Allerhöchsten orts verfügt worden. Im Parquet befanden sich die bacfsen e2 Mitglieder des Bundesrathes, Prä⸗ sidenten der Gerichte, Militärs vom General bis zum Se⸗ condelieutenant aller Waffen, Mitglieder des Reichstags, der Universität und Akademie, des Magistrats, der Stadt⸗ verordneten, der Kaufmannschaft ꝛc. Der Balkon des ersten Ranges war von Damen des Hofes und des diplomatischen Corps besetzt; in den Logen befanden sich zur Rechten der Königlichen Loge die Chefs der Gesandtschaften, zur Linken die General⸗Feldmarschälle, die Minister, die Präsidenten des Reichstages und beider Häuser des Landtages. „In der großen Prosceniumsloge des Hofes waren die Fälteren Kronprinzlichen Kinder, die Söhne in Uniform mit dem großen Bande des russischen Andreas⸗Ordens. In der Fremden⸗ loge befanden sich die Fürstinnen; die kleine Prosceniumsloge links von der Bühne war für die Botschafter reservirt, von denen der englische, russische und österreichische Botschafter nebst Gemahlinnen und die Töchter des französischen Botschafters anwesend waren. “
Fenn 7 ½ Uhr erschien der Hof in der großen Königlichen Loge. Ihre Majestät die Kaiserin⸗Königin führte Ihre Kaiserliche Hoheit die Herzogin von Edinburgh. Nachdem Ihre Majestät Sich nach allen Seiten hin verneigt hatte, nahmen die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften Platz; in der Mitte Ihre Majestät die Kaiserin⸗Königin, zu Allerhöchstihrer Rechten Ihre Kaiserliche Hoheit die Herzogin von Edinburgh, Se. Kaiser⸗ liche und Königliche Hoheit der Kronprinz, Ihre Königliche Hoheit die Gräfin von Flandern, Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Carl, Se. Königliche Hoheit der Prinz Friedrich Carl, Se. Königliche Hoheit der Prinz Wilhelm von Württemberg; zur Linken Ihrer Majestät Se. Königliche Hoheit der Herzog von Edinburgh in preußischer Obristen⸗Uniform, Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Kronprinzessin, Ihre Königliche Hoheiten der Graf von Flandern, die Prinzen Carl, Alexander von Preu⸗ ßen und August von Württemberg. In der zweiten Reihe saßen Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Friedrich Carl mit Höchstihren Töchtern, die Herzogin Wilhelm von Mecklenburg, die Erb⸗Großherzoge von Mecklenburg⸗Strelitz und von Sachsen⸗ Meiningen. — In den Zwischenakten nahmen die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften im Konzert⸗Saal den Thee ein und fand daselbst Cour statt.
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3132 Der Ausschuß des Bundesraths für Eisenbahnen, Post und Telegraphen hielt heute eine Sitzung.
— Im weiteren Verlaufe der gestrigen Sitzung des Deut⸗ chen Reichstages wurde die Berathung über den Antrag der elsaß⸗lothringischen Abgeordneten fortgesetzt. Derselbe lautet:
Der Reichstag wolle dem nachstehenden Gesetzentwurf seine Zu⸗ stimmung geben: §. 10 des Gesetzes vom 30. Dezember 1871, betr. die Einrichtung der Verwaltung von Elsaß⸗Lothringen, ist aufgehoben. (Dieser §. 10 lautet: Bei Gefahr für die öffentliche Sicherheit ist der Ober⸗Präsident ermächtigt, alle Maßregeln ungesäumt zu treffen, welche er zur Abwendung der Gefahr für erforderlich erachtet. Er ist insbesondere befugt, innerhalb des der Gefahr ausgesetzten Bezirkes diejenigen Gewalten auszuüben, welche der §. 9 des Gesetzes vom 9. August 1849 (Bulletin des lois Nr. 1511) der Militärbehörde für den Fall des Belagerungszustandes zuweist. Von den erlassenen Verfügungen ist dem Reichskanzler ohne Verzug Anzeige zu machen.
Zu polizeilichen Zwecken, insbesondere auch zur Ausführung der vorbezeichneten Maßrahme, ist der Ober⸗Präsident berechtigt, die in Elsaß⸗Lothringen stehenden Truppen zu requiriren.
.9 des französischen Gesetzes vom Jahre 1849, den Be⸗ lagerungszustand betreffend, lautet in deutscher Uebersetzung: Die Militär⸗Autorität hat das Recht — 1) Haussuchungen bei Tag und bei Nacht in den Wohnungen der Bürger vorzunehmen; 2) die gerichtlich Bestraften und diejenigen Personen, welche ihren Wohnsitz in dem dem Belagerungszustand unterworfenen Orte nicht haben, zu entfernen; 3) die Ablieferung der Waffen und Schießvor⸗ räthe anzuordnen und zur Nachforschung darnach sowie zur Hinweg⸗ nahme derselben vorzuschreiten; 4) alle Veröffentlichungen und Ver⸗ einigungen zu untersagen, welche sie für geeignet erachtet, die Unord⸗ nung hervorzurufen oder zu unterhalten).
Nachdem der Abg. Winterer seine Rede beendet, ergriff der Abg. von Puttkamer (Fraustadt) das Wort, um darzulegen, daß die von den Antragstellern vorgebrachten Fälle des Verbotes von Zeitungen u. s. w. nicht auf diesem §. 10 des Gesetzes vom 30. Dezember 1871 beruhe, sondern vielmehr auf den älteren französischen Gesetzen. Demnächst trat der Reichskanzler Fürst von Bismarck den Ausführungen der Antragsteller ent⸗ gegen (S. unter Reichstagsangelegenheiten). Nachdem noch der Abg. Dr. Windthorst für, der Abg. von Puttkamer (Lyck) gegen den Antrag gesprochen, wurde die Diskussion geschlossen. Nach einem Schlußwort des Antragstellers Abg. Guerber lehnte das Haus die Verweisung an eine Kommission ab und trat sofort in die zweite Berathung, in welcher der Abg. Dr. Banks den Antrag auf Kommissionsberathung erneuerte. Nachdem derselbe nochmals abgelehnt war, wurde der Antrag Guerber in namentlicher Abstimmung mit 196 gegen 138 Stim⸗ men verworfen. — Schluß 4 ¾ Uhr. Nächste Sitzung Freitag 11 Uhr. 8
— Im Deutschen Gewerbemuseum ist auf einige Zeit eine der interessantesten Denkwürdigkeiten des heiligen römischen Reiches deutscher Nation ausgestellt. Es ist der von Kaiser Maximilian II. bei seiner Krönung zu Frankfurt im Jahre 1562 benutzte und dem Erbschenken, Christoph von Limpurg verehrte Schenkenbecher, der seitdem im Besitz der Familie geblieben und auf Veranlassung Ihrer Kaiserlichen und Königlichen Hoheit der Kronprinzessin von der jetzigen Besitzerin, der Frau Gräfin Bentinck zu Gaildorf, dem Museum zur zeitweisen Aus⸗ stellung überlassen ist. Dieser einschließlich des Deckels 2 Fuß hohe Pokal ist ein vortreffliches Stück Nürnberger Arbeit, in Silber getrieben und vergoldet, mit reichem ornamentalen Schmuck. — Die Widmungsinschrift ist auf der Innenseite des Deckels an⸗ gebracht. — Dem Museum wurde die photographische Verviel⸗ L.a.nn. des prächtigen Geräthes in entgegenkommendster Weise gestattet.
Bayern. München, 2. März. Dem Königlichen Reichs⸗ Rath von Niethammer ist von Sr. Majestät dem König wegen seiner 25jährigen Thätigkeit als erster Sekretär der Kam⸗ mer der Reichsräthe das Großkreuz des Verdienstordens vom heiligen Michael verliehen worden.
— An Stelle des zum Vice⸗Präsidenten des Reichs⸗Ober⸗ ernannten Ministerial⸗Rathes Hocheder wurde der
ber⸗Appellationsgerichts⸗Rath Dr. G. Schmidt zum Ministe⸗ rial⸗Rath ernannt. 11
Württemberg. Stuttgart, 2. März. Der Minister des Königlichen Hauses, der Justiz und der Auswärtigen Ange⸗ legenheiten von Mittnacht ist vorgestern aus Berlin zurück⸗
gekehrt und heute von Sr. Majestät in Audienz empfangen
worden.
Baden. Karlsruhe, 2. März. Die Fürstin von Leiningen, Prinzessin Marie von Baden, hat heute Nachmittag nach mehrwöchigem Aufenthalte Karlsruhe verlassen, um nach Amorbach zurückzukehren.
— Das Gesetzes⸗ und Verordnungsblatt vom 28. v. Mts., Nr. 10, enthält: 1) Eine landesherrliche Verord⸗ nung: die Gewährung von Wohnungsgeld⸗Zuschüssen an die weltlichen Staatsdiener und Angestellten betreffend. Klassenein⸗ theilung der Beamten und Angestellten, nach welcher die Woh⸗ nungsgeld⸗Zuschüsse gewährt werden. 2) Eine Verordnung des Finanz⸗Ministeriums: die Gewährung von Wohnungsgeld⸗Zu⸗ schüssen an die weltlichen Staatsdiener und Angestellten be⸗ treffend.
Hessen. Darmstadt, 2. März. Der Prinz und die Prinzessin Ludwig haben sich heute nach Cöln begeben, um daselbst den Prinzen und die Prinzessin von Wales und den Herzog und die Herzogin von Edinburgh zu begrüßen.
Mecklenburg. Schwerin, 3. März. Der Großherzog hat sich heute nach Neukloster zum Besuch des dortigen Schul⸗ lehrer-Seminars begeben und wird heute Abend hier wieder eintreffken. Der Erbgroßherzog und der Herzog Paul Friedrich haben sich bez. gestern Mittag und vorgestern Abend von hier nach Rostock und Rathenow zurück⸗ begeben. Der Fürst Windischgrätz nebst den Prinzessinnen Töchtern Alexandrine und Olga sind gestern Nachmittag von hier wieder abgereist.
Braunschweig. Braunschweig, 1. März. Die heu⸗ tige Nummer des „Braunschw. Tagbl.“ löst die Widersprüche in den verschiedenen Zeitungsnachrichten über die Regulirung der Erbschaftsmasse des Herzogs Karl durch die Mittheilung, daß der regierende Herzog Wilhelm allerdings von Seiten der Stadt Genf wegen Herausgabe des unter Kuratelverwaltung stehenden Vermögens des Verblichenen verklagt worden sei. Ebenso habe aber auch Herzog Wilhelm eine Klage gegen die Stadt Genf angestrengt, welche jedoch der Anlaß zu einem am 26. Februar abgeschlossenen Vergleich wurde.
Meuß. Gera, 2. März. Heute Vormittag 11 Uhr wurde durch den Minister v. Harbou der Landtag für Reuß j. L. hier eröffnet. Von den Vorlagen sind namentlich zu nennen: ein Gesetzentwurf, die Erhebung der Klassen⸗ und klassifizirten Ein⸗ kommensteuer betreffend; ein zweiter, betreffend die Rechtsverhält⸗ nisse der städtischen Leihanstalt zu Gera; eine weitere Vorlage betrifft die Abänderung von §. 11 des Gesetzes über die Pensio⸗ nirung der Geistlichen; ferner liegt vor: ein Gesetzentwurf, be⸗ treffend die revidirte Gemeindeordnung und mehrere Vorlagen von nur lokalem Interesse.
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 2. März. Der Kaiser hat den bisherigen Ober⸗Ceremonienmeister Hugo Grafen Abens⸗ perg⸗Traun zum Oberst⸗Jägermeister und an dessen Stelle den Obersten Coloman Grafen Hunyady zum Ober⸗Ceremonien⸗ meister ernannt.
— Der Erzherzog Ludwig Victor begab sich heute zum Kurgebrauch auf vier Wochen nach Carlsbad.
Triest, 2. März. Der Erzherzog Wilhelm ist mit Ge⸗ folge gestern Abends gier angekommen und im Hotel de la Ville abgestiegen. Wegen der herrschenden Bora konnte Se. Kaiserliche Hoheit bis zur Stunde seine Inspektionsreise nach Dalmatien mit dem bereitste in Kriegsdampfer „Elisabeth“ nicht unter⸗
nehmen. Der Zeitpunkt der Weiterreise ist noch nicht bestimmt.
Pesth, 2. März. Im Oberhause wurde der Ausschuß⸗ bericht über die Grundsteuervorlage vorgelegt und eine Anzahl kleinerer finanzieller Gesetzentwürfe erledigt.
Hermannstadt, 2. März. (N. Fr. Pr.) Die Herman⸗ städter Stadt⸗Kommunität beschloß einhellig, die Inanklage⸗ versetzung des Ministers Szapary wegen des Crlasses an die Nations⸗Universität.
Schweiz. Bern, 2. März. Die „Revue“ hat ein vor⸗ läufiges Verzeichniß derjenigen Gesetze zusammengestellt, welche in Folge Annahme der neuen Bundesverfassung theils neu redigirt, theils ganz umgearbeitet werden müssen. Es sind deren etwa zwanzig und zwar folgende:
1) Gesetz über den Militärpflichtersatz (Art. 18). 2) Gesetz über das Heerwesen (20). 3) Gesetz, betreffend Abtretung der Waffenplätze und Militärgebäude (22), 4) Gesetz über Jagd und Fischerei (25), fakultativ. 5) Gesetz über die Ausübung wissenschaftlicher Berufs⸗ arten (32), fakultativ. 6) Gesetz, betreffend den Schutz der Arbeiter (34). 7) Gesetz, betreffend Münzwesen. 8) Gesetz, betreffend die Banknoten (39). 9) Gesetz, betreffend Maße und Gewichte (40). 10) Gesetz, betreffend Naturalisation und Verzicht aufs Buͤrgerrecht (44). 11) Gesetz, betreffend Niederlassungswesen (Gebühren) (45). 13) Gesetz, betreffend Besteuerung und Gerichtsstand der Niedergelasse⸗ nen (46). 14) Gesetz, betreffend Niederlassung und Aufenthalt (47). 15) Gesetz, betreffend Verpflegungs⸗ und Bestattungskosten (48). 16) Gesetz, betreffend den Civilstand (49). 17) Gesetz, betreffend die Ehegesetzgebung. 18) Gesetz, betreffend Mißbrauch der Presse. 19) Ge⸗ 89. betreffend Civilrecht. 20) Gesetz, betreffend politische Rechte (Verluft derselben) (64).
— 3. März. (W. T. B.) Der Regierung ist von der Re⸗ gierung des Kantons Baselland die Mittheilung gemacht worden, daß den dahin geflüchteten Geistlichen aus dem Berner Jura der fernere Aufenthalt im Kanton Baselland untersagt worden ist.
Niederlande. Haag, 28. Februar. Der 77. Geburts⸗ tag des Prinzen Friedrich der Niederlande wurde heute festlich begangen.
— Die am 23. d. M. eröffnete Generaldiskussion über den Gesetzentwurf für Regelung des niederländischen Münzwesens ist in der heutigen Sitzung der Zweiten Kammer der General⸗ staaten zum Schlusse gelangt. Als Hauptergebniß dieser Debatte kann bezeichnet werden, daß die Chancen sich entschieden zu Un⸗ gunsten der Beibehaltung der Silberwährung stellen. Die Gegner der Silberwährung wiesen vornehmlich auf das Schwanken der Preise des Silbers und auf die drohende weitere Werth⸗ verringerung dieses Metalles hin; der Silberbedarf für den Orient sei nicht Ausschlag gebend; in den Hauptstaaten der la⸗ teinischen Münzunion neige man mehr und mehr zur alleinigen Goldwährung hin. Der Finanz⸗Minister van Delden vertheidigte eindringlichst seine Vorschläge für Einführung der Goldwährung; es sei mit Bewerkstelligung dieser Reformen nicht zu zögern, es sei vielmehr in der That periculum in mora; große Wahrschein⸗ lichkeit sei für Werthverminderung des Silbers, wie weit diese gehen werde, lasse sich freilich nicht sagen; indeß die zunehmende Produktion dieses Metalls lasse auch in Zukunft noch weiteres Sinken seines Preises erwarten; schon jetzt fänden fortwährend
van Delden hob warnend die Thatsache
Schwankungen und Rückgänge in dem Silberpreise statt. Herr hervor, daß
1“
am 21. d. M. der Preis des Silbers auf dem Lon⸗ doner Markte 58 ½ à 5 ⁄⅝ betrug, also so niedrig stand, wie er seit 1845 nie gewesen. Herr Kappeijen stellte den Antrag: „in Erwartung baldiger Einbringung eines Entwurfes für Re⸗ gelung des indischen Münzwesens die weitere Erörterung über den vorliegenden Entwurf auf unbestimmte Zeit zu verschieben.“ Der Kolonien⸗Minister verhieß eine Vorlage für Regelung des indischen Münzwesens, erklärte jedoch, dieselbe werde erst nach der Annahme des Gesetzentwurfes für Regelung des niederlän⸗ dischen Münzwesens eingebracht werden. Die Motion Kappeijen wurde mit 43 gegen 29 Stimmen abgelehnt. Die Kammer tritt nunmehr in die Spezialdiskussion ein. Der Finanz⸗Minister hat den Art. 1 des Entwurfes getheilt, so daß zuerst Entscheidung über die Frage gefällt werden wird, ob die alleinige Goldwährung eingeführt werden solle.
Belgien. Brüssel, 28. Februar. Der Herzog und die Herzogin von Edinburgh werden für den 4. März zum Besuch bei der Königlichen Familie erwartet und Tags darauf einer Gala⸗Vorstellung des Tannhäuser beiwohnen. Ihre Reise von Berlin bis hierher werden die Höchsten Herrschaften in Begleitung des Grafen und der Gräfin von Flan⸗ dern machen.
— In der vorgestrigen Sitzung der deputirten⸗Kammer wurde vom Minister des Innern ein neues, die Militärdienst⸗ Entschädigung betreffendes Gesetz eingereicht. Dem im Jahre 1870 von der Regierung aufgestellten Gesetze zufolge wird den Milizen nach zurückgelegten 50. Lebensjahr eine Rente von 150 Fr. zugesichert; um dem Uebelstande abzuhelfen, daß ein großer Theil der ausgedienten Soldaten dieses Alter nicht erreicht, lautet der neue Entwurf dahin, den Eltern für die Dauer der Präsenzzeit ihres Sohnes eine unmittelbare monat⸗ liche Entschädigung von zehn Franken auszuzahlen. Für den Fall der Verwaisung eines Milizen wird dieselbe Summe auf den Namen des letzteren in der Königlichen Sparkasse niederge⸗ legt, und es darf der Gesammtbetrag der niedergelegten Gelder erst fünf Jahre nach Ablauf der normalen aktiven Dienstzeit ein⸗ gezogen werden. Die Kriegsdienst⸗Entschädigung findet übrigens nicht statt, wenn die Eltern des Milizen oder dieser selbst mehr als 50 Fr. direkter Steuern bezahlen. — Unter den neuesten Beschlußnahmen der Kammer befindet sich die Genehmigung des ministeriellen Gesetzentwurfs, wonach die Gemeinden mit mehr als 5000 Pers. der Jurisdiktion der Bezirkskommissare ent⸗ zogen werden.
Großbritannien und Irland. London, 2. März.
Dem Hofjournale zufolge wird die Königin am Montag, den 9. d. Mts., zu Ehren des Herzogs und der Herzogin von Edinburgh in der St. Georgshalle im Windsorschlosse ein Galadiner geben, zu dem etwa 150 Gäste Einladungen erhalten haben. 3 — In Prussia⸗House, dem deutschen Botschaftshotel, fand am Sonnabend ein Diner statt, bei welchem der türkische Bot⸗ schafter, der österreichische Botschafter, der französische Botschafter, der dänische Gesandte, der italienische Gesandte, der Marquis und die Marquise von Drogheda u. a. distinguirte Personen die Gäste des Grafen Münster waren. Dem Diner schloß sich ein diplomatischer Empfang an. 1
— Der Posten eines Lordkanzlers für Irland wird, dem „Standard“ zufolge, vorläufig nicht wiederbesetzt werden, da erst die verschiedenen Fragen, welche den obersten Gerichtshof in Irland betreffen, endgültig geregelt werden sollen.
Frankreich. Paris, 4. März. (W. T. B.) Das „Jour⸗ nal officiel“ macht bekannt, daß die Ersatzwahlen zur Nationalversammlung in den Departements Gironde und Haute⸗Marne am 29. d. M. stattfinden sollen. 1
— Betreffs der für das Jahr 1875 angekündigten Pariser Industrie⸗Ausstellung läßt die Regierung amtlich erklären, daß dieses Projekt lediglich aus der Initiative von Privatper⸗ sonen hervorgegangen sei, und daß die Regierung demselben durchaus fern stehe.
Versailles, 3. März. (W. T. B.) Im Fortgange der Berathung des neuen “ wurde heute in der Nationalversammlung die Erhöhung der Abgaben 1 Alkohol diskutirt. Ein Antrag, anstatt dessen die Steuer au den Vertrieb von Weinen um das Doppelte zu erhöhen, wurde abgelehnt.
Spanien. Madrid, 2. März. (W. T. B.) Der Marschall Serrano verweilte gestern Abend noch in Santan⸗ der. — Der Fortgang der militärischen Operationen auf dem Kriegsschauplatze wird durch das schlechte Wetter noch immer gehemmt. 1
— Eine heute erlassene Verfügung der Regierung setzt die Dotation für den Präsidenten der Exekutiv⸗ gewalt auf 2 Mill. Fres. fest.
Portugal. Lissabon, 3. März. (W. T. B.) Ein britisches Geschwader von 6 Fregatten unter dem Kom⸗ mando des Contre⸗Admirals Honby ist vor Kurzem hier einge⸗ laufen. Gestern ist auch die deutsche Fregatte „Elisabeth“ eingetroffen. .
Italien. Rom, 27. Februar. Der gestern verstorbene Kardinal Barnabo war als Präsident der Propaganda fide der Mittelpunkt des außereuropäischen katholischen Verkehrs mit Rom. Er war am 2. März 1801 in Foligno geboren.
— Die Generalpostdirektion hat eine vergleichende Uebersicht der Posteinnahme in den Jahren 1872 und 1873 ver⸗ öffentlichh. Demnach wurden in den letzten drei Monaten des Jahres 1873 5,959,193 Fr., in denen von 1872 5,755,924 Fr., also im Jahre 1873 203,269 Fr. mehr als in derselben Periode von 1872 eingenommen. Die Gesammteinnahme des Jahres 1873 belief sich auf 22,402,967 Fr., d. h. 1,316,103 Fr. mehr als im Jahre 1872, darunter 17,739,528 Fr. Briefmarken, 1,445,331 Fr. Segnatasse nicht oder nicht ganz frankirter Briefe, 2,042,041 Fr. Postanweisungen, 397,650 Fr. Zeitungsmarken, 393,445 Fr. Einzahlungen von ausländischen Postverwaltungen, 384,971 Fr. verschiedene Einnahmen.
— Die Tabacksregie hat 1872 111,564,804 Fres., im Jahre 1873 116,617,678 Fres. eingenommen, im letzteren also 5,052,874 Frcs. mehr.
— 3. März. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer stand der Antrag der Regierung zur Berathung, eine Ausgabe zum Betrage von 79 Millionen für öffentliche Arbeiten zu bewilligen und diese Summe auf die Budgets mehrerer Jahrgänge zu vertheilen. Die mit der Vor⸗ berathung der betreffkenden Vorlage betraute Kommission sprach sich für den Antrag des Ministeriums aus, welchem sie ihrerseits den Antrag hinzufügte, die Kammer möge zur Vollendung der Befestigungsarbeiten und zum Zwecke der Vertheidigung des Landes eine fernere Summe von 88 ½¼ Millionen
bewilligen. Der Kriegs⸗Minister Ricotti Magnani gab darauf, indem er die Vornahme der von der Regierung bean⸗ tragten öffentlichen Arbeiten als durchaus nothwendig bezeichnete, die Erklärung ab, daß er nicht gegen den Zusatzantrag der Kom⸗ mission sei, indessen verlange, daß die Diskussion desselben bis nach der Berathung des Finanzgesetzes ausgesetzt werde. Die Mitglieder der Kommission erklärten sich, nachdem sie darauf hingewiesen, daß die Ausführung der Befestigungsarbeiten eben⸗ falls als unumgänglich erscheine, mit der von dem Minister ver⸗ langten Vertagung einverstanden. Die letztere wurde demgemäß auch von der Kammer angenommen, welche sodann in die Be⸗ rathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Bewilligung von 79 Millionen für öffentliche Arbeiten, eintrat.
Türkei. Konstantinopel, 2. März. (N. fr. Pr.) Der Erlaß, wodurch Puzaut Effendi zum Civil⸗Vekil der hassu⸗ nistischen Armenier ernannt wurde, besagt, daß die geistlichen Chefs der Hassuniten von der Regierung weder anerkannt, noch als Mitglieder in den Provinzialrath zugelassen werden können. Da der dieses Erlasses Puzaut Effendi und seine Partei durchaus nicht befriedigte, gab er seine Demission, welche er indeß später wieder zurückzog.
General Ignatieff ist heute hier eingetroffen.
— 3. März. (W. T. B.) Die Regierung hat dem Vernehmen nach einen Betrag von 130,000 Pfd. Sterl. vor⸗ schußweise auf 9 Monate gegen eine jährliche Verzinsung von 50 pCt. aufgenommen.
Belgrad, 1. März. Der ehemalige Minister⸗Präsident Ristits wurde mit normalmäßiger Pension in Ruhestand ver⸗ setzt. Der Jagodiner Kreischef Joksits wurde an Stelle Blaznavacs' zum Präfekten von Belgrad ernannt.
Schweden und Norwegen. Stockholm, 28. Februar. Ueber die Theuerungszulage an die Staatsbeamten hat der Staatsausschuß sein Gutachten wie folgt motivirt: „Ob⸗ gleich die Preise der nothwendigen Lebensbedürfnisse jetzt zu einer solchen Höhe gestiegen sind, daß die Beamten mit ihren Einkünften unmöglich ausreichen können, so müssen sie dies dennoch für dieses Jahr, weil das Budget für dasselbe fest⸗ gestellt ist; für das folgende Jahr aber soll eine ungenügende Erhöhung der Besoldungen um 20 Prozent, diese aber auch nur unter gewissen Beschränkungen (der König hatte sowohl für dieses als auch für das nächste Jahr 30 Prozent gefordert, und die Preise sind seit der jetzt geltenden Regulirung der Besoldungen um mindestens 50, ja wohl über 60 Prozent gestiegen) denjenigen Beamten bewilligt werden, deren Besoldung nicht über 5000 Kronen ist; diejenigen aber, welche ein höheres Einkommen haben, müssen sich anstatt der vom Könige vorgeschlagenen 1500 mit 1000 Kronen begnügen.“ Dieser Vorschlag des Staatsaus⸗ schusses wurde am 25. d. M. in beiden Kammern des Reichs⸗ tags angenommen, in der Ersten von 56 Stimmen gegen 55 und in der Zweiten von 121 gegen 50.
—3. März. (W. T. B.) Zum schwedischen Gesandten in Berlin ist heute der General⸗Gouverneur von Stockholm, Gene⸗ ral⸗Major v. Bildt, und zum Legationssekretär hei der. Ge⸗ sandtschaft in Wien der bisherige erste Sekretär im Ministerium des Auswärtigen, Kleen, ernannt worden.
Amerika. (A. A. C.) In British Columbia hat das Ministerium am 8. v. M. den Versuch gemacht, durch das Unterhaus gewisse Abänderungen der Konföderationsbedingungen zu forciren. Das Volk verlangte, daß die Frage ihm zur Ab⸗ stimmung vorgelegt werde, was das Ministerium jedoch verwei⸗ gerte. Darauf zog das Volk, 1000 Mann stark, nach dem Hause, stürmte den Sitzungssaal und jagte die Mitglieder aus⸗ einander. Es herrscht jetzt große Aufregung, und das Volk droht mit der Secession. Die Bevölkerung fordert die Auflösung des Hauses.
— In Panama hat, wie unterm 28. v. M. aus New⸗ Fork gemeldet wird, eine große Feuersbrunst stattgefunden. Der angerichtete Schaden wird auf circa 1,000,000 Dollars geschätzt.
Asien. Ueber die bengalische Hungersnoth meldet ein Telegramm der „Times“ aus Calcutta vom 1. d.: Sir R. Temple theilt in seinem Privatbriefe mit, daß er unter einer Totalbevölkerung von 817,000 Personen in Supole, Bhaugul⸗ pore, 270,000 Hungernde fand. Er hat 28,000 Tons Lebensmittel bestellt. Im Distrikt Mudhubuni hungern von einer Bevölkerung von 700,000 Personen 400,000, für welche er 60,000 Tons Lebens⸗ mittel und 26,000 Ochsen bestellte. Für Durbungah hat er 60,000 Tons für 400,000 Hungerleidende bestellt. In Tajpore, Süd⸗Tirhut, dürfte sich die Lage der Dinge schlimmer gestalten, falls nicht bald Regen fällt. Die Hülfs⸗ und die ärztlichen Institute bilden sich rasch. Der Hunger berührt alle niederen Klassen. Die Regierung hofft, ihn niederzuhalten. Es werden Getreideverkäufe autorisirt. 450 Meilen Straßen werden in diesen Subdistrikten angelegt.
Nagasaki, 3. März. (W. T. B.) Die Aufständischen find nach hier eingegangenen Nachrichten von den Regierungs⸗ truppen geschlagen worden, welche Saga besetzt haben. Die Insurrektion darf damit als beendigt angesehen werden.
Das Coursbuch der Deutschen Reichs⸗Postverwal⸗ tung, 1874 März, I. Abtheilung, Verlag der Königlichen Ge⸗ heimen Ober Hofbuchdruckerei (R. v. Decker), ist soeben ausgegeben. Dasselbe enthält die Eisenbahnverbindungen in Deutschland und der öͤsterreichisch⸗ungarischen Monarchie und Uebersicht der bestehenden Rundreise⸗Touren mit Angabe der Billetpreise, bearbeitet im Cours⸗ bureau des Kaiserlichen General⸗Postamts, und umfaßt die bis zum 1. März eingetretenen resp. mit demselben Tage eintretenden Aende⸗ rungen in dem Gange der Eisenbahnzüge. Ferner: Abtheilung II., März⸗April, enthält die bedeutenderen Eisenbahnrouten in Europa, außer Deutschland und Oesterreich, ferner Postverbindungen in Deutsch⸗ land und den angrenzenden Ländern, Dampfschiff⸗Course, Reise⸗Touren zwischen mehreren Hauptorten Europas, Tarif für Courier⸗ und Extraposten, Wegemaße, Münzvergleichungs⸗Tabelle, Zusammenstellung der Bestimmungen über Benutzung der Telegraphenlinien und Gebühren⸗ tarif ꝛc. Mit 2 Karten.
Neichstags⸗Angelegenheiten.
Berlin, 4. März. In der gestrigen Sitzung des Deut⸗ schen Reichstags erklärte in der Diskussion über den Antrag des Abg. Guerber, die Aufhebung des §. 10 des Gesetzes vom 30. Dezember 1871 betreffend, der Bundeskommissar Wirkl. Geh. Ober⸗Regierung⸗Rath Herzog, nachdem der genannte Abgeordnete für seinen Antrag gesprochen hatte:
Meine Herren! Die Regierung erklärt sich gegen den Antrag, welcher Gegenstand Ihrer Berathung ist, und spricht durch mich den Wunsch aus, daß auch dieses Hohe Haus den Antrag nicht annehmen möͤge. Zur Begründung ihrer Auffassung könnte die Regierung auf die gedruckten Motive des Antrags Bezug nehmen, deren Lakonismus ihr erlaubt, sie für ihre Ansicht gerade so anzurufen, wie die Herren Antragsteller sie für die Aufhebung des Art. 10 des Gesetzes in An⸗ spruch nehmen. Von dieser ihrer Ansicht wird sie sich auch nicht durch
die eben gehörten Auslassungen abbringen lassen, wenn auch die Mä⸗ Figung oder wenigstens der gute Wille mäßig zu sein, welche der Redner bekundet hat, gewiß Anerkennung verdient. Da ich als ommissar der Regierung, welche Leidenschaft nicht haben darf, zu 5 berufen bin, so werde auch ich jede Erregtheit vermeiden önnen.
Meine Herren! Es wird keiner Ausführung bedürfen, daß, als die deutsche Regierung die Verwaltung in Elsaß⸗Lothringen über⸗ nahm, Ausnahmezustände im Lande bestanden, welche es un⸗ erläßlich machten, für die Aufrechterhaltung der Sicher⸗ heit auch Ausnahmemaßregeln zu treffen. Der Regierung boten sich dabei verschiedene Wege zur Erwägung. Sie konnte ein⸗ mal die Bestimmungen der französischen Gesetze über den Belagerungs⸗ zustand aufrecht erhalten; sie konnte andererseits die Bestimmungen des Art. 68 der Reichsverfassung alsbald in Elsaß⸗Lothringen einführen. Sie fand, daß keiner dieser Wege den Bedürfnissen des Landes und den Zuständen, welche herrschen, völlig entsprochen haben würde, beide haben gemeinsam, daß durch die Erklärung des Belagerungszustandes die vollstreckende Gewalt von der Civilbehörde auf die Militär⸗ befehlshaber übergeht, und daß die ordentliche Gerichts⸗ barkeit von den Civilgerichten den Militärgerichten übertragen werden kann. Die Wirkung der Erklärung des Belagerungszustandes, auf ein oder das andere Gesetz gestützt, würde also gewesen sein, daß die Civilverwaltung vollkommen brach gelegt worden wäre, und daß ihre Befestigung, sowie die Befestigung der Rechtspflege nicht blos erschwert, sondern unmöglich gemacht worden wäre. Die Regierung mußte sich sagen, daß die Bedingungen der Unsicherheit im Lande, durch dessen Grenzlage der Erneuerung täglich ausgesetzt, nur allmäh⸗ lich würden gehoben werden können; sie wäre daher in der Lage gewe⸗ sen, den Kriegszustand für permanent zu erklären und auf eine Reihe von Jahren hinaus die eiserne Hand des Martialgesetzes über Gerechte und Ungerechte walten zu lassen. Sie mußte sich anderer⸗ seits sagen, daß nicht die breiten Schichten der Bevölkerung, die ruhe⸗ bedürftig und arbeitsam sind, die Elemente der Schwierigkeit in sich trügen, sondern daß diese Elemente durch Agitationen von außen her⸗ eingetragen würden, und daß deren Träger Einzelne sind. Sie hielt es daher für geboten, die Repression zu beschränken auf die Ursachen, von denen sie Schwierigkeiten zu erwarten hatte, und diese Erwägun⸗ gen haben sie dazu geführt, in das Gesetz über die Einrichtung der Verwaltung den angefochtenen §. 10 aufzunehmen.
Die Bestimmung überträgt dem Ober⸗Präsidenten eine Macht⸗ befugniß, die ungewöhnlich sein mag, wenn sie auch nicht von der Ge⸗ walt und Größe ist, wie dem Redner, der vor mir sprach, sie darzu⸗ stellen beliebt hat. Die Regierung hat insbesondere dem Ober⸗Präsi⸗ denten einige Befugnisse übertragen aus dem französischen Gesetze über den Belagerungszustand, die an Ausdehnung und Bedeutung hinter dem zurückbleiben, was das preszsche Gesetz über Belagerungszustand unter Umständen auszuüben gestattet. Die Regierung glaubte, die beste Garantie gegen einen Mißbrauch dieser Befugnisse zu geben, indem sie dieselben in die Hand eines Mannes legte, von dessen Einsicht und politischer Klugheit sie durch die Ver⸗ waltung schwieriger Aemter, in denen er sich vorher befunden hatte, Ueberzeugung gewonnen hatte. Sie hat überdies Fürsorge getroffen, daß keine der Maßregeln, die der Ober⸗Präsident zu ergreifen sich ge⸗ nöthigt sehen würde, ohne Kenntniß der Reichsregierung bliebe; denn sie hat in den §. 10 die Bestimmung aufgenommen, daß von jeder dieser Maßnahmen sofort Anzeige zu erstatten sei, — und gewiß nicht mit der Absicht und dem Erfolge, daß lediglich der Reichskanzler alle Maßregeln absolviren würde, die der Ober⸗Präsident zu ergreifen für nöthig befunden hätte.
Diesen Befugnissen gegenüber sehen Sie die Praxis an! Wenn man den Ausführungen des Herrn Vorredners folgt, so machten sie den Eindruck, als haͤtte Herr v. Möller sich etwa den Herzog Alba zum Vorbild genommen, — oder, um nicht so weit zurückzugreifen, als habe er den französischen Regimentsführern nachgeahmt, die nach dem Frieden von Ryswick, als die Reunionskammern ihre Thätiskeit geschlossen hatten, das Elsaß katholisch machen sollten.
Und was ist das Wahre von allen den horrenden Maß⸗ regeln, von Galgen und Rad, — wenn der Herr Vorredner auch nur im bildlichen Sinne davon sprach? Es sind nichts als einige Aus⸗ weisungen, und es sind nichts als einige Maßregeln gegen Blätter, von denen der Ober⸗Präsident die Ueberzeugung gewonnen hatte, daß sie, in systematischer Weise der Wahrheit zupiider, die Verhältnisse in Elsaß⸗Lothringen in einer gegen die Regierung aufreizenden Weise behandelten. .
Ich versage es mir, des Breiteren auf die Details einzugehen, die den Fall Rapp, Heimburger und Morin betreffen; sie stellen sich für die Regierung durchaus anders dar, als der Herr Vorredner sie darzustellen versuchte. Es war erwiesen, daß die beiden Ausgewiesenen, Rentner Heimburger und Morin, mit einem französischen Komite in Verbindung standen, welches sich zur Aufgabe gestellt hatte, Kinder aus Elsaß⸗Lothringen nach Frankreich zu führen, „um sie zu Feinden Deutschlands und zu Soldaten Frankreichs zu erziehen.“ Sie empfingen bedeutende Mittel dazu aus dem Auslande und ver⸗ wendeten diese Mittel, um sie den Eltern der Kinder zu zahlen. Daß die Regierung diese Seelenkäuferei, wie ich es ohne Scheu nennen darf, nicht duldete, daß sie auf dem kürzesten und einfachsten Wege einschritt, um sie zu hemmen, daraus wird ihr gewiß kein Vorwurf gemacht werden können. Der Generalvikar Rapp stand an der Spitze eines Vereins, der sich als „Verein zur Wahrung katholischer Inter⸗ essen“ bezeichnete. Die Regierung gelangte zur Kenntniß der Zwecke dieses Vereins, der Mittel, die er anwandte. Es war die Absicht, der neuen Regierung Schwierigkeiten zu bereiten, insbesondere bei allen Maßnahmen zur Ausführung der Schulzesetze. Es wurden Geldmittel bewilligt, um den Eltern, die sich den Bestimmungen über den Schulzwang nicht fügen wollten, die Geldstrafen, die sie zu zahlen hatten, zu ersetzen und sie mit dieser Hülfe in ihrem Widerstande gegen das Gesetz zu stärken. Der Plan war, über das ganze Land Komites zu orga⸗ nisiren, aus Laien äußerlich bestehend, aber in der Hand der Geistlichen — und wie einer von ihnen es bezeichnend ausdrückte: „es muß so eingerichtet werden, daß wir als die Räder des Uhrwerks erscheinen, die Laien als die Zeiger, die von den Rädern bewegt werden, ohne daß die letzteren erkennbar sind.“ Von dem Geiste dieser Vereine und ihrer Tendenz erlauben Sie mir nur Weniges zu sagen. In den Reden, die gehalten wurden, wurde es als ein strafwürdiges Vor⸗ gehen der deutschen Regierung bezeichnet, daß nunmehr die Protestanten, die früher besonders begraben worden seien, in Reih und Glied mit den anderen Todten beerdigt würden. Es wurde als das Streben der Regierung bezeichnet, die katholischen Unterthanen, um welchen Preis auch immer, zu Maschinen für eine freimaurerische und protestantische Regierung zu machen. Es wurde be⸗ hauptet, daß aus den Schulen der Priester der Katechismus, das Gebet ausgeschlossen werden sollten, daß man die geistlichen Lehrer vertreibe, daß man Laien an ihre Stellen setze, feile Instru⸗ mente der Regiernng, Protestanten, vielleicht sans foi ni loi.
Meine Herren! Von Allem, was das Menschengemüth erregen
kann, ist der religioͤfe Haß und die religiöse Zwietracht das Empfindlichste.
„Aus den Organisationen, die ich Ihnen angedeutet habe, werden Sie zugleich entnommen haben, wie schwer es ist, die eigentlichen Triebfedern eines solchen Treibens zu fassen der Art, daß sie vor dem
Strafgesetze verantwortlich gemacht werden können. Dies erwog der
Ober⸗Präsident, und ans diesen Rücksichten heraus kam er zu dem Entschlusse, den Generalvikar Rapp des Landes zu verweisen.
Wir haben des Weiteren eine Schilderung gehört von der Knebe⸗ lung der Presse in Elsaß⸗Lothringen. Es sind zur Zeit und bis jetzt etwa 200 französische Zeitungen in 8000 Exemplaren in Elsaß⸗Lothrin⸗ gen verbreitet; sie kennen den Inhalt dieser Zeitungen genug, um die Milde der Regierung schätzen zu können, die es erlaubt, daß ungehin⸗ dert im Lande diese Zeitungen gelesen werden. Welche Gründe den Ober⸗Präsidenten bestimmt haben, die deutschen Blätter, welche der Herr Vorredner nannte, das „Bayerische Vaterland“, die „Germania“, die „Rheinpfalz“, den „christlichen Pilger“ zu verbieten, habe ich bereits mitgetheilt. Er hat be⸗ richtet, daß während der Zeit seiner Verwaltung ein Antrag, ein Blatt herausgeben zu dürfen, welches lediglich katholische Interessen
verfolge, nicht gestellt worden sei. Sie werden daraus abnehmen, welche Bewandtniß es mit der Klage habe, daß dem katholischen, Elsaß jede Gelegenheit, sich zu äußern, entzogen, daß es mundtodt gemacht sei und Beschwerden und Klagen nicht frei äußern dürfe.
Es könnte aus dieser Darstellung vielleicht abgeleitet werden, daß die Regierung bei dem mäßigen und schonenden Gebrauch, den zu machen sie nur Anlaß gefunden habe, ein Bedürfniß zur Aufrecht⸗ erhaltung des §. 10 nicht habe. Es läßt sich die Frage aber auch so stellen: ist nicht gerade das Bestehen dieser Vorschrift die Ursache ge⸗ wesen, daß Ausschreitungen verhältnißmäßig seltener vorgekommen sind? Dies ist die Auffassung der Regierung. Sie vermag, wie heute die Umstände liegen, den Entschluß nicht zu fassen, daß dieser §. 10 ent⸗ behrlich sei; sie hält ihn für durchaus nothwendig, wenn sie die Ver⸗ antwortlichkeit für die Ruhe der Reichslande auch ferner tragen soll.
Meine Herren! Täuschen wir uns darüber nicht, das Land ist den Erregungen ausgesetzt, die den Nachbarstaat aufs Innerste heute noch erschüttern. Es ist Jedem, der sehen will, nicht verborgen, wie in Frankreich das Bestreben herrscht, Revange zu nehmen, ein Be⸗ streben, welches Ausdruck findet von der Kaserne bis zur Kanzel, in der Presse wie im Unterricht der Jugend. Wenn auch zu hoffen steht, daß die Weisheit der französischen Regierung und die Zeit die öffent⸗ lichen Empfindungen und Meinungen in andere Bahnen lenken werden, so ist doch dieser Zeitpunkt noch nicht gekommen. Es ist zweifellos, daß diese Erregungen nach Flfaß Lothringen mit tausend Fäden hinübergespielt werden; ich erinnere daran, daß eine Anzahl von Elsaß⸗Lothringern die Heimath verlassen hat, daß sie in steter Verbindung mit der Heimath leben und ihre Wünsche dahin gehen, das Land wieder zu gewinnen. Unter solchen Umständen hat die Regierung die Pflicht der Aufmerksamkeit; sie würde jeder Einsicht entbehren, wenn sie die Warnung, die darin liegt, verkennen und die Vorsicht außer Acht lassen wollte, die zu üben sie berufen ist.
Ich darf Sie kurz daran genden Beweis wir vor wenigen Tagen von der Gesin⸗ nung, die einen großen Theil der Elsässer noch bewegt, erhalten haben in der Rede, die am 18. Februar hier gehalten wurde, und die nur unter dem Schutze der Freiheit möglich war, welche diese Rednerbühne dem Redner gewährt, und von der ich glaube, daß sie kein anderes Parlament bis zum Schlusse mit der gleichen Selbstver⸗ leugnung angehört hätte. 1
In dieser Rede trat unzweideutig hervor, daß der Redner und, wie er versicherte, sehr viele seiner Landsleute nichts dringender wün⸗ schen, als daß die Verbindung mit Deutschland aufgehoben werde; sie erkennen den Frieden nicht an, den die Staaten mit einander ge⸗ schlossen, der den Krieg beendet hat; sie sprechen damit aus, daß sie sich selbst noch im Kriegszustande befinden, und es wäre mehr als harmlos, wenn man glauben wollte, das wären nur theoretische Aeuße⸗ rungen. Es ist wirklich nicht die Vorliebe für Ausnahmsbestimmungen und eine Freude an willkürlicher Ausübung der Gewalt, sondern das Resultat einer nüchternen, gewissenhaften, praktischen Auffassung der Sache, wenn die Regierung vierzehn Tage, nachdem diese Rede gehört worden ist, es ablehnt, auf einen Antrag einzugehen, der eigentlich nur besagt: „Wir sind im Kriegszustande mit dem Deutschen Reiche, und wir bitten seine Regierung, sie möge die Mittel aus der Hand geben, die uns das Kriegführen erschweren.“
Ich bitte, meine Herren, daß Sie den Antrag ablehnen.
— Nach dem Abg. v. Puttkamer (Fraustadt), welcher nach dem Abg. Winterer gegen den Antrag gesprochen hatte, nahm der Reichskanzler Füͤrst v. Bismarck das Wort:
Ich habe zwar auf sachlichem Gebiete den Ausführungen meines Herrn Nachbars und des Herrn Redners, der eben vor mir gesprochen hat, sehr wenig hinzuzufügen; ich halte es aber doch für meine Pflicht, in einer Angelegenheit, wo die Verantwortlichkeit schließlich sich auf mich persönlich zuspitzt, auch mein persönliches Zeugniß abzu⸗ legen. Es ist ja in der Regel für einen Minister nicht angenehm, einer öffentlichen Verhandlung beizuwohnen, in welcher eine Verwal⸗ tung, für die er verantwortlich ist, der Kritik unterzogen wird. In diesem Falle wird das unbehagliche Gefühl aber ganz außerordentlich durch den erfreulichen Eindruck gemildert, den ich mir fortwährend zu vergegenwärtigen suche, daß diese Verhandlung hier und nicht in Ver⸗ sailles stattfindet, daß die Beschwerde des Elsaß hier vor dem Deut⸗ schen Reichstage und nicht in der französischen Nationalversammlung erörtert wird. Das tröstet mich über manche verdrießliche Seiten, die sie hat, ferner auch die Thatsache, daß unsere Regierung stark genug ist, so kräftige, wenigstens in den Worten so kräftige Aus⸗ brüche des Mißfallens ruhig und öffentlich mit anzuhören und für ganz Europa drucken zu lassen, daß sie diese Kritik verträgt. Denken wir uns die Verhältnisse ins Gegentheil übertragen, daß bei einem andern Ausfalle des Krieges etwa ein Theil der Rheinprovinz oder, was vielleicht noch wahrscheinlicher war, ein Theil von Belgien französisch geworden wäre, und die wider ihren Willen annektirten Ab⸗ geordneten wollten in der Pariser Versammlung so sprechen. Wir brauchen nur die erste beste Sitzung der französischen Versammlung in Versailles in den Zeitungen beschrieben zu um sicher zu sein, daß, wenn nicht die Majorität, so doch schließlich der Herr Präsident Buffet mit dem ihm eigenen eingreifenden Wesen die Redefreiheit für die Beschwerdeführer bald illusorisch machen würde; noch bedenklicher würde aber die Bedeutung der Redefreiheit erst für die Herren Ab⸗ geordneten auf den Pariser Straßen und in den Gasthöfen zu Tage treten, und es würde des ganzen Aufwandes der französischen Polizei⸗ macht bedürfen, um die Redner, die ihren Gefühlen gegen Frankreich Ausdruck segeben. vor unparlamentarischen Unannehmlichkeiten zu sichern. (Murren im Centrum.) Von einigen Freunden französischer Zustände dahinten, die mehr Vertrauen auf die Gleichmäßigkeit und Gerechtigkeit des Pariser Publikums haben, habe ich Ausdrücke des Mißfallens und Zweifels gehört. Meine Herren, ich erinnere Sie nur an die paar französischen Urtheilssprüche über den Mord von Deutschen, den die französische Gerichtspraxis als etwas Erlaubtes behandelt. Ich glaube daher, Ihr Murren war sehr wenig berechtigt, wenn Sie nicht die Unannehmlichkeiten der Redefreiheit auf den Pari⸗ ser Straßen zugeben wollten.
Demnächst möchte ich einen Gesichtspunkt noch mehr in den Vor⸗ dergrund stellen, als bisher geschehen ist. Die Herren aus Elsaß be⸗ klagen sich, daß wir die drei Jahre sie nicht so glücklich gemacht haben,
erinnern, einen wie schla⸗
wie sie zwar unter der französischen Herrschaft nicht gewesen sind, aber
wie sie es doch gern sein möchten und wir sie auch gern sehen möchten,
nicht, wir haben mit derselben nicht die Hoffnung verbunden, daß diese Herren sofort nun enthusiastische Anhänger unserer deutschen Einrich⸗ tungen, Freunde unserer dorthin gesendeten neuen Beamten sein wür⸗ den, und ihnen mit wohlwollender Kritik und kindlichem Vertrauen entgegentreten würden. Wir haben uns darüber garnicht getäuscht, daß wir einen harten Kampf zu bestehen haben würden, ehe es uns gelänge, ihre An⸗ hänglichkeit zu gewinnen, die wir allerdings erstreben, die wir aber augen⸗ blicklich ohne Zweifel noch nicht besitzen. Die Zeit ist su kurz dazu. Das Elsaß hat, wie der Herr Vorredner gesagt hat, Straßburg abgerechnet, volle 200 Jahre und länger zu Frankreich gehört, und die Gewohnheit hat über den Menschen eine außerordentliche Macht. Wenn die Herren erst einmal 200 Jahre zu Deutschland gehört haben werden, dann empfehle ich ihnen einen vergleichenden Rückblick und ich bin überzeugt, daß sie bei uns doch im Ganzen angenehmer gelebt haben. Jedenfalls bin ich überzeugt, daß sie an der ursprünglichen Stammesgemeinschaft
der Deutschen mit ebenso großer Wärme und Energie hängen werden,
wie jetzt diejenige Anhänglichkeit ist, die die Herren in einem so vor⸗ trefflichen geläufigen Deutsch hier für Frankreich zu Tage legen. Auch das hat mir zur Genugthuung gereicht, daß die Ausbildung der deut⸗ schen Sprache und Rhetorik und daß die Rhetorik in der deutschen Sprache doch nicht so zurückgeblieben ist, wie man es wohl nach dem ersten Antrag und nach dem ersten stammelnden Versuch, sich im hei⸗ mathlichen Idiom hier zu bewegen, hätte fürchten können. Wir haben den Belagerungszustand — wenn Sie es so nennen wollen — die Aus⸗ nahmegesetze ja gar nicht eingeführt, wir fanden ihn vor und haben ihn ge⸗ mildert, vermindert und unter die verantwortliche Civilverwaltung gebracht. Sie wuͤrden mich nicht von der Nothwendigkeit entbinden, mich vor
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wir wünschen es ihnen, aber der Zwick der Annexion war es eigentlich
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