1874 / 50 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Fri, 27 Feb 1874 18:00:01 GMT) scan diff

Kreisräthe, Kreis⸗Assessoren und die Ministerial⸗Sekretäre 3 Thlr.; 3) alle sonstigen Staatsbeamten 1. Klasse 2 Thlr.; 4) die Staats⸗ beamten 2. Klasse 1 ½ Thlr. Fällt jedoch die Reise derj ’nigen Beam⸗ ten sub 2 und 4, weiche einen speziellen Amtsbezirk als Wirkungskreis haben, innerhalb desselben, so ermäßigen sich die ihnen ausgesetzten Tagegelder auf 8 deren Betrages. Außerdem erhalten für jede bei der Reise außerhalb des Wohnerts zugebrachte Nacht die Beamten sub 1, 2 und 3 eine Zulage von 2 Thlrn., die sub 4 eine solche von 1 ½ Thlrn.

Die Finanzkommission beantragte diesen Vorschlag des Herzog⸗ lichen Staats⸗Ministeriums zu genehmigen mit dem Anheimgeben, daß zu Nr. 2 am Ende hinzugesetzt werde: „der Polizei⸗Direktor in der Stadt Braunschweig und die Forstmeister.“ Mit diesem Zusatze wurde dem Gesetzvorschlage die Genehmigung ertheilt und, da das Herzogliche Staats⸗Ministerium sich einverstanden erklärte, dem ganzen Gesetze die Zustimmung gegeben.

Schwarzburg⸗Sondershausen. Sondershausen, 26. Februar. Die Gesetz⸗Sammlung veröffentlicht folgendes Gesetz, die Vorschriften über die Trauung von Aus⸗ ländern betreffend, vom 15. Februar 1874:

§. 1. Die durch das Reichsgesetz vom 4. Mai 1868 in denjenigen Staaten des Deutschen Reichs, in welchen dasselbe Gesetzeskraft erhalten hat, bereits aufgehobene Bestimmung im §. 2 des Landesgesetzes vom 27. Mai 1852, wonach fremde Staatsangehörige männlichen Ge⸗ schlechts, welche im Fürstenthum eine Ehe eingehen wollen, nicht proeklamirt und getraut werden dürfen, bevor sie die Bescheinigung der Erlaubniß ibrer kompetenten Heimathsbehörde zur Eingehung der Ehe beig bracht haben, tritt auch für Nicht⸗Reichsangehörige anßer Anwendung, sofern ge⸗ hörig nachgewiesen worden ist, daß dieselben nach den Gesetzen ihres Heimathsstaats keiner Erlaubniß ihrer Heimathsbehörde zur Ein⸗ gehung einer Ehe im Auslande bedürfen, und daß nach diesen Gesetzen die Ehefrau und die aus der Ehe hervorgehenden Kinder von seibst die Staatsangehörigkeit des Ehemannes resp. des Vaters erwerben.

§. 2. Die Ausnahme von der erwähnten landesgesetzlichen Be⸗ stimmung tritt ein, nach dem der erbrachte, ihre Voraussetzung bildende, Nachweis vom Fürstlichen Ministerium für genügend anerkannt wor⸗ den ist. Demselben bleibt überlassen, die für die Angehörigen eines fremden Staates eintretende Ausnahme allgemein bekannt zu machen.

Ferner ein Gesetz, den Mißbrauch des Versammlungsrechts betreffend. Vom 16. Februar 1874.

Meuß. Gera, 25. Februar. Gestern traf der Herzog

von Sachsen⸗Altenburg zum Besuch am Fürstlichen Hofe hier ein und reiste heute Nachmittag mit dem Fürsten von hier nach Leipzig. 8 1

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 27. Februgr. (W. T. B.) Der Kaiser ist heute Morgen im besten Wohlsein hier wieder eingetroffen. Zu seinem Empfange auf dem Nordbahnhofe wa⸗ ren der Kronprinz, der Minister⸗Präsident Fürst von Auersperg und sämmtliche Minister, der Polizei⸗Präsident von Wien und der Direktor der Nordbahn anwesend.

Pesth, 26. Februar. (W. T. B.) Vom Unter⸗ hause wurden heute die Gesetzvorlagen über die Han⸗ delsverträge mit Schweden, Portugal und Ruß⸗ land angenommen. Die in der Sitzung anwesenden Minister gaben in deren Verlauf auf mehrfaches Befragen von Abgeord⸗ neten zu vernehmen, daß das gesammte Ministerium sofort nach der Ankunft des Kaisers um seine Entlassung bitten werde.

Schweiz. Bern, 26. Februar. (W. T. B.) Der Bun⸗ desrath hat den Abbé Collet auf sein Gesuch um Zurück⸗ nahme des gegen lihn ergangenen Ausweisungsbeschlusses ab⸗

fällig beschieden.

Großbritannien und Irland. London, 25. Fe⸗ ruar. Die Königin kam heute in Begleitung der Prinzessin

Beatrice von Windsor nach London, wo Ihre Majestät im Buckingham⸗Palast abstieg und bis Freitag verweilen wird.

Mit Bezug auf die Zusammensetzung des neuen

Ministeriums enthält die „Times“ die nachstehende Liste der is jetzt erfolgten Ernennungen: Minister für öffentliche Ar⸗ beten, Lord H. Lennox; Ober⸗Sekretär für Irland, Sir M. Beach; Vice⸗Präsiv ent des Konseils, Lord Sandon; Generalan⸗ walt, Sir J. Karslake; Generalfiskal, Sir R. Baggallay; Unter⸗Staatssekretär des Innern, Sir H. Selwin⸗Ibbetson; Unter⸗Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten, Herr R. Bourke; Schatzamts⸗Sekretäre, Herr W. H. Smith und Herr art Dyke.

Lord Hardinge wird wahrscheinlich zum Unter⸗Staatssekretär im Krieas⸗Ministerium ernannt werden.

Mitglieder des Königlichen Hofstaates sind: Erste Kammerdame (Mistress of the Robes), Herzogin von Wellington; Lord Oberstkämmerer, Marquis von Bath; Ober⸗Hof⸗Stallmeister Euarl von Bradford.

Die „London Gazette“ notifizirt die bereits gemeldete Erhebung des Marquis von Westminster in den Herzogs⸗ tand, sowie die Berufung des Viscount Enfield (früher Unterstaats⸗Secretär für auswärtige Angelegenheiten und Parla⸗ mentsmitglied für die Grafschaft Middlesex) in das Haus der Pairs mit dem Titel Baron Strafford auf Harmondsworth in der Grafschaft Middlesex. Für die Rückkehr des Herzogs und der Herzogin von Edinburgh, Großfürstin Marie Alexandrowna von Rußland, sind, einem offiziellen Programme zufolge, nachstehende Anordnungen getroffen worden: Ihre Königliche Hoheiten ver⸗ lassen St. Petersburg am 28. ds., treffen am 2. März in Ber⸗ lin ein, woselbst sie bis zum Dienstag Abend verweilen, worauf sie in Begleitung des Grafen und der Gräfin von Flandern nach Cöln abreisen. Von dort setzen sie nach kurzem Aufenthalt die Reise nach Brüssel fort, woselbst sie bis Freitag verweilen und dann via Ostende an Bord der Königlichen Jacht „Alberta“ die Reise nach England antreten. Nach erfolgter Landung in Gravesend am 7. März begiebt sich das neuvermählte Paar nach Windsor zu einem Be⸗ suche der Königin, der sich bis zum 12. ausdehnen wird. So⸗ dann werden Ihre Königlichen Hoheiten ihre Resivenz in Bucking⸗ ham⸗Palast in London aufschlagen, wo sie die verschiedenen Glückwunsch⸗Adressen entgegennehmen und bis zum Schluß der Londoner Saison verweilen werden. Am 7. Oktober werden sie nach Clarence⸗House, dem Palais des Herzogs von Edinburgh in London, das gegenwärtig einer gründlichen Renovirung unter⸗ zogen wird, übersiedeln. Am 14. nächsten Monats wird in der Albert Hall ein großes Konzert stattfinden, bei welchem die Königin, der Herzog und die Herzogin von Edinburgh, sowie die übrigen Mitglieder der Königlichen Familie zugegen sein werden.

Die Herzogin von Cambridge, die gegenwärtig in Strelitz weilt, ist von ihrer ernstlichen Krankheit während der letzten drei Monate nunmehr genesen, aber der Tag ihrer Rückkehr nach England ist noch nicht festgesetzt.

26. Februar. (W. T. B.) Der Marquis von Aber⸗ corn ist zum Vice⸗König und General⸗Gouverneur von Irland,

Oberst Taylor zum Kanzler des Herzogthums Lancaster, How⸗ ker Hamilton zum Unter⸗Staatssekretär im Departement der Ko⸗ lonien, Hamilton zum Unter⸗ Staatssekretär im Departement für Indien ernannt worden.

Frankreich. Paris, 25. Februar. Die Kommission der konstitutionellen Gesetze nahm gestern die Diskussion der Mittel zur Feststellung des Wahlwohnsitzes wieder auf und beendigte sie nach einer langen Debatte. Die angenommenen Beschlüsse sind folgende: 1

„Art. 1. Auf dem Wahlregister einer jeden Gemeinde werden alle Franzosen eingetragen werden, die 25 Jahre alt, im Besitze ihrer bürgerlichen und polstischen Rechte sind und in der Gemeinde einen gewöhnlichen Aufenthalt von sechs Monaten, wenn sie in ihr geboren, und von drei Jahlen haben, wenn sie anderswo geboren sind. Art. 2. Von Amts wegen werden diejenigen auf diese Liste gesetzt, die während des laufenden Jahres oder während drei auf einander folgender Jahre auf der Liste der direkten Steuern stehen. Art. 3. Auf ihr Verlangen werden diejenigen in diese Listen eingetragen, die, nicht in den Dispositionen des Art. 2 mit invegriffen, ihren Aufenthalt von 6 Monaten oder 3 Jahren wie folgt beweisen: In Gemeinden, in denen die Bevölkerung weniger als 2000 Seelen beträgt, vor einer Wahlkommission die über die Beweise nach Gutdünken urtheilt; in Gemeinden von mehr als 2000 Seelen wird der Beweis beigebracht: 1) Durch die Vorlegung eines einregistrirten Miethvertrages oder die Erklärung eines mündlichen Miethübereinkommens; 2) durch die Er⸗ klärung der Eltern für die Majorennen von 25 Jahren, die mit den ersteren wohnen, und der Patrone für die Arbeiter; 3) durch die Vor⸗ zeigung eines Notoritätsaktes, der vom Maire oder Friedensrichter mit Hülfe von vier Zeugen aufgesetzt sein muß.

Dieser Text ist der des Amendements Paris, in den man nur eine einzige Veränderung brachte, und zwar setzte man die Bevölkerungszahl für die kleinen Gemeinden, in denen die Auf⸗ enthaltsbeweise durch einfachen Notorietatsakt gemacht werden können, von 6000 auf 2000 herab. .

Das „FJournal officiel“ kündigt an, daß die Marschal⸗ lin Mac Mahon bestimmt habe, daß die 100,000 Fr., welche ihr der Direktor der „Presse“, Hubert Débrousse, zur Verfügung stellte, zum Auslösen von Matratzen aus dem Mont de Piété verwandt werden sollen. .

Versailles, 26. Februar. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Nationalversammlung beantragte Pouyer⸗ Quertier eine Besteuerung der Zuckerraffinerien, und wurde der Antrag Anfangs sehr beifällig aufgenommen. Da indeß der Handels⸗Minister und der Minister der auswärtigen Angelegenheiten erklärten, daß eine Besteuerung der Zuckerraffi⸗ nerien gegen die im Jahre 1864 betreffs des Zuckers abgeschlossene Konvention verstoßen würde, und da der Finanz⸗Minister gleich⸗ falls hervorhob, daß eine Besteuerung der Zuckerraffinerien erst nach Ablauf dieser Konvention zulässig sein würde, so wurde der Antrag nach mehreren, ziemlich lebhaften und erregten Zwischenfällen von Pouyer⸗Quertier zurückgezogen. Die Linke nahm darauf den Antrag wieder auf, derselbe wurde bei der Abstimmung indeß mit 378 gegen 297 Stimmen abgelehnt.

Spanien. Madrid, 25. Februgr. (W. T. B.) Nach einem von der „Gaceta“ veröffentlichten Telegramm vom Kriegs⸗ schauplatze im Norden hat die Apantgarde des Generals Moriones heute den Bormarsch von Somorrostro wieder begonnen. Zwei Bataillone sind bereits bis San Martin vorgeschoben worden.

Italien. Rom, 20. Februar. (It. N.) Die Depu⸗ tirtenkammer setzte gestern die Berathung des die Papier⸗ geldeirculation betreffenden Gesetzentwurfs fort und nahm den Artikel 18 an, wodurch bestimmt wird, daß, wenn künftighin bei Abschluß von gewissen Geschäften von Wechseln, Anweisungen, Contocorrenten, Depositengeldern, bei Banken und Sparkassen, Zah⸗ lung in Gold ausgemacht wird, diese Bedingung rechtskräftig ist. Zahlungsverbindlichkeiten, welche von Geschäften herrühren, die vor dem neuen Gesetze abgeschlossen worden sind, bleiben natür⸗ lich den Bestimmungen des alten Gesetzes unterworfen. Gestern wurde der Bericht des Abgeordneten Boselli über den Gesetzent⸗ wurf vertheilt, wodurch die Kammer ihre Zustimmung zum An⸗ kauf des Cavourkanals durch den Staat geben soll.

Türkei. Konstantinopel, 26. Februar. (W. T. B.) Der frühere Justiz⸗Minister Midhat Pascha ist auf eine vom Sultan an ihn ergangene Aufforderung hier eingetroffen.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 22. Februar. „Aftonbladet“ zufolge hat der norwegische Zollausschuß einstimmig beschlossen, die Annahme des Vorschlages zur gemeinschaftlichen Handels⸗ und Seefahrts⸗Gesetzgebung zwischen Schweden und Norwegen beim Storthing zu befürworten. Die Behandlung der Sache ist vom genannten Ausschuß zwar noch nicht zu Ende geführt, aber das Gutachten darüber wird wahrscheinlich in 14 Tagen beim Reichstage abgegeben werden.

Amerika. (A. A. C.) In Mexiko hat, einer New⸗ Vorker Depesche vom 24. ds. zufolge, ein Kampf zwischen den Einwohnern der Städte Quimillan und Huaxalica stattgefunden, in welchem 17 Personen getödtet wurden. Wie verlautet, wur⸗ den auch Frauen verstümmelt und Kinder hingeschlachtet.

Afrika. Eine neue Cappost per Dampfer „Roman“ bringt u. A. folgende bis zum 24. Januar reichende Nachrichten. In Natal begann am 7. der Prozeß des rebellischen Kaffern⸗ häuptlings Ilangalabalele. Der Gerichtshof ist aus dem Gou⸗ verneur der Kolonie, welcher den Vorsitz führt, vier ansässigen Richtern und vier loyalen Eingeborenenhäuptlingen zusammen⸗ gesetzt. Dem Vernehmen nach sehen mehr als 700 Gefangene ihrem Prozesse entgegen. Am 28. finden die Wahlen für das House of Assembly statt.

Nr. 9 des Justiz⸗Ministerial⸗Blatts für die preu⸗ ßische Gesetzgebung und Rechtspflege enthält folgendes Er⸗ kenntniß des Königlichen Gerichtshofes zur Entscheidung der Kompetenz⸗ Konflikte vom 9. Januar 1874: Ueber streitige Ansprüche an den Staat, welche als Provinzial⸗Staatsschulden anzusehen sind, haben nicht die Gerichte, sondern die Hauptverwaltung der Staatsschulden zu entscheiden.

Landtags⸗Angelegenheiten.

Berlin. Dem Hause der Abgeordneten ist folgender Ent⸗ wurf eines Gesetzes, betreffend die Kosten, Stempel und Gebühren in Vormundschaftssachen, vorgelegt worden:

Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen ꝛc. verordnen mit Zustimmung der beiden Häuser des Landtags Unserer Monarchie, was folat: ; 8

Art. 1. Die §§. 41— 46 des Tarifs zu dem Gesetze über den Ansatz und die Erhebung der Gerichtskosten vom 10. Mai 1851 (Gesetz⸗Samml. S. 622), der Artikel 19, Nr. 1 des Gestzes, betreffen

u

einige Abänderungen des Gesetzes vom 10. Mai 1851, vom 9. Mai 1851 (Gesetz⸗Samml. S. 273), der §. 13 Litt. A. B. C. der Verordnung vom 30. Augzust 1867, betreffend den Ausatz und die Erhebung der Gerichtskosten ꝛc. in den Herzog⸗ thümern Holstein und Schleswig (Gesetz⸗Samml. S. 1369), der §. 13 der Verordnung vom 30. August 1867, betreffend den An⸗ satz und die Erhebung der Gerichtskosten ꝛc. in dem vormaligen Kur⸗ fürstenthum Hessen (Gesetz⸗Samml. S. 1385), der §. 16 der Ver⸗ ordnung vom 30. August 1867, betreffend den Ansatz und die Eche⸗ bung der Gerichtskosten ꝛc. in dem vormaligen Herzogthum Nassau ꝛc. (Gesetz Samml. S. 1399), der Artikel XIV. des Gesetzes, betreffend die Gerichtskosten im Bezirke des Appellationsgerichts zu Wiesbaden vom 7. März 1870 (Gesetz⸗Samml. S. 193), werden, mit Vorbe⸗ halt der ferneren Anwendung des bisherigen §. 43 des Tarifs zu dem Gesetze vom 10. Mai 1851 im Falle des §. 47 desselben, durch nach⸗ stehende Paragraphen ersetzt: 8

§. 41. A. Bei den zur Wahrnehmung einzelner Geschäfte ein⸗ geleiteten Güterpflegen sind nach dem Werihe des Gegenstandes 8. erheben: 1) von je 50 Mark des Betrages bis zu 300 Mark, 2) von je 150 Mark des Mehrbetrages bis zu 600 Mark, 3) von je 300 Mark des Mehrbetrages bis zu 1500 Mark, 4) von je 500 Mark des Mehrbetrages bis zu 3000 Mark, 5) von je 1000 Mark des Mehrbetrages bis zu 15,000 Mark eine halbe Mark, 6) von dem Mehrbetrage bis zu 30,000 Mark, 7) von dem Mehr⸗ SeöG zu 60,000 Mark je drei Mark, 8) von dem Mehrbetrage sechs Mark.

Diese Sätze kommen jedoch nur insoweit zum Ansatz, als nicht rücksichtlich der Personen, in deren Interesse der Güterpfleger bestellt wird, eine Vormundschaft oder Güterpflege eingeleitet oder einzuleiten ist, auf welche die folgenden Bestimmungen Anwendung finden.

ö.42. B. Bei anderen Güterpflegen und bei Vormundschaften ist von dem Kapitalbetrage des Vermögens der Pflegebefohlenen, auf welches sich die Güterpflege oder Vormundschaft erstreckt, insofern dasselbe über 150 Mark beträgt (§. 7, Nr. 5, des Gesetzes vom 10. Mai 1851), zu erheben: 1) von je 50 Mark des Betrages bis zu 300 Mark, 2) von je 100 Mark des Mehrbetrages bis zu 600 Mark, 3) von je 150 Mark des Mehrbetrages bis zu 1500 Mark, 4) von je 300 Mark des Mehrbetrages eine halbe Mark.

§. 43. Außerdem ist zu erheben C. von den jährlichen Revenüen desjenigen Vermögens, über dessen Verwaltung dem Vormundschafts⸗ richter Rechnung gelegt werden muß: 1) von je 20 Mark des Revenüen⸗ Betrages bis zu 300 Mark, 2) von je 30 Mark des Mehrbetrages bis zu 600 Mark, 3) von je 60 Mark des Mehrbetrages bis zu 1500 Mark, 4) von je 120 Mark des Mehrbetrages eine viertel Mark.

Dabei werden statt der Berechnung die jährlichen Revenüen zu 3 Prozent des Kapitalvermögens nach Abzug der Schulden angenom⸗ men und das angefangene Kalenderjahr sowohl am Anfang als am Ende der Verwaltung voll gerechnet.

§. 44. D. Für Verhandlungen und Verfügungen, welche von den Vormundschaftsgerichten als solchen oder behufs Sicherstellung, Verwaltung oder Beaufsichtigung des Vermögens der Pflegebefohlenen von den Erbtheilungsbehörden vorgenommen oder erlassen werden, in⸗ gleichen für die Auseinandersetzung über den Nachlaß des Vaters oder der unehelichen Mutter oder desjenigen, durch dessen Tod die Vor⸗ mundschaft oder Güterpflege nöthig geworden ist, einschließlich der Ermittelung des Nachlasses und des Erbeslegitimationsverfahrens, dürfen bei Vormundschaften und bei Güterpflegen außer den vor⸗ stehenden Kostenbeträgen nur die etwa entstehenden baaren Auslagen und Kalkulaturgebühren und die Kosten eines etwa gerichtlich aufge⸗ nommenen Inventars angesetzt werden.

§. 45. E. Für die Ermittelung und die Theilung eines anderen Nachlasses und für das Erbeslegitimationsverfahren zu demselben besondere Kosten nach Maßgabe der geltenden Vorschriften in Ansatz.

§. 46. Sind bei einzelnen Geschäften, für welche den Pflege⸗ befohlenen besondere Kosten nicht angesetzt werden dürfen, nichtbevor⸗ vormundete Personen betheiligt, so müssen diese die für solche Ge⸗ schäfte in anderen Fällen bestimmten Kosten nach dem Verhältniß ihres Antheils entrichten.

Art. 2. Die Vorschriften des §. 7 des Gesetzes vom 10. Mat 1851 finden in dessen Geltungsbereiche auch auf die unter Vormund⸗ schaft stehenden tauben, stummen und blinden Personen Anwendung.

Art. 3. Die nach Artikel 1 abgeänderten §§. 41 bis 44 des Tarifs zu dem Gesetze vom 10. Mai 1851 treten auch für die Hohen⸗ zollernschen Lande an Stelle der bisher geltenden Vorschriften als Theile des Gesetzes vom 10. Mai 1851 in Kraft.

Art. 4. Die nach Artikel 1 abgeänderten §§. 41 bis 46 des Tarifs zu dem Gesetze vom 10. Mai 1851, der nach Artikel 2 aus⸗ gedehnte §. 7 des Gesetzes vom 10. Mai 1851, soweit derselbe auf die in Vormundschaftssachen zu erhebenden Kosten sich bezieht, und der §. 10, Nr. 3 desselben Gesetzes (Anlage) treten auch für die Pro⸗ vinz Hannover an Stelle der bisher geltenden Vorschriften mit den folgenden Bestimmungen in Kraft. 1

§. 1. Die Berechnung der Kosten nach den Sätzen des Tarifs crfolgt dergestalt, daß die vollen Sätze, welche für Beträge von 20, 30, 50 Mark u. s. w. bestimmt sind, auch für die nur angefangenen Beträge ent ichtet werden.

§. 2. Neben den nach diesem Gesetze zu erhebenden Kostensätzen sind weder Schreibgebühren, noch Gebühren oder Porto für Zustellun⸗ gen oder Behändigungen, noch Gebühren für Linfache auf Anfrage er⸗ gehende Bescheide, für die wegen Beseitigung vorläufiger Anstände er⸗ gehenden Zwischenverfügungen und für die Abhaltung von Terminen zu entrichten.

Für Beicheide auf unbegründete Gesuche oder Beschwerden außer⸗ halb einer eingeleiteten Vormundschaft oder Güterpflege und für vereitelte Termine werden die Gebühren nach Maßgabe der bisherigen Bestimmungen besonders erboben.

§. 3. Durch die Tarifsätze werden zugleich die Stempelabgaben gedeckt, welche auf Grund der nach dem Gesetze wegen Aenderung der Stempelsteuer vom 21. Februar 1869 (Gesetz⸗Samml. S. 366) §§. 1, 2 und dem Gesetze, betreffend die Aufhebung ꝛc. gewisser Stempel⸗ abgaben vom 26. März 1873 (Gesetz⸗Samml. S. 131) §. 2, in Kraft gebliebenen äͤlteren Vorschriften zu erheben waren.

§. 4. Hinsichtl’ch der Zahlung von Kostenvorschüssen, der Kosteu⸗ stundung und der Kostenbefreiung, sowie hinsichtlich der Erledigung von Veschwerden über den Ansatz und über die verweigerte Stundung oder Niederschlagung der Kosten kommen die bisher in Vormund⸗ schaftssachen geltenden Vorschriften zur Anwendung, soweit dieselben nicht durch §. 7 des Gesetzes vom 10. Mai 1851 abgeändert werden.

§. 5. Insoweit nach den vorstehenden Bestimmungen Schreib⸗ und Zu⸗ stellungsgebühren von den Betheiligten nicht zu entrichten sind, werden den auf den Bezug solcher Gebühren angewiesenen Beamten aus der Staats⸗ kasse ohne Rücksicht anf den Eingang des Kostenpauschquantums vergütigt:

1) an Schreibgebühren für jeden Bogen eine viertel Mark, dabei werden 96 Zeilen Schrift, die Zeile zu 12 Silben gerechnet, einem Bogen Schreibwerk gleich geachtet und nur angefangene Bogen, in⸗ glerchen Schriftstücke von geringerem Umfange als einem Bogen wie volle Bogen vergütigt;

2) für die Vornahme von Behändigungen oder Zustellungen eine viertel Mark. Diese Gebühr wird um eine fünftel Mark erhöht, wenn die Zustellung an die Partei außerhalb des Ortes, wo das Ge⸗ richt seinen Sitz hat, bewirkt werden muß. Diese Gebühren wer⸗ den nicht gezahlt, wenn der Pflegebefohlene ses Zeit der ausge⸗ führten Schreibarbeit, Behändigung oder Zust llung nicht mehr als das ihm nach §. 7, Nr. 5 des Gesetzes vom 10. Mai 1851 zu be⸗ lassende Vermögen hat. Bis zur Höhe der gezahlten Gebühren wer⸗ den die nach. den §§. 42, 43 des Tarifs zu erhebenden Kosten nach Maßgabe des zur Zeit vorhandenen Vermögens des Pflegebefohlenen sofort erhoben.

Art. 5. In dem bisherigen Geltungsbereiche des Gesetzes vom

10. Mai 1851 mit Ausnahme des Bezirks des Justizsenats zu Ehren⸗

breitstein und der Hohenzollernschen Lande kommen die Vorschriften

dieses Gesetzes zur Anwendung, seweit nicht die zu erhebenden Kosten

bereits festgesetzt sind, oder die Vormunrschaft oder Güterpflege der theiligt hlenen bereits beendigt ist.

Der von den Revenüen des Vermögens der Pflegebefohlenen erhebende Kostenbetrag wird jedoch bei den vor ngnsgesab enen m eingeleiteten Vormundschaften oder Güterpfl gen für die Zeit bis 8* des laufenden Jahres nach den bisherigen Vorschriften be⸗ rechnet.

Art. 6. In dem Bezirke des Justizsenats zu Ehrenbreitstei in den Hohenzollernschen Landen und in der Provin Fea Serne krne. bei den noch nicht beendigten Vormundschaften oder Güterpflegen der Betrag der nach den bisherigen Vorschriften in Ansatz gebrachten Stempel und Kosten auf die nach den §§. 41, 42 des Tarifs zu dem Gesetze vom 10. Mai 1851 zu erhebenden Kosten in Anrechnung, so⸗ weit jene Stempel und Kosten nicht lediglich bei der Revision und Abnahme der von dem Vormunde gelegten Rechnung entstanden sind oder nach den Vorschriften der §§. 44 bis 46 des Tarifs durch die in den §§. 42, 43 desselben bestimmten Kosten nicht gedeckt werden.

Art. 7. Die Gebührentaxe für die Friedensgerichte im Bezirk des Appellationsgerichtshofes in Cöln vom 23. Mai 1859 (Gesetz⸗ Samml. S. 309) wird durch folgende Vorschriften ergänzt.

„õ. 1. Der Friedensrichter erhält die in Artikel 1 der Taxe be⸗ stimmte Vakationsgebühr bei den Entscheidungen 1) über Ertheilung der nach §. 44 des Gesetzes über das Vormundschaftswesen vom

8 .. erforderlichen Genehmigung des Vormundschaftsrichters, 2) über die Einsetzung eines Familienrathes (ebenda §. 65), 3) über die Großjährigkeit des Pflegebefohlenen (ebenda §. 73), sei es, daß die Entscheidung nach dem Antrag des Vormundes erlassen oder der Antrag desselben durch Verfügung zurückgewiesen wird.

S. 2. Der Friedensrichter erhält die in Artikel 2 der Taxe be⸗ stimmte feste Gebühr von einer und einer halben Mark für die Ver⸗ pflichtung des Vormundes oder des Gegenvormundes oder der Mit⸗ glieder eines Familienrathes.

Für die bei Einleitung der Vormundschaft erfolgende Verpflich⸗ tung mehrerer Vormünder oder des Vormundes und des Gegenvor⸗ mundes und für die bei Einsetzung des Familienrathes erfolgende Ver⸗ pflichtung der Mitglieder desselben erhält der Friedensrichter die Ge⸗ bühr nur einmal.

§. 3. Der Friedensgerichtsschreiber erhält für seine Theilnahme an den in den §§. 1, 2 bezeichneten Geschäften zwei Drittheile der dem Friedensrichter bewilligten Gebühren.

Art. 8. In dem Bezirke des Appellationsgerichts zu Frank⸗ furt a. M. sind die nach dem Stempelgesetze vom 26. Oktober 1852 (Gesetz⸗ und Statuten⸗Sammlung Bd. 11 S. 235) Tarif Nr. 11 zu den Approbationsdekreten der Kuratelrechnungen erforderlichen zwei⸗ maligen Stempel nach dem Betrage desjenigen Vermögens, über dessen Verwaltung dem Vormundschaftsrichter Rechnung gelegt werden muß, am Ende jedes Kalenderjahres, in welchem die Verwaltung be⸗ standen hat, zuletzt bei Beendigung derselben, zu den Akten zu ver⸗ wenden. 8

In demselben Bezirk steht dem Fiskal die nach der Taxordnung des Gesetzes über das Fiskalat vom 3. Dezember 1861 (Gesetz⸗ und Statuten⸗Sammlung Bd. 15 S. 79) bisher für den Vorschlag eines jeden Vormundes bestimmte Gebühr bei jeder Verpflichtnng eines Vormundes zu, soweit sie nicht für den Vorschlag in Ansatz ge⸗ kommen ist.

Art. 9. Dieses Gesetz tritt am 1. Oktober 1875 in Kraft.

Urkundlich ꝛc.

Statistische Nachrichten.

Berlin. Die preußische Staatsforstverwaltung ist bemüht, das Interesse der Landeskultur auch dadurch zu förd rn, daß sie zum Holz⸗ anbau für Privatwaldungen gutes Pflanzenmaterial erzieht und Pflanzen an Privatbesitzer, Gemeinden ꝛc. zum Selbst⸗

kostenpreise uͤverläßt.

Es sind auf diese Weise im Jahre 1873 aus den Staatsforsten an Private abgegeben: Bau⸗ Nadel⸗ im

holz. holz. Ganzen. Hunderte Hunderte Hunderte 2,716 69,989 72,705 3,666 168,402 172,068 1,415 4129,348 430,763 Posen 4 725 118,267 122,992 Schlesien. 168 27,554 29,193 11“; 973 24,569 25,542 Schleswig⸗Holstein. 3,630 7,705 11,335 Hannover . 6 00 87,028 93,658 Westaten1 5,433 7,020 Hessen⸗Nassau.. 648 9,620 10,268 Rheinprovinz 1359 9,033 10,392 ein Summa 28,988 956,948 985,936, während in den früheren 4 Jahren abgegeben sind: 1872 = 382,519 8— 1871 = 319,491 M“ 1870 = 210,664 G 8 1“ 1869 = 204,275. Nach dem Verwaltungsbericht der städtischen Sparkasse zu Magdeburg für das Jahr 1873 betrugen am Schlusse des Jahres 1872 die Einlagen der Interessenten 3,842,918 Thlr. 28 Sgr. 2 Pf., im Jahre 1873 sind neu belegt 2,152,274 Thlr. 17 Sgr. 3 Pf. und den Interessenten an Zinsen gut geschrieben 126,332 Thlr. 20 Sgr. 10 Pf., woraus sich als Gesammtsumme ergeben 6,121,526 Tbhlr. 6 Sgr. 3 Pf. Zurückgenemmen sind im Laufe des Jahres 1873 1,760,645 Thlr. 13 Sgr. 9 Pf., mithin am 31. Dezember 1873 be⸗ legt geblieben 4,360,880 Thlr. 22 Sgr. 6 Pf. Die Einlagen haben sich daher gegen ultimo Dezember 1872 vermehrt um 517,961 Thlr. 24 Sgr. 4 Pf. Ausstehende Kapitalien besaß die Sparkasse am Schlusse des Jahres 1873 4,521,357 Thlr. 23 Sgr. 10 Pf., Zinsen standen aus 13,057 Thlr. 7 Sgr. 6 Pf., baarer Bestand war 169,006 hlr. 16 Sgr. 5 Pf., überhaupt 4,703,42 Thlr. 17 Sgr. 9 Pf. Davon gehen ab: noch nicht abgeführte Ueberschüsse 2420 Thlr. 3 Sgr. 8 Pf., schuldige Dienst⸗Kautionen 1200 Thlr., zusammen 3620 Thlr. 3 Sgr. 8 Pf., mithin bleibt Vermögen ultimo 1873 4,699,801 Thlr. 14 Sgr. 1 Pf. Von dieser Summe gehören, wie oben berechnet, den Interessenten 4,360,880 Thlr. 22 Szr. 6 Pf., so daß ein Ueberschuß verbleibt von 338,920 Thlr. 21 Sgr. 7 Pf., welcher sich nach Abzug des Reservefonds mit 262,689 Thir. 5 Sgr. 11 Pf. für das Jahr 1873 festgestellt auf 76,231 Thlr. 15 Sgr. 8 Pf. Von diesem Ueber⸗ schusse werden 20 % zur Verstärkung des Reservefonds entnommen mit 15,246 Thlr. 9 Sgr. 2 Pf., wodurch derselbe auf 277,935 Thlr. 15 Sgr. 1 Pf. erhöht wird und 60,985 Thlr. 6 Sgr. 6 Pf. zur Ver⸗ wendung für öffentliche städtische Zwecke disponibel bleiben. London, 24. Februar. Einem Resume der in Gemäßheit des Lebensversicherungsgesetzes von 1870 erforderten Jahresausweise der englischen Lebensversicherungsgesellschaften zufolge sind die Gesammteinkünfte derselben für Prämien u. s. w. im abgelaufenen Jahre 15,535,581 Lstr., und die Ausgaben für Polizenforderungen, fallengelassenen Polizen, Kommissionen, Verwaltungsspesen, Divi⸗ denden u. s. w. 12,125,292 Lstr. Ihre Reservefonds belaufen sich im

in der Provinz Preußen - Brandenburg

9 2 Pommern.

n b a2a 2½2 Ku + 2 b½8H 2u ½ 2 à¾ν u2 u a l2 2 ½l 12 A

Ganzen auf 113,437,829 Lstr., und die in Kraft befindlichen Versiche⸗

rungen repräsentiren eine Summe von nahezn 353 Millionen Lstr

Kunst, Wissenschaft und Literatur. Berlin, 27. Februar. Hesekiel in seinem 55. Lebensjahre an einem Herzschlage. München, 25. Februar. Dr König hat am heutigen Tage an den Professor Dr. Fr. v. Kobell folgendes Handschreiben gerichtet: „Mein lieber Professor Dr. v. Kobell! Wie Sie aus der Ihnen verliehenen Auszeichnun des Komthurkreuzes vom Orden des beil. Michael ersehen, habe Ich beim Herannahen Ihres 50 jährigen Doktorjubitkäums aufs Neue der reichen Verdienste gedacht, welche Sie sich während einer langen Reihe von Jahren als Lehrer und Schrift⸗ steller erworben haben. Ihnen ist die doppelte Gabe beschieden die Natur mit dem Geiste des Forschers zu erfassen und das Volksleben zum Gegenstand eines gemüthvollen, vo

1““ 8

1

Gestern starb der Hofrath Dr. George

frischem Humor durchdrun⸗

genen dichterischen Schaffens zu machen. Deshalb sende Ich Ihnen zu dem Ehrentage, an welchem Sie freudig auf ein durch glückliche Verbindung von Wissenschaft und Kunst verschöntes Leben zurück⸗ blicken können, Meine wärmsten Glückwünsche, der Ich mit fert⸗ dauerndem Wohlwollen bin Ihr sehr gewogener Ludwig. München, 25. Februar 1874.

Die achte Kurliste von Meran zählte bis zum 5. d. M. 626 Parteien mit 1196 Personen. 8 1u1““

Landwirthschaft.

Berlin, 27. Februar. Am zweiten Verhandlungstage beschäftigte sich der landwirthschaftliche Kongreß, dessen Verhandlung n auch der Handels⸗Minister Dr. Achenbach beiwohnte, mit der Frage des landwirthschaftlichen Unterrichts. Ueber die Frage, betreffend die Ver⸗ bindung der landwirthschaftlichen Lehranstalten mit den Universitäten, referirte zunächst Professor Dr. Birnbaum (Plagwitz), dann Direktor Settegast. Folgende Thesen gelangten nach längerer Debatte zur An⸗ nahme: 1) die bisherigen Erfahrungen über Eefolge der dem höheren landwirthschaftlichen Unterricht dienenden Institute reichen nicht aus, um schon jetzt über die zweckmäßigste Organisation derselben in allen Punkten endgültige Entscheidung zu treffen; 2) die selbständige Hoch⸗ schule (landwirthschaftliche Akadem e), deren Lehrmethode auf die Reife der Prima eines Gymnasiums oder einer Realschule I. Ordnung be⸗ rechnet sind, ist für die überwiegende Zahl studirender Landwirthe un⸗ entbehrlich; 3) die Einfügung des landwirthschaftlichen Instituts in die Universität als integrirender Tyeil derselben erscheint nur dann heilsam, wenn die Studirenden der Landwirthschaft den gleichen Grad allgemein wissenschaftlicher Vorbildung besitzen, als die übrigen Univer⸗ sitäte⸗Studenten; 4) dem wissenschaftlichen Studium an der landwirth⸗ schaftlichen Hochschule sind mindestens zwei Jahre zu widmen; 5) die Unterweisung in der Praxis des Landbaues ist mit dem Wesen und den Zielen der landwirthschaftlichen Hochschule nicht vereinbar; 6) ein Landgut els Theil des Demonstrations⸗Apparats der landwirthschaftlichen Hochschule muß als wünschenswerth angesehen werden; 7) Regierungen, gemeinnützigen Gesellschaften und Förderer des Gemeinwohls ist zu em⸗ pfehlen, durch geeignete Maßregeln (Stiftungen, Stipendien, Freistellen ꝛc.) dahin zu wirken, daß auch unbemittelten Landwirthen der Besuch ge⸗ eigneter landwirthschaftlicher Lehrinstitute ermöglicht, beziehentlich er⸗ leichtert wird. Anlaß zu einer längeren Diskussion gab der Antrag des Landes⸗Oekonomie⸗Raths Griepenkerl (Braunschweig) auf Einfüh⸗ rung landwirthschaftlicher Mittelschulen. Die Versammlung nahm folgende Resolution an: „Der Kongreß deutscher Landwirthe erklärt die landwirthschaftlichen Mittelschulen, d. b. diejenge Art von Realschulen, welche dem besonderen Bildungsbedürfniß des Landwirths Rechnung tragen, zugleich aber den Anforderungen allgemeiner Bildung, in dem die Berechtigung zum einjährig⸗freiwilligen Mulitärdienst bedingenden Maße Genüge leisten und damit die Erreichung höherer Bildungs⸗ zwecke ermöglichen wollen, als ein dringendes Bedürfnitz der Landwirth⸗ schaft und nothwendiges Glied in der Kette der öffentlichen Bildungs⸗ anstalten. Die ländlichen Fortbildungsschulen betreffend, referirte der Abg. Sombart. Die Versammlung nahm folgenden Antrag an: „Die Errichtung von obligatorischen Fortbildungsschulen für die männliche Jug nd, auch auf dem Lande, zur Befestigung und Erweiterung des in der Volksschule Gelernten ist ein staatliches und volkswirthschaft⸗ liches Bedürfniß.“

Am dritten Verhandlungstage (Donzerstag) motivirte Herr v. Treskow⸗Grocholin einen Dringlichkeitsantrag, die Zustimmurg zu den Grundwahrheiten des Agrarprogramms auszusprechen, welches schon mit 140 Unterschriften bedeckt sei. Der Direktor Noodt erklärte dem gegenüber, daß von den 140 Unterschri ten nur 12 dem Kongresse angehören. Herr v. Treskow zog danach seinen Aatrag zurück, und das Niendorfsche Programm wird erst später zur Diskussion gelangen.

Auf der Tagesordnung, welche zunächst die Steuerfrage enthielt, stand in erster Reihe das Referat des Ober⸗Appellationsgerichts⸗Raths v. Lenthe (Hannover) über die Doppelbesteuerung bei den direkten Steuern. Der Referent empfahl die Annahme folgender Theses:

I. Die Steuerfrage kann nur dann eine befriedigende Lösung

finden, wenn in der gesammten Steuergesetzgebung das Prinzip der strengsten Gerechtiskeit zur Durchführung kommt. 4 Die bei der direkten Befteuerung in fast allen deutschen Staaten bestehende Ueberlastung des Einkommens aus Grundbesitz gegenüber dem Einkommen aus Kapitalvermögen widerstreitet dem Prinzipe der Gerechtigkeit und ist daher zu beseitigen.

Besonders verwerflich erscheint die im preußischen Staate, in welchem bereits eine allgemeine Einkommensteuer (die Klaffen⸗ und klassifizirte Einkommensteuer) besteht, im Widerspruch mit den Artikeln 4 und 101 der Verfassungenrkunde noch bestehende besondere Besteue⸗ rung einzelner Klassen der Bevölkerung durch die Grund⸗, Gebände⸗, Gewerbesteuer u. s. w.

III. Von allen anderen Steuern widerstreitet die Grundsteuer richtigen Grundsätzen der Besteuerung, da es weder eine Bodenrente giebt, welche nicht das Produkt von Arbeit und Kapital wäre, noch einen feststehenden Reinertrag des Grund und Bodens, viele Grund⸗ stücke sogar überall keinen Reinertrag liefern; da ferner diese Steuer niemals, namentlich für größere Bezirke und auf längere Zeitdauer, gleichmäßig veranlagt werden kann; und da der Peozentsatz, welchen

diese Steuer von dem reinen Einkommen des Steuerzahlers hinweg⸗

nimmt, mit der zunehmenden Verschuldung, also mit der ahnehmenden Steuerfähigkeit, steigt.

Ganz bedeutend vermehrt werden die Härten der Grundsteuer da, wo dieselbe neben anderen Steuern, welche gleichfalls schn das Ein⸗ kommen aus Grundbesitz belasten (z. B. Klassen⸗ und klassifizirte Ein⸗ kommensteuer) und bei welcher dieses letztere schon schärfer getroffen wird, als das Einkommen aus Kapital allen Arten von Kommunal⸗ lasten ohne Rücksicht auf die etwaigen besonderen No.theile des Grund⸗ besitzes zum Maßstabe dient.

Am deutlichsten tritt dies hervor in denjenigen kleinen Landstädten,

wo den Grundbesitzern entweder überhaurt kein Vorth il oder wenig⸗ stens kein entsprechender Vortheil aus dem Kommunalverbande erwächst und dennoch die Grundsteuer neben der Personalsteuer und noch dazu mit einem weit höheren Prozentsatz als die letztere der Kommunal⸗ besteuerung zu Grunde gelegt wird. „Iv. Die Einführung einer Reichsgewerbesteuer, durch welche die in mehreren Staaten des Deutschen Reichs noch bestehende Dop⸗ pelbesteuerung einzelner Klassen der B völkerung eine neue Stütze er⸗ halten würde, kann nicht befürwortet werden.

V. In gerechter Weise kann der Ersatz für die bei Modifikation des Steuersystems nach den obigen Grundsätzen sich ergebenden Aus⸗ fälle nur durch eine allgemeine alle Einnahmequellen in gerechter Weise treffende Einkommensteuer beschafft werden.

Dabei ist das unfundirte, au körperlicher und geistiger Arbeit entspringende Einkommen (z. B. Beamtengehalte) mit einem geringeren Prozentsatz heranzuziehen, als das fundirte aus Grundbesitz und Ka⸗ pital berrührende Einkommen.

„Für dasjenige Einkommen, welches sich der zutreffenden Ein⸗ schätzung durch Einschätzungs⸗Kommissionen entzieht, ist die Selbst⸗ einschätzung mit erheblicher Bestrafung unrichtiger Angaben einzuführen.

VI. Als selbstverständlich erscheint es, daß da, wo für die Heran⸗ ziehung früher befreiter oder bevorzugter Grundstücke zur Grund⸗ steuer Entschädigungen gezahlt sind, dies Verhältniß bei einer unter Wegfall der Grundsteuer erfolgenden Steuerreform in angemessener Weise berücksichtigt werde, etwa durch Rückzahlung der Eatschädigungen oder deren Verzinsung.

VII. Die vorst henden Erklärungen sind durch den Ausschuß des Kongresses an das Bundeskanzler⸗Amt, die einzelnen deutschen Re⸗ gierungen und die Volksvertretungen in Form von Petitionen, mit kurzen Motiven versehen, mitzutheilen.

Der zweite Referent, General⸗Sekretär Bueck (Düsseldorf) referirte speziell über die Frage der Grundstener und G werbesteuer. und suchte in Uebereinstimmung mit seinem Vorredner auszuführen, daß nur eine allgemeine, alle Einnahm quellen treffende Einkommen⸗ steuer im Stande sei, die Ungerechtigkeiten in der Steuerv ranlagung zu beseitigen. Der dritte Neferent v. Wedemeyer schleß sich gleich⸗ falls seinen Vorrednern an. Nach längerer Debatte wurden die oben mitgetheilten Thesen angenommen, eine redattionelle Revision indeß

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dem Ausschuß übertragen. Außerdem wurde noch ein Antrag de Dr. Hecht angenommen, welcher die Nothwendigkeit einer Revision auch der Kommunalbesteuerung behandelt.

Gewerbe und Handel. Wien, 26. Februar. (W. T. B.) Die Kreditanstalt hat wie die Abendblätter melden, ihren Zinsfuß im Kontokorrent von 8 auf 7 Prozent herabzusetzen beschlossen.

Verkehrs⸗Anstalten.

Stuttgart, 26. Februar. (W. T. B.) Die gestern und heute hier versammelt gewesene Eisenbahnkonferenz war von etwa 50 Eisenbahnverwaltungen beschickt resp. von 85 Vertretern derselben be⸗ sucht. Es ist von derserben, dem „Süddeutschen Börsen⸗ und Han⸗ delsblatte“ zufolge, im Wesentlichen die Beibehaltung des seitherigen Sommerfahrplans beschlossen wor den; nur der zu Gunsten der Wiener Weltausstellung im vorigen Jahre eingelegte Schnellzug soll wegfällig werden. Karlsruhe, 24. Februar. Die „Karlsr. Ztg.“ berichtigt die in verschiedene badische Blätter übergegangene Mittheilung, daß vom 1. Juli an Eisenbahn⸗Fahrbillette nach der neuen Markwäh⸗ rung regulirt ausgegeben werden ollen.

Christiania, 22. Februar. Die außergewöhnlich milde Tem⸗ peratur, welche während des ganzen diesjährigen Winters geherrscht hat, hat fast gar keine Unterbrechung der Schiffahrt stattfinden lassen, denn wenn der Hafen auch von Zeit zu Zeit mit Eis belegt war, ist dasselbe doch nie so stark gewesen, als daß es wirklich dem Einlaufen der Sch ffe Schowierigkeiten hätte bereiten können. Die Dampfschiffslinien beginnen daher bereits ihre Fahrten wieder zu er⸗ öffuen und das erste Dampfboot für Hamburg, der „St. Olaf“, soll am 26. d. M. von hier abgehen.

Königliche Schauspiele. Sonnabend, 28. Februar. Opernhaus. Die lunigen Weiber von Windsor. in 3 Akten. Musik von Nicolai. Tanz von Haguet. Frau Fluth: Fr. Mallinger. Frau Reich: Frl. Lammert. Fallstaff: Hr. Fricke. Herr Fluth: Hr. Betz. Anfang 7 Uhr. Mittel⸗Preise.

Schauspielhaus. (58. Vorstellung.) Torquato Tasso. Schauspiel in 5 Aufzügen von Goethe. Anfang halb 7 Uhr.

Mittel⸗Preise.

Sonnabend, 28. Februar. Im Saal⸗Theater des König⸗ lichen Schauspielhauses. Vierunddreißigste Vorstellung der fran⸗ zösischen Schauspieler⸗Gesellschaft. Première représentation de: La Papillonne. Comédie en trois actes, en prose, par Mr. Victorien Sardou. Premieére représentation de: Un Mari qui pleure. Comédie en un acte par Mr. Jules Prèvet.

Sonntag, 1. März. Opernhaus. (56. Vorstellung.) Joseph in Aegypten. Musikalisches Drama in 3 Abtheilungen. Musik von Méhul. Berjamin: Frl. v. Bretfeld. Jacob: Hr. Schmidt. Joseph: Hr. Niemann. Simeon: Hr. Betz. Hierauf: Der Geburtstag. Divertissement in 1 Akt von Hoguet. Musik von Blum. Anfang halb 7 Uhr. Mittel⸗Preise.

Schauspielhaus. (59. Vorstellung.) Die Journalisten. Lust⸗ Fre. 4 Akten von G. Freitug. Anfang halb 7 Uhr. Mittel⸗

reise.

Sonntag, den 1. März. Im Saal⸗Theater des König⸗ lichen Schauspielhauses. Fünfunddreißigste Vorstellung der fran⸗ zösischen Schauspieler⸗Gesellschaft.: Deuxième représentation de: La Papillonne. Comédie en trois actes, en prose, par Mr. Victorien Sardou. Deuxième représentation de: Un Mari qui pleure. Comédie en un acte par Mr. Jules Prèvet.

Es wird ersucht, die Meldekarten (sowohl zu den Opern⸗ haus⸗, wie zu den Schauspielhaus⸗Vorstellungen) in den Brief⸗ kasten des Opernhauses, welcher sich am Anbau desselben, gegen⸗ über der Katholischen Kirche, befindet, zu legen.

Dieser Briefkasten ist täglich für die Vorstellungen des fol⸗ genden Tages nur von 10 bis 12 Uhr Vormittags geöffnet.

Meldungen um Theater⸗Billets im Bureau der General⸗ Intendantur oder an anderen Orten werden als nicht eingegangen angesehen und finden keine Beantwortung.

Die in den Königlichen Theatern gefundenen Gegenstände können von den Eigenthümern innerhalb 4 Wochen bei den Hauspolizei⸗Inspektoren Schewe (Opernhaus) und Hoff⸗ meister (Schauspielhaus) in Empfang genommen werden. Erfolgt die Zurückforderung der betreffenden Sachen in der angegebenen Frist nicht, so werden dieselben den Findern ohne Weiteres ausgehändigt.

(55. Vorstellung.) Komisch⸗phantastische Oper

Telegrapgaische Witzerungsberiehse.

Allgemeine Himmels- ansicht.

Barx. Abw Temp. Abw V

8 . 1.„. U. E. „. M. Wivd.

27. Februar.

Haparanda. 345,6 3,7 S., lebh. Hernösand 342.9 2,6 080., schw. Helsingfors 343.6 5,3 0., mäss. Petersburg. 445,7 10,1 80., mäss. Stockholm .3 1.1 0,1 80., lebhaft. 335,3 —0 2,4 080., stark.

§S0., lebh. ) 80., lebhaft. ³) S., stark. bedeckt. 80., mässig. trübe. Flensburg. 334,1 80., lebhaft. bewölkt. Königsberg 339,5 5 S0., schw. bewölkt. Danzig 338,6 bedeckt. Putbus 335.1 S0., stark. sbezogen. 8 Kieler H. 337.6 SO., heftig. zieml. heiter. Cöslin 337.7 80., mässig. sbedeckt. Wes. Lchtt 331,5 80., stürm. bedeckt. Wilhelmsh. 531, 4 8., lebh. bedeckt. 8 6 Stettin 336,9 080., stark. bedeckt. 8Gröninges .331,8 080., schw. Regen. 6 Bremen 336.1 80., lebh. leicht bewölkt. Heldoer 330,3

S0., schw. Berlin 335,0 Posen 332,9 0,8 Münster 328,2 7,0 Torgau 332.3 1,8 Breslau 331.27 0,8 Brüssel 329,6 6 331,2]— 4,27 6 Wiesbaden. 329.0 6 Ratibor 327,9— 1,5 6 Trier 326,6 8 Cherbourg. 329,2 8 Havre 330,3 7 Carlsruhe 328,7 8 St Mathieu 329.3 8, Constantin. 339,1 ¹) Sehr heftige Windstösse. ²) Gestern Nachmittag 80. leb- haft. ³) Strom S. Gestern Nachm. S80. mäss g. Strom S. ⁴) Gestern Schneec. ²) Nachts Regen. ) Regen. ¹) Gestern Abend sehr heftiger 8.

bedeckt. bedeckt. bedeckt. wenig bewölkt. bedeckt. Regen. ¹) Fredericksh Sa Helsingör.. dHoskau 338,8 MemelH 340. 2

5,7

16.

S0., mässig. 35S., schw. O., lebh. 20., schw. wolkig.

S0., lebh. sehr bewölkt. ⁴) 880. z. lebh. bedeckt.

NO., s. schw. bedeckt.

3 S., schw. swolkig. 3,8/S., mässig. strübe. S0., mäss. bedeckt. 80., lebh.

80., s. schw. bedeckt. wSW., lebh. bedeckt.¹) [NO., schw. wenig bewölkt.

heiter. ⁴) zieml. heiter. *) heiter, Reif.

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S0., schwach. bedeckt, neblig.

sehr bewölkt. 111“