahme der Seekriegsschule, ist für das Jahr 1874 der Contre⸗Admiral C. A. Sundin verordnet und ihm ein Stabs⸗ chef als Adjutant beigegeben. 88—
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2ᷣ Dänemark. Kopenhagen, 23. Januar. Der Gesetz⸗ vorschlag über Ermächtigung zur Ausstellung von Staats⸗Obligationen mit Zinsterminen am 11. März und 11. September, ging in der gestrigen Folkethingssitzung ohne Diskussion einstimmig zur dritten Berathung über.
— 24. Januar. Nach den von „Dagens Nyheder“ einge⸗ zogenen Erkundigungen kann die Rückkehr des Kronprin⸗ zen von seiner Reise nach St. Petersburg nicht vor Mitte des nächsten Monats erwartet werden. Bekanntlich sollen zu Ehren des Prinzen Alfred und seiner jungen Braut in Moskau einige größere Feste und Jagden abgehalten werden, zu welchen der größte Theil der Fürstlichen Personen, welche der Vermählung in St. Petersburg beiwohnten, sich einfinden werden und an welchen der Kronprinz von Dänemark ebenfalls Theil nehmen wird. Es ist Grund zur Annahme vorhanden, daß der Prinz und die Prinzessin von Wales auf der Rückreise nach England einen kurzen Besuch am dänischen Hofe machen werden.
— Die von Holstein⸗Ledreborg m. m. A. angemeldete Interpellation, betreffend die Verantwortlichkeit des Mi⸗ nisteriums fur die Veröffentlichung des Königlichen Handschrei⸗ bens vom 2. d. Mts., ist für Montag 1 Uhr auf die Tages⸗ ordnung gesetzt. Die Frage wegen Gültigkeit des zur Behand⸗ lung des Heergesetzes niedergesetzten Ausschusses lag zur Er⸗ ledigung in der gestrigen Folkethingssitzung vor. Nach einer kurzen Verhandlung, bei welcher J. A. Hansen im Namen der Majorität des Ausschusses die Verweigerung der Gültigkeits⸗ bestätigung anrieth und der Abg. Gad die von ihm und Mehre⸗ ren dagegen gemachten Einwendungen zu begründen suchte, wurde die Verweigerung einstimmig angenommen. Nach Mit⸗ theilung des Präsidenten sollen jetzt 15 Mitglieder zu dem Aus⸗ schuß erwählt werden, welcher das Heergesetz und die übrigen Gesetzvorschläge zu behandeln haben wird.
— Der Führer der sozialistischen Partei, Pihl, welcher, um eine Audienz beim Könige zu erzwingen, gesetzwidrige Zu⸗ sammenrottungen von Volksmassen vor dem Schlosse veran⸗ laßte, ist deshalb zu einer achtmonatlichen Zwangsarbeit verur⸗ urtheilt worden.
— 26. Januar. Anläßlich Holstein⸗Ledreborgs Inter⸗ pellation erklärte heute der Konseilpräsident, das Ministerium sei selbstverständlich für die Veröffentlichung des Königlichen Handschreibens verantwortlch. Holstein⸗Ledreborg schlug eine 1öö Tagesordnung vor, worüber morgen abgestimmt wird.
— Auf der Insel Manö haben die vielen Stürme in der letzteren Zeit, der „Ribe Amtst.“ zufolge, große Verwüstungen angerichtet, indem das Wiesenland bei den Ueberschwemmungen mit Sand übergossen und cine mit großem Aufwande von Geld⸗ mitteln errichtete Eindeichung zerstört worden ist, so daß das Salzwasser jetzt bei jedem geringeren Sturme den größten Theil der Aecker dieser Insel überschwemmt, weshalb die Ernte zum Sommer daselbst wohl sehr schlecht ausfallen wird.
Amerika. Die Legislatur von Louisiana hat die Fun⸗ dirungs⸗Bill angenommen, indem der Gouverneur erklärte, daß diese Maßregel das einzige Mittel biete, um eine Repudiation der Staatsschuld zu vermeiden.
— Aus Toronto wird unterm 23. d. M. per Kabel ge⸗ meldet: „Heute fand die Aufstellung der Kandidaten für das Parlament des Dominion statt. Von 37 Kanadiern, die durch Akklamation gewählt wurden, sind 29 Ministerialisten, 7 gehören der Opposition an und einer ist unabhängig. Von 24 m der
Provinz Quebeck Gewählten sind 17 Ministerialisten, 6 Oppo⸗ sitions⸗Kandidaten und einer unabhängig. In der Provinz Ontario wurden 13 Mitglieder gewählt, von denen nur einer der Opposition angehört.“
Nach dem neuesten wöchentlichen Bulletin des Vicekönigs von Indien bezüglich der Hungersnoth in Ben⸗ galen hat sich die Ausdehnung des erwarteten Nothstandes nicht wesentlich vergrößert. Auf der anderen Seite entwickelt sich die Hülfs⸗Organisation und die Transport⸗Vorkehrungen werden besser. Die überseeische Reiszufuhr läßt nichts zu wünschen übrig. Auch werden Vorkehrungen getroffen zu einer Auswanderung nach Birmah auf Regierungskosten. — (Auf Grund des Inhalts dieser Depesche hat der Lordmayor von London eine Subskription für die Nothleidenden Bengalens eröffnet. Eine Cityfirma hat ihm bereits eine Cheque über 500 Lstr. übersandt.)
Weiteres über die Hungersnoth wird den „Times“ au Caleutta unterm 25. d. M. gemeldet: Es hat hier sechs Stunden lang tüchtig geregnet. Der Vicekönig hat 50,000 Lstr. für die Auswanderung nach Birmah angewiesen. Nothstand ist in Theilen von Goruckpore und Busti eingetreten. Die Brutto⸗ einnahmen der Eisenbahnen betrugen im vorigen Jahre 7,100,000 Lstr., d. i. 340,000 Lstr. mehr als in 1872.
— Weitere Nachrichten aus Singapore über Sir Andrew Clarke's Expedition gegen die Piraten von Larut mel⸗ den, daß dieselbe die Pallisaden der feindlichen Chinesen zerstörte, die weiblichen Gefangenen befreite, und dem Piratenwesen an der Seeküste ein Ende setzte.
Reichstags⸗Angelegenheiten.
Im 10. Königsberger Wahlbezirk (Rastenburg, Gerdauen, Friedland) ist bei der engeren Wahl der Rittergutsbesitzer NKeumann⸗ Posegnich mit 6388 Stimmen zum Reichstagsmitgliede gewählt worden. Sein Gegner Graf Stolberg⸗Doenhofstadt erhielt 6072 Stimmen.
— Im 1. Danziger Wahlbezirk (Elbing⸗Marienburg) wurde bei der engeren Wahl der Ober⸗Regierungs⸗Kath von Brau⸗ chitsch in Coeslin mit 5927 Stimmen zum Mitgliede des Reichs⸗ tags gewählt. Der Gegenkandidat Rentier Geysmer in Schönwalde er⸗ hielt 5340 Stimmen.
— Im 8. Potsdamer Wahlbezirk (Westhavelland) fielen bei der engeren Wahl auf den Stadtrath Hausmann zu Branden⸗ burg 7275 Stimmen. Sein Gegner Wilhelm Schweckendick zu Ber⸗ lin erhielt 3914 Stimmen. 1
Anspach, 27. Januar. Im 3. Wahlkreise von Mittel⸗ franken (Anspach⸗Schwabach) ist bei der engeren Wahl der Gast⸗ und Landwirth Fockerer von Wilshofen mit 7870 Stimmen zum Reichstagsabgeordneten gewählt worden. Der Gegenkandidat, Staats⸗ Bibliothekar Dr. Thomas zu München, erhielt 7044 Stimmen.
Dresden, 27. Januar. Bei der engeren Reichstagswahl für den 14. Wahlkreis des Königreichs Sachsen sind für den Amtshauptmann von Könneritz 740) und für den Gegenkandidaten Fink 6319 Stimmen abgegeben worden.
Hamburg, 27. Januar. Bei den heutigen engeren Wahlen zum Reichstage siegte im J. hiesigen Wahlkreise Möring mit 10,384 Stimmen gegen Hartmann, welcher 6151 Stimmen echielt. Im 2. Wahlkreise wurde Schmidt mit 10,278 Stimmen gewählt. Auf Hartmann fielen 8246 Stimmen.
Landtags⸗Angelegenheiten.
Berlin, 28. Januar. In der gestrigen Sitzung des Hauses der Abgeordneten tadelten die Abgg. Dr. Braun und Dr. Virchow die Polizeiverwaltung Berlins, worauf der Minister des Innern, Graf zu Eulenburg entgegnete:
Der Herr Vorredner ging von einer Behauptung aus, die ich neulich ausgesprochen haben soll, die aber doch nicht so klang, wie er sie citirt hat. Ich bin weit davon entfernt gewesen, diejenigen Män⸗ gel, welche unserer hiesigen Polizeiverwaltung noch anhaften, wesentlich auf das Publikum zu schieben und die Polizeibehörde von allen Miß⸗ griffen und von mancher Ungeschicklichkeit frei zu sprechen; allein dabei muß ich stehen bleiben, und weiter habe ich auch neulich nichts be⸗ hauptet, als daß die Thätigkeit der hiesigen Polizeibehörde dadurch ganz beseonders erschwert wird, daß das Berliner Publikum ein sehr schwieriges und schwieriger ist, als in anderen großen Hauptstädten, namentlich beispielweise als in Wien. Ich habe Beamte dort hin⸗ geschickt, die während der Ausstellung sich mit den dortigen polizei⸗ lichen Einrichtungen, namentlich dem Straßenverkehr genau bekannt gemacht haben. Sie finden diese Einrichtungen vortrefflich, Vieles davon ist hier nachgemacht worden, wir wollen sehen, ob es sich be⸗
währt. Das Endurtheil kommt aber immer darauf hinaus, daß die
wirklich große Ordnung in den dortigen Straßen trotz der Engig⸗ keit derselben und trotz der darin zusammengedrängten Bevölkerung wesentlich von der sehr guten Haltung des Publikums abhängt, welches den Weisungen der Polizei willig Folge leistet und sich in Kounflikts⸗ fällen auch auf die Seite derselben stellt. Daß das Publikum be⸗ sonders schwierig ist, das, meine Herren, glaube ich, werden Alle be⸗ zeugen, die Gelegenheit haben, einige Monate sich hier aufzuhalten. Diese Schwierigkeit ist eine Eigenschaft, die nicht allein dem Berliner Puplikum anhängt, es ist eine Eigenschaft, die in den jetzigen Zeit⸗ läuften ziemlich verbreitet ist; daß aber diese üble Eigenschaft des Publikums namentlich prägnant in großen Städten ist, das liegt auf der Hand, und Berlin liefert den Bew is davon. Es ist ein zufälliges Zu⸗ sammentreffen, daß ich diesen Morgen eine Schilderung bekomme aus den westfälischen Bezirken, welche reich an Essen⸗ und Kohlenindustrie sind. Vielleicht interessirt es die Herren, wenn ich Ihnen einen Passus daraus vorlese. Es gehört nicht unmittelbar zur Sache, ist aber interessant. Die Darstellung rübrt nicht von einem Verwaltungs⸗ beamten her, sondern von einem Staatsanwalt. Er sagt:
„Die Zustände in den eigentlichen Fäabrik⸗und Beegwerksdistrikten also in den Bezirken der Kreisgerichte Essen, Bochum, Dortmund, sowie, doch in weit geringerem Maße, in den Gerichtsbezirken Duisburg, Hagen, Iserlohn sind aber auch ohne jede Uebertreibung bedenklich genug, um die ernsteste Aufmerksamkeit zu gebieten. Der unerhörte Aufschwung, den die Metall⸗ und Kohlen⸗JIadustrie in neuester Zeit genommen, sowie der Bau immer neuer Eisenbahnen veranlassen ein massen⸗ haftes Zusammenströmen junger Arbeiter der verschiedensten Nationa⸗ litäten, welche selbst mit den rohsten Handarbeiten schon hohe Löhne erwerben. Mit dieser Zunahme der männlichen Bevölkerung hat die der weiblichen natürlich nicht entfernt Schritt gehalten, so daß es nicht nur den Eisenbahnarbeitern, sondern auch den Fabrik⸗ arbeitern und Bergleuten meist nicht möglich ist, einen eignen Heerd zu gründen. Eine Folge dieses Mißverhältnisses ist, daß die Arbeiter theils auf kasernenartiges Zusammenleben, theils auf die so⸗ genannte Kostwirthschaft angewiesen sind, bei welcher ein ver⸗ heiratheter Arbeiter einer Anzahl unverheiratheter Kost und Wohnung gewährt, und daß sie ihre Erholung aus⸗ schließlich in den sehr zahlreichen Wirthshäusern suchen könner. Sie gebieten in der großen Mehrzahl über ein äußerst geringes Maß von Bildung; es fehlt ihnen der sittliche Halt, den das Fa⸗ milienleben, die Nothwendigkeit der Sorge um Weib und Kind selbst dem Rohesten bietet; es fehlt bei dem steten Wechsel des Arbeiter⸗Personals und der bunten Mischung desselben aus den fremdartigsten Elementen auch jener Gemeingeist, der sich in fe sten zusammengefügten Massen mit beilsamem Erfolge zu bilden pflegt. Dazu kommt, daß die große Mehrzahl der Arbeiter aus Katholiken besteht, d nen jetzt in der ultramontanen Presse, deren Eczeugnisse außerordentlich verbreitet sind, und von der Kanzel täglich einge⸗ pragt wird, daß der Staatsangehöcige dem Gesetze nur so lange Ge⸗