1874 / 94 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 22 Apr 1874 18:00:01 GMT) scan diff

Preußen. Berlin, 22. April. Kaiser und König hörten gestern nach der Rückkehr von einer Spazierfahrt den Vortrag des Militär⸗Kabinets. Heute Vormittag besichtigten Allerhöchstdieselben von 10 Uhr Vormittags ab das Füfilier⸗Bataillon 2. Garde⸗Regiments zu Fuß und das 3. Bataillon Garde⸗Füsilier⸗Regiments auf dem Ererzierplatze bei Moabit und empfingen Mittags den Wirklichen Geheimen Rath Grafen von Keller.

Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz wohnte gestern Vormittag den Exercitien auf dem Tempelhofer Felde bei, nahm um 12 ½ Uhr militärische Meldun⸗ gen entgegen und empfing um 1 Uhr den Intendanten des III. Armee⸗Corps, Wirklichen Geheimen Kriegs⸗Rath Engelhard. 1 Um 11 ¼ Uhr Vormittags empfing Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Kronprinzessin zwei englische Aerzte, Mr. Cormac und Mackinnow. Um 7 Uhr Abends begaben Sich die Höchsten Herrschaften nach dem Victoria⸗Theater und um 9 ¼ Uhr zum Thee bei Ihren Majestäten.

1 Der Bundesrath hat in der Sitzung vom 25. März d. Js. beschlossen: a. daß vom 1. Juli 1874 an die bei der Einfuhr von Bier in das Gebiet der Staaten der Brau⸗ steuergemeinschaft zu erlegende Uebergangsabgabe nicht mehr nach dem Gewichte, sondern nach dem Hohlmaße (Litermaße) zu erheben sei, b. daß der Uebergangsabgabensatz für Ein Hektoliter

Bier jeder Art auf zwei Mark festgesetzt werde. Hierbei hat der Bundesrath den nachstehenden Vorschriften über die Er⸗ hebung der Uebergangsabgabe von Bier nach dem Hohlmaße (Litermaße) die Genehmigung ertheilt:

1) Findet die Einfuhr von Bier in Fässern statt, welche geeicht und mit dem vorschriftsmäßigen Stempelzeichen versehen sind, so wird die Uebergangsabgabe nach Maßgabe des bei der Eichung ermittelten Literinhalts erhoben.

2) Sind die Fässer nicht vorschriftsmäßig geeicht, oder wal⸗

ten sonst gegen die Richtigkeit des angegebenen Maßes Bedenken ob, so kann eine amtliche Vermessung oder Nacheichung der⸗ elben angeordnet werden.

b 3) Erfolgt die Einfuhr von Bier in Flaschen, so wird bei der Berechnung der Uebergangssteuer der Inhalt der Flaschen, welche weniger als ½ Liter enthalten, mit ½ Liter und der In⸗ halt der Flaschen von über ½ Liter bis zu 1 Liter mit 1 Liter in Ansatz gebracht.

4) Bei jeder Einfuhr ist der Maßinhalt der Fässer und Flaschen (Ziffer 5), die Zahl derselben, sowie die Gesammtmenge des angemeldeten und zu versteuernden Bieres festzustellen, wo⸗ bei jedoch in der Regel probeweise Revisionen genügen werden.

Bei der Berechnung der Uebergangsabgabe hat ein etwaiges Manko in Fässern oder Flaschen außer Berücksichtigung zu blei⸗ von⸗ Steuerbeträge von weniger als 5 Pf. werden nicht er⸗ oben.

5) Wenn eine amtliche Vermessung oder Nacheichung von Fässern oder eine Probemessung einzelner Flaschen nothwendig wird, so hat der Waarenführer oder Waarenempfänger die etwa hierdurch entstehenden Kosten zu tragen.

Der Ausschuß des Bundesraths für Justizwesen trat heute zu einer Sitzung zusammen.

Im ferneren Verlaufe der gestrigen Sitzung setzte der

Se. Majestät der

bei dessen Vorschrift es auch ferner bewendet, auf den Kreisausschuß über, beziehungsweise fällt dieselbe ganz fort.“ Die gegenwärtige Fassung beruht auf einem Amendement der Kommission des Herrenhauses und ist durch dieselbe wie sich aus dem Kommissionsberichte (Drucksachen des Herrenhauses Nr. 116. S. 94.) ergiebt lediglich eine redaktionelle Verbesserung bezweckt worden. Hiernach kann es keinem Zweifel unterliegen, daß über solche Kommunalbezirks⸗Veränderungen, welche nach §. 135. IX. 1. der Kreis⸗ ordnung der Kreisausschuß zu genehmigen hat, nicht der Kreistag zuvor noch mit seinem Gutachten zu hören ist. Es würde eine solche gut⸗ achtliche Anhörung des Kreistages über Angelegenheiten, in welchen dem Kreisausschusse die Entscheidung zusteht, auch der Stellung des Ersteren gegenüber den Letzteren überhaupt nicht entsprechen. Dazu kommt, daß der durch die gedachten Gesetzesbestimmungen beabsichtigte Zweck, eine Vereinfachung des Verfahrens bei Kommunalbezirks⸗Ver⸗ änderungen herbeizuführen, nur unvollkommen erreicht werden würde, wenn auch vor der Entscheidung des Kreisausschusses erst noch die Vernehmung des Kreistages erfolgen müßte. Der Königlichen Regierung überlasse ich, Vorstehendem gemäß, die Verfügungen vom 9. und 20. Februar d. J. zu modifiziren und den Landrath des Kreises N. N. auf den Bericht vom 11. v. M. mit entsprechendem Bescheid zu versehen.

Bayern. München, 20. April. Unter dem Präsidium des Prinzen Luitpold wurde heute eine Sitzung des Staats⸗ rathes abgehalten, in welcher der „Allg. Ztg.“ zufolge die Regierungsvorlagen für den demnächst zu berufenden Landtag zur Berathung gelangt sein dürften. Es ist insbesondere die Vorlage eines Landtagswahlgesetzes zu gewärtigen. Eine zur Zeit im Staats⸗Ministerium der Justiz tagende Ministerial⸗ Kommission hat, wie dasselbe Blatt vernimmt, die Aufgabe, ein Gesetz in Betreff der Einführung der Civilehe zu entwerfen.

Der Staats⸗Minister Dr. v. Fäustle ist gestern Abends wieder nach Berlin abgereist, ebenso der Legations⸗Rath Reither.

Der frühere Präsident der Kreisregierung der Oberpfalz, Max v. Gutschneider, Staatsrath im außerordentlichen Dienst, ist gestern Nachts im 75. Lebensjahre hier gestorben.

Nürnberg, 19. April. Der heute hier stattgehabte 12. bayerische Anwaltstag war von Anwälten aus allen Gauen Bayerns besucht.

Württemberg. Stuttgart, 19. April. Der Land⸗ graf und die Landgräfin von Hessen sind heute wieder von hier abgereist.

Baden. Karlsruhe, 20. April. Der Großherzog von Oldenburg hat heute Vormittag 11 Uhr Karlsruhe wieder verlassen, um sich nach Wiesbaden zu begeben. Der Großherzog und die Großherzogin statteten heute Nach⸗ mittag den in Baden verweilenden Fürstlichen Personen einen Besuch ab.

Hessen. Darmstadt, 20. April. Ministerial⸗Rath Finger hat sich gestern nach Berlin begeben, um an den Ver⸗ handlungen des Justiz⸗Ausschusses über das Gerichtsverfassungs⸗ gesetz, sowie die Civil⸗ und Strafprozeßordnung als diesseitiger Bevollmächtigter Theil zu nehmen. Die neuen Verwaltungsgesetze werden, der „Mainz⸗ Ztg.“ zufolge, am 1. Juli in Kraft treten, die Neuwahlen im Laufe des August stattfinden. Wie dasselbe Blatt mittheilt, wird die erste ordentliche Synode der evangelischen Landeskirche nicht vor September zusammenberufen werden.

Mecklenburg. Schwerin, 21. April. Die Groß⸗ herzogin⸗Mutter von Mecklenburg⸗Strelitz und die ne gin Caroline sind heuf morgen von hier wieder ab⸗ gereist. 8

Braunschweig. Braunschweig, 21. April. Der aus

Deutsche Reichstag die erste Berathung des Gesetzentwurfes, betreffend die Verhinderung der unbefugten Ausübung von Kirchenämtern, fort. Nachdem der Abg. Dr. v. Schulte sich für denselben ausgesprochen hatte, sprach der Abg. Dr. v. Buß ge⸗ gen denselben. Der Abg. v. Saucken⸗Tarputschen erklärte sich für den Gesetzentwurf, weil mit demselben das Ziel seiner Par⸗ tei, Befreiung des Individuums, erreicht würde. Der Abg. Bayrhammer sprach sich gegen den Entwurf aus, weil er das religiöse Bewußtsein erschüttern würde. Zum Schluß trat dann der Abg. Graf v. Frankenberg für denselben ein, als Mittel, die Existenz des Deutschen Reichs gegen schädliche Einflüsse zu sichern. Damit schloß die erste Lesung. Schluß 5 Uhr.

In der heutigen (38.) Sitzung des Deutschen Reichs⸗ tages, welcher der Bundesbevollmächtigte Staats⸗Minister Dr. Del⸗ brück und mehrere Bundes⸗Kommissarien beiwohnten, beantwor⸗ tete der Staats⸗Minister Dr. Delbrück folgende Interpellation des Abg. Dr. Schulze (Delitzsch):

Das unterzeichnete Mitglied des Reichstags richtet an den Herrn Reichskanzler die Anfrage: 1) Steht die verheißene Gesetzesvorlage über die Hülfs⸗ und

Uisterstgtanekgssen der Arbeiter für die nächste Reichstagssession in sichrer Aussicht?

8 2) Sind, in Berücksichtigung der Bestimmung des §. 141, Alinea 2 der Gewerbe⸗Ordnung, Seitens des Bundesrathes Schritte

zu erwarten, um die in Folge jener Zulassung von den Arbeitern ge⸗

gründeten, auf Gegenseitigkeit beruhenden, sogenannten freien Kassen der bezüglichen Art in den einzelnen deutschen Staaten, bis zur definitiven reichsgesetzlichen Regelung der Angelegenheit, in ihrem

Bestande zu erhalten?

Eine zweite Interpellation des Abg. Soehnlin:

b Das unterzeichnete Mitglied des Reichstages richtet an den Herrn

Reichskanzler die Anfrage: 1) Wird das Gesetz vom 27. Mai 1872, betreffend den Bau der Eisenbahnlinie Colmar⸗Breisach, nicht zur Ausführung gebracht werden? 2) In welcher Frist könnte derselbe

zur Ausführung gebracht werden? beantwortete der Bundes⸗Kommissar, Direktor der Abtheilung des Reichskanzler⸗Amtes für Elsaß⸗Lothringen, Wirklicher Gehei⸗ mer Ober⸗Regierungs⸗Rath Hertzog. Dann erledigte das Haus zahlreiche Petitionen und trat demnächst in die dritte Berathung des Gesetzentwurfes, betreffend die Ausgabe von Reichs⸗Kassen⸗ scheinen, ein. In der Generaldiskussion sprach sich der Abg. v. Kardorff, der bei Schluß des Blattes das Wort noch hatte, gegen das Gesetz aus.

Ueber die Auslegung des vorletzten Absatzes des §. 135 Nr. IX. der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872 (An⸗ hörung des Kreisausschusses nach dem Gesetz vom 14. April 1856, betreffend die Landgemeinde⸗Verfassungen in den sechs östlichen Provinzen) hat der Minister des Innern einer Bezirksregierung das folgende Reskript zugehen lassen:

Der Königlichen Regierung übersende ich den anliegenden Bericht des Landraths des Kreises N. N. vom 11. v. M. mit dem Bemerken, daß ich die Auslegung, welche die Königliche Regierung in den Ver⸗ fügungen vom 9. und 20. Februar d. J. der Bestimmung im vor⸗ letzten Absatze der Nr. IX. des §. 135 der Kreisordnung giebt, nicht für zutreffend erachten kann.

Die beiden letzten Absätze der Nr. IX. a. a. O. lauteten in der Fassung der Regierungsvorlage: 1

„Wo in dem Gesetze vom 14. April 1856 die Anhörung des

Gulden (85,926,996 Gulden ordentliche, 8,120,313 Gulden außer⸗

Oldenburg hier eingetroffene Gesandte Prinz Bsenburg wurde

von Sr. Hoheit dem Herzog in Audienz empfangen und am

Sonntag Nachmittag zur Herzoglichen Tafel geladen. An der⸗

selben nahmen auch der General v. d. Becke aus Hannover,

welcher die Herzogliche Artillerie⸗Abtheilung in Wolfenbüttel in⸗

Phnen wollte, und einige hiesige hervorragende Persönlichkeiten eil.

Bremen, 19. April. Die Bürgerschaft hielt aus⸗ nahmsweise gestern Abend eine Sitzung. Es war eine Senats⸗ Mittheilung wegen des Zollausschlusses eines Theils des Gebiets am linken Weserufer eingegangen, die jedoch noch nicht zur Be⸗ rathung gelangen konnte. Nach dem Inhalt derselben soll Bremen den Grund und Boden für die zu errichtenden Zoll⸗ gebäude unentgeltlich abtreten und sich verpflichten, diejenigen Kosten zu übernehmen, welche aus der etwa sich herausstellenden Nothwendigkeit weiterer Sicherungsmaßregeln auf den die neue Grenze überschreitenden Landstraßen entspringen möchten. Dafür sollen diese dann thunlichst freiem Verkehr überlassen bleiben und auch nach Bedürfniß vermehrt werden können.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 20. April. Der Kaiser ist gestern Abend nach Buda⸗Pest abgereist, wird jedoch am 23. d. fim zu einer großen Truppenbesichtigung hier wieder ein⸗ treffen.

Die Erzherzogin Maria Immaculata, Gemahlin des Erzherzogs Karl Salvator, ist von einer Prinzessin entbun⸗ den worden.

21. April. (W. T. B.) Die Kaiserin Elisabeth hat heute Mittag den neuernannten päpstlichen Nuntius beim hiesigen Hofe, Jacobini, in feierlicher Audienz empfangen.

Pest, 21. April. Die Delegationen des österreichischen Reichsraths und des ungarischen Reichstags sind heute vom Kaiser einzeln empfangen worden. Die Ansprache, welche der Kaiser gleichlautend an die Präsidenten der beiden Delegationen richtete, lautet: Die Versicherungen treuer Ergebenheit, welche Sie an mich gerichtet haben, nehme Ich mit lebhafter Befriedigung entgegen und erwidere sie mit aufrichtigem Danke. Die Be⸗ ziehungen der Monarchie zu den auswärtigen Mächten haben ihren erfreulichen Charakter nicht verändert; mit Genugthuung gebe Ich der Ueberzeugung Ausdruck, daß neue werthvolle Bürgschaften des Friedens den alten hinzugefügt worden sind. Meinen Völkern die Segnungen des Friedens zu erhalten, bleict auch für die Zukunft die wesentlichste Aufgabe Meiner Regierung. Sie werden nicht verkennen, daß die Finanzlage der Monarchie in den Regierungsvorlagen berücksichtigt und der Anspruch nur auf das unmittelbar Nothwendige eingeschränkt worden ist. Indem Ich dem patriotischen Eifer, welchen Sie Ihren Aufgaben stets entgegengebracht, vertrauensvoll entgegen⸗ sehe, heiße Ich Sie aufs Herzlichste willkommen.

Der den Delegationen vorgelegte Staatshaushalt für 1875 schließt mit einem Gesammterforderniß von 94,047,309

ordentliche Ausgaben), wovon auf die im Reichsrath vertretenen

haben.

in die ersten Tage des März. Am 12. desselben Monats wurde

der Antrag Brescia⸗Morra's, den Abgeordneten für jede Sitzung,

Im Abgeordnetenhause legte der Honved⸗Minister Szende einen Gesetzentwurf über die Erbauung eines Palais für das Honved⸗Ministerium in der Ofener Festung vor. Das sanctionirte Metermaßgesetz wurde publizirt und hierauf die Generaldebatte über die Notariatsvorlage begonnen.

Großbritannien und Irland. London, 20. April. Dem Hoffjournale zufolge wird die Königin in Begleitung der Prinzessin Beatrice am nächsten Freitag Osborne verlassen und sich nach Schloß Claremont, unweit Esher in Surrey, be⸗ geben, wo Ihre Majestät bis zum 27. d. verweilen und dann nach Windsor zum Empfange des Kaisers von Rußland zurückkehren wird. Die Ankunft des Kaisers ist auf den 13. Mai festgesetzt. Se. Majestät wird sich direkt nach Windsor begeben, aber zwei Tage vor seiner Rückreise nach London kommen.

Der neue Statthalter von Irland, Herzog von Abercorn, hielt am Sonnabend seinen öffentlichen Einzug in Dublin und wurde von der Bevölkerung enthusiastisch em⸗ pfangen.

Frankreich. Paris, 20. April. Eines der ersten Werke, welche für die Vertheidigung von Paris errichtet werden, ist das Fort Cormeilles. Es kommt in die Nähe des Dorfes dieses Namens auf die Hochebene zu liegen, welche die Hügel⸗ kette bildet, die das Seine⸗Thal von dem Thal von Montmorency trennt. Von dieser Hochebene aus übersieht man ganz Paris, den Lauf der Seine, den Wald von St. Germain, Conflans⸗ Saint⸗Honorine, wo die Oise in die Seine fließt, das ganze Thal von Montmorency und weiterhin die Normandie. Genie⸗ Offiziere sind bereits in Cormeilles angekommen.

Die meisten Generalräthe haben ihre Session bereits geschlossen. Die Session der Generalräthe der Rhone und Gironde beginnt erst morgen.

Spanien. Madrid, 20. April. (W. T. B.) Die Flotte hat heute, nach der Regierung zugegangenen Meldungen, die Beschießung von Portugalete und Santuree (westlich von Portugalete) begonnen. Die Ortschaften haben durch das Feuer erheblich gelitten, zahlreiche carlistische Verwundete sind nach Amorrio gebracht worden. In Bilbao sollen die Lebens⸗ mittel bereits so reduzirt sein, daß man zum Schlachten von Pferden hat Zuflucht nehmen müssen.

Italien. Rom, 17. April. Der König ist am 14. von Neapel wieder hier eingetroffen.

Der Marquis von Noailles ist mit seiner Familie von Paris hierher zurückgekehrt.

(Monatsübersicht vom 15. Februar bis Ende März.) Das italienische Abgeordnetenhaus hat seine Arbeiten bis an die stille Woche heran ausgedehnt; waren die Bänke auch oft spärlich besetzt, so fehlte doch den entscheidenden Ab⸗ stimmungen nie die zur Beschlußfähigkeit erforderliche Zahl. Der Minister⸗Präsident und Finanz⸗Minister Minghetti hat wohl Grund, mit den Deputirten zufrieden zu sein. Schon am 14. Februar wurde eine ihm durchaus günstige Tagesordnung votirt, welche die Eröffnung der Einzeldebatte über das Papier⸗Umlaufs⸗ gesetz verlangte, und am 21. wurde das ganze Gesetz mit 199 gegen 63 Stimmen angenommen. Bereits verlautet, daß auch der Senat diesem Gesetze keine Schwierigkeit machen werde. Eine so entschiedene Majorität nach so heftigen Erörterungen in der Presse und leidenschaftlichen Reden der Gegner eines privilegirten Banken⸗Konsortiums bewies das Entgegenkommen eines erheb⸗ lichen Theiles der Linken, derjenigen, die seit Ratazzis Tode führerlos geworden waren. Freilich grollte die äußerste Linke, und Depretis, Cairoli, Crispi, Fabrizi, Ferrari und Ni⸗ cotera traten aus dem Direktions⸗Comité der Linken aus. Eine Neubildung der Linken war die natürliche Folge; es entstand die Fraktion De Luca, etwa 60 Stimmen, welche gewillt scheint, das Ministerium auch ferner zu unterstützen, und da es dieser Unterstützung bei der demnächst bevorstehenden Be⸗ rathung der sogenannten provvedimenti, d. i. einer ganzen Reihe von Steuergesetzen zu theilweiser Ausgleichung der Jahres⸗ Bilanz, bedürfen wird, so ist begreiflich, daß diese parlamen⸗ tarische, konstitutionelle Linke, wie sie sich nennt, ihrerseits Kon⸗ zessionen von der Regierung erwartet. Wenn man gesagt hat, es habe sich bei jener Fraktionsbildung um eine Scheidung der dynastischen Linken von der anti⸗dynastischen gehandelt, so bezeichnet das die Lage nicht genau. Die wenigen Republi⸗ kaner, welche im italienischen Parlamente sich befinden, scheinen theils aus Temperament, theils aus Nothwendigkeit, sehr zurück⸗ haltend. Die Stimmung des Landes hat sich erst neulich sehr entschieden zu der Dynastie bekannt, welche Italiens heißeste Wünsche erfuͤllt hat. Niiccht anders denn als ein Entgegenkommen gegen die Re⸗ gierung betrachtete man auch die Vertagung einer von Miceli beabsichtigten Interpellation. Es handelte sich um die, wie man sagte, dem Garantiegesetze nicht entsprechende Erleichterung, welche man den Bischöfen zur Erlangung des staatlichen exequatur und der ihnen bis dahin vorenthaltenen Mensalgelder und Bischofswohnungen in einigen Fällen gewährt hatte. Die Sache ist ins Unbestimmte vertagt, und die Regierung, welche auf jede Weise ihre Friedfertigkeit gegen die Kurie bethätigt, deren Presse freilich darin immer nur Symptome der Schwäche erblickt, darf: damit zufrieden sein.

Ueber eine Fluth von Petitionen, die Jahr 1861 zurückreichten, ging die Kammer en bloc zur Tages⸗ ordnung über. Es fehlte dabei nicht an hartem Tadel von einigen „Volksfreunden“, doch wurde bemerkt, wie wenig er⸗ fahren im Gebrauch der gewiß überall hochzuschätzenden Petitions⸗ freiheit man hier zu Lande noch sei: der weitaus größte Theil jener Bittschriften war eine Verfehlung der zuständigen Instanz; Sachen, die innerhalb der betreffenden Verwaltung auf die ein⸗ fachste Weise hätten erledigt werden können.

Der Kriegs⸗Minister Ricotti erhielt die von ihm zu Zwecken der Landesvertheidigung geforderten 79 Millionen ohne Schwie⸗ rigkeit bewilligt; er mußte sich sogar gegen die Liberalität de Kammer wehren, welche ihm ungeforderte weitere 88 Millioner anbot. Man einigte sich dahin, daß von dieser Munificenz erst die Rede sein solle, nachdem die Minghetti'schen Steuervorlagen erledigt wären. Die eigenthümliche Schwierigkeit, welche sich au der Wechselwirkung der militärischen Sicherheit und der Finanz lage des Landes ergiebt, spiegelt sich in diesem ungewöhnlichen Vorgange. Die deutsche Presse hat fachkundige Erörterungen über diesen Gegenstand gebracht, die hier Beachtung gefunder

zum Theil bis in das

Ebenso anstandslos bewilligte die Kammer 9 Millionen zu

Zwecken der militärischen Equipirung mit 162 gegen 56 Stimmen

Die zuletzt erwähnten Debatten und Abstimmungen fallen

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Kreistages vorgeschrieben ist, geht dieselbe mit Ausnahme des §. 17, V

Königreiche und Länder 65,833,116 Gulden, auf die Königreiche und Länder der ungarischen Krone 28,214,193 Gulden fallen.

in der sie anwesend wären, 20 Lire Tagegelder zu gewähren, im Einverständniß mit der Regierung

abgelehnt. Am 16. gab 9 üis g

der Finanz⸗Minister ein Finanz⸗Erpose, welches die Lage erheblich

als sie nach den Voranschlägen für das abge⸗ laufene Jahr prognostizirt worden war. Der Minister sprach gleichzeitig aus, daß er von der Bewilligung seiner provvedimenti sein Verbleiben im Amte abhängig machen müsse.

Nach langen Verhandlungen, die schon einmal gänzlich zer⸗ schlagen schienen, ist endlich auch die Ueberlassung der römischen Bahnen an die Gesellschaft der Südbahnen mit der Regierung vereinbart worden. Der Vertrag bedarf nur noch der Geneh⸗ migung der Kammern und soll auch, wie man sagt, sofort nach den Vakanzen (14. April) im Abgeordnetenhause vorgelegt wer⸗ den. Bei diesen Verhandlungen hat der frühere Finanz⸗Minister Sella sein Talent von Neuem bewährt, und die Meinung erhielt wieder Nahrung, Herr Minghetti werde ihm die Leitung der Finanzen des Staates abtreten und selbst mit der Präsidentschaft im Ministerium sich begnügen, doch bezeichnet die gegentheilige Meinung beide Männer als Gegner, welche einander ausschlössen, quia virtus summa in utroque. Die Bedingungen, unter welchen der Staat die römischen Bahnen überläßt, sind erst bruchstüͤck⸗ weise bekannt, und schon erhebt sich eine Differenz zwischen sol⸗ chen, welche den Staat als von einer der Liquidation nahen Gesellschaft übervortheilt betrachten, und den Apologeten der Ver⸗ einbarung. Hart scheinen die Bedingungen gewiß nicht. Die Regierung, heißt es, soll nach Ablauf von 20 Jahren, während welcher sie eine nach Kilometern zu bestimmende Einnahme⸗ Quote von je 17,500 Lire garantirt und die für Ausbau des Netzes vorzustreckenden Kapitalien mit 3 pECt. verzinst erhält, in den definitiven Besitz der Bahnen gelangen.

Das von dem Justiz⸗Minister Vigliani vorgelegte Gesetz zur Reform der Geschworenengerichte wurde am 23. März mit 191 von 227 Votirenden genehmigt. Die letzten Sitzungen der Fastenzeit, kaum unterbrochen durch das Fest des fünfund⸗ zwanzigjährigen Regierungsjubiläums Königs Victor Emanuel, wurden mit den Berathungen eines die Advokaten und Gerichts⸗ Anwälte betreffenden Gesetzes ausgefüllt. Auch dieses ist im Ganzen den Forderungen der Regierung entsprechend ange⸗ nommen worden. Ein Rückblick auf diesen letzten Theil der Kammerverhandlungen läßt nur zufriedenstellende Resultate für das Ministerium erkennen. Die dritte Session der gegenwärtigen Legislatur, die ihren Anfang am 15. November 1873 nahm, zählt bis jetzt 92 öffentliche Sttzungen. Vorgelegt wurden 98 Gesetze, darunter von dem Finanz⸗Minister 49, von dem Minister für öffentliche Arbeiten 17, von dem Ackerbau⸗Minister 8, vom Justiz⸗Minister 7, ebenso viele von dem Kriegs⸗ Minister, von den Ministern der Marine 4, des Aeußern 3, des Unterrichts 2, des Innern 1.

Von diesen 98 Entwürfen sind 21 angenommen worden, einer verworfen (derjenige über den obligatorischen Elementar⸗ Unterricht, was bekanntlich Scialoja's Rücktritt zur Folge hatte), drei wurden diskutirt mit aufgeschobener Gesammtabstimmung, und von 16 ist der Bericht der es chäsch. erstattet worden, während derselbe bei den anderen noch aussteht. .

Aus Initiative des Parlamentes selbst sind 21 Gesetz⸗ Entwürfe hervorgegangen.

21 Tagesordnungen wurden angenommen und 30 Inter⸗ pellationen erledigt.

Von 24 Wahlen veeee man 3, deren eine gerichtlicher Untersuchung unterstellt wurde. 3 1

8 ertheilte die Kammer die Genehmigung zu gericht⸗ lichem Einschreiten gegen Angehörige des Hauses.

Das Letztere geschah gegen die Herren Principi, Ruspoli und Corrado, die in einen Prozeß verwickelt waren, welcher dem Journalisten Montignani eine Verurtheilung wegen betrügerischer Benutzung der Eisenbahn⸗Freikarten (richtiger Bücher) der De⸗ putirten zuzog. Da Beide von dem Florentinischen Gerichte nur ab instantia absolvirt wurden, so gaben sie ihre Demission als Volksvertreter, Corrado in so brüsker Form, daß der Präsident die Vorlesung des Schreibens versagen zu müssen glaubte. Ruspoli hat zugleich seinen Posten als römischer Municipalrath und den eines Chefs der römischen Municipalgarde niedergelegt. Die Kammer nahm das Vorkommniß zum Gegenstand einer geheimen Sitzung, in welcher man eine Beurtheilung des Ge⸗ richtsverfahrens gebührender Maßen sich versagte. 8

Zu der Feier des eminent „nationalen“ Festes vom 23. März, des 25. Jahrestages des Regierungsantritts Sr. Majestät, befürworteten in völliger Uebereinstimmung der Abgeordnete Massari von der äußersten Rechten und Nicotera von der äußersten Linken den Antrag, dem König Victor Emanuel eine Adresse zu überreichen. .

Am 14. feierte man den Geburtstag des Königs und zu⸗ gleich seines Sohnes, des Prinzen Umberto. Merkwürdig war bei dieser Gelegenheit das Verhalten der Kurie, welche den Geist⸗ lichen der angestammten und durch Friedensvertrag erworbenen Gebietstheile ein solennes Te Deum gestattete, es aber für die „durch Revolution“ gewonnenen Provinzen versagte. Gleich⸗ wohl hat der Bischof Rota von Mantua durch Versagung der Feier sich den Unwillen seiner Diöcesanen zugezogen.

Höhere Wogen schlug die Feststimmung am 23. März, dem Tage des Regierungs⸗Jubiläums des Königs. Es ist hier nicht der Ort, die vielfachen Sympathiebezeugungen aufzuzählen.

Die Mittheilungen über das Gratulationsschreiben des Kai⸗ sers Wilhelm, dessen Geburtstag von einer großen Gesellschaft Deutscher in den Räumen des Palazzo Caffarelli am Abend vorher gefeiert worden, haben die öffentliche Meinung freudig bewegt. Die Presse, die das zeitliche Zusammenfallen der Fest⸗ tage zum Ausgangspunkte nahm, fand gewisse Analogien in den wunderbaren Lebensläufen der Beiden Herrscher, und wie in der deutschen das geflügelte Wort „von Novara nach Rom (oder: „durch Novara nach Rom“) aufgenommen und para⸗ phrasirt ward, so las man in italienischen Zeitungen das entsprechende Wort, welches Kaiser Wilhelms Leben in eine geographische Formel zusammendichtet „von Jena nach Vers ailles 1 Es ist gewiß, daß das aufrichtige italienische Volk eine instink⸗ tive Zuneigung für Deutschland hat, und daß es daher an den freundschaftlichen Beziehungen seines Königs zu dem Deutschen Kaiser mit inniger Freude Antheil nimmt. 88

Daß die klerikale Presse sich die Mühe nicht verdrießen ließ, die freilich nach italienischer Volksart nicht eben lärmende Fest⸗ freude als gemacht oder gar nicht vorhanden auszugeben, konnte nicht auffallen.

8. am 23. ließ der klerikale römische Adel es sich an⸗ gelegen sein, eine Gegendemonstration in dem Konsistoriumsaale des Vatikans aufzuführen, während die nicht adligen Personen in Nebenräumen des päpstlichen Segens harrten. 8

Der zum Nuntius für Wien ernannte Jacobini war bisher Sekretär der Propaganda. Die Präfektur der Propaganda ist nach dem Tode des Kardinals Barnabo er starb 24. Februar

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ist zum Nachfolger Chigi's für Paris ausersehen und wird dem⸗ nächst zur Einholung seiner Instruktionen erwartet. . Auch in der Ernennung dieser neuen Nuntien sieht die offiziöse Presse Italiens einen Beweis der von ihr immer be⸗ tonten absoluten Freiheit der Aktion der päpstlichen Kirchen⸗ leitung. Nach der „Perseveranza“ hat sich bestätigt, daß gegen das Circular Visconti⸗Venosta’'s vom 1. Januar vatikanischer⸗ seits eine Gegenvorstellung erflossen ist, in welcher unter ande⸗ rem der italienischen Regierung der Vorwurf der Wortbrüchig⸗ keit gegen die Kurie gemacht sei, so daß also auch auf die Versicherung nichts zu geben wäre, daß ein demnächst in Rom stattfindendes Konklave in voller Freiheit seine wichtige Obliegenheit erfüllen könnte. Von einem weiteren Konfistorium zur Ernennung von Kardinälen verlautet von Zeit zu Zeit, wobei immer dieselben Namen genannt werden, z. B. Manning, Merode, aber kein Deutscher. Jetzt heißt es, das Konsisto⸗ rium werde nach Ostern stattfinden, ja vielleicht erst im Juni. Die lombardischen Bischöfe haben gegen das von Vigliani eingebrachte Gesetz protestirt, wonach Geistliche zu bestrafen sind, die vor Vollzug der civilen Eheerklärung, die allein gesetzlich gültig ist, eine kirchliche Einsegnung vornehmen. Die Bezug⸗ nahme derselben auf das biblische Wort, man müsse Gott mehr gehorchen, als den Menschen, wurde von der gesammten italie⸗ nischen Presse als impertinente Drohung bezeichnet. Gegen das Gesetz hat übrigens auch die Mailänder Perseveranza angekämpft. Ein Professor Filopanti in Bologna erhebt den Anspruch, ein religiös⸗sittlicher Reformator zu werden. Er findet, daß der schrecklichen Verwilderung der Sitten nur durch eine Revision der Lehren des Christenthums mit Zuhülfenahme der Resultate der neuern Philosophie und Naturwissenschaft zu begegnen sei. Der Mann hat neulich in Bologna auf der Piazza Vittorio Emanuele gepredigt und gedenkt das auch in Rom zu thun. Dem König hat er in einem von ihm selbst veröffentlichten Briefe die Bitte vorgetragen, daß thörichte Subalterne ihn nicht hindern möchten. Gleichzeitig sagt er dem Könige, er sei von Ueber⸗ zeugung Republikaner, aber gewohnt, blos gesetzliche Mittel anzuwenden. 1 Die Giunta liquidatrice, welche die Säkularisirung der ein⸗ gezogenen Kirchengüter besorgt, har im Laufe des Februar 1076 Parzellen für 2,928,196 Lire verkauft (im Januar nur 815 Parzellen für 2,151,645 Lire). Dadurch ist die Summe der aus diesen Gütern der todten Hand (vgl. den vorigen Monatsbericht) erlösten Gelder seit 26. Oktober 1867 bis Ende Februar 1874 auf 452,737,739 Lire angewachsen (bei 96,567 versteigerten Par⸗ zellen). Vor einigen Wochen war Rom der Schauplatz eines Strikes, und zwar eines Frauenstrike, nämlich der Cigarrenmacherinnen von Trastevere. Die Frauen haben sich jedoch bald der Festigkeit der Di⸗ rektion gefügt. Sehr löblich ist die Errichtung von Volks küchen, mit denen man jetzt auch hier beginnt. Nur ist der Bedürfniß⸗ losigkeit des aus seinem armen Gebirgsneste herbeigekommenen Ar⸗ beiters gegenüber eine Mahlzeit von Suppe, Brod und ausgekochtem Fleisch noch zu opulent und der Preis von 35 Centesimi (c. 2 ½ Sgr.) zu hoch. Der König hat für die Armen der Stadt an seinem Jubiläum 10,000 Lire geschenkt. Die Munizipalität ist mit der Negoziirung einer neuen Anleihe von 100 Millionen ire beschäftigt. soalistischen Erscheinungen haben in Italien einen weniger beunruhigenden Charakter, als in anderen Ländern. Hie und da hört man von der Existenz einiger Anhänger der Internationale, und nächtlicherweise an einige Straßenecken ge⸗ klebte Aufrufe nimmt die Polizei am Morgen fort; so in Florenz, auch einmal in Rom. 8 b Gegenwärtig tagt zu Rom im Mazzinisaale ein Arbeiter⸗ kongreß. Als man am 30. v. M. eine Resolution votiren wollte, welche Strikes als ein zulässiges Mittel erklärte, wenn auf andre Weise die Arbeiter Gerechtigkeit nicht erlangen könnten, drohte der anwesende Quästurbeamte mit Auflösung der Ver⸗ sammlung. In Erwägung dieses Umstandes ging man zur Tagesordnung über. . 88 88 In der jetzigen Theuerung empfindet man gewisse Gegensätze lebhafter; so blieb nicht ohne Tadel der Beschluß der römischen Stadtverwaltung, einen jährlichen Preis von 3000 Lire für Fuchsjagden auszusetzen. Auch die sehr hohe Subvention des Apollo⸗Theaters bietet der sozialistischen Vorwand. Am 21. Februar fanden in Chiaravalle Ruhestörungen statt. Bedenklicher sind die Räubereien, deren Schauplatz wieder Sizilien geworden ist. Eine Interpellation in der Deputirten⸗ kammer erhielt zwar von dem Minister des Innern beruhigende Antwort, doch war die Presse Süditaliens damit nicht zufrieden. Die letzten Nachrichten erzählen von der Aufhebung der gefähr⸗ lichen Bande des Donato, jedoch auch von neuer Erpressung durch Brand⸗ und Mordandrohung. 88 1 Selbst in der Nähe der Hauptstadt, bei Genazzano, ist eine Diligence angefallen worden, wobei leider der muthige Kapitän Acqua getödtet wurde. Die beiden Mörder, deren jetzt die Ver⸗ urtheilung harrt, sind Landleute, die Weib und Kind haben. Ende Februar wurden 6 zwischen Norcia und Spoleto durch 18 Bewaffnete ausgeplündert.

Zur Gefuͤngnißstatiftft: Am 31. Dezember 1873 befanden sich in gerichtlicher Haft 39,534 Personen, von denen 24,000 noch in Untersuchung. Es kommen auf je 1000 Einwohner im Distrikt von Palermo 14, von Neapel 15, von Florenz 5, von Turin 6.

In dem neuen Strafprozeßentwurfe finden sich Bestim⸗ mungen über den Mißbrauch der geistlichen Amtsgewalt (§§. 216— 219), die schärfer sind, als der deutsche Kanzelpara⸗ graͤph; und in §. 134 eine andere über den Mißbrauch mit Staatspapieren.

Die kleine Republik San Marino war kürzlich von italie⸗ nischen Soldaten und Carabiniers cernirt. Ein aus Rimini dorthin flüchtig gewordener Mörder ist vergeblich von italienischen Polizeibeamten in einem dortigen Hause gesucht worden und bisher nicht ausgeliefert. Die Republik soll schon mehrfach ihren Verpflichtungen der Auslieferung flüchtiger Verbrecher nicht genügt haben. Zwei Abgesandte derselben haben in Rom Klage wegen Verletzung ihres Gebietes geführt, und weitere Verhand⸗

1 sind zu erwarten. Prin⸗ Leopold von Bayern und seine Gemahlin Gisela sind in Venedig mit besonderer Auszeichnung behandelt worden.

Die römische Kunstakademie von San Luca hat mit ihrem Proteste gegen die von Scialoja dekretirte Reform Erfolg ge⸗ habt; der Staatsrath hat die Autonomie ihres Senates in Sachen der Besetzung der Lehrstellen und der Verwaltung an⸗

erkannt.

Agitation bequemen

Das italienische Telegraphenwesen zeigt einen beson⸗ dern Aufschwung. Der Vergleich mit anderen Ländern Europas ergiebt sehr günstige Resultate. Die Verwaltung hat im Jahre

1872 1,668,212 Lire Ueberschuß erzielt, während Spanien

1,714,966 Lire Verlust hatte, Ungarn 1,111,400, Oesterreich 564,185, Frankreich 457,198, Belgien 83,682, Deutschland einen Netto⸗Ueberschuß von 64,905, die Schweiz von 296,908 Lire. In jenem Jahre wurden 894 Kilometer neuer Leitungen hinzu⸗ gefügt, sowie noch 7065 Kilometer Draht zu weiterer Entwicke⸗ lung der vorhandenen, 114 neue Bureaus eingerichtet und 191. Apparate angeschafft. Im Ganzen besaß Italien Ende 72 821 Bureaus mit 1550 Apparaten und als Staatseigenthum 18,615 Kilometer Landtelegraphen und 19 submarine Leitungen. Es wurden 3,857,377 Telegramme befördert (1,300,000 mehr als im Vorjahre). 1871 erhielt durchschnittlich jeder 10. Mann Italien alljährlich eine Depesche, 1872 schon jeder siebente. Der Telegrammen⸗Verkehr spiegelt die Handelsbeziehungen 8 Landes. Am Lebhaftesten ist er zwischen der Lombardei und Frankreich, täglich ca. 250 Telegramme, dann mit Oesterreich und der Schweiz. Sehr wenig betheiligt sich der südliche Theil des Landes. Das allgemeine Mittel pro Tag waren 2118 Te⸗ legramme. Am 31. Dezember 1873 war, wie neuerdings ein amtlicher Nachweis darthut, die Anzahl der Kilometer auf 19,837 gestiegen, also um 1222. 1 1 Die Länge der Drähte betrug 56,626 Km., so daß durch⸗ schnittlich jede Linie mit 3 Drähten arbeitete. Dazu die unver⸗ ändert gebliebenen 178,36 Km. unterseeischer Fäden. 1 Bureaus 846 mit 1621 Apparaten, Beamte 3873 (358 mehr als 1872), beförderte Telegramme 4,413,936, darunter ca. 300,000 amtliche und dienstliche, allein im Inlande beförderte Privat⸗Telegramme 3,763,629, so daß diese allein um 570,397 zugenommen haben. Einnahme im Ganzen: 9,031,057 Lire (1,095,191 mehr als 1872), Ausgaben für den Dienst und für Konstruktion: 6,804,661 Netto⸗Ueberschuß, daher für den Staats⸗ schatz 2,808,661 Lire. 88 Die Post⸗Verwaltung hatte im vierten Trimester (1. Oktober bis 31. Dezember 1873) 5,595,193 Lire Ueber⸗ schuß erzielt, gegen dieselbe Periode des Vorjahres 203,269 mehr. Der Ertrag des ganzen Jahres stellt sich auf 22,402,967 Lire, (gegen 21,086,864 im Jahre 1872) Auch die Steuer auf Eisenbahnfrachtgüter hat 1873 6 Pro⸗ zent mehr eingetragen als 1872, nämlich 1873:8,009,353 Lire (ge⸗ gen 1872: 7,548,484). Auf die einzelnen Bahnen vertheilt sich dieser wenig drückende, im Ergebniß aber nicht zu unterschätzende Steuerertrag wie folgt: Ober⸗Italien 4,725,495 Lire 37 C., römische Bahnen 1,652,529 Lire 95 C., Südbahnen 1,284,917 Lire 74 C., Calabrisch⸗sicilische 249,499 Lire 23 C., Sardinische 58,994 Lire 47 C., Turin⸗Cirièé 26,937 Lire 40 C., Turin⸗ Rivoli 10,979 Lire 19 C., Summa 8,009,353 Lire 35 C.

In der Kammer ist beantragt, die Taxe eingehen zu lassen, da sie zu wenig einträglich sei. 8 . Minister nftelheiset Arbeiten hat eine Uebersicht über die Eisenbahnbauten des Staates gegeben. Die Ausgaben betragen darnach für das Jahr 1873 48,615,448 Lire (gegen 39,648,978 im Jahre 1872) und zwar für die Calabrisch⸗sicili⸗ schen Bahnen 30,451,918 Lire, Asciano⸗Grosseto 565,131 Lire, Ligurische 10,514,720 Lire, Savona⸗Bra und Cairo⸗Acqui 7,083,678 Lire, Summa 48,615,447 Lire.

In der Jahresbilanz waren 52,180,150 Lire ausgeworfen.

Am 30. März starb in Bologna der Senator Rud. Audinot. Er hielt am 25. März 1861 in der Deputirtenkammer die be⸗ rühmte Rede über die römische Frage, welche den Grafen Ca⸗ vour zu der Erklärung Roms als Hauptstadt provocirte.

Das Staatshandbuch der Curie (La gerarchia cattolica e la famiglia pontificia) für 1874 wies am 1. Januar 1874 54 Kardinäle auf, 22 Hüte sind vacant. Man hatte 12 Patriarchen des lateinischen und orientalischen Ritus, 713 Erzbischöfe und Bischöfe lateinischen, 52 orientalischen Ritus, 246 Erzbischöfe und Bischöfe in partibus. Im gegenwärtigen Pontifikat sind allein 123 Bisthümer gegründet worden.

Türkei. Konstantinopel, 21. April. (W. T. B.) Fürst Milan von Serbien wird, wie nunmehr festgesetzt ist, am 30. April hier eintreffen. Eine Kaiserliche Jacht wird den⸗ selben aus Varna abholen.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 18. April. Der Konstitutions⸗Ausschuß hat das Denkschreiben über die jetzt vollendete Prüfung des im Staatsrathe 1873 geführten Protokolls an den Reichstag abgegeben; er hat keinen Anlaß gefunden, irgend ein Mitglied des Staatsrathes gemäß §. 102 der Regierungsform vor das Reichsgericht zu fordern, wohl aber eine Maßregel in Betreff des Kupferwerkes Atvidaaberg vom 11. August bei dem Reichstage anzumelden.

Am Mittwoch wurde mit dem zweiten der Panzer⸗ boote oder der Art von Monitoren, von denen für die Skaren⸗ flotte fünf von der Regierung in der Motala⸗Werfte zu Norr⸗ köping je zum Preise von gegen 400,000 Kronen bestellt sind, und welches den Namen Björn (Bär) erhalten hat, eine Probe⸗ und Besichtigungsfahrt angestellt. Dasselbe hat 2 Maschinen zu je 25 Pferdekraft und macht wenigstens acht Knoten, während nur sechs berechnet waren. Das dritte Panzerboot befindet sich bereils im Wasser und die beiden noch übrigen stehen auf dem Stapel. Nach einem gestern von Norrköping hier angelangten Telgramm ist aber in der vorhergehenden Nacht in der Werfte eine große Feuersbrunst ausgebrochen, welche mehrere Gebäude zerstört und die beiden auf dem Stapel be⸗ findlichen Panzerboote stark beschädigt hat, während „Björn glücklich entfernt wurde, ohne Schaden zu leiden.

Christiania, 16. April. Das Storthing beginnt jetzt die vorgeschlagenen Gehaltserhöhungen in Berathung zu nehmen, und der Bericht des Gehalts⸗ und Pensions⸗Comites über die betreffende Regierungsvorlage ist erschienen. Innerhalb des Comites haben sich sehr verschiedene Meinungen geltend ge⸗ macht, und ein Mitglied hat sich sogar gegen jede Ge⸗ haltserhöhung ausgesprochen. Die Mehrzahl hat die Erhöhung der Gehalte bis zu 400 Spd. um 25 Prozent bean⸗ tragt und für die Gehalte von 400 1000 Species eine Zulage von 100 150 Species, welches letztere die höchste zu gewährende Zulage sein soll. Bei Pensionen sollen nur diejenigen, welche niedriger als 500 Spd. sind, eine Erhöhung erfahren, die übrigen dagegen ohne Zulage bleiben. Man kommt auch bei dieser Frage auf die Zweckmäßigkeit der Theilnahme der Staats⸗ Räthe an den Verhandlungen des Storthings zurück und glaubt, daß eine Verständigung über die Gehaltsfragen durch mündliche Erklärungen der Minister sehr gefördert werden könnte.

Dänemark. Kopenhagen, 18. April. Der zum

Der Orénocque liegt nach wie vor in Civita⸗Vecchia. Die Eisenbahnstrecke Orte⸗Orvieto ist am 10. März eröffnet

vea v““ dem früheren Nuntius in Madrid, Msgr. Franchi, übertr

en. Der bisherige Nuntius in München, Msgr. Meglia, gen worden Der bisherig v 8

worden.

österreichischen Gesandten am dänischen Hofe ernannte Graf [Kalnokgny ist hier in diesen Tagen angekommen.