— Der Ausschuß des Bundesraths für Justizwesen hielt heute eine Sitzung.
— Im weiteren Verlauf der gestrigen Sitzung des Her⸗ renhauses wurden in der Spezialdiskussion die einzelnen Paragraphen des Gesetzentwurfes, betreffend die Verwaltung er⸗ ledigter katholischer Bisthümer, unter unerheblicher Diskussion angenommen. Nach Beendigung der Spezialdiskussion stellte Graf von Landsberg den Antrag: Da der Gesetzentwurf gegen die Verfassung und speziell gegen die Bestimmungen der Art. 9, 12, 17 und 18 derselben verstoße, in Gemäßheit des Art. 10 der Verfassungs⸗Urkunde über die Vorlage nach Verlanf von 21 Tagen zum zweiten Male abzustimmen. Der Antragsteller so⸗ wie die Herren Graf Brühl und Baron Senfft von Pilsach ver⸗ theidigten diesen Antrag, während der Minister für die geist⸗ lichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Falk ihn zu verwerfen bat. Bei der Abstimmung wurde der Antrag mit großer Majorität ab⸗ und das Gesetz selbst in namentlicher Abstimmung mit
1 gegen 46 Stimmen angenommen. Die zu diesem Gesetz vor⸗ Petitionen wurden durch diesen Beschluß für erledigt erachtet.
Es folgte sodann als vierter Gegenstand der Tagesordnung die zweite Berathung des Gesetzentwurfs wegen Deklaration und Ergänzung des Gesetzes vom 11. Mai 1873 über die Vorbildung und Anstellung der Geistlichen. An der Generaldiskussion be⸗ Sheilcees sich die Herren von Maltzahn, Graf Brühl, Baron von Senfft⸗Pilsach und Graf Landsberg, von denen die drei letzt⸗ genannten sich gegen die Vorlage erklärten. Dann wurden in der Spezialdiskussion die einzelnen Paragraphen der Vorlage angenommen und hierauf die Sitzung um 3 ½ Uhr vertagt.
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— In der heutigen (23.) Sitzung des Herrenhauses, welcher der Vice⸗Präfident des Staats⸗Ministeriums, Finanz⸗ Minister Camphausen, sowie die Staats⸗Minister Dr. Leonhardt, Dr. Falk und mehrere Regierungs⸗Kommissarien beiwohnten, und welche der Präsident Otto Graf zu Stolberg⸗Wernigerode um 10 ¼ Uhr eröffnete, nahm zunächst der Prinz Biron von Curland zu einer Erklärung gegen den Abg. Dr. Lasker das Wort. Dann trat das Haus in die Tagesordnung, deren erster Gegenstand die einmalige Schlußberathung über die Rechnungen der Kasse der Königlichen Ober⸗Rechnungskammer war. Auf Antrag des Referenten Hrn. von Rabe beschloß das Haus, für die Rechnungen der Kasse der Königlichen Ober⸗Rechnungskammer, soweit sie sich auf die preußische Verwaltung beziehen, nach deren Prüfung durch das Herrenhaus, in Uebereinstimmung mit dem Hause der Abgeordneten die Decharge zu ertheilen.
Der zweite Gegenstand der Tagesordnung war die einmalige Schlußberathung über den fünfundzwanzigsten Bericht der Staatsschulden⸗Kommission über die Verwaltung des Staats⸗ schuldenwesens im Jahre 1872. Der Referent Dr. Elwanger beantragte, der Königlichen Hauptverwaltung der Staatsschulden für die in dem Bericht enthaltenen Rechnungen die Decharge zu ertheilen, und das Haus trat dem Antrage bei.
Der dritte Gegenstand der Tagesordnung, die erste Bera⸗ thung über den Entwurf eines Gesetzes, betreffend das Höferecht in der Provinz Hannover, wurde von der heutigen Tagesord⸗ nung abgesetzt, sodann als vierter Gegenstand der Gesetzentwurf, betreffend die anderweite Regelung der Wasserlaufabgaben im Gebiete des Regierungsbezirks Wiesbaden, in erster Berathung genehmigt. Sodann trat das
aus in die Berathung des Berichts der XI. Kommission über en Gefetzentwurf, betreffend die evangelische Kirchengemeinde⸗ und Synodalordnung vom 10. September 1873 für die Provinzen Preußen, Pommern, Brandenburg, Posen, Schlesien und Sachsen. Zur General⸗Diskussion nahmen neben dem Referenten Dr. v. Goßler die Herren v. Kleist⸗Retzow für und Dr. Elwanger ge⸗ gen die Anträge der Kommission das Wort. Auch der Herr Staats⸗Minister Dr. Falk nahm Veranlassung, in längerer Rede sich gegen die Anträge der Kommission zu erklären. Die Dis⸗ kussion dauerte bei Schluß des Blattes noch fort.
— Im ferneren Verlaufe der gestrigen Sitzung des Hauses der Abgeordneten wurde die zweite Berathung des Gesetzentwurfs, betreffend die Aufnahme einer Anleihe von 50,600,000 Thlrn. zur Erweiterung des Staats⸗Eisenbahnnetzes, erledigt; nach dem Abg. Richter (Hagen) sprachen noch die Abgg. Weber für und Dr. Dohrn gegen die Vorlage, worauf der Handels⸗ Minister Dr. Achenbach und der Referent Abg. Berger entschie⸗ den für dieselbe eintraten. Darauf wurde §. 1 in folgender Fassung angenommen:
„FEs ist eine Anleihe aufzunehmen, welche die Mittel gewährt für den Bau der Bahnen: 1) von Insterburg über Darkehmen, Gol⸗ dap und Oletzko nach Prostken zum Anschluß an die russische Bahn von Bialystock nach Grajewo mit 7,650,000 Thlr., 2) von Jablonowo über Graudenz nach Laskowitz mit 5,600,000 Thlr., 3) von einem Punkte an der Stargard⸗Posener Bahn zwischen Rokietnice und Posen über Schneidemühl nach Belgard, Rügenwaldermünde und Stolpmünde 18,500,000 Thlr., 4) von Dittersbach über Neurode nach Glatz mit 8,050,000 Thlr., 5) von Cassel über Helsa nach Waldcappel zum Anschluß an die Bahn von Berlin nach Wetzlar mit 4,500,000 Thlr., 6) von Dortmund nach Oberhausen resp. Sterkrade nebst Zechenzweigbahnen mit 6,300,000 Thlr., im Ganzen 50,600,000 Thlr.*
Ohne erhebliche Debatte wurden die 88 2 — 4 angenommen: 8 8 2. Die Ausführung der Bahnen erfolgt durch den Minister für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten.
3. 3. Der erforderliche Geldbetrag von 50,600,000 Thlr. ist durch Veräußerung eines entsprechenden Betrages von Schuldverschrei⸗ bungen aufzubringen. Der hiervon jährlich flüssig zu machende Be⸗ trag ist im Staatshaushalts⸗Etat vorzusehen. Im Jahre 1874 sind nicht mehr als 5,000,000 Thlr. zu verwenden.
Wann, durch welche Stelle, und in welchen Beträgen bis zur Erfüllung der nach den vorstehenden Bestimmungen zulässigen Sum⸗ men, zu welchem Zinsfuß, zu welchen Bedingungen der Kündigung und zu welchen Coursen die Schuldverschreibungen verausgabt werden sollen, bestimmt der Finanz⸗Minister.
Im Uebrigen kommen wegen Verwaltung und Tilgung der An⸗ leihe, wegen Annahme derselben als pupillen⸗ und depositalmäßige Sicherheit und wegen Verjährung der Zinsen die Vorschriften des Ge⸗ 82 vom 19. Dezember 1869 (Gesetzsammlung Seite 1197) zur An⸗ wendung.
§. 4. Jede Verfügung über die im §. 1 bezeichneten Eisenbah⸗ nen durch Veräußerung bedarf zu ihrer Rechtsgültigkeit der zeben.
mung beider Fe des Landtags. Schluß 3 ½ uUhr. 1n. — In der heutigen (68.) Sitzung des Abgeordneten⸗ ,——2 welcher am Ministertische die Staats⸗Minister Camp⸗ ausen, Graf zu Eulenburg und Dr. Achenbach mit zahlreichen Kommissarien beiwohnten, ergriff zunächst der Abg. Dr. Lasker vor dem Eintritt in die Tagesordnung das Wort, um auf die gestrige Erklärung des Fürsten Putbus im Herrenhause zu ant⸗ worten. Dann wurden ohne erhebliche Debatte erledigt die dritte Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Erweiterung der Zinsgarantie des Staates für das Anlagekapital
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einer Eisenbahn von Halle über Nordhausen nach Heiligenstadt
und von da nach Cassel und die dritte Berathung des Entwurfs
eines Gesetzes, betreffend die Vollendung der Bahnen von Hanau
dac Offenbach, von Tilsit nach Memel und von Arnsdorf nach assen.
In der Generaldebatte der dritten Berathung des Entwurfs eines Gesetzes, betreffend die Aufnahme einer Anleihe von 50,600,000 Thlrn. zur Erweiterung des Staats⸗Eisenbahnnetzes sprachen die Abgg. Hundt von Hafften, Graf v. Königsdorff, v. Mallinckrodt und Seelig; dann antwortete der Ministerial⸗ Direktor Weishaupt auf verschiedene Bemerkungen der Vorredner, worauf die Generaldebatte geschlossen wurde. In der Spezialdiskussion zu 8 sprach der Abg. Stengel und der Handels⸗Minister Dr. Achen⸗ bach. Darauf wurden die einzelnen Paragraphen und dem⸗ nächst der ganze Gesetzentwurf angenommen; ebenso in dritter Berathung der Gesetzentwurf, betreffend die außerordentliche Til⸗ gung von Staatsschulden. — Bei Schluß des Blattes erstattete der Abg. Dr. Virchow den mündlichen Bericht über die Ueber⸗ 9 von den Staatseinnahmen und Ausgaben des Jahres
— Der General⸗Major und Commandeur der 43. Infan⸗ terie⸗Brigade, von Roehl, ist mit Urlaub von Cassel hier ein⸗ getroffen.
— Der General⸗Major à la suite der Armee und Ober⸗ Landstallmeister Lüderitz hat sich zum Hengste⸗Ankauf für Landgestüte und zur Besichtigung der Haupt⸗Landgestüte auf Dienstreisen begeben.
— Der Kaiserlich russische General⸗Adjutant und Polizei⸗ meister von St. Petersburg, General von Trepoff, ist gestern Abend von dort hier angekommen und im Hotel Royal ab⸗
gestiegen.
— Der Thierarzt erster Klasse Friedrich Sauberg zu Dengasgs ist zum Kreis⸗Thierarzt des Kreises Iserlohn ernannt worden.
Sachsen. Dresden, 15. Mai. (Dr. J.) Die Erste Kammer beendigte heute zunächst die Berathung des Etats des Ministeriums des Innern und schloß sich dabei überall den von der Zweiten Kammer beschlossenen Bewilligungen an. Hierauf wurde die nochmalige Abstimmung über die von der jenseitigen Kammer beschlossene Erhöhung des Dispositionsfonds für Unter⸗ stützung der Industrie, von 16,000 auf 26,000 Thlr., bei wel⸗ cher in der vorigen 8. die Stimmen standen, vorgenommen. Die Erhöhung wurde heute einstimmig beschlossen, nachdem Se. Königliche Hoheit Prinz Georg Namens der Deputations⸗Ma⸗ jorität erklärt hatte, daß dieselbe, nachdem die Erhöhung des Disposi⸗ tionsfonds für Unterstützung der Landwirthschaft um 10,000 Thlr. die Billigung der Kammer erfahren habe, ihren Widerspruch gegen die Erhöhung des Dispositionsfonds für die Industrie aufgebe. Den zweiten Bericht über den Bauetat erstattete Se. Königliche Hoheit Prinz Georg. Die Petitionen um Erbauung und Uebernahme von Chausseen wurden nach der konstanten Praxis der Kammer, entgegen den Beschlüssen der Zweiten Kammer, unterschiedslos der Staatsregierung zur Erwägung überwiesen, bezüglich des Baues der Elbbrücke bei Schandau den Beschlüssen der Zweiten Kammer beigetreien.
Die Zweite Kammer setzte die Berathung des Einkom⸗ mensteuergesetzentwurfs fort. Zunächst entstand, nachdem §. 14, Unterscheidung der Haupkqgaalen des Einkommens, angenommen worden war, eine lange Debatte über die §§. 15—18, welche die Grundsätze für die Berechnung des Einkommens aus jenen verschiedenen Quellen festsetzen. Es handelte sich dabei haupt⸗ sächlich um das von der Majorität der Deputation in §. 18 aufgestellte Prinzip, daß beim Handels⸗ und Gewerbe⸗ betriebe der Reingewinn nach den Grundsätzen zu berechnen ist, wie solche für die Inventur und Bilanz durch das Handels⸗ Heseganch vorgeschrieben sind und sonst dem Gebrauch eines ordentlichen Kaufmanns entsprechen, ein Prinzip, das vom Abg. Günther lebhaft bekämpft, von den Abgg. Schnoor, Walter, Jordan, dem Finanz⸗Minister und dem Referenten Dr. Gensel vertheidigt und schließlich von der Kammer sanktionirt wurde, welche diese Paragraphen durchweg nach den Vorschlägen der Deputationsmajorität annahm. Der zweite, in §§. 22 — 31 von den Einschätzungskommissionen handelnde Abschnitt des Gesetzent⸗ wurfs — die §§. 19, 20, 21 desselben kommen nach den Vorschlägen der Deputation in Wegfall — wurden in rascher Folge nach den Vorschlägen der Deputation und, was §. 31 anlangt, der Majo⸗ rität derselben angenommen; letzterer gewährt in der beschlosse⸗ nen Fassung den nicht in Feseeerseeh wohnenden Mitgliedern der Einschätzungskommissionen für alle Sitzungstage Tagegelder, den im Distrikt wohnhaften nur vom vierten Sitzungs⸗ tage ab. Der dritte Abschnitt, welcher in §§. 32 — 40 von der Vorbereitung der Einschätzung handelt, wurde nicht zu Ende be⸗ rathen, vielmehr wurde nach Annahme der 32 — 36 die Berathung bei den von der Deklaration handeln⸗ den . 37 folg. auf die morgende Sitzung vertagt. §. 34 verpflichtet die Gewerbetreibenden ꝛc. zur Nach⸗ weisung des von ihnen herrührenden Einkommens ihrer Gewerbsgehülfen. Die Bestimmung, daß sie für die Steuer⸗ beträge haften, welche infolge von ihnen verschuldeter unrichtiger oder unvollständiger Angaben dem Staate entgehen, rief eine lebhafte Diskussion hervor, indem die Abgg. Walter, Jordan, Penzig diese Bestimmung als übertriebene Härte bekämpften; sie wurde denn auch schließlich in einer von der Minorität der De⸗ putation vorgeschlagenen mildern Fassung angenommen, wonach der Prinzipal nur für wissentlich unrichtig oder unvollständig er⸗ stattete Angaben haftet.
Baden. Karlsruhe, 14. Mai. Die Karlsruher Zei⸗ tung“ veröffentlicht den Wortlaut des Eides, den der Erz⸗ bischof Hermann von Vicari am 26. März 1843 bei seiner Präconisation vor dem Präsidenten des Ministeriums des Innern, Freiherrn v. Rüdt, abgelegt hat. Derselbe lautet:
„Ich schwöre und verspreche bei den heiligen Evangelien Gottes, Sr. Königlichen Hoheit dem Großherzog Leopold von Baden und erhee eche Nachfolgern in der Regierung, sowie den Seee des Staates Gehorsam und Treue. Ferner verspreche ich kein Einver⸗ ständniß zu unterhalten, an keiner Berathschlagung Theil zu nehmen, und weder im In⸗ noch im Auslande Verbindungen einzugehen, welche die öffentliche Ruhe gefährden, vielmehr, wenn ich von irgend einem Anschlag zum Nachtheil des Staates, seie es in meiner Diözese oder anderswo, Kunde erhalten sollte, solche Sr. Königlichen Hoheit zu eröffnen, so wahr mir Gott helfe und sein heiliges Evangelium!“
An demselben Tage legte der Erzbischof vor dem Bischof von Rottenburg, Johann Baptist von Keller, den Eid des Ge⸗ horsams gegen den Papst mit folgendem Zusatze ab:
„Dieses Alles und das Einzelne werde ich um so unverbrüchlicher befolgen, je sicherer ich bin, daß darin Nichts enthalten ist, was mit meinem, dem Durchlauchtigsten Großherzog Leopold von Baden und seinen Regierungsnachfolgern gele steten Eide schuldiger Treue in Widerspruch stehen könnte.“
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Wohlhabenheit und Blüthe, als der,
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ierzu bemerkt die „Karlsruher Zeitung“: „Zwischen dem 26. März 1843 und dem Ausbruch des kirchlichen Konflikts hat sich an der badischen Gesetzgebung über das Verhältniß des Staats zur katholischen Kirche nichts geändert. — Nicht die badische Gesetzgebung war der Grund, aus welchem der kirchliche Konflikt gerade und zunächst im Großherzogthum Baden begonnen wurde. Denn wäre die badische Gesetzgebung in der That so kirchen⸗ feindlich gewesen, als später vom Beginne des Konflikts an vor⸗ gegeben wurde, so würde der Erzbischof derselben nicht so rück⸗ haltslos Treue und Gehorsam geschworen haben.“ Mannheim, 11. Mai. Die Feier der Enthüllung des Kriegerdenkmals gestaltete sich heute zu einem groß⸗ artigen patriotischen Feste. Am Festzuge nach dem Friedhofe be⸗ theiligten sich 4 —5000 Personen, die Schulen und Vereine mit ihren Fahnen. Unter den 158 hier bestatteten Offizieren und Soldaten befinden sich 108 Preußen, 21 Bayern, 18 Badenser, 7 Sachsen, 4 Hessen, 1 Württemberger.
Mecklenburg. Schwerin, 15. Mai. Zur Feier des gestrigen Geburtstages der Herzogin Marie schmückten zahlreiche Fahnen und Wimpel in den mecklenburgischen und russischen Farben die Häuser der Stadt. Um acht Uhr brachte die Liedertafel Ihrer Hoheit ein Ständchen. Dann wurden vom Hautboisten⸗Corps des Grenadier⸗Regiments Nr. 89 dem Groß⸗ fürsten und der Herzogin Marie Morgenmusiken gebracht. Später wohnten die Großherzogliche Familie und die Hochfürst⸗
lichen Verlobten dem Gottesdienst im Dome bei. Um 12 Uhr
war Cour bei der Herzogin Marie, am Nachmittage Familien⸗ und Marschalltafel bei der Großherzogin Mutter. In Veran⸗ lassung des Geburtstages waren zahlreiche Fremde hier einge⸗ troffen, darunter von der Kaiserlich russischen Gesandtschaft in Berlin der Kaiserlich russische Botschafter Baron v. Oubril und der Baron von Benckendorff, der Kaiserlich russische Konsul in Rostock Staatsrath Graf Radetzky⸗Mikulitsch, der Großherzoglich mecklenburgische Geschäftsträger Ministerial⸗Rath v. Bülow und viele Andere. Abends war Gala⸗Ball im goldenen Saale des Großherzoglichen Schlosses, welcher der Großherzog, die Groß⸗ herzogin Mutter, ferner die Prinzen von Reuß, Heinrich XVIII. und XIX., der Erbgroßherzog Friedrich Franz, die Herzöge Wil⸗ helm, Paul Friedrich, Johann Albrecht, welche am 13. und 14. hier eingetroffen sind, und die Prinzessinnen Alexandrine, Olga und Marie Windischgrätz beiwohnten.
— Der Herzog Georg ist heute Morgen wieder abgeceisst. e Der Groß⸗
Oldenburg. Birkenfeld, 15. Mai. herzog hat heute früh nach achttägigem Aufenthalt Birkenfeld verlassen und sich über Bingen nach Schloß Schaumburg a./L. begeben, woselbst die Ankunft Morgen Abend erfolgen wird. Die Großherzogin wird die Kur in Wiesbaden in den nächsten Tagen beendet haben und am 18. auf Schloß Schaumburg ein⸗ treffen. Am 20. wird dort der Besuch der Königin⸗Wittwe von Griechenland erwartet. Nach den bisherigen Disposi⸗ tionen werden die Höchsten Herrschaften in den ersten Tagen des Juni nach Oldenburg zurückkehren. Während der hiesigen An⸗ wesenheit Sr. Königlichen Hoheit des Großherzogs hat in dessen Gegenwart und unter lebhafter Theilnahme der Bevölkerung die feierliche Einweihung der in Birkenfeld und Oberstein den Opfern des letzten Krieges errichtete Denkmal stattgefunden.
Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Gotha, 12. Mai. Heute hat der Spezial⸗Landtag seine Einwilligung dazu ausge⸗ sprochen, daß den Dispositionären und Pensionären vorläufig für die laufende Finanzperiode eine Zulage zu Theil werde. Die⸗ selbe soll bis zu 20 Proz. der Pension oder des Dispositions⸗ gehalts ansteigen und bei einer Pension oder einem Dispositions⸗ gehalte über 600 Thlr. nicht eintreten; ebenso soll eine solche Aufbesserung bei Dispositionären wegfällig werden, die im Inter⸗ esse des Dienstes zur Disposition gestellt worden sind. Außerdem aber hat der Landtag den Beschluß gefaßt, daß zur Erhöhung der Wittwengehalte 500 Thlr. der Staatsregierung zur Ver⸗
fügung gestellt werden. 8 Rudolstadt, 12. Mai.
Schwarzburg⸗Rudolstadt. Nach einer dem Landtage übergebenen Uebersicht über die Vermögenslage des Fürstenthums beträgt die durch Kündigung und Konvertirung 1873 fixirte Staatsschuld 1,574,220 Thlr. exkl. das im Umlaufe befindliche Staatspapiergeld im Werthe von 200,000 Thlrn., von welchen Kassenscheinen aber ein großer Theil sich schon im Tresor befindet; diesen Passivis steht ein Aktivbestand von 1,083,400 Thlrn. gegenüber, in welche Summe noch 120,000 Thlr. Saalbahn⸗Aktien und 70,000 Thlr. Einzahlungen für die Erfurt⸗Hofer Eisenbahn einzurechnen sind. Der Antheil an der französischen Kriegskostenentschädigung mit 299,216 Thlrn. ist bei diesen Aktiven in Anschlag gebracht.
Reußs j. L. Gera, 15. Mai. Der Landtag hielt gestern seine letzte Sitzung und faßte in derselben noch fol⸗ gende Beschlüsse: Als Nachtrag zur Gemeindeordnung soll die Befragung der ganzen Gemeinde bei neuen, die Finanzen be⸗ lastenden Unternehmungen nur dann erfolgen, wenn der vierte Theil der Beitragspflichtigen darauf anträgt. — Die Beweis⸗ kraft von Schuldscheinen und Quittungen soll an den Ablauf einer Zeitfrist nicht gebunden sein. — Die Diäten der bei Ge⸗ schwornengerichten fungirenden Beamten sollen in der den Zeit⸗ anforderungen entsprechenden Weise erhöht werden. — Betreffs des Landtagswahlgesetzes vom 17. Januar 1871 wurden die Wahl⸗
andlungen betreffende und die Zuverlässigkeit derselben sichernde bänderungen beschlossen. — Den Aerzten in den kleineren Städten des Oberlandes, die namentlich eine mit vielen Be⸗ schwerden verbundene Praxis haben, wurde eine Remuneration von je 150 Thlrn. pro Jahr aus der Staatskasse bewilligt. — Nach Vortrag des Berichts der für die Domanialfrage nieder⸗ gesetzten Kommission wurde auf Antrag des Ministeriums, wel⸗ ches noch nicht in der Lage war, Vortrag in der Sache an den Fürsten zu erstatten, die Berathung bis auf Weiteres ausgesetzt.
Niederlande. Amsterdam, 12. Mai. hat folgende Proklamation erlassen: „Geliebte Landsleute und Unterthanen im Niederland und den über⸗ seeischen Ländern! Ein herzliches Wort an Euch an diesem freudigen Tage! Vor 25 Jahren habe ich die Rezierung über das niederlän⸗ dische Volk angetreten. Ich gelobte, die Freiheiten und Rechte aller meiner Unterthanen zu beschirmen und ihre Wohlfahrt zu befördern mit allen Mitteln, welche mir die Gesetze zur Verfügung stellen. Mein ernstliches Bestreben war, an diesem Königlichen Worte, so viel es in meiner Macht lag, festzuhaltln. Die Landesvertretung hat mich da⸗ bei unterstützt, Ihr, geliebte Mitbürger, habt meine Sorgen durch Eure Liebe zur Ordnung, Euren Gehorsam g gen die Gesetze, Euren emsigen Feiß, zumal aber durch Eure unauslöschliche Liebe zu mei⸗ nem Königlichen Hause belohnt. Gott hat unsere gemeinschaftliche Arbeit mit reichem Segen gekrönt. Giebt es einen Abschnitt in der Geschichte unseres Vaterlandes, der stolz kann sein auf mehr Entwick⸗ lung, mehr Fortschritt, größere Freiheit in jeder Beziehung, größere auf den wir heute zurückblicken?
Der König
Lieutenant Sir
An einem 25jährigen Feste sehe ich mich an der Spitze eines treuen und glücklichen Volkes, und das starke Band, durch die Geschichte ge⸗ woben, das heute so innig wie je zuvor mein Haus mit meinem Volke verbindet, flößt überal Ehrfurcht ein. Das erfüllt mein Herz mit tiefgefühlter Dankbarkeit. Die fröhlichen Klänge, die üb⸗rall im Lande jubelnd erschallen, zeugen von einem und demselben Gefühl, das Alle beseelt. Auch aus unserer einstimmigen Freude spricht laut die Eintracht, die unsere Kraft ist. Laßt uns so, eng vereint, dem bisher betretenen Wege folgen! Laßt uns, Jeder in seinem Kreise, unsere Kräfte aufbieten, um das Wohl des Vaterlandes, das uns theuer ist, zu befördern, um ihm die Stelle, die es in der Reihe der gesitteten Vöälker bekleidet, ehrenvoll zu erhalten.
Großbritannien und Irlanb. Londen, 13. Mai. Auf Windsor fand gestern unter dem Vorsitz der Königin ein geheimes Conseil statt. 8
— Die „Times“ ist zu der Mittheilung ermächtigt, daß das Befinden der verwittweten Herzogin von Cam⸗ bridge fortfährt sich zu bessern, und daß die Herzogin beab⸗ sichtige, in Kurzem Strelitz zu verlassen, um nach England zurückzukehren. .
— Die Königin hat ihren Kammerherrn, Viscount Tor⸗ rington, sowie ihre Adjutanten, General⸗Lieutenant Sir Francis Seymour, und Lord Charles Fitzroy zu Be⸗ gleitern des Kaisers von Rußland während seines Aufenthalts in England ernannt. .
— Der Herzog von Nemours und Graf d'Eu find nach Paris zurückgekehrt. 2
— Sir George Campbell, der frühere Gouverneur von Bengalen, kam am Montag von Calcutta in England an und hatte gestern eine Unterredung mit dem Marquis von Salis⸗ bury im indischen Amt. 8
— Unter dem Vorsitz des Fürsten Teck fand gestern in Stafford⸗House, der Stadtresidenz des Herzogs von Sutherland, ein von sehr einflußreichen Persönlichkeiten besuchtes Meeting für Abschaffung des Sklavenhandels in Ostafrika statt
— Nach kurzem Krankenlager ist am 9. d. M. General⸗ Archdale Wilson von Delhi, bekannt aus Sepoy⸗Kriege, gestorben. 1“
die Bürgerschaft von Portsmouth gab gestern den aus den Aschanti⸗Feldzuge heimgekehrten Truppen ein Ban⸗ kett, bei welchem Sir Garnet Wolseley und ca. 100 Offiziere aller Waffengattungen, die an der Aschanti⸗Expedition Theil genommen, zugegen waren.
— 15. Mai. Der Kaiser von Rußland und der Großfürst Alexis besuchten gestern, vom Herzog von Edin⸗ burgh geleitet, die Prinz Albert⸗ und St. Georgs⸗Kapellen in Windsor, und nahmen darauf in Begleitung der Königin die Königlichen Meiereien in Augenschein. Nachmittags besich⸗ tigte der Kaiser, begleitet von der Königin und den Mitgliedern der Königlichen Familie, die Virginia Waters. Abends fand in Windsor Castle ein Galabanket statt, zu dem 140 Einladungen ergangen waren.
Heute Vormittag 11 ¼ Uhr verließ Kaiser Alexander vom Großfürsten Alexis, dem Herzog und der Herzogin von Edin⸗ burgh und dem Prinzen und der Prinzessin von Wales begleitet, Schloß Windsor und traf gegen 11 ¾ Uhr in London ein. In Windfor wie in London hatten sich große Volksmassen ange⸗ sammelt, die den hohen Gast mit sympathischen Zurufen be⸗ grüßten. Um 1 Uhr wurden vom Kaiser im Buckingham⸗Palaste die Mitglieder des diplomatischen Corps, sodann auch sämmtliche Mitglieder des Kabinets in Audienz empfangen. Darauf stattete Se. Majestät dem Herzog von Cambridge, dem Marquis of Lorne, dem Fürsten von Teck und dem Prinzen von Wales Be⸗ suche ab. Später empfing der Kaiser den seit einigen Tagen in London sich aufhaltenden Grafen von Paris. Der Graf von Paris machte später dem Prinzen von Wales seinen Besuch, welchen derselbe sofort erwiderte. — Die Rückreise des Kaisers nach dem Kontinent ist auf Donnerstag früh von Gravesend aus festgesetzt. 2
— Im Unterhause erklärte heute der Unterstaatssekretär des Innern, Bourke, auf eine Interpellation von Muntz, der englische Minister⸗Resident in Chili habe die sofortige Frei⸗ lasfung des gefangen gesetzten Kapitän Hyde verlangt. Auf die Interpellation von Lowther antwortete er, daß die Regierung von Guatemala sich bereit erklärt habe, dem amerikanischen Vice⸗ konsul in St. José de Guatemala jede nur mögliche Genug⸗ vhübnes und Schadloshaltung für die erlittene Unbill zu ge⸗ währen.
— 16. Mai. (W. T. B.) Der Kaiser von Rußland wohnte gestern dem Balle bei der Herzogin von Sutherland bei. Der Kaiser hat den Prinzessinnen Christian, Louise und Beatrix den Katharinenorden verliehen.
Frankreich. Paris, 15. Mai. (W. T. B.) Der „Moniteur“ meldet, es seien Verhandlungen zur Wiederauf⸗ nahme der diplomatischen Beziehungen mit Mexiko
eingeleitet, dieselben ständen auf dem Punkte, zum definitiven
Abschluß zu gelangen. Qutrey sei bestimmt, als französischer Geschäftsträger nach Mexiko zu gehen.
Versailles, 15. Mai. (W. T. B.) In der Sitzung der Nationalversammlung wurde heute vom Herzog von Broglie der Gesetzentwurf, betreffend die Errichtung einer ersten Kammer, eingebracht. Der Inhalt der Vorlage stimmt mit den durch die Journale darüber bereits bekannt gewordenen Angaben überein. Der Herzog motivirte den Gesetzentwurf in längerer Ausführung, wobei er besonders hervorhob, daß durch die Verlängerung der Amtsgewalt des Marschalls Mac Mahon ein gemeinschaftliches Arbeitsfeld für alle Parteien der National⸗ versammlung gewonnen sei, um sich während eines siebenjährigen Zeitraumes ungestörter Ruhe mit der Wiederherstellung des Lan⸗ des zu beschäftigen. Der Minister richtete außerdem die Auffor⸗ derung an die Versammlung, davon abzusehen, die Art der Regierungsform zu definiren und einen Waffenstillstand unter den Parteien zu schließen, um die gegenwärtige Regierung zu organi⸗ siren und sie mit Einrichtungen zu umgeben, durch welche der Umfang ihrer Befugnisse festgestellt und ihr selbst somit ein neuer Halt gegeben werde. Der Herzog von Broglie erklärte ferner, daß er die Versammlung für verpflichtet erachte, ein Gesetz, das aus ihrem Schooße hervorgegangen sei, auch zur Ausführung zu bringen, und sprach schließlich die Hoffnung aus, daß diejenigen Deputirten, welche anfänglich die Verlängerung der Präsident⸗ schaft des Marschalls Mac Mahon bekämpft hätten, dieselbe nach⸗ her in loyaler Weise acceptiren würden. Der Gesetzentwurf wurde darauf an die konstitutionelle Kommission überwiesen. — Die Vorlage wurde von der Rechten und dem rechten Centrum mit Beifall, von der Linken und von der äußersten Rechten mit Kälte aufgenommen.
Spanien. Madrid, 15. Mai. (W. T. B.) Die „Gaceta“ veröffentlicht ein Manifest der Regierung an die Nation, in welchem dieselbe ihr Bedauern ausspricht, daß
sie noch nicht in der Lage sei, Maßnahmen zur Einberufung
einer nationalen Vertretung treffen zu können. Die Regierung
ralen Parteien und werde, falls sie angegriffen werden sollte, von allen ihr zu Gebote stehenden Mitteln Gebrauch machen, um die öffentliche Ordnung sicher zu stellen. Ihre Hauptaufgabe werde sein, den Bürgerkrieg zu beendigen und Maß⸗ regeln zu treffen, wodurch die Wiederkehr der karlisti⸗ schen Bewegung verhindert und so der Friede im Lande und in den Kolonien gesichert werde. Was die Finanzen des Staates angehe, werde die Regierung prüfen, in welcher Lage sich der Staatsschatz besinde, und von solchen Maßregeln abstehen, welche zwar den augenblicklichen dringenden Bedürf⸗ nissen abhelfen könnten, aber den Ruin für die Zukunft voraus⸗
Bestrebungen darin sinden, wenn es ihnen gelänge, die Dauer
† der gegenwärtigen interimistischen Regierungsgewalt abzukürzen
und erwarteten mit Ungeduld den Augenblick, wo das Land, nach Wiederherstellung der moralischen und materiellen Ordnung, in freier Abstimmung seinen Willen kundgeben könne. — Die „Gaceta“ publizirt ferner die Ernennung des Generals Concha zum Ober⸗Kommandanten der Nordarmee.
— Die föderalistische Partei wird das von ihr ange⸗ kündigte Manifest dem Vernehmen nach nicht erlassen.
— (W. T. B.) Die Journale der Opposition äußern sich auf das Heftigste gegen das neu ernannte Ministerium. In den großen Städten des Landes berrscht große Unzufrieden⸗ heit. — Dem Vernehmen nach sollen für Wien, Lissabon und Berlin Vertreter der Regierung ernannt sein.
— Der General Elio hat, wie aus dem carlistischen Hauptquartier nach Bayonne gemeldet wird, sein Kom⸗ mando aus Rucksicht auf seinen Gesundheitszustand niedergelegt und ist Dorregaray an seiner Stelle zum Ober⸗Kommandanten der gesammten carlistischen Streitmacht ernannt worden. Bilbao, 15. Mai. (W. T. B.) Nach hier eigetroffenen Nachrichten setzt der General Concha seinen Vormarsch fort, um die Defileen zwischen Biscaya und dem Thale von Amezqueta zu besetzen. Viele Einwohner verlassen die Stadt. — Don Carlos ist mit dem Gros seiner Armee in Zornosa.
Italien. Rom, 8. Mai. (It. N.) In der gestrigen Sitzung der Deputirtenkammer fragte der Abgeordnete Cavallotti den Minister des Innern, warum er dem Mailänder Klerus erlaube, zu Ehren des h. Ambrosius, dessen Körper man letzthin aufgefunden haben will, öffentliche Prozessionen zu ver⸗ anstalten, da es doch hinlänglich bekannt sei, daß diese keinen anderen Zweck hätten, als feindselige Demonstrationen gegen die Einrichtungen des Landes zu machen, woraus dann leicht Ruhe⸗ störungen hervorgehen könnten. Wenn andere Parteien öffentliche Kundgebungen veranstalten wollten, werde es ihnen stets verboten. Es sei daher gegen die Principien der Gerechtigkeit und Gleich⸗ heit, dem Einen zu erlauben, was dem Andern verboten werde. Der Minister antwortete, die Regierung könne nicht wissen, ob der Mailänder Klerus bei der Prozession zu Ehren des h. Am⸗ brosius Nebenzwecke verfolge oder nicht; sie habe aber alle Ursache, anzunehmen, daß die Mailänder Bevölkerung die Prozession zu begehen wünscht, und sie habe geglaubt, diesem billigen Verlangen nicht entgegentreten zu dürfen, zumal sie sich stark genug fühlt, etwa beabsichtigte Ruhestörungen niederzuhalten. — Die Kammer verhandelte darauf den Gesetzentwurf über die Besteuerung der Bierbrauerei und Branntweinbrennerei und nahm ihn nach kurzer Debatte so an, wie er aus der Kommissionsberathung hervor⸗ gegangen war. Der Abgeordnete Merizzi hatte behauptet, 5 die Handelsverträge mit den fremden Mächten und namentli der mit Oesterreich die Landesindustrie nicht aufkommen lasse, worauf Herr Minghetti 8 daß die fremden Handelskam⸗ mern das gerade Gegentheil behaupten; was aber den Handels⸗ vertrag mit Oesterreich⸗Ungarn betreffe, so sei auch er der Mei⸗ nung, daß er abgeändert werden müsse, wenn der dazu günstige Zeitpunkt käme. Die Kammer genehmigte darauf ohne Debatte den Gesetzentwurf über den sogenannten „statistischen“ Zoll auf die fremden Waaren, die in Italien eingeführt, und auf die ita⸗ lienischen Produkte, welche ins Ausland werden. Die⸗ ser Zoll beträgt 10 Centimen für jedes Colli Waaren, welche in Ballen, Kisten, Säcken, Körben und anderen Behältern oder für jedes Kilogramm Waaren, welche durcheinander gemengt versendet werden.
— Am 9. Vormittags trat die zur Prüfung und Bericht⸗ erstattung über die von dem Finanzminister Minghetti vorge⸗ schlagenen Finanzmaßregeln ernannte Kommission zusammen, um über die Einführung des Tabaksmonopols in Sicilien oder vielmehr über das von den sicilianischen Abgeordneten dagegen vorgeschlagene Projekt einer höheren Besteuerung der dortigen Tabakskultur und Industrie und seines Handels zu berathschlagen. Es wohnten der Kommissionssitzung auch die Abgeordneten Rudini und Paternostro bei.
— 11. Mai. Die Deputirtenkammer nahm vorgestern nach kurzer Berathung den Gesetzentwurf an, welcher gemahlene Cichorie oder jedes andere Präparat, welches wie Cichorie ver⸗ braucht werden kann, mit 30 Franken Steuer den Centner be⸗ legt, und zwar wird diese Steuer von Fabrikanten selbst erhoben. Im Auslande fabrizirte Cichorie und alle ihr ähnlichen Präparate bezahlen bei ihrer Einfuhr in Italien noch 10 Franken Steuer mehr. Die Kammer genehmigte hernach den die Aichung der Maße und Gewichte betreffenden Gesetzentwurf.
— Der König hat heute in Florenz die internatio⸗ nale Gartenbau⸗Ausstellung eröffnet.
— 16. Mai. (W. T. B.) Von der Deputirtenkam⸗ mer ist der erste Artikel des Gesetzentwurfs, betreffend die Einführung des Tabaksmonopols in Sicilien mit 163 gegen 126 Stimmen angenommen worden.
Schweden und Norwegen. Stockholm, 10. Mai⸗ Der Entwurf zu einer neuen Heerordnung, welcher von einer Königlichen Kommission unter Vorsitz des General⸗ Lieutenants Björstjerna ausgearbeitet worden ist, ist gedruckt und mit Genehmigung des Königs den Mitgliedern des Reichstages zugeschickt worden. Die Hauptzüge des Entwurfs find nach „Aftonbladet“ folgende:
Das Heer soll aus Linien⸗ und Landwehrtruppen aller Waffen⸗ arten bestehen und ungefähr 100,000 Mann betragen; dazu kemmt noch der Landsturm, welcher indeß nicht organisirt wird. ie Infan⸗
Linien⸗ und 2 Landwehrbataillonen bestehen, mit Ausnahme der vier nordländischen Regimenter, welche 1 ½ Linienbataillone und 2 Land⸗ wehrbataillone haben sollen, sowie auch des Götländischen Regiments, mit einem Linien⸗ und einem Landwehrbataillon. Also soll die In⸗ fanterie im Ganzen aus 49 Linien⸗ und 51 Landwehrbataillonen, eedes mit 900 Mann, Unteroffizieren und Mannschaft, bestehen. Die
avallerie soll aus 7 Regimentern mit 55 Eskadronen, à 125 Mann, im Ganzen aus 5550 Mann bestehen. Die Artillerie soll 6 Regi⸗ menter, aus 2 reitenden und 37 fahrenden Linien⸗Batterien, sowie 11
erklärt, sie rechne gegenwärtig auf die Unterstützung aller libe⸗
sehen ließen. Die Minister würden den besten Lohn für ihre
terie soll aus einem Garderegiment und 26 Regimentern mit je 2
Reservebatterien à 140 bis 175 Mann bestehend, umfassen, sowie 8.
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Compagnien Festungs⸗Artillerie à 300 Mann; die Ingenieurtruppen 2 Regimenter, jedes mit 4 Compagnien Ingenieurtruppen. Es sollen drei Bataillone Trains vorhanden sein. Die Wehrpflicht soll büe vom 20, bis zum 32. Jahre, so daß die 6 ersten Jahrgänge zur Linie, die 6 letzteren zur Landwehr gehören, Die Uebungszeit für die Kavallerie soll 17, für die Garde und Artillerie 12, für die Infan⸗ terie und die Trains 10 ½ Monate dauern; außerdem soll die 3. und 4. Jahresklasse der Linie in 30 Tagen und die beiden jüngsten Klassen der Landwehr in 10 Tagen jährlich zum Dienste einberufen werden. Außer den festangestellten Kommandirenden sollen wehrpflichtige Offi⸗ ziere, welche sich einem Abgangsexamen bei den Schulen unterworfen haben, zu Unteroffizieren befördert worden sind und ein vom Könige vorgesch⸗iebenes Offizierseramen durchgemacht haben, angestellt werden. Die Armee⸗Unkosten werden auf 28,150,000 Kronen, also etwas über 14 Millionen Rdl. geschätzt.
Gleichzeitig mit dem Vorschlage zur neuen Heerordnung wurden den Mitgliedern der beiden Kammern am Sonnabend gedruckte Exemplare eines Gutachtens über den Vorschlag zur Ordnung einer auf die allgemeine Wehrpflicht basirten See⸗ vertheidigung vorgelegt
Danach wird die sämmtliche seefahrende männliche Bevölkerung Schwedens, Maschinisten und Schiffshandwerker in 12 Jahren vom 21. Lebensalter an zum Kriegsdienst einberufes. Das Flotten⸗ personal soll aus 228 Offizieren, 270 Unteroffizieren und 2400 Matrosen, sowie 84 Tauchern, Trommelschlägern oder Horn⸗ bläsern bestehen. Bei eventueller Vermehrung des See⸗ kriegsmaterials bis zu dem vom betreffenden Comité in Vorschlag gebrachten Umfange soll die Anzahl des Ma⸗ rine⸗Militärpersonals folgende sein: 324 Offiziere, 371 Unter⸗ offiziere und ca. 3650 Matrosen. Dazu kommt noch ein aus 525 Mann bestehendes Werftkorps. Das fährliche Kontingent von Wehr⸗ pflichtigen ist zu 1500 Mann, aber in Kriegszeiten zu ca. 9000 Mann berechnet. Die Größe der Offiziersgagen steigt von 1200 bis 10,000 Kronen. Die sämmtlichen Ausgaben der Marine würden sich nach dem Comitévorschlage auf 7,360,000 Kronen belaufen. Da die Aus⸗ gaben für die Armee auf 28,750,000 Kronen veranschlagt sind, so würde das Gesammtvertheidigungswesen Schwedens, wenn die beiden
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Vorschläge angenommen werden, 36,110,000 Kronen jährlich kosten.
Christiania, 13. Mai. Bei der im Odelsthing statt⸗ gefundenen Verhandlung über den Königlichen Vorschlag, be⸗ treffend Veränderungen im Strafgesetz, hat die Frage wegen Abschaffung der Todesstrafe eine große Rolle gespielt, indem die Diskussion darüber bei Vornahme mehrerer Para⸗ graphen des Gesetzvorschlages erneuert wurde. Der Haupt⸗ vertheidiger der Todesstrafe war der Vorsitzende des Justizcomités Richter. Der Vorschlag wegen gänzlicher Abschaffung der Todes⸗ strafe wurde gegen 1 Stimme (Juel) verworfen, aber Sverdrup und 26 andere Mitglieder gaben die Erklärung zu Protokoll, daß sie nur denjenigen Bestimmungen im Gesetzvorschlage, in welchen die Todesstrafe als Alternative beibehalten war, gutheißen könnten, weil sie darin einen vorbereitenden Schritt zur Ab⸗ schaffung derselben betrachteten.
— Das Bank⸗Comité des Storthings hat in seinem am 20. v. M. eingegebenen Bericht in Uebereinstimmung mit dem Antrage einiger Assekuranzgesellschaften zur Annahme empfohlen, daß eine Zusatzbestimmung zum Münzgesetz erlassen würde, wonach Münzen von 1, 2 und 5 Oeren entspre⸗ chend 3⁄10, ½0 und 1 ½ Skilling, ausgeprägt würden. 2 Mitglie⸗ der des Comité's haben außerdem vorgeschlagen, daß diesen Münzen zu gleicher Zeit die Vezeichnung des Werthes in Skil⸗ lingen beigefügt würde.
Amerika. Washington, 14. Mai. (W. T. B.) Der Senat hat die Bill angenommen, durch welche die seither für Banken bestandenen Beschränkungen aufgehoben werden und durch die der Maximalbetrag der Greenbacknoten auf 382 Mil⸗ lionen festgesetzt wird. Nach den weiteren Bestimmungen dieser Bill müssen, sobald der Betrag der in Umlauf gesetzten Noten der Banken sich um je 1 Million erhöht, jederzeit für je 250,000 Dollars von den in Umlauf vefindlichen Greenbacknoten einge⸗ zogen werden. Ferner ist die allgemeine Amortisirung der Green⸗ backnoten gesetzlich ausgesprochen, und zwar sollen dieselben vom 1. August 1878 ab gegen 4 ½proz., innerhalb 10 Jahren einlös⸗ bare Staatsschuldscheine eingewechselt werden.
New⸗York, 15. Mai. (W. T. B.) Der Präsident Grant hat eine Proklamation erlassen, in welcher er den republikanischen Kandidaten Baxter als Gouverneur in Arkansas anerkennt und die Anhänger beider Kandidaten auffordert, die
Waffen niederzulegen. Der demokratische Kandidat Brooks soll trotzdem entschlossen sein, den Kampf weiter fortzuführen.
— Nachrichten aus Panama vom 16. April bestätigen, daß auf dem Festlande von Süd⸗Peru ausgedehnte Guanolager entdeckt worden sind.
Asien. Aus Japan wird gemeldet: In Jeddo herrscht Ruhe, aber die Ausländer sind gewarnt worden, auf ihrer Hut zu sein. Man spricht wieder von einer Expedition gegen Formosa. Die Rebellion soll gänzlich unterdrückt sein; der Zweck derselben war, wie man sagt, sich der Person des Mikados zu bemächtigen. Der Palast wurde folglich eine Zeitlang scharf bewacht. Der Mikado hat seine Zustimmung zu der Bildung eines Repräsentativ⸗ Parlaments ertheilt. Eine neue Religion soll der Liste der amtlich autorisirten hinzugefügt werden. Das Land westlich von Kioto wird für eine neue Eisenbahn vermessen. Enomotto hat sich als Gesandter nach St. Petersburg zur Schlichtung von Streitigkeiten bezüglich Saghalien begeben. 1
Unterm 11. April wird weiter gemeldet: Saigo, der Kommandant der nach Formosa bestimmten Flotte, segelte am 9. April von YPokohama ab. Etwa 1000 Mann Truppen nehmen an der Expedition Theil. Das Rendezvous der Flotte wird entweder Forchow oder Amoy sein. Die Regierung hat ein neues Departement gebildet, das sich besonders mit den Angelegenheiten Formosas beschäftigen soll.
— Aus Mandalay bringt die neueste indische Post die Nachricht, daß der König von Birmah im Begriff ist, eine Gesandtschaft an den Kaiser von Rußland und Schah von Persien zu entsenden.
Nr. 8 des Armee⸗Verordnungs⸗Blattes hat folgenden Inhalt: Gesetz, betreffend einige Abänderungen und Ergänzungen des Gesetzes vom 27. Juni 1871 über die Pensionirung und Versorgung der Militärpersonen ꝛc. vom 4. April 1874.
— Die Nr. 40 des „Amts Blatts der Deutschen Reichs⸗ Postverwaltung“ hat folgenden Inhalt: General⸗Verfügungen: vom 10. Mai 1874. Reduzirung der euf Postanweisungen nach Bel. gien, Italien und der Schweiz eingezahlten Beträge; vom 12. Mai 1874: Kontrollisten über ausgezahlte Postanweismngen. — Bescheidung: vom 3. Mai 1874. Unzulässigkeit der handschriftlichen Eintragung von Stimmungsberichten in Preiscourante und Handelscirkulare; vom 11. Mai 1874. Erhebung des Postzuschlags für unzureichend frankirte Sendungen.
— Ven den Entscheidungendes Bundesamtes für das Hei⸗
ma the. esen, beaxbeitet und herausgegeben von Wohlers, Geheimen Ober⸗Regierungs Rath und Mitglied des Bundesamtes für das Heimath⸗