1874 / 35 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 10 Feb 1874 18:00:01 GMT) scan diff

von Waldaw⸗Steinhövel. Um 1 Uhr wurde die Sitzung ge⸗

schlossen. 8 In der heutigen (48.) Sitzung des Hauses der Ab⸗ geordneten, welcher am Ministertisch die Staats⸗Minister Graf zu Eulenburg und Dr. Achenbach mit zahlreichen Regierungs⸗ Kommissarien beiwohnten, wurde zunächst das Resultat dreier Kommissionswahlen mitgetheilt. Die Kommission zur Vor⸗ berathung des Antrages der Abgg. v. Bockum⸗Dolffs und Ge⸗ nossen auf Annahme des Entwurfs einer Kreisordnung für die Provinzen Rheinland und Westfalen wählte zu ihren Vor⸗ sitzenden die Abgeordneten von Bockum⸗Dolffs und Delius, 8 zu Schriftführern die Abgeordneten Dulheuer und von Wendt; die Kommission zur Vorberathung des Gesetzent⸗ wurfs über die Verwaltung erledigter katholischer Bisthümer, wählte zu Vorsitzenden die Abgg. Kanngießer und Klotz (Berlin), zu Schriftführern Lieber, Beisert und Graf von Limburg⸗ Stirum. Die Kommission zur Vorberathung des Gesetzentwurfs, betreffend die evangelische Kirchengemeinde⸗ und Synodalordnung vom 10. September 1873 für die Provinzen Preußen, Pommern, Brandenburg, Posen, Schlesien und Sachsen, cha⸗ gewählt zu Vorsitzenden die Abgg. Dr. Techow und Dr. Virchow, zu Schrift⸗ führern Dr. Wallichs und Wisselinck. 2 Dann erledigte das Haus in erster und zweiter Berathung den Entwurf eines Gesetzes, betreffend das Expropriations⸗ verfahren in den durch das Gesetz vom 24. Dezember 1866 mit der preußischen Monarchie vereinigten vormals bayerischen Landestheilen. Der Gesetzentwurf, betreffend die Erweiterung der Zins⸗ garantie des Staates für das Anlagekapital einer Eisenbahn von Halle über Nordhausen nach Heiligenstadt und von da nach Cassel, wurde auf Antrag des Abg. Löwe an die noch zu wäh⸗ ende Kommission für die Eisenbahnanleihe verwiesen. 1 Ebenso der Gesetzentwurf, betreffend die Vollendung der Bahnen von Hanau nach Offenbach, von Tilsit nach Memel und von Arnsdorf nach Gassen, nachdem der Handels⸗Minister Dr. Achenbach auf eine Beschwerde des Abg. Berger hinsichtlich der Anschaffung des Eisenbahnmaterials Abhülfe zugesagt hatte. 8 Dann trat das Haus in die zweite Berathung des Gesetz⸗ entwurfs, betreffend die Ausführung des Vorbehalts bezüglich der Grafschaften Wernigerode und Stolberg in §. 181 der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872.

Die Kommission hatte die 8 Paragraphen auf 2 redu⸗ es lagen nun von verschiedenen Seiten Amendements diese gestrichenen 6 Paragraphen wieder einzufügen, zwar von den Abgg. von Bismarck⸗Flatow und

Wachler (Oels). Gegen die Vorschläge der Kommission ergriff das Wort der Abg. Wachler (Dels); er hob hervor, daß die Gesetzgebung sich möglichst an den bestehenden Rechts⸗ zustand anzuschließen hätte, daß also auch die Grafen Stolberg in ihren standesherrlichen Rechten möglichst geschützt werden müßten. Der Abg. von Rönne bestritt, daß die Grafen Stolberg je⸗ mals reichsunmittelbar gewesen seien; der Rechtszustand in den beiden Grafschaften stehe auf so schwachen Füßen, daß er eine Berück⸗ sichtigung nicht verdiente. Der Regierungs⸗Kommissar Landrath von Brauchitsch bemerkte dagegen, daß alle diese Ausführungen bei Berathung des §. 181 der Kreisordnung am Platze gewesen wären. Die Gesetzvorlage der Regierung widerspräche durchaus nicht den Grundsätzen der Kreisordnung. Hierauf wurde der Gesetzentwurf in folgender Fassung angenommen: 8 Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen ꝛc. verordnen zur Ausführung des Vorbehalts in §. 181 der Kreisord⸗ nung vom 13. Dezember 1872 (Gesetz⸗Sanrml. 1872 S. 661) wegen der Grafschaften Wernigerode und Stolberg nebst Heringen und Kelbra, mit Zustimmung beider Häuser des Landtags der Monarchie,

was folgt: ““ §. 1. In der Grafschaft Wernigerode, söwie in den Grafschaften Stolberg⸗Sfolberg mit dem vormaligen Amte Heringen und Stol⸗ berg⸗Roßla mit dem ehemaligen Amte Kelbra tritt die Kreisordnung

vom 13. Dezember 1872 unter Fortfall des §. 181 derselben mit der

8 ndem Paragraphen enthaltenen Maßgabe in Kraft. 5 8 1neh Per⸗ 2eeeh 5. Das Recht der 19.ne raft, durch Stellvertreter an der Wahl der von den Wahlverbänden der größeren GFrundbesitzer zu wählenden Kreistags⸗Abgeordneten steht in derselben Weise, wie den Mitgliedern regierender Häuser, den Grafen in den⸗ jenigen Kreisen zu, welchen ihre Besitzungen §. 1 angehören. Schluß 1 ½ Uhr. Nächste Sitzung: Mittwoch 10 Uhr. Se. Majestät der Kaiser und König haben das Eingehen der Königin Elisabeth⸗Central⸗Stiftung beschlossen. Es werden daher Ehrengeschenke, wie sie, bestehend in einer Bibel oder einem Andachtbuche bisher Seitens der ge⸗ nannten Stiftung im Namen Ihrer Majestät der Hochseligen 8 Königin Elisabeth an Jubel⸗Ehepaare zur Feier ihrer goldenen Hochzeit bewilligt zu werden pflegten, nicht weiter stattfinden. Demgemäß fallen auch die Anträge, welche zu solchem Zweck von den Bezirksregierungen an den Bevollmächtigten und Kommissarius Ihrer Majestät der Hochseligen Königin Elisabeth für die Königin Elisabeth⸗Stiftung zu rich⸗ ten waren, fortan hinweg. Dagegen bewendet es nach wie vor bei dem Herkommen, gemäß welchem im Namen Sr. Majestät des Kaisers und Königs Geldgeschenke an würdige und beduürftige Jubelpaare zur Feier des 50jährigen Ehestandes ge⸗ währt werden, unter Aufrechterhaltung aller Anordnungen, welche für die Behandlung der wegen solcher Bewilligungen bei den Bezirksregierungen eingehenden Gesuche in der Cirkularverfügung vom 6. August 1862 vorgeschrieben sind, mit der Maßgabe, daß diese Gesuche, sofern sie als geeignet zur Berücksichtigung erschei⸗ nen, künftig nicht mehr an den Bevollmächtigten und Kommissa⸗ rius für die Königin Elisabeth⸗Central⸗Stiftung zu befördern, sondern ohne Weiteres und ohne vorgängige Berichterstat⸗ tung von den Bezirksregierungen selbständig zu erledi⸗ gen sind. Die nach deren Ermessen zu bewilligenden Gnadengeschenke, welche zufolge Allerhöchster Bestimmung als ein Beitrag zu den Kosten eines Familienfestes für würdige Jubelpaare von großer Bedürftigkeit gelten sollen, sind den letz⸗ teren von den Bezirksregierungen in jedem Falle ausdrücklich im Namen Sr. Majestät des Kaisers und Königs zu übermitteln. Die bewilligten Beträge haben die Bezirksregie⸗ rungen vorschußweise auf die Bestände der Hauptkasse zur Zah⸗ lung anzuweisen und sodann am Schlusse eines jeden Jahres mittelst einer aufzustellenden, ohne Beläge einzureichenden Nach⸗ weisung, welche sämmtliche im Laufe des verflossenen Jahres geleisteten derartigen Zahlungen zusammenfaßt, bei dem Finanz⸗ Miinister zur Erstattung zu beantragen. Die Mittheilung der „Berliner Börsen⸗Zeitung“, daß die Oberschlesische Eisenbahn⸗Gesellschaft wegen Erwerbung der Märkisch⸗Posener Bahn in Verhandlungen einzutreten be⸗ absichtige und zu diesem Zwecke bestimmte Vorschläge dem Han⸗ dels⸗Ministerium zur Genehmigung vorgelegt habe, ist von ver⸗ schiedenen öffentlichen Blättern aufgenommen worden. 88 Wir erfahren aus zuverlässiger Quelle, daß dem Handels⸗ Ministerium keinerlei auf Erwerbung der Märkisch⸗Posener Bahn

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gerichtete Anträge der Oberschlesischen Eisenbahn⸗Gesellschaft ein⸗ gereicht sind, so daß die bei Mittheilung des erwähnten Gerüchtes gleichzeitig ausgesprochene Vermuthung, nach welcher jene An⸗ träge auf die Entschließung des Handels⸗Ministeriums hinsichtlich der Fusion der Märkisch⸗Posener mit den Berlin⸗Görlitzer und Halle⸗Sorau⸗Gubener Eisenbahn⸗Gesellschaften nicht ohne Einfluß ehghe seien, der thatsächlichen Begründung in jeder Beziehung entbehrt.

Der General der Kavallerie und kommandirende Ge⸗ neral des II. Armee⸗Corps Hann⸗ von Weyhern ist in der Begleitung Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kron⸗ prinzen von Moskau hier eingetroffen.

Der General⸗Lieutenant, General à la suite Sr. Ma⸗ jestät des Kaisers und Königs und Commandeur der 12. Divi⸗ sion, Prinz Kraft zu Hohenlohe⸗Ingelfingen, hat sich nach seiner Garnison Neisse zurückbegeben.

Der Königlich sächsische General⸗Major von Montbé, bisher Commandeur der 46. Infanterie⸗Brigade, ist in Folge seiner Ernennung zum Commandeur der 24. Division zur Ab⸗ stattung persönlicher Meldungen von Leipzig hier eingetroffen.

Die mit dem Courierzuge aus Dirschau um 5 Uhr 47 Minuten Vormittags fällige Post ist gestern 5 Stunden 30 Minuten verspätet hier eingetroffen.

Sachsen. Dresden, 9. Februar. Die Zweite Kam⸗ mer beendete vorgestern in einer Abendsitzung die Berathung des Etats des Justiz⸗Ministeriums und bewillligte die noch übrigen Positionen im Wesentlichen den Deputationsanträ⸗ gen gemäß.

Baden. Karlsruhe, 6. Februar. In der gestrigen Abendsitzung nahm die Zweite Kammer das Schulgesetz mit allen gegen 2 Stimmen an. Heute wurde der Entwurf eines Gesetzes, den Fortbildungsunterricht betreffend, in allgemeiner und spezieller Berathung durchberathen und nach den Anträgen der Kommission angenommen. Bei namentlicher Abstimmung stimmten nur die 10 Abgeordneten der Rechten gegen den Entwurf. Sodann begründete v. Buß seinen An⸗ trag, wonach die Großherzogliche Regierung ihre Kommissäre im Bundesrath dahin instruiren soll, daß sie für Gewährung von Düäten an die Reichstagsmitglieder stimmen. Ohne auf eine Diskussion einzugehen, beschloß das Haus nach einem von Bluntschli, Friderich und Kiefer eingebrachten Antrag:

„in Erwägung, daß 1) aus einer früheren Verhandlung der Re⸗ gierung die Ansichten des Hauses in dieser Frage bekannt sind, und daß es 2) unzeitgemäß ist, auf diese Reichs⸗ und nicht Landesangelegen⸗ heit in nochmalige Debatte einzugehen: Uebergang zur Tagesordnung.

Hessen. Darmstadt, 7. Februar. Die Königin von Sachsen ist in Begleitung des Prinzen Gustav von Wasa heute Vormittag von Frankfurt hier eingetroffen, im Palais des Prinzen Karl abgestiegen und Nachmittags wieder dahin zurückgereist. -

Mecklenburg. Schwerin, 9. Februar. Die Arbei⸗ ten der für die Verfassungsvorlage eingesetzten ständischen Kommission sind, dem Vernehmen der „M. A.“ nach, soweit gefördert, daß die Redaktion des Berichts in den nächsten Tagen stattfinden, und alsdann, vielleicht am Donnerstag oder Freitag, der Bericht nebst mehreren Separat⸗Votis aus beiden Ständen an das Plenum gelangen dürfte. Die Ueberzeugung von der Nothwendigkeit der Einigung scheint, dem genannten Blatte zu⸗ folge, in ständischen Keeisen immer mehr Boden zu gewinnen.

Braunschweig. Praunschweig, 7. Februar. Der Landtag hat heute die Berathung über den Gesetzentwurf, den bäuerlichen Grundbesitz betreffend, bis zum §. 9 fort⸗ gesetzt. Der §. 1 der Regierungsvorlage lautet:

Die landesgesetzliche Geschlossenheit des bäuerlichen Grundbesitzes und die Rechtsnormen, auf denen dieselbe beruht, bleiben als Grund⸗ lage für das Bauernrecht (Anerbenrecht), Interimswirthschaft (Leib⸗ zucht), mit der Wirkung bestehen, daß die Grundstücke und Real⸗ berechtigungen, welche gegenwärtig den geschlossenen Bestand eines Bauernguts bilden, oder künftig in demselben aufgenommen werden, als Zubehörungen desselben gelten.

Der Entwurf bezweckt, wie das Schreiben des Herzoglichen Staats⸗Ministeriums vom 30. Oktober v. J. bemerkt, bei Fest⸗ haltung an der bestehenden Geschlossenheit des bäuerlichen Grund⸗ besitzes als Grundlage für das Bauernrecht die Aufhebung der Beschränkungen in der Disposition über Bauergüter (§. 1) und regulirt zugleich das Anerbenrecht durch Befestigung der Grund⸗ lage desselben, sowie durch Bestimmungen über in Betracht kom⸗ mende wichtigere Punkte und über streitige Fragen (§§. 5 bis 17), ohne daß es in der Absicht gelegen hat, das gesammte An⸗ erbenrecht, oder gar das ganze Bauernrecht zu kodifiziren.

Anhalt. Dessau, 3. Februar. Nach der in der Gesetz⸗ Sammlung für das Herzogthum erschienenen Verordnung, den Hauptfinanz⸗Etat betreffend, beträgt die Totaleinnahme des Landes 4,410,600 Thlr., einschließlich von 2,155,600 Thlr. (darunter allein 1,770,000 Thlr. an Rübenzuckersteuer) für Rechnung des Reiches; die Ausgabe dagegen beläuft sich, nach Abzug der obigen Summe für das Reich, auf 2,276,500 Thlr.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 9. Februar. (W. T. B.) Die Abreise des Kaisers nach St. Petersburg wird in Be⸗ gleitung des Grafen Andrassy, des Staatsraths Braun und des Geheimen Raths Freiherrn v. Hofmann am Mittwoch, den 11. d., Nachmittags 3 Uhr, erfolgen.

10. Februar. (W. T. B.) Die heutige „Wiener Ztg.“ veröffentlicht ein Kaiserliches Handschreiben an den Minister⸗Präsidenten Fürsten Auersperg, in welchem der Kaiser seine Befriedigung über die bisherigen Maßnahmen der Regie⸗ rung zur Bekämpfung des in einzelnen Theilen des Reichs wahrnehmbaren Nothstandes ausspricht. Wenngleich es nur einzelne Städte und Gebietstheile seien, die durch vorübergehende Stockungen des Handelsverkehrs, Mißwachs oder Epidemien schwerer betroffen worden, liege es ihm doch am Herzen, daß Alles aufgeboten werde, um den bedrängten Volksklassen jede thunliche Erleichterung zukommen zu lassen. Insbesondere wünsche der Kaiser ein Augenmerk darauf gerichtet zu sehen, daß die im öffentlichen oder volkswirthschaftlichen Interesse nothwen⸗ digen Bauten gefördert und dadurch für die Arbeiter und Ge⸗ werbe ein Verdienst geschaffen werde. Der Kaiser sei überzeugt, daß diese Bestrebungen der Regierung auch bei der Landesver⸗ tretung und den Gemeinden kräftige Unterstützung finden wür⸗ den, und solle das Ministerium zu diesem Zwecke weitere geeig⸗ nete Vorkehrungen treffen.

Schweiz. Bern, 9. Februar. (W. T. B.) Offizieller Mel⸗ dung aus Luzern zufolge ist der päpstliche Nuntius Agnozzi, welchem vom Bundesrathe vor Kurzem bereits seine Pässe zuge⸗ stellt waren, nunmehr von dort abgereist.

Großbritannien und Irland. London, 7. Februar. Wie das Hofjournal meldet, wird die Königin den bis jetzt getroffenen Dispositionen zufolge Osborne mit ihren jüngsten Kindern am 17. d. M. verlassen und nach Schloß Windsor zurückkehren.

Die Königin hat den Major R. M. Mundy, früher Gouverneur von Granada, zum Gouverneur von British Honduras ernannt.

10. Februar. (W. T. B.) Von den bis jetzt bekannten 526 Parlamentswahlen sind 283 auf Konservative, 253 auf Liberale gefallen. Letztere gewannen bisher nur 28, die Konservativen dagegen 80 Sitze.

Frankreich. Paris, 9. Februar. (W. T. B.) Das Resultat der Ersatzwahl im Departement Pas de Calais ist jetzt ebenfalls vollständig bekannt. Gewählt ist der bonapartistische Kandidat Sens mit 70,997 Stimmen; der republikanische Gegner desselben, Brasme, erhielt 67,474 Stimmen.

Versailles, 9. Februar. (W. T. B.) Die National⸗ versammlung begann heute die Spezialberathung des neuen Steuergesetzes und genehmigte die beiden ersten Artikel des⸗ selben, durch welche die Gebühren für die Einregistrirung außer⸗ gerichtlicher Akte um die Hälfte erhöht werden..

Spanien. Madrid, 9. Februar. (W. T. B.) Die Regierung hat, wie der „Imparcial“ mittheilt, in eine Aus⸗ wechselung der beiderseitigen Gefangenen mit den Carlisten gewilligt.

Portugal. Lissabon, 8. Februar. Graf Sesail, der portugiesische Gesandte für Frankreich, ist hier gestorben. Die gefangenen Militärs, welche an der Juliverschwörung von 1872 betheiligt gewesen, sind mit Ausnahme eines Majors und zweier Sergeanten, die der Gerichtshof zu zwei Jahren Gefäng⸗ niß verurtheilte, freigesprochen worden.

Italien. Rom, 3. Februar. Den ,Ital. Nachr.“ zu⸗ folge befindet sich die Herzogin von Aosta in Turin in er⸗ freulicher Besserung.

In Neapel ist eine Kommission von Marine⸗Offi⸗ zieren, deren Präsident der Kapitän zur See Cav. Racchia ist, zur Veranstaltung artilleristischer Versuche eingetroffen.

Der neuernannte französische Gesandte am italienischen Hofe, Marquis de Noailles, wird nach offiziellen Nachrichten am 7. Februar von Washington abreisen.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 6. Februar. Am Mittwoch, den 4. d., Abends zwischen 6 und 7 Uhr trafen Ihre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten der Kronprinz und die Kronprinzessin des Deutschen Reiches und von Preußen und Se. Hoheit der Herzog von Sachsen⸗Coburg⸗Gotha in Moskau ein. Auf dem Perron des Nikolaibahnhofes hatten sich die höchsten Civil⸗ und Militärbehörden der Stadt, die Ge⸗ neralität ꝛc. zum Empfang der Hohen Gäste eingefunden, auch war eine Ehrenwache mit Fahne und Musik aufgestellt. Beim Aussteigen aus dem Waggon wurden Ihre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten von dem General⸗Gouverneur begrüßt, welcher der Frau Kronprinzessin einen Blumenstrauß überreichte. Der Kronprinz geleitete seine Gemahlin in die Kaiserlichen Wartezimmer, wo Höchstdieselbe von der Gemahlin des Civil⸗ Gouverneurs und den beiden Töchtern des Deutschen Konsuls begrüßt wurde. Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit erschien dann wieder auf dem Perron, ließ sich mehrere der Versammelten vor⸗ stellen und unterhielt sich später im Wartezimmer nochlängere Zeit mit vielen Anwesenden. Dann fuhren Ihre Kaiserlichen und König⸗ lichen Hoheiten in geschlossener Equipage in das Kreml⸗ Palais. Der Weg vom Bahnhofe bis dorthin wurde überall von bengalischem Feuer erleuchtet und war von einer dichtgedrängten Menschenmenge besetzt, welche die Hohen Gäste mit lebhaften Hurrahrufen begrüßte. Die Personen des Gefolges Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten nahmen im „Sslawjanski⸗Bazar“ Wohnung. In demselben Hotel ist auch der deutsche Botschafter Prinz Reuß abgestiegen.

Nach dem Souper unternahmen die Höchsten Herrschaften unter Führung des General⸗Adjutanten Albedinsky und des stellvertretenden Ober⸗Hofmarschalls Grafen Lambsdorf noch eine Fahrt in Troiken durch die Hauptstraßen der Stadt.

Am Donnerstag Mittag 1 Uhr traten Ihre Kaiserlichen und Königlichen Hoheiten die Fahrt nach dem Troizki⸗Kloster an, von welcher Sie Abends gegen 7 Uhr mit Extrazug zurückkehrten.

Der „Reg.⸗Anz.“ veröffentlicht heute eine Reihe von Beschlüssen verschiedener Vereine und Institutionen in Bezug auf Stiftungen und Spenden anläßlich der Vermählung der 11“ Maria Alexandrowna mit dem Herzog von Edin⸗ burgh. 1 9. Februar. (W. T. B.) Der Kaiser, der Groß⸗ fürst⸗Thronfolger mit seiner Gemahlin, der Herzog von Edinburgh mit seiner Gemahlin, der Prinz Ar⸗

thur und der Kronprinz von Dänemark sind heute Vor⸗

mittag 11 Uhr mittelst Extrazuges von Moskau hierher zurück⸗ gekehrt und von dem Großfürsten Nicolai Nicolajewitsch, dem Gouverneur der Stadt und der Generalität am Bahnhofe em⸗ pfangen worden.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 5. Februar. Die während der Reise des Königs nach Christiania eingesetzte interimistische Regierung besteht aus folgenden Mitgliedern: Justiz⸗Minister Adlercreutz, den Staatsräthen Bredberg und Berg und dem Freiherrn Lejonhufvud.

Am Sonnabend fand in der Zweiten Kammer des Reichstags eine Debatte über die in Vorschlag gebrachte Theuerungszulage für Beamte statt. Der Finanz⸗Minister Wärn motivirte ausführlich die Nothwendigkeit der Zulage, indem er nachwies, daß zahlreiche Schritte zur Reform des Administrations⸗ wesens vorgenommen worden seien, daß der Zustand der Staats⸗ kasse es sehr wohl zuließe, die Beamtengehalte in Einklang mit den steigenden Preisen der Nahrungsmittel zu bringen, und daß die Zulage sich nur auf 30 Prozent beliefe, während viele Nah⸗ rungsmittel bis auf 100 Prozent gestiegen seien. Gegenwärtig unterliegt die Angelegenheit der Berathung des Staatsausschusses. Auch im norwegischen Storthing werden Vorschläge über eine durchgängige Verbesserung der Beamtengehalte zur Verhandlung kommen.

Asien. Ueber die bengalische Hungersnoth wird den „Daily News“ aus Calcutta vom 6. d. M. telegraphirt, daß der Regierungsingenieur diese Stadt zu dem Behufe ver⸗ lassen habe, um zu ermitteln, ob im Einklange mit Sir Richard Temple's Vorschlage eine Pferdebahn nach dem Innern von Tirhut angelegt werden kann. Die Regierung läßt 50,000 Ochsenwagen aus den nordwestlichen Provinzen kommen. In seinem wöchentlichen Telegramm meldet der Vicekönig von In⸗ dien, daß der am 31. v. M. eingetretene wohlthätige Regen sich über Bengalen und Behar bis nach Oude und den bedrohten

e

nordwestlichen Provinzen ausgedehnt habe. Der Flächenraum des Nothstandes wird nun definirt. Im Distrikt Patna, ins⸗ besondere in Nord⸗Tirhut, werden nach Sir Richard Temple's Schätzungen 1,500,000 Personen der Unterstützung bedürfen. In Chumpaune werden energische Maßregeln ergriffen, um den Transport von Getreidesendungen von den Bahnhöfen zu er⸗ leichtern. Auf dem öffentlichen Meeting, das in Calcutta statt⸗ fand, um Mittel zur Linderung der Hungersnoth zu berath⸗ schlagen, wurden 13,000 Lstr. gezeichnet. In Calcutta fallen

ie Preise.

Reichstags⸗Angelegenheiten. Berlin, 10. Februar. Dem Reichstag ist ein Auslieferungs⸗

vertrag zwischen dem Deutschen Reich und der Schweiz vom 24. Ja⸗

nuar 1874 vorgelegt worden.

Von den Abgg. Schulze (Delitzsch) und Gen. ist ein Antrag auf Gewährung von Reisekosten und Diäten an die Mitglieder des Reichs⸗ tegs eingebracht worden.

Das dem Reichstag vorliegende Gesetz, betreffend die Gewährung von nachträglichen Vergütungen für Kriegsleistungen der Gemeinden, lautet:

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden Deutscher Kaiser, König

1 von Preußen zc., verordnen im Namen des Deutschen Reichs, nach erfolgter Zustimmung des Bundesrathes und des Reichstages, was folgt:

§. 1. Für die innerhalb des Gebietes des vormaligen Norddeut⸗ schen Bundes aus Anlaß des Krieges gegen Frankreich auf Grund des §. 3 des Gesetzes wegen der Kriegsleistungen und deren Vergütung vom 11. Mai 185] (Bundesgesetzblatt von 1867 Seite 125) ohne gesetzlichen Anspruch auf Entschädigung erfolgten Kriegsleistungen der Gemeinden ist den letzteren nach näherer Bestimmung des gegenwärti⸗ gen Gesctzes nachträglich Vergütung zu gewähren.

§. 2. Die Vergütung erfolgt:

11) für die Gewährung von Naturalquartier nach dem Servis⸗ tarife, welcher dem Bundesgesetze über die Quartierleistung für die bewaffnete Macht während des Friedenszustandes vom 25. Juni 1868 (Bundesgesetzblatt Seite 523) beigefügt ist.

Ausnahmsweise kann durch Beschluß des Bundesrathes einzelnen Gemeinden, welche durch andauernde, die Friedenseinquartierung er⸗ heblich übersteigende Belegung mit Truppen nachweislich für Quartier⸗ zwecke zu Baaraufwendungen genöthigt gewesen sind, deren Betrag sich auf mehr als das Doppelte der einfachen Servisvergütung beläuft, eine höhere Vergütung äußersten Falles jedoch nur bis zum Dop⸗ pelten der Tarifsätze und nur für den über das Doppelte der tarif⸗ Msschen Friedens⸗Servisvergütung gemachten Baaraufwand gewährt werden;

2) für geleisteten Vorspann nach den für Friedenszeiten gesetzlich bestehenden Vergütungssätzen;

3) für die im §. 3 Nr. 2 des Gesetzes vom 11. Mai 1851 neben dem Vorspanne bezeichneten Dienste ꝛc. nach den am Orte der Leistung in gewöhnlichen Zeitverhältnissen üblichen Preisen;

, 4) für die Hergabe von Räumlichkeiten zu Wachen, Handwerks⸗ stätten und zur Unterbringung von Militäreffekten nach dem von den Gemeinden dafür nachweislich gemachten Baaraufwande, soweit der⸗ selbe von der oberen Verwaltungsbehörde als angemessen bescheinigt wird.

Für die übrigen im §. 3 Nr. 3 des Gesetzes vom 11. Mai 1851 bezeichneten Leistungen erfolgt keine Vergütung.

§. 3. Die zur Vergütung erforderlichen Mittel sind aus dem Gesammtantheile der Staaten des vormaligen Norddeutschen Bundes an der französischen Kriegskostenentschädigung zu entnehmen und den einzelnen Staaten in den von denselben nachzuweisenden Beträgen zur Bewirkung der Vergütung zur Verfügung zu stellen.

Soweit einzelne Staaten die den Gemeinden nach diesem Gesetze zustehenden Vergütungen bereits gewährt haben, fließen die entsprechen⸗ den Bsträge diesen Staaten zu.

S. 4. Die zur Ausführung dieses Gesetzes erforderlich werdenden Anordnungen hat der Bundesrath zu erlassen. Derselbe hat im Be⸗ sonderen auch die Präklusivfristen festzusetzen, welche bei dem öffent⸗ lichen Aufrufe der auf Grund dieses Gesetzes zu erhebenden Ansprüche bekannt zu machen sind und mit deren Ablaufe die nicht angemeldeten Ansprüche erlöschen.

MHrkundlich ꝛc.

Gegeben ꝛc. 8 1 E1“

„Der vorliegende Gesetzentwurf geht davon aus, daß für diejenigen, während des Krieges gegen⸗Frankreich im Gebiete des vormaligen Norddeutschen Bundes erfolgten Kriegsleistungen, hinsichtlich deren nach den Bestimmungen des Gesetzes vom 11. Mai 1851 ein Anspruch auf Vergütung nicht besteht, eine solche Vergütung in gewissem Um⸗ fange nachträglich gewährt werden soll. Er stellt sich hiermit im All⸗ gemeinen auf denselben Standpunkt, zu welchem sich der Reichstag bereits durch seinen Beschluß vom 8. November 1871 (Stenograph. Bericht Seite 202) über den Zusatzantrag des Abgeordneten Grum⸗ brecht zu dem Antrage des Abgeordneten von Cranach, betreffend die Erstattung der von den Kreisen zc. gemachten Aufwendungen zur Unterstützung der bedürftigen Familien der zum Dienste einberufenen Reserve⸗ und Landwehrmannschaften, bekannt hat.

Die auf Grund des Gesetzes vom 11. Mai 1851 in Anspruch genommenen Kriegsleistungen, welche überhaupt nicht, beziehungeweise nur zum Theil zu vergüten waren, sind namentlich:

1) die Gewährung von Naturalquartier,

2) die Gestellung von Wegweisern, Boten, des Vorspanns und sonstiger Transportmittel,

3) die Gestellung der Mannschaften und Gespanne zum Wege⸗ 88 u“ und zu fortifikatorischen Arbeiten für vorübergehende

wecke,

4) die Ueberweisung der Räumlichkeiten für Wachen, Handwerk⸗ stätten und zur Unterbringung von Militäreffekten.

Die außerdem nach der Bestimmung im §. 3 Nr. 3 a. a. O. erfolgten Ueberweisungen von disponiblen oder leer stehenden eignen Gebäuden der Gemeinden können hier unberücksichtigt bleiben, da sie mit einem Aufwande der betheiligten Gemeinden nicht verbunden ge⸗ wesen sind.

Der Maßstab, nach welchem die vorstehend unter 1 bis 4 bezeich⸗ neten Kriegsleistungen zu vergüten sind, wird sich in der Hauptsache nach denselben Grundsätzen bestimmen müssen, nach welchen die Ver⸗ gütung gleichartiger Leistungen laut des Gesetzes vom 11. Mai 1851 u erfolgen hat. Diese Grundsätze weisen für die Vergütung a. des

Katuralquartiers und des Vorspannes auf die feststehenden Friedens⸗ sätze (§. 10 a. a. O.), b. der Arbeitsdienste und Transportmittel auf die in gewöhnlichen Zeitverhältnissen ortsüblichen Preise (§. 11 ebenda), e. der Ueberweisung von Räumlichkeiten auf den durch die Beschaffung erwachsenen Aufwand (§§. 12 und 17 daselbst), hin.

Nicht ohne Bedenken ist es allerdings, die vollen Friedenssätze auch für die Quartiergewährung auf Märschen und in Kantonnirun⸗ en zu bewilligen, da die Leistungen der Quartiergeber bei derartigen im Allgemeinen erheblich hinter den Leistungen zurück⸗ stehen, deren Erfüllung bei der Quartiergewährung nach Maßgabe des Gesetzes vom 25. Juni 1868 (Bundes⸗Gesetzbl. S. 523) beansprucht werden kann. Im Hinblick auf die günstigen Verhältnisse des letzten Krieges, unter denen auch die Quartiergewährung an marschirende und kantonnirende Truppen innerhalb des Bundesgebietes im Allgemeinen in geregelter und normaler Weise vor sich gegangen und von den Quartiergebern in den meisten Fällen das geleistet werden konnte und geleistet worden ist, was unter gewöhnlichen Verhältnissen zu beanspruchen gewesen wäre, wird es indessen zulässig sein, in diesem Falle ausnahmsweise für alle Quartierleistungen die vollen Friedenssätze zu vergüten. b

Ueber den voraussichtlichen finanziellen Effekt einer Vergütung nach diesen Sätzen haben für das gesammte Gebiet des vormaligen Norddeutschen Bundes Ermittelungen stattgefunden. Es beträgt dar⸗

nach der Werth der Leistungen jener Kategorien: zu 1 bei Zu⸗ grundelegung der Sätze des Serrvistarifs für den Frie⸗ den 1,620,3500 Thaler, zu 2 und 3 bei Zugrunde⸗ legung der für den Frieden normirten Vergütungssätze, beziehungs⸗ weise der in gewöhnlichen Zeitverhältnissen ortsüblichen Preise 218,800 Thlr., zu 4 bei Zugrundelegung des wirklichen Aufwandes 76,000 Thlr., zusammen 1,915,100 Thlr. Dem treten noch Leistungen der gedachten Art (1 bis 4) hinzu, welche in den vorliegenden Mit⸗ theilungen nicht spezifizirt sind, im Werthe von 54,000 Thlr., so daß sich der Gesammtwerth belaufen wird auf 1,969,100 Thlr.

Wenngleich das Resultat dieser vorläufigen Ermittelungen als ein unbedingt zuverlässiges nicht angesehen werden kann, so wird doch angenommen werden dürfen, daß es ein annähernd richtiges ist, und es wird davon ausgegangen werden können, daß der zu vergütende Werth der gedachten Leistungen im ganzen Gebiete des vormaligen Norddeutschen Bundes den Betrag von zwei Millionen Thalern kaum übersteigen wird. 1

Neben diesen allgemein und gleichmäßig beabsichtigten Vergü⸗ tungen will der vorliegende Entwurf noch einzelnen, besonders hart be⸗ troffenen Ortschaften eine weitere Entschädigung zu Theil werden lassen. Eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Ortschaften, darunter namentlich mehrere Festungstädte, hat in Folge der Anhäufung von Kriegsgefan⸗ genen mit außergewöhnlich starken Besatzungen belegt werden müssen, und es haben letztere, da die vorhandenen Kasernements meist für die Gefangenen in Anspruch genommen wurden, nur in Bürgerquartieren untergebracht werden können. Auch haben andere Umstände zu beson⸗ ders starken Belegungen einzelner Ortschaften geführt. Die Aufwen⸗ dungen, welche in diesen Fällen von den betheiligten Gemeinden zur Beschaffung der erforderlichen Quartiere gemacht worden sind, erreichen Fünn Theil sehr erhebliche Beträge, zu deren Deckung die Gewährung er einfachen Servissätze nicht annähernd genügt. Nachstehende Bei⸗ spiele mögen dies veranschaulichen:

Hat nach dem Hat baar

Servistarif aufgewendet zu einen Mehr⸗

beanspruchen: betrag von:

EChlr. Thlr.

140,000 237,270 119,870 183,170 7,860 53,430 49,660 167,860 31,230 48,010 31,030 65,710 62,280 87,710 110,000 290,000 18,000 42,000 Braitnscheigd . 21,470 33,142 Ritzebnntek 10,250 30,100

Man wird von Haus aus darauf verzichten müssen, einen allge⸗ mein anwendbaren Maßstab zu suchen, nach welchem in solchen Fällen außergewöhnlicher Aufwendungen erhöhte Vergütungen zu gewähren sind. Erste Voraussetzung einer außerordentlichen Vergütung wird immer die sein müssen, daß in der That ein unvermeidlich gewesener Aufwand vorliegt; es wird daher jeder einzelne Fall für sich und unter Erörterung der konkreten Verhältnisse zu prüfen sein. Ueberhaupt aber wird eine solche außerordentliche Servisvergütung, soll nicht eine un⸗ absehbare Menge nicht zu bewältigender Erörterungen und nicht fest⸗ zustellender Ansprüche hervorgerufen werden, grundsätzlich auf die Fälle zu beschränken sein, in welchem nicht die Quartiergeber, sondern die Gemeinden außerordentliche Aufwendungen gemacht haben, und zwar Aufwendungen, welche durch eine andauernde, die Stärke der Friedens⸗ einquartierung erheblich übersteigende Belegung mit Truppen bedingt worden sind, und welche wesentlich mehr betragen, als die Vergütung nach den gewöhnlichen Tarifsätzen. Auch wird es unerläßlich sein, für die außerordentliche Vergütung eine Maximalgrenze festzustellen.

Von diesen Gesichtspunkten aus verweist der Entwurf die einzelnen Ansprüche zur speziellen Prüfung des Bundesrathes und ermächtigt diesen, eine Erhöhung der Verguütung um den einfachen Betrag der tarifmäßigen Vergütung eintreten zu lassen, wenn und insoweit die nachweislich gemachten, nothwendig gewesenen Baaraufwendungen den doppelten Betrag der tarifmäßigen Vergütung überschritten haben.

Die Ansprüche, welche auf Grund einer solchen Vorschrift zu er⸗ warten sind, belaufen sich nach den stattgehabten ö Ermitte⸗ lungen auf ungefähr 480,000 Thaler. Die einzelnen Bestimmungen des Entwurfes werden hiernach einer weiteren Begründung nicht be⸗ dürfen. Es mag nur zu §. 3 Abs. 2 bemerkt werden, daß die Absicht dieser Bestimmung dahin geht, den einzelnen Staaten die Erstattung der bezüglichen Vergütungen auch in den Fällen zu Theil werden zu lassen, in denen die Staaten den zu vergütenden Aufwand von Haus aus an Stelle der Gemeinden übernommen haben. Es entspricht dies ledig lich dem Grundsatze, welcher bereits in dem Gesetze vom 4. Dezember 1871, betreffend den Ersatz der den bedürftigen Familien zum Dienste einberufener Reserve⸗ und Landwehrmannschaften gewährten ꝛc. Unter⸗ stützungen (Rges.⸗Bl. S. 407), zur Anerkennung gelangt ist.

Stettin.. Düsseldorf . Cöln

Gatek Frankfurt a./M. Hannover Dresden. Leipzig

Landtags⸗Angelegenheiten.

Berlin, 10. Februar. In der gestrigen Sitzung des Hauses der Abgeordneten nahm in der Diskussion über den Gesetzentwurf, betreffend die Betheiligung des Staats an dem Unternehmen einer ꝛc. Eisenbahn nach Charlottenburg, der Handels⸗Minister Dr. Achenbach nach dem Abg. Dr. Virchow, welcher sich gegen die Vorlage erklärt hatte, das Wort:

Meine Herren! Es ist sehr leicht, einer positiven Schöpfung ge⸗ genüber sich rein negirend zu verhalten und die verschiedenen Gründe, die sich naturgemäß gegen jedes Neue geltend machen können, nach einander vorzuführen. Ich glaube aber von dem Standpunkte aus, den die Königliche Staatsregierung hier, wie überall einnehmen muß, kann sie sich durch solche reine Negationen nicht beirren lassen. Würde die Staatsregierung den Bedürfnissen des Landes gegenüber stets verneinend sich verhalten wollen, so würde in der That sehr bald das wirthschaftliche Leben dieses Landes versiegen, die Quellen des Wohlstandes würden aufhören zu fließen, neue positive Gestaltungen würde unser wirthschaftliches Leben nicht weiter zeigen. Der Herr Vorredner hat von den Eindrücken geredet, welche die Verhandlungen über diesen Gegenstand auf ihn gemacht haben, er führte an, daß ein Wechsel in den Auffassungen bei der Beurtheilung der Vorlage eingetreten sei; während die Motive die Bedürfnisse der Stadt Berlin in den Vordergrund gestellt hätten, sei man später auf audere, ursprünglich sehr verschämt angeführte Gesichtspunkte gekommen, um zuletzt dann auch wieder die Bedürfnisse der Stadt Berlin in erster Linie vorzuführen. Er spricht davon, daß man in übertriebener Begeisterung dieses Projekt Seitens einzelner Mitglieder des Hauses befürwortet habe, hat es aber unterlassen, an⸗ zuführen, daß die Regierung ihrerseits mit Begeisterung für dieses Projekt nicht eingetreten sei. Ich habe bereits ausdrücklich bei der ersten Verhandlung, welche im Hause stattfand, meinestheils angeführt, daß die Regierung von sehr nüͤchternen Gesichtspunkten an dies Pro⸗ jekt herangetreten wäre. Ich wiederhole kurz, daß die Gesichtspunkte, von denen die Regierung sich leiten ließ, die folgenden waren: Ver⸗ bindung ihrer großen Staats⸗Eisenbahnnetze im Osten und Westen der Monarchie, die Möglichkeit des direkten Verkehrs aus Berlin nach Osten und nach Westen, sowie von Osten und Westen zur Stadt Berlin, die Möglichkeit, bei Aufrechterhaltung dieses Projektes erhebliche Er⸗ sparungen bei Ausführung der Berlin⸗Wetzlarer Bahn zu machen, die Möglichkeit für die Berlin⸗Wetzlarer Bahn geeignete Bahnhöfe in⸗ mitten der Stadt ohne großen Kostenaufwand zu gewinnen, andererseits die Berücksichtigung der Lokalverhältnisse der Stadt Berlin, wenn auch die lo kalen Bedürfnisse für die Königliche Staatsregierung wenigstens nicht die maßgebenden Gründe waren, welche sie zu dem Entschlusse gelangen ließen, dieses Projekt aufzunehmen. Wenn die Vorlage der Regierung damit beginnt, die Bedürfnisse der Stadt Berlin, rücksichtlich der Woh⸗

nungsfrage näher zu schildern, so ist dies mit vollem Recht deshalb geschehen, weil es sich hier um eine historische Erörterung darüber handelte, wie das Projekt zu Stande gekommen sei. Es ist in der Einleitung auseinandergesetzt, aus welchen Gründen eine Privat⸗ gesellschaft das Projekt in Aussicht genommen habe, und es wird dann weiter ausgeführt, wie in einem bestimmten Zeitpunkt, wo sich die Unmöglichkeit für diese Gesellschaft ergeben habe, das Projekt zur Aus⸗ führung zu bringen, die Regierung aus den vorhin angegebenen Grün⸗ den sich entschlossen habe, dem ersteren näher zu treten. Esz ist also nicht richtig, wenn der Herr Vorredner eine verschiedene Beurthei⸗ lung dieser Vorlage, sei es auf Seiten des Hauses, sei es auf Seiten der Regierung konstatirt. Die Regierung namentklich ist in der Beurtheilung der Verhältnisse sich vollständig gleich geblieben.

Der Herr Redner richtet dann, indem er diese Auseinandersetzungen machte, die Frage an die Regierung und an das Haus: Was ist der Kernpunkt dieser ganzen Angelegenheit? Er sagte, die Regierung hätte sich für ein bestimmtes Unternehmen engagirt und glaubte dasselbe nicht lediglich, wie er sich ausdrückte, in den Brunnen fallen lassen z dürfen. Meine Herren, so liegt die Sache keineswegs. Die Regierung stand vor der Frage, ob es ihre Verantwortlichkeit dem Lande gegenüber gestatte, ein wichtiges und nützliches Unternehmen, was sich in durchaus billiger Weise, ohne den Fiskus ansehnlich zu belasten, durchführen ließ, völlig untergehen zu lassen; diese Verantwortlichkeit hat die Regierung nicht auf sich nehmen wollen. Sie hat geglaubt, dieses Projekt berücksich⸗ tigen zu müssen und Verhandlungen darüber zu führen, in welcher Weise dasselbe aufrecht erhalten werden könne. Es ist nun von dem Herrn Vorredner darauf hingewiesen worden, daß die Regierung g wissermaßen in illegaler Weise ihren Einfluß auf Privatbahnen b nutzt habe, um sie zu bestimmen, einem solchen Plane beizutreten, und es ist ferner hervorgehoben, daß die Regierung in der Berlin⸗ Lehrter Bahn ein Zwangsmittel besitze, um die benachbarten Bahnen gefügig zu machen, kurz sie zu dem zu bringen was der Regierung irgend nöthig und wünschenswerth erscheine. Ich muß diese Anführungen auf das Allerentschiedenste bestreiten und zurückweisen. Als die deutsche Eisenbahnbau⸗ gesellschaft, wie dies in den Motiven angegeben ist, im Mai v. J der Königlichen Staatsregierung anzeigte, daß sie das ursprüngliche Projekt von Berlin nach Meiningen nicht ausführen könne, daß si auch darüber zweifelhaft sei, ob sie bei der Lage des Geldmarktes im Stande sein würde, die Bahn durch Berlin zur Ausführung zu bringen, hat die Regierung eine Konferenz veranlaßt, welcher außer den Kommissarien der Staatsregierung beiwohnten die Vertreter der Berlin⸗Hamburger, der BVerlin⸗Stettiner, der Berlin⸗Anhalter, der Magdeburg⸗Halberstädter, der Potsdam⸗Magdeburger und der Berlin⸗ Görlitzer Eisenbahn. In dieser Versammlung, welche am 8. Juni v. J. stattfand, ist, wie ich nochmals hervorhebe, von sämmtlichen Vertretern der einzelnen Bahnen einstimmig anerkannt, daß die Stadtbahn eine gemeinnützige sei, welche verdiene, durchgeführt zu werden, und es ist von allen Komis⸗ sarien eine Betheiligung der Bahnen in Aussicht genommen worden, wenn sich der Staat ebenfalls betheilige, und wenn die Bahnen zweck⸗ mäßig angeschlossen werden könnten. Ich habe nun bereits bei ande⸗ rer Belegenhait angeführt, daß bei einigen dieser Bahnen der zweck⸗ mäßige Anschluß sich zunächst wenigstens nicht hat bewerkstelligen lassen und daß einzelne dieser Bahnen verlangten, daß à conto der neuen Gesellschaft der Anschluß bewirkt werde, eine Forderung, welche zurückgewiesen wurde, in Folge dessen einige Bahnen nicht zu dem Featfchluß haben gelangen können, sich bei diesem Unternehmen zu etheiligen.

Nun hat der Herr Vorredner, wie erwähnt, auf die Berlin⸗ Lehrter Bahn hingewiesen, als auf das Kompelle. Meine § 8 wenn die Verhandlungen mir richtig mitgetheilt sind, ich selbst habe den Konferenzverhandlungen nicht beigewohnt, so muß ich vor dem Hause konstatiren, daß die Berlin⸗Lehrter Bahn sich eigentlich in letzter Linie unter denjenigen Bahnen, die sich übe haupt dem Unternehmen angeschlossen haben, an dem Projekte bethei⸗ ligt hat. Seitens der Berlin⸗Hamburger Bahn ist zuerst auf da Lebhafteste das vorliegende Projekt befürwortet worden, sie hat sich zuerst angeschlossen und also unter den Privatbahnen gewissermaßen vhriffr 8

ie Regierung ist demnach sehr fern davon ewesen, in i

einer Weise, auf die Betheiligung der anderen Wean 8b11 ist aber für sie, wie ich schon angeführt habe, ein außerordentli werthvolles Zeugniß für die Bedeutung der Bahn gewesen, daß au jene Privatgesellschaften sich an der Sache betheiligt haben. 87 glaube allerdings, daß das fiskalische und staatliche Interesse an dieser Bahn wohl nicht so hoch angeschlagen werden kann, daß der Staat mit einem so bedeutenden Kapitale, wie diese Bahnanlage erfordert, dieselbe ganz übernommen haben würde. Jetzt aber, wo eine sehr bedeutende Betheiligung der Privatgesellschaften stattfindet, war in der That eine Sachlage geschaffen, wo vom fiskalischen Stand⸗ punkte aus die Betheiligung des Staates an diesem Unternehmen in keiner Weise mehr fraglich sein konnte. Wenn nun der Herr Vor redner noch dabei anführt, daß es sich man möge sagen, was ma

wolle darum handle, einer gewissermaßen in Liquidation gelangten Gesellschaft zu helfen, daß es in Frage sei, einer Gesellschaft 8 1 statten, ihre Kapitalien aus dem allgemeinen Sturz herauszuziehen, so ist dies mindestens ein Gesichtspunkt, welcher der Königlichen Staatsregierung völlig fremd ist. Bei der früheren Debatte ist her⸗ vorgehoben worden, daß möglicherweise dieser Erfolg mit der Aus⸗ führung des Planes verbunden sei; daß dies aber bestimmend für die Entschließungen der Königlichen Staatsregierung gewesen sein könnte, muß auf das Allerentschiedenste hier negirt und bestritten werden.

Der Herr Vorredner knüpfte hieran Gedanken, daß die Grund⸗ stückspreise wesentlich die Ursache gewesen seien, welche die deutsche Eisenbahnbaugesellschaft zu Fall gebracht haben. Meine Herren! Ich bin darüber nicht näher orientirt, soviel weiß ich aber, daß die deutsche Baugesellschaft ihrerseits nicht blos diejenigen Grundstücke gekauft hat, von welchen hier die Rede ist, sondern daß dieselbe bei einem Grund⸗ kapital, wenn ich nicht irre, von 5 bis 6 Millionen Thalern, i Berlin und der Umgebung ungefähr für 13 oder 14 Millionen Thale Grundstücke durch Kauf erworben haben soll. Dies ist vielleicht die Ursache des etwaigen Verfalls jener Gesellschaft, nicht aber würde dies der Fall sein, wenn sie sich auf dasjenige beschränkt hätte, was unmittelbar zu der Stadtbahn erforderlich war. Was der Herr Vorredner nach dieser Richtung angeführt hat, ist dahe ebenfalls nicht zutreffend. Ich muß auch dabei bemerken, daß nach allen Erfahrungen, die wir bei der Eisenbahnverwaltung und auch auf andern Gebieten gemacht haben, es sich stets herausstellt, daß selbst theure Ankäufe unter der Hand billiger sind, als Ankäufe, welche man genöthigt ist, im Wege der Expropriation zu machen; und von diesen

Erfahrungen aus kann gesagt werden, daß es nicht thunlich gewesen sein möchte, im Linie nur einigermaßen bekannt gewesen wäre, so billige Erwerbungen zu machen, wie dies jetzt geschehen kann. Von diesem Gesichts⸗ punkt aus ist also ein Einwand gegen das Unternehmen nicht her⸗ zunehmen. Dér Herr Vorredner sagt nun, wenn man den einen Zweck berücksichtige, nämlich die Vortheile der Stadtbahn für die Stadt Berlin, so genüge dieselbe eigentlich diesem Zwecke nur ganz unvollkommen. Meine Herren! Schon bei der ersten Berathung sprach ich aus, daß es außerordentlich schwer ist, die soz'ale Frage auf irgend einem Gebiete annähernd zu lösen. Die Königliche Staatsregierung ist weit davon entfernt anzunehmen, daß durch die Anlage der Stadt⸗ bahn eine vollständige Lösung der Berliner Wohnungsfrage er⸗ folgen wird, aber sie glaubt, daß in dieser Anlage ein sehr wichtiger Beitrag für die Lösung geschaffen ist. Daß die Auffassungen der städtischen Behörden in dieser Beziehung nicht ungünstig sind, kann ich Ihnen konstatiren, beispielsweise aus einem Schreiben, welches der Berliner Magistrat an mich gerichtet hat, worin er unter Hinweis auf ein Projekt, welches ich noch erwähnen werde, sagt: 8 Dieser Plan ist aufgegeben worden mit Rücksicht auf das konkurri⸗ rende Projekt der sogenannten Südwestbahn, durch welche der Ost- bahnhof durch eine Berlin durchschneidende Bahnlinie mit Char⸗ lottenburg verbunden werden soll. Wir können auchzdieses Projekt im Allgemeinen mit Freuden begrüßen.

Wege des Zwangsverfahrens, namentlich wenn die