1874 / 116 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 19 May 1874 18:00:01 GMT) scan diff

sechste Gegenstand der Tagesordnung betraf den mün

lichen Bericht der Kommission für Eisenbahn⸗Angelegenheiten über die Petitionen wegen Herstellung einer Stants⸗Eisenbahn von Mlawka über Neidenburg nach Biessellen und von dort in einer Gabelung weiter nach Kobbelbude (Königsberg) und nach Güldenboden (Elbing). Der Referent Herr v. Thaden beantragte Namens der Kommission: Das Herrenhaus wolle beschließen: in Gemäßheit seines Plenarbeschlusses vom 20. Fe⸗ bruar c. über einen analogen Petitionsantrag die vorangeführ⸗ ten Petitionen der Königlichen Staatsregierung zur Kenntniß⸗ ahme mitzutheilen. Das Haus trat diesem Antrage ohne Diskussion bei.

Schließlich wählte das Haus auf Antrag des Herrn Dr. Dernburg durch Akklamation die Herren Dr. Tellkampf, Dr. El⸗ wanger und von Rabe zu Mitgliedern der statistischen Central⸗ Kommission, worauf der Präsident um 1 ¾ Uhr die Sitzung schloß. Die nächste Sitzung findet morgen 12 Uhr statt. Auf

der Tagesordnung stehen Berichte der Matrikel⸗Kommission und

der Eisenbahn⸗Kommission und mehrere kleinere Gesetze.

Im ferneren Verlauf der gestrigen Sitzung erledigte das Haus der Abgeordneten den Gesetzentwurf, betreffend

nige Abänderungen der Vorschriften über die Besteuerung der Gewerbe der Bäcker, Fleischer, Brauer, der Agenten der Ver⸗ sicherungsgesellschaften, der Kleinhändler und des Gewerbe⸗ betriebes im Umherziehen, in zweiter Berathung. §. 1 wurde nach längerer Debatte in folgender Fassung angenommen:

4. 1. Die Veranlagung der Gewerbesteuer sür das Bäcker⸗ und FG. Heee erfolgt fortan nicht mehr nach den Vorschriften der

eilage B. zu dem Gesete wegen Entrichtung der Gewerbesteuer vom 30. Mai 1820, (Gesetzsammlung S. 147) unter D. und E., und im 8 17 des Gesetzes vom 19. Juli 1861, (Gesetzsammlung S. 697).

agegen sind die genannten Gewerbe mit der 1-.Svv. Litt. H. der Beilage B. zu dem Gesetze wegen Entrichtung der Ge⸗ werbesteuer vom 30. Mai 1820 zu veranlagen. Dagegen behält es bei der Vorschrift im §. 11 des vorgedachten Gesetzes sein Bewenden:

Bäcker und Fleischer, welche ihr Gewerbe auf Einrichtung fabrik⸗ mäßiger Betriebsanlagen oder durch Verbindung mit ausgedehnten Ein⸗ und Verkäufen von Getreide, Mehl oder Vieh, beziehungsweis von auf Vorrath, gearbeiteten Back⸗ resp. Fleischwaaren dergestalt er⸗ weitert haben, daß ihr Geschäftsumsatz dem mittleren Umfange der in demselben Gewerbesteuerbezirke in Littr. A. II. veranlagten Handel⸗ treibenden mindestens gleich zu achten ist, können aus der Liste der Steuerklasse H. ausgeschieden und, je nach dem Umfange ihres Ge⸗ Fekh in die Steuerpflichtigen der Klasse A. II. resp. A. I. eingereiht werden.

Die Bäcker und Fleischer hören auf, selbständige Steuergesell⸗ schaften zu bilden. Die entgegengesetzten Bestimmungen des §. 26 des Gesetzes vom 30. Mai 1820 fallen fort. Ferner werden die Vor⸗ schriften im §. 27 zu b. dieses Gesetzes und unter 10 und 11 der Beilage B. desselben aufgehoben.

Die §§. 2, 4—7 wurden ohne Aenderungen nach den Vorschlägen der Kommission angenommen, H§. 3 gestrichen.

Die zweite Berathung des Gesetzentwurfes, betreffend den standesherrlichen Rechtszustand des Herzogs von Arenberg wegen des Herzogthums Arenberg⸗Meppen, kam nicht über den §. 1

inaus, der angenommen wurde, nachdem der Abg. Dr. Windt⸗ orst gegen, der Abg. Bening und der Regierungs⸗Kommissar Landrath von Brauchitsch für denselben gesprochen hatten. Schluß 3 ¼ Uhr. n

In der heutigen (70.) Sitzung des Abgeordneten⸗ auses, welcher am Ministertische die Staats⸗Minister Dr. Leon⸗ hardt und Dr. Falk mit zahlreichen Kommissarien beiwohnten, wurde zunächst die Interpellation des Abg. Dr. Respondek:

„Die Probstei Parchanie im Großherzogthum Posen, erzbischöf⸗ 1 lichen Patronats, ist nebst ihrem Vermögen und ihren Gebäuden nach sdem vor eem erfolgten Tode des bisherigen Pfründeninhabers vom Königlichen Landrath resp. Distriktskommissarius eigenmächtig in Besitz genommen.“ ¹ 8 . 8n dem Kultus⸗Minister diese Maßregel bekannt, und wie denkt er gegen diesen offenen Eingriff in die bestehenden Rechte Remedur zu verschaffen? 8 S. von dem Interpellanten begründet und dem Staats⸗Minister Dr. Falk beantwortet. In der darauf folgenden Besprechung der Interpellation sprach der Abg. Dr. Windthorst (Meppen), und wurde darauf die Diskussion geschlossen.

Es folgte die Verlesung der Interpellation des Abg. von Mallinckrodt:

„In der Pfarrei Niederberg im rechtsrheinischen Theile des Kreises Coblenz findet herkömmlich eine doppelte Buchung der kirch⸗ lichen Akte statt, indem dieselben einerseits in die „deutschen Standes⸗ Hece. und andererseits in die „lateinischen Kirchenbücher“ eingetragen werden.

Der derzeitige Pfarrer Friedrich Wehn ist, „gesperrt“ und hat auf Erfordern und im Einverständnisse mit dem General⸗Vikariate zu Trier die deutschen Bücher der Staatsbehörde ausgeliefert, dähingegen ehhe der lateinischen Bücher und des Kirchensiegels ver⸗ weigert.

Der Königliche Landrath Freiherr v. Frentz hat darauf, um die Herausgabe auch dieser Gegenstände zu erzwingen, zunächst Geldbußen Cd lohßen Exekutivhaft angedroht und verfügt. Es sind vollstreckt worden:

a. 14 tägige Haft vom 9.—23. Februar d. J., b. 14 tägige Haft vom 26. Februar bis 12. März d. J., c. 4wöchentliche Haft vom 16. März bis 13. April, 9 Uhr Morgens, d. 4 wöchentliche Haft vom 13. April, 9 Uhr Morgens bis 11. Mai d. J. Summa 3 Monate.

Dieses Verfahren des Königlichen Landraths, gegen welches der Betroffene ohne Erfolg Beschwerde geführt hat, ü” nach Ueberzeu⸗ gung des Unterzeichneten ungesetzlich, denn erstens entbehrt die For⸗ derung der Polizeibehörde der gesetzlichen Begründung und zweisens überschreitet die Dauer der verfügten Exekutivhaft das gesetzliche Mas umn von 4 Wochen um das Dreifache.

Der Unterzeichnete beehrt sich, an die Königliche Staatsregierung, Föhrese Kenniniß der Vorgang bereits gelangt ist, die Frage zu richten,

ob dieselbe gesonnen ist, den Herrn Wehn gegen fernere Beeinträch⸗

tigung der bürgerlichen Freiheit zu schützen?“

Der Interpellant begründete die Interpellation in einer län⸗

geren Ausführung, die bei Schluß des Blattes noch fortdauerte.

Das 2. Bataillon des 4. Westfälischen Infanterie⸗ Regiments Nr. 17 wird bis zur desinitiven Garnisonirung in Mülhausen statt in Thann in Neu⸗Breisach untergebracht werden.

Der Oberst und Chef der technischen Abtheilung für Ar⸗ tillerie⸗Angelegenheiten im Kriegs⸗Ministerium, Ribbentrop, welcher sich vor einiger Zeit auf Inspieirungsreisen nach Essen, und Straßburg begeben hatte, ist von dort hierher zurück⸗ gekehrt.

Der Hauptmann im Königlich griechischeng Generalstabe Kokide ist hier eingetroffen.

S. M. S. „Axminius“ ist am 16. d. Mts. in Kiel, S. M. Knb. „Basilisk’ in Wilhelmshaven qußer Dienst gestellt.

Der Thierarzt erster Klasse Carl Eduard Hugo Frauenholz zu Münsterberg ist zum Kreisthierarzt des Kreises Münsterberg ernannt worden 57— nsrsarchamch:

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Breslau, 18. Mai. Se. Hoheit der Herzog von Braunschweig traf heute früh, von Schloß Sibyllenort kom⸗ mend, hier ein und suhr mit dem nellzuge nach Wien

Bayern. München, 17. Mai. Die Petitionen, welche bei der Abgeordnetenkammer einlaufen, betreffen größten⸗ theils Eisenbahnangelegenheiten, dann die Erhaltung und höhere Dotation des Landgestüts. Die von Bediensteten eingelangten Gesuche sind hauptsächlich auf Einreihung in einen höheren Sta⸗ tus gerichtet. Die Buchdrucker Bayerns haben eine Petition eingereicht, dahin gehend, daß die Herstellung von Frachtbriefen nach den von der General⸗Direktion der Königlichen Verkehrs⸗ anstalten zu bestimmenden Formen freigegeben werde.

Gleichwie für die in das Landwehr⸗Verhältniß übertretenden Mannschaften der Infanterie und Jäger schon taktische For⸗ mationen vorhanden sind, werden, dem „Corr. v. u. f. D.“ zu⸗ folge, nun auch für Kavallerie und Artillerie eigene wgs Formationen organisirt, und zwar in der Art, daß für erstere ein Landwehr⸗Kavallerie⸗Regiment, für letztere 4 Landwehr⸗Fuß⸗ Artillerie⸗Bataillone zu je 4 Compagnien, zusammen also 16 Compagnien formirt werden; die landwehrpflichtigen Mann⸗ schaften der Pionier⸗Bataillone werden in 2 Eisenbahnbau⸗ und Betriebs⸗Compagnien vereinigt. Die bisherigen 12 Aufnahms⸗ und 6 Haupt⸗Feldspitäler sollen in 24 Feldlazarethe nach preußischem Muster umgewandelt, und die Ausrüstungsgegen⸗ stände für 3 Eisenbahn⸗Sanitätszüge nach dem zur Wiener Weltausstellung eingesandt gewesenen bayerischen Muster bereit gestellt werden.

In Regensburg wurde, wie der „Corr. v. u., f. D.“ mittheilt, der Jahrestag des Friedensschlusses am 10. Mai nach einem auf Anregung des „liberalen Vereins“ ge⸗ faßten Beschlusse der städtischen Kollegien durch Musik vom Thurme des Gasthofes zum „goldenen Kreuz“, in welchem der Kaiser abzusteigen pflegt, und in den Straßen, durch Kanonen⸗ salven und eine von genanntem Verein veranstaltete Abend⸗ unterhaltung gefeiert. Die Schulkinder erhielten jedes ein Büch⸗ lein über den Krieg von 1870/71 und eine seidene Kokarde in den Reichs⸗ und bayerischen Farben.

Sachsen. Dresden, 18. Mai. Der Erzherzog Lud⸗ wig Victor ist gestern Mittag von Wien hier eingetroffen und hat sich auf die Weinbergs⸗Villa der Königin Marie bei Wach⸗ witz begeben. Heute Mittag ist der Erbgroßherzog von Oldenburg, heute Nacht der Herzog Friedrich von Schles⸗ wig⸗Holstein von Leipzig hier angekommen und im „Hotel Bellevue“ abgetreten.

Mecklenburg. Schwerin, 18. Mai. Der Großher⸗ zog und die Großherzogin haben sich mit dem Hohen Brautpaare und Gefolge gestern Morgen von hier nach Tar⸗ now bei Bützow begeben, um der feierlichen Einweihung der neuerbauten Orgel in dortiger Kirche beizuwohnen, und sind am Abend hier wieder eingetroffen. Der Herzog Johann Al⸗ brecht ist gestern Morgen von hier wieder abgereist.

Hessen. Darmstadt, 16. Mai. Sicherem Vernehmen des „Fr. J.“ nach wird die Zweite Kammer kurz nach dem Pfingstfest zusammentreten. Abgesehen von dem Nachtrags⸗ Budget und der Vorlage wegen Wiederaufbau des Hoftheaters sind eine Reihe von Gegenständen für die Verhandlung reif. Uebet viele liegen die Ausschußberichte bereits vor, über andere werden die Berichte noch vor dem Fest zum Druck gelangen.

Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Coburg, 16. Mai. Der vortragende Rath im Herzoglichen Staats⸗Ministerium, Geheime Regierungs⸗Rath Adolph Freiherr von Wangenheim hier⸗ selbst, ist zur Abtheilung des Staats⸗Ministeriums in Gotha versetzt und ihm die Funktionen des Herzoglichen Kommissarius bei der Direktion und dem Verwaltungsrath der Thüringenschen Eisenbahngesellschaft übertragen worden. Dem Reisemarschall Busso Freiherrn von Röpert ist die Oberaufsicht über den Herzoglichen Marstall übertragen worden.

Bremen, 14. Mai. Die Bürgerschaft beschloß gestern den Senat zu ersuchen, beim Reichskanzler⸗Amt dahin zu wir⸗ ken, daß hier mehr Scheidemünze in Umlauf gesetzt werde. Bürgermeister Gildemeister, der sich zum Schlusse der Bundes⸗ raths⸗Sitzungen dieser Tage nach Berlin begiebt, erklärte, er werde sich dort bemühen, dem Beschlusse Wirkung zu verschaffen. Dann ertheilte die Bürgerschaft ihre Genehmigung zu dem Ab⸗ kommen wegen des Zollanschlusses am linken Weser⸗Ufer, wo⸗ nach diesseits der Grund und Boden für die zu errichtenden Zollbaulichkeiten unentgeltlich hergegeben werden soll. Der Neu⸗ bau der Seefahrtsschule wurde einer bürgerschaftlichen Kom⸗ mifsion überwiesen. fraesGse

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 16. Mai. Die konsolidirte Staatsschuld der im Reichsrath vertretenen Königreiche und Länder betrug Ende Dezember 1873 (umgerechnet auf Grund des Gesetzes vom 20. Juni 1868 auf ein 5prozentiges Kapital in österr. Währ.) 2,588,143,749 Fl. 73 Kr., 949,491 Fl. 65,5 Kr. weniger als Ende 1872. Die schwebende Schuld belief sich Ende 1873 auf 73,309,498 Fl. 21 Kr., 31,642,147 Fl. 30,5 Kr. mehr als Ende 1872. Dazu kommen noch 12,361,941 Fl. 20 Kr. (s— 2741 Fl. 20 Kr.) in Stgaatsnoten Kapitalsbetrag für Ent⸗ schädigungsrenten und 1,750,000 Fl. in klingender Münze Kapitalsbetrag der jährlichen Zahlung an Bayern, so daß sich Ende 1873 die gesammte Staatsschuld auf 2,675,565,189 Fl. 14 Kr. belief, 30,689,914 Fl. 43 Kr. mehr als Ende 1872. Garantirte Schulden waren Ende 1873 218,705,560 Fl. 50 Kr. (— 6,540,912 Fl.) Grundentlastungs⸗Obligationen in Konv.⸗M. und 200 Fl. (— 120 Fl.) galizisches Nothstands⸗Anlehen.

Die gemeinsame schwebende Schuld betrug Ende 1873 344,033,270 Fl. in Staatsnoten, 32,849,603 Fl. weniger als Ende Juni 1873.

Pest, 18. Mai. (W. T. B.) Die Delegation des Reichsraths hat heute das Ordinarium des Kriegsbudgets erledigt und erheblich höhere Ausgabebeträge, wie von dem Aus⸗ schusse der Delegation beantragt worden war, in Gemäßheit der von der Regierung gestellten Anforderungen bewilligt, sich dabei sdoch vorbehalten, diese Mehrbewilligungen durch Absetzungen

Extraordinarium theilweise wieder auszugleichen.

Schweiz.

Bern, 13. Mai. Die zur Vorberathung der

Organisation des Bundesgerichtes einberufene Kom⸗

mission hat nach zweitägiger Sitzung ihre Arbeit gestern vollen⸗ det, so daß der betreffende Entwurf nunmehr demnächst dem Bundesrath vorgelegt werden dürfte.

Luzern, 18. Mai. (W. T. B.) In den hiesigen Kirchen⸗ rath sind bei der gestrigen Wahl, trotz aller Gegenanstrengungen der Ultramontanen, nur liberale EE worden.

Der „Schwäbische Merkur“ bestätigt auf Grund einer ihm aus Zürich gewordenen Mittheilung, daß Schloß Arenen⸗

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berg zur Aufnahme der Kaiserin Eugenie und des Prinzen Louis Napoleon in Stand gesetzt werde, die sich demnächst dort dauernd niederzulassen gedächten.

Großbritannien und Irland. London, 16. Mai. Die Königin wird mit der Prinzessin Beatrice und ihrem Hofstaate am nächsten Mittwoch von Windsor nach Balmoral in den schottischen Hochlanden übersiedeln. Im Windsorschlosse empfing Ihre Majestät heute eine Anzahl von Unteroffizieren und Gemeinen der Truppen, die den Aschanti⸗Feldzug mitmachten, und überreichte ihnen Medaillen als Auszeichnung für gute Führung im Felde.

Die Regierung von Neuseeland ladet durch ihre finanziellen Agenten zu Zeichnungen auf eine neue Anleihe im Betrage von 1,500,000 Lstr. in 4 /proz. 5/30 er Obligationen zum Course von 98 ein. Die Goldausfuhr von Neuseeland belief sich während der 85 5 Jahre, den Regierungsstatistiken zufolge, auf 11,052,771 Lstr.

Ein so eben ausgegebenes parlamentarisches Blaubuch enthält eine vom 15. August datirte Depesche von Lord Kimber⸗ ley, dem Minister für die Kolonien im letzten Kabinet, an Kom⸗ modore Gordenough und Konsul Layard, die zwei nach Fidschi gesandten Regierungs⸗Kommissare, worin ihnen die für ihre Mission nöthigen Verhaltungsmaßregeln ertheilt werden. Die Depesche bemerkt, daß es vier Methoden zur besseren Verwaltung der Inseln gebe: 1) dem Konsul richterliche Gewalt über bri⸗ tische Unterthanen zu verleihen; 2) die Anerkennung der beste⸗ henden Regierung; 3) die Herstellung eines britischen Protekto⸗ rats und 4) die Uebernahme der Herrschaft der Inseln. Mit Bezug auf die letzte Methode, heißt es, wünsche die Re⸗ gierung zu wissen, welches die Erwartungen von Tha⸗ kobau und der anderen ersten Häuptlinge seien, und in wie weit die etwaigen Vorschläge der bestehenden Regierung von den Häuptlingen gebilligt werden würden. „Die äußerste Sorgfalt“ fährt die Depesche fort „sollte gebraucht wer⸗ den, damit die Häuptlinge alles, was über einen Gegenstand proponirt wird, der später leicht zu Schwierigkeiten Anlaß geben dürfte, gründlich verstehen.“ Am Schlusse der Depesche sagt der Minister: „Wenn die Fidschi⸗Inseln von einer Regierung regiert werden können, die in irgend einem wirklichen oder selbst qualifizirten Sinne ihre eigene und eingeborene ist, so kann kaum bezweifelt werden, daß die Herstellung einer solchen Regierung den Interessen des Reiches und denen der Inseln selber dien⸗ licher sein würde, als daß dieses Land (England) die schwere Verantwortlichkeit, eine von einer großen eingeborenen Bevölke⸗ rung auf der anderen Seite der Weltkugel bewohnte Ansiedelung zu regieren, übernehmen sollte.“ (S. a. unter Australien.)

19. Mai. (W. T. B.) Dem Kaiser von Rußland wurde gestern von den städtischen Behörden in Guildhall ein glän⸗ zendes Dejeuner dargebracht, an welchem der Kaiser, der Herzog und die Herzogin von Edinburgh und die übrigen Mitglieder der Königlichen Familie Theil nahmen. Der Lordmayor über⸗ reichte dem Kaiser eine Adresse, in welcher er der Hoffnung Aus⸗ druck gab, daß der Besuch des Kaisers dazu beitragen werde, die Freundschaftsbande zwischen England und Rußland noch fester zu knüpfen. Der Kaiser sprach in Erwiderung auf die Adxesse seinen Dank für den ihm zu Theil gewordenen herzlichen Empfang aus und erklärte, er sei überzeugt, daß die liehevolle Aufnahme, welche seine Tochter in England gefunden habe, nicht ohne Einfluß auf die dauernde Befestigung der freund⸗ sch süichen Beziehungen zwischen Rußland und England bleiben werde.

Darauf nahm der Kaiser Alexander beim Herzog von Cam⸗ bridge das Diner ein, dem auch der Prinz und die Prinzessin von Wales und der Herzog und die Herzogin von Edinburgh beiwohnten. Abends fand großes Konzert in Guildhall statt.

Der „Standard“ will wissen, daß die Königin beab⸗ sichtige, den Besuch des Kaisers von Rußland im Herbst, viel⸗ leicht schon im August, zu erwiedern.

Frankreich. Paris, 18. Mai. (W. T. B.) Herr de Goulard hätte, einer Mittheilung der „Agence Havas“ zu⸗ folge, seine Bemühungen, ein Kabinet zu Stande zu bringen, noch nicht aufgegeben und die Unterstützung der Konservativen

und des linken Centrums in Anspruch genommen, um mit ihrer

Hülfe ein Ministerium zu bilden, welches die Organisation des Septennats in die Hand nehmen solle. Bestimmtes sei indessen über die Zusammensetzung des Ministeriums noch nicht bekannt, und das Zustandekommen desselben dürfe keineswegs als gesichert angesehen werden.

Versailles, 18. Mai. (W. T. B.) Die National⸗ versammlung hat heute die dritte Berathung des Gesetz⸗ entwurfes über die Kinderarbeit in den Fabriken größtentheils erledigt, ohne daß sich ein erheblicher Zwischenfall ereignet hätte.

(Monatsübersicht für April.) Die National⸗ versammlung von Versailles hat während des Monats April Ferien gehabt; die Sitzungen werden erst am 12. Mai wieder eröffnet werden. (Ist geschehen. D. R.) Die Permanenz⸗Kom⸗ mission, welche sich in Abwesenheit der Kammer mehrere Male vereinigt hat, ist nicht in der Lage gewesen, Beschlüsse von be⸗ sonderem Interesse zu fassen. Einige Mitglieder des linken Cen⸗ trums, welche in diesem Ausschusse sind, haben die Regierung verschiedene Male interpellirt; es ist ihnen jedoch nicht gelungen, die von ihnen angeregten Fragen zur Diskussion zu bringen, und sa die Kommission in allen Fällen und auf Antrag des Mini⸗

eriums den Uebergang zur Tagesordnung beschlossen.

In Ermangelung von politischen Ereignissen, welche durch die Diskussion in Versailles erzeugt worden wären, hat sich die Presse damit begnügt, Reden und Aeußerungen hochgestellter Persönlichkeiten zu kommentiren; namentlich hat sie sich mit der Frage beschäftigt, ob die konstitutionellen Gesetze vertagt werden oder sofort nach Wiedereröffnung der Kammer vorgelegt werden sollten. Diejenigen Zeitungen, in denen sich die Meinungen der Regierung am klarsten wiederspiegeln, haben

auf das Bestimmteste erklärt, daß die Kammer sich ohne weitern

Zeitverlust mit der neuen Konstitution von Frankreich zu beschäf⸗ tigen haben werde. Die Organe der legitimistischen und bona⸗ partistischen Opposition sprechen dagegen die Hoffnung aus, daß das Provisorium in seiner jetzigen Form noch bis auf Weiteres fortdauern werde. Die Unruhe, welche sich in Folge dieses Kon⸗ fliktes der Gemüther bemächtigt hat, wird erst nach der Wieder⸗ eröffnung der Kammer beschwichtigt werden können.

Der Abgeordnete Piecon aus Nizza, welcher bei einem Gastmahle einen Toast auf die Wiedervereinigung Nizzas mit Italien ausgebracht hatte, ist deswegen von der französischen Presse mit großer Erbitterung angegriffen und als ein Verrät am Vaterlande gebrandmarkt worden. Der Deputirte Piccon hat in Folge dessen seine Entlassung eingereicht; die öffentliche Meinung verlangt jedoch, daß die Regierung wegen Landesverrath gerichtlich gegen ihn einschreite. b

Die französische Presse ist in denjenigen Departements, in denen der Belagerungszustand herrscht, mannigfachen Ver⸗ folgungen Seitens der Regierung ausgesetzt gewesen. Beson⸗ deres Aufsehen hat die Unterdrückung zweier Versailler Jour⸗ nale erregt, Journal de Seine-et-Oise und Union libéralesdémo- cratique, von denen das erste zur bonapartistischen, das zweite zur republikanischen Opposition gehörte.

Die Sitzungen der französischen Generalräthe haben zu heftigen Auftritten Gelegenheit geboten. In Marseille ist ein offener Kampf zwischen dem Präfekten, als Vertreter der Regierung und Herrn Labadié, dem Präsidenten des General⸗ rathes, ausgebrochen. Der Generalrath des Departements des Bouches-du-Rhöne hat sich in Folge dessen vertagt, und das Ministerium soll beabsichtigen, die Auflösung desselben in einer der ersten Sitzungen der Nationalversammlung zu beantragen. Die republikanische Partei bereitet sich vor, gegen diese Maß⸗ regel zu protestiren, indem sie Herrn Labadié als Deputirten für Lyon an Stelle des in contumaciam zum Tode verurtheilten Herrn Ranc vorschlägt.

Die royalistische französische Presse hat einen Kongreß gebildet, der sich während der letzten Tage des April in Tours versammelt hat, um über ein gemeinsames Vorgehen der gesammten monarchischen Presse zu Gunsten der Restaura⸗ tion der legitimen Monarchie zu berathen.

Die Erklärung des Belagerungszustandes in Algier durch den General Chanzy, den ehemaligen Präsidenten des linken Centrums, hat großes Aufsehen erregt.

Die Pilgerfahrten, welche im vergangenen Jahr einen großen Theil der Bevölkerung und der Presse beschäftigten und Anlaß zu mannigfachen Unruhen geboten, haben mit Beginn der schönen Jahreszeit wieder ihren Anfang genommen. Einige regierungsfreundliche Journale sprechen ihre Befriedigung über dies Wiedererwachen des religiösen Geistes in Frankreich aus; gleichzeitig warnen sie vor allen politischen Umtrieben dabei, und sagen, die Regierung würde sich Manifestationen zu Gunsten der Wiederherstellung der Monarchie, wie dieselben im vergan⸗ genen Jahre vorgekommen, energisch widersetzen.

Herr Clément Duvernois, der bekannte Bonapartist und Gründer der Zeitung l'Ordre, welche für das offtzielle Organ der kaiserlichen Partei gilt, ist kürzlich, in seiner Eigen⸗ schaft als Direktor einer hiesigen Bank. des Betruges verdächtig, verhaftet worden.

Herr Beulé, der nach dem Sturze des Herrn Thiers ein Portefeuille im Kabinet Broglie angenommen hatte, es jedoch bald darauf vor der heftigen Opposition, welche er in der Kam⸗ mer fand, niederlegen mußte, ist im Monat April gestorben. Die Zeitungen haben die Nachricht gebracht, daß er sich selbst entleibt habe.

Spanien. Santander, 18. Mai. (W. T. B.) Die Nordarmee hat Miranda besetzt. Das Gros der Carli⸗ stischen Streitkräfte bewegt sich durch Nordalavaz das Hauptquartier von Don Carlos ist nach Estella verlegt.

Italien. Rom, 11. Mai. Die Deputirtenkammer nahm heute nachstehende Gesetzentwürfe an: 1) Verbot der Einfuhr fremder Rebstöcke und Fruchtbäume, 2) Beisetzung der Asche Carlo Botta's in der Kirche Santa Croce in Florenz, 3) Münzvertrag mit Frankreich, Belgien und der Schweiz, 4) Postvertrag mit Brasilien, 5) Handels⸗ und Schiffahrts⸗ vertrag mit Mexico und drei andere Gesetzentwürfe von unter⸗ geordneter Bedeutung. In der Nachmittagssitzung setzte sie ihre Verhandlungen über die Einführung des Tabakmonopols in Sicilien fort.

Nach dem Genuesischen „Commercio“ hat die Regie⸗ rung beschlossen, ein Kriegsschiff nach Australien zu schicken, um eine zur Anlage von Strafkolonien geeignete Insel aus⸗ findig zu machen.

Die „Provincia“ von Brescia schreibt: Die hiesigen Pfarrer haben erklärt, daß sie den Beamten, welche die Civil⸗ standsregister führen, das Verzeichniß der von ihnen vor⸗ genommenen kirchlichen Trauungen nicht mehr einsenden können, weil es ihr Bischof ihnen verboten habe.

In Palermo fand gestern eine Demonstration gegen das Monopol statt, Ruhe und Ordnung wurden indeß dadurch nicht gestört.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 13. Mai. Die verwittwete Königin Josephine gedenkt im Juli⸗ Monat eine Reise nach Norwegen zu unternehmen und den 50. Jahrestag ihres ersten Besuches in Norwegen zu feiern.

Am Dienstag Nachmittag wurde auf dem hiesigen Begräbniß⸗

platze ein Monument für den Gründer der schwedischen

Dampfschiffsflotte und Maschinenwerkstellen Samuel Owen, geboren in England 1774, gestorben in Stockholm 1854, ent⸗ hüllt. Das Monument, welches mittelst öffentlicher Beiträge hergestellt worden ist, besteht aus einer Granitsäule mit dem in Bronce ausgeführten Brustbilde Owen's.

Dänemark. Kopenhagen, 16. Mai. Gestern sind aus Island Dankadressen der Bevölkerung an den König für die verliehene Verfassung eingegangen. Es verlautet den „H. Nachr.“ zufolge, daß der König im Juli über Jütland nach Island reisen wird. .

Nach Mittheilung der „Berl. Tid.“ wird der Kron⸗ prinz in diesem Jahre das Ober⸗Kommando der an den Lager⸗ übungen bei Hald in Jütland in diesem Jahre Theil nehmenden Truppenabtheilungen übernehmen. Zum Nächstkommandirenden ist der General⸗Inspektor der Infanterie, General V. J. Niel⸗ sen, ausersehen worden.

In der am Montag stattfindenden Versammlung der Bürgerrepräsentanten findet die Vorlage eines Schrei⸗ bens vom Ober⸗Präsidenten statt, worin derselbe die Mittheilung macht, daß der Kaiserlich deutsche Gesandte den Auftrag erhalten hat, allen Behörden, welche dazu beigetragen haben, der dem Schicksale des verunglückten Civilingenieurs Günther bewiesenen Theilnahme Ausdruck zu geben, den Dank Sr. Majfestät des Deutschen Kaisers auszusprechen. In derselben Versammlung soll ein durch den an der hiesigen deutschen St. Petrikirche an⸗ gestellten Pastor Schmalz überbrachter schriftlicher Dank von den Ingenieuren an der hannoverschen Staatsbahn für die ihrem verstorbenen Kollegen erwiesene Theilnahme vorgelegt werden.

Amerika. New⸗VYork, 18. Mai. (W. T. B.) Die Regierung von Guatemala hat dem amerikanischen Vice⸗ Konsul Magee in San José wegen der von ihm erlittenen een eine Entschädigung von 10,000 Pfd. Sterl. zu⸗

ebilligt.

Asien. zufolge ist in Khokand eine Verschwörun in welcher Mahomed Amin, der Sohn des 89

8 v1“

Einem Telegramm aus Taschkend vom 13. d. M. entdeckt worden, ans, verwickelt ist.

Sechszehn der Verschwörer haben den Tod durch Henkersbhand erleiden müssen.

*41 Afrika. Die neuesten Briefe von Oberst Gordon datiren aus Fashoda, einer etwa in der Mitte zwischen Khartoum und Gondokoro gelegenen Station, wo er am 29. März ankam. Er war im Begriff, am folgenden Tage weiter zu reisen und erwartete, am 6. April in Gondokoro anzukommen, somit die Reise von Cairo nach Gondokoro, einschließlich eines acht⸗ tägigen Aufenthalts in Khartoum, wo er in seiner Stellung als Gouverneur des oberen Nils Geschäfte zu vollziehen hatte, die u. A. neue Bestimmungen betreffs des zukünftigen Elfenbein⸗ handels umfaßten, in 6 Wochen zurücklegend. Diese geschwinde Reise ist dem Umstande zu verdanken, daß durch die Energie des ägyptischen Gouverneurs von Khartoum die früheren Hinder⸗ nisse im Flusse, welche die Passage von Borton hemmten, be⸗ seitigt wurden und die ägyptischen Regierungsdampfer die Reise von Khartoum nach Gondokoro ohne Schwierigkeit zurücklegen. Das Personal verließ mit der Bagage Souakin am 20. April, so daß es etwa 2 Monate hinter dem Chef der Expedition ist.

Australien. Nach einem Telegramm aus Melbourne vom 15. ds. sind die Bedingungen, unter welchen England die Abtretung der Fidschi⸗Inseln angeboten wird, folgende: Der König soll den Königstitel behalten und eine jährliche Pen⸗ sion von 3000 Lstrl. beziehen, die nach seinem Ableben an sei⸗ nen ältesten Sohn übergeht. Andere Häuptlinge sollen Dota⸗ tionen im Betrage von 20 bis 500 Lstrl. erhalten. Die britische Regierung soll die finanziellen Verbindlichkeiten der fidschianischen Regierung übernehmen und alle bestehenden Kontrakte und Chartres bestätigen. Der herrschende Häuptling soll als Eigner der Ländereien und Gouverneur der Stämme anerkannt wer⸗ den. Diese Offerten sollen für den Zeitraum eines Jahres offen bleiben.

Nr. 9 des „Armee⸗Verordnungsblatt“ hat folgenden Inhalt: Beibehaltung der früher erworbenen Abzeichen Seitens der aus anderen deutschen Kontingenten in den preußischen Heeresdienst übertretenden Mannschaften. Vorläufige Unterbringung des 2. Ba⸗ taillons 4. Westfälischen Infanterie⸗Regiments Nr. 17 in Neu⸗Brei⸗ sach. Signal für die Versammlung der Commandeure ꝛc. bei den Manövern. Ausbildung der zu den Pionier⸗Bataillonen behufs Unterweisung im Feldpionierdienst kommandirten Offiziere und Unter⸗ offiziere der Infanterie ꝛc. Abänderungen. Justifizirung der Portobeträge für unfrankirte Packete. Ausstellung von Eisenbahn⸗ Requisitionsscheinen für solche Mannschaften, welche vom Kommando⸗ Orte aus auf Urlaub 5 Die Anstellung der Militäranwärter bei den Privat⸗Eisenbahn⸗Gesellschaften. Gewährung besonderer Reisekosten für die Beförderung nach resp. von dem Bahnhofe.

Nr. 11 des „Amtsblatts der Deutschen Reichs⸗ Telegraphen⸗Verwaltung“ hat folgenden Inhalt: Verfügung vom 12. Mai 1874: Sorgfältige Adressirung der nach Amerika gerich⸗ teten Depeschen.

Die „Allgemeinen Mittheilungen aus dem Ge⸗ biete des Telegraphenwesens, Beilage zum Amtsblatt der Deutschen Reichs⸗Telegraphen⸗Verwaltung“, Nr. 4 (Mai 1874) enthal⸗ ten: 1) Das Gegensprechen, von W. H. Preece (Forts.); 2) Bestim⸗ mung des Kalkgehalts im Wasser und des Kupfervitriols in der Stangen⸗Imprägnirungsflüssigkeit, von Krüger.

Nr. 10 des „Central⸗Blattes der Abgaben⸗, Ge⸗ werbe⸗ und Handels⸗Gesetzgebung und Verwaltung in den Königlich preußischen Staaten“ hat folgenden Inhalt: Cirkular⸗Verfügungen des Königlichen Finanz⸗Ministeriums, die Reise⸗ kosten der nicht meg en Beamten, welche Kinder haben, betref⸗ fend, vom 17. März 1874; die Nachweisung des Gefällekredits betreffend, vom 15. März 1874; die Ergebnisse der Volkszählung im preußischen Staate vom 1. Dezember 1871 betreffend, vom 30. April 1874; Veränderungen in den Zoll⸗ und Steuerstellen und deren Befugniß betreffend. Personal⸗Chrenik.

Landtags⸗Angelegenheiten.

Berlin, 19. Mai. In dem Gesetzentwurf, betreffend die im Jahre 1875 vor Feststellung des Staatshaushalts⸗Etats zu leistenden Staatsausgaben, hatte die Budgetkommission des Hauses der Abgeordneten vorgeschlagen, die Worte einzuschieben „(die Stäatsausgaben) aus den Einnahmen des Jahres 1875 (fort⸗ leisten zu lassen).“ Hierüber erklärte der Finanz⸗Minister Camp⸗ hausen in der gestrigen Sitzung des Hauses:

Meine Herren! Ich habe gegen die A⸗ n Worte, obwohl ich diese Einschiebung für überflüssig halte, nichts zu erinnern, sofern die Interpretation der Worte nicht allzu wörtlich ge⸗ nommen zu werden braucht. So wie das hier gesagt wird, daß die Ausgaben aus den Einnahmen des Jahres 1875 geleistet werden sollen, könnte man auf die Interpretation kommen, daß keine Aus⸗ gabe eher geleistet werden dürfe, bis in den Einnahmen des Jahres 1875 die Deckung gefunden sei. Wäre eine solche Interpretation statthaft, so würden wir am 2. Januar in große Verlegenheit ge⸗ rathen, indem dann aglle Gehälter auszuzahlen sind und die entspre⸗ chenden Einnahmen noch nicht vorhanden wären. Ich glaube aber, daß es die Meinung der Budgetkommission gewesen sein wird, und halte das auch mit der wörtlichen Interpretation für vereinbar, daß diese Ausgaben geleistet werden für Rechnung der im Jahre 1875 zu gewärtigenden Einnahmen, daß wir also nicht verhindert werden, 1argucgweg diese Ausgaben, auch bevor die zu ihrer Deckung erfor⸗ derlichen Einnahmen stattgefunden haben, leisten zu lassen. Mit dieser Erläuterung glaube ich, Namens der Regierung dem Beschluß der Budgetkommission nicht entgegentreten zu sollen.

In der Diskussion wurde der Wunsch ausgesprochen, das preußische Finanzjahr möge verlegt werden, der Landtag aber bei diesem Beschlusse mitwirken. Hierüber äußerte der Finanz⸗ Minister;

Daß der so gefaßte Wunsch, die preußische Volksvertretung möge bei der Bestimmung des Finanzjahres mitwirken, unbedingt in Erfül⸗ lung gehen wird, brauche ich wohl kaum zu sagen. Wir haben ja den Etat gemzeinschaftlich festzustellen und werden also auch gemein⸗ schaftlich festzustellen haben, zwischen welchen Terminen er läuft. Niemandem wird es angenehmer sein, als dem Finanz⸗Minister, wenn ein für alle Mal ein fester Termin in dieser Hinsicht beliebt worden wäre; wir duͤrfen aber nicht vergessen, daß wir nicht allein darüber zu befinden haben, und daß, wenn das Reich befinden sollte, wir wollen unsere Sitzungen dann und dann anfangen lassen, wir wollen unser Etatsjahr so und so einrichten, dann wird an das preußische Abge⸗ ordnetenhaus, an die preußische Landesvertretung und an die preußische Regierung die Anforderung herantreten, nun zu erwägen, welche Ein⸗ richtung dann für den preußischen Staat die zweckmäßigste sein wird. übrhabei die Landesvertretung gehört werden wird, ist selbstver⸗ tändlich.

Im Hinblick auf die Uebelstände der baulichen Einrich⸗ tung des Abgeordnetenhauses, namentlich was die unmittel⸗ baren Nebenräume des Plenarsaales betrifft, sowie in Rücksicht dar⸗ auf, daß die vom Reichstage adoptirte Methode der Abstimmung durch Zählung bei dem Eintreten in den Saal sich im Interesse der Zeitersparniß dringend für das Abgeordnetenhaus empfiehlt, zur Zeit aber käumlich undurchführbar sein würde, hat auf Initiative des Fare v. Bennigsen der Gesammtvorstand des Abgeordneten⸗

autsses die Frage eines Umbaues berathen und einen zur Verbesserung

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nnahme der eingeschobenen

der Eingangs bezeichneten Mängel vom Königlichen Bauinspektor sehr zweckmäßig ausgearbeiteten Plan gebilligt.

Nach diesem Plane würde an den Plenarsaal in der ga⸗ gen Länge der Präsidiumsseite ein Foyer, ähnlich wie das des Reichstages, sich 8

anschließen. Ueber diesem Foyer würde ein Oberlichtssaal, fast no

einmal so groß als der gegenwärtige Budgetsaal, hergerichtet zur Auf⸗

nahme der Restauration, welche übrigens die noch vorhandenen 2 Hinterzimmer beibehielte. Rechts neben diesem Saal würde ein an⸗

gemessenes Zimmer für den Präsidenten und ein solches für die Schrift⸗

führer angebracht.

Die Cirkulation bei der Abstimmung würde einerseits durch

Zimmer Nr. 13 und das Foyer nach der rechts vom Präsidium bele⸗ genen Thür erfolgen, andererseits durch die Vorhalle und das Foyer

durch die links vom Präsidium belegene Thür. Der Umbau wäre

bis Anfang Oktober zu beenden und beanspruchte etwa 15,000 Thaler.

Der Gesammtvorstand wird, da etatsmäßige Mittel in der Höhe nicht vorhanden sind, die Zustimmung des Hanses wohl wahrschein⸗ lich ohne Verzu bezüglichen Bericht dem Hause erstatten.

Statistische Nachrichten.

Das Deutsche Reich hat einen Flächeninhalt von 9818,0 mit einer Gesammthevölkerung von 41,060,846 Einwohnern (nach der Zählung vom 1. Dezember 1871). Von dieser Ge⸗ sammtbevölkerung von 41,010,150 Einw. gehören rund 20,150,900 dem männlichen und 20,909,900 dem weiblichen Geschlechte an, so daß auf 100 Personen männlichen 103 Personen weiblichen Geschlechts kommen. Dem Alter nach vertheilt sich die Bevölkerung in Prozenten: auf die Altersklasse von unter 15 Jahren 34,1 pCt. der Bevölkerung überhaupt (34,/ der männl., 33,6 der weibl. Bevölk.); von 15 bis 70 Jahren 63,8 pCt. der Bevölk. überhaupt (63,1 der männl., 64,0 der weibl. Bevölkerung); von über 70 Jahre 2,3 pCt. der Bevölkerung überhaupt (2,2 der männlichen, 2,4 der weib⸗ lichen Bevölkerung). Nach dem Ee setzt sich die über 15 Jahre alte Bevölkerung in Prozenten zusammen aus: Ledigen 40,0 pCt. der Bevölkerung überhaupt (42,2

der männl., 37,9 der weibl. Bev.), Verheiratheten 51,2 pCt. der Be⸗

völk. überh. (52,3 der männl., 50,1 der weibl. Bev.), Verwittweten 8,5 pCt. der Bevölk. überh. (5,3 der männl., 11,7 der weibl. Bev.), Ge⸗

schiedenen 0,2 der Bevölk. überh. (0,2 der männl., 0,3 der weibl. Be⸗ 8

völk.). Unter den deutschen Staatsangehörigen sind etwa 2,500,000 polnischer, 140,000 wendischer, 50,000 ezechischer, 150,000 litthauischer, 150,000 dänischer und 270,000 französischer Nationalität. Nach

Konfessionen getrennt, theilt sich die Bevölkerung in 25,549,781 Evan⸗

gelische, 14,851,450 Katholiken, 512,069 Israeliten, während der Rest auf Griechischkatholische, Dissidenten u. s. w. entfällt; in Pro⸗ zenten 62,2 Evangelische, 36,3 Katholiken, 1,2 Juden, 0,2 anderen Bekenntnissen Angehörige und solche, welche keine

rung ist wie 31: 69. Die Dichtigkeit der Bevölkerung 4185 auf

1 O.⸗M. übertrifft um ein Geringes diejenige (mit

3 teht sie derjenigen des dichtest bepölkerten europäischen Staates, Belgien (mit 9511 Einw. auf 1 Q.M.) ziemlich gleich. Die Wohnplätze der

3805 Einw. auf 1 Q.⸗M.); speziell im Königreich Sachsen

Bevpölkerung im Einzelnen anlangend, so hat das Deutsche Reich 31

Städte mit einer Bevölkerung von mehr als 50,000 Einwohner (Ber⸗ 1

lin, Hamburg, Breslau, Dresden, München, Cöln, Magdeburg, Kö⸗

nigsberg in Pr., Hannover, Leipzig, Danzig, Stuttgart, Frankfurt

a. M., Straßburg im Els, Bremen, Nürnberg, Stettin, Barmen, Altona, Aachen, Elberfeld, Düsseldorf, Chemnitz, Braunschweig, Posen, Crefeld, Mainz, Halle, Mülhansen im Elf., Essen, Metz, Augsburg), im Ganzen mit 3,790,000 Einwohnern in runder Zahl; ferner 48 Städte mit 20 50,000 Einw., 140 Städte mit 10 20,000 Einw., 307 Städte mit 5 10,000 Einw. und 1052 Städte mit 2 5000 Einw. Die Zahl der Wohnhäuser beträgt rund 5,263,000 bei 8,665,000 Haushaltungen in runder Zahl, so daß auf 1 Qu⸗M. 536 Wohnhäuser und 883 Haushaltungen mit 4180 Einw., auf 1 Wohnhaus 1,05 Haushaltungen mit 7,80 Einw., auf 1 Haushaltung 4,74 Einw. kommen.

Die Nr. 7 der Annalen des Deutschen Reichs für Gesetz⸗ gebung, Verwaltung und Statistik, herausgegeben von Dr. Georg Hirth (Verlag von G. Hirth in Leipzig, 1874), enthält: Materia⸗ lien zu einer Reichs Einkommensteuer (Fortsetzung). II. Die Steuer⸗ verwaltung in Preußen in den Jahren 1870 bis 1872. Aus einem Berichte des Finanz⸗Ministers an den Kaiser und König; A. Verwal⸗ tung der direkten Steuern; B. Verwaltung der indirekten Steuern; III. Die preußische Klassen⸗ und klassificirte Einkommenstener vor und nach dem Gesetz vom 25. Mai 1873, mitgetheilt vom Heraus⸗ geber; Tabellen über die Veranlagungen pro 1873; Anl. A. Das Gesetz vom 25. Mai 1873, zusammengestellt mit dem Gesetz vom I. Mai 1851; Anl. B. Instruktion des Finanz⸗Ministers, betr die Klassensteuer; Anl. C. Allgemeine Verfügung des Finanz⸗Ministers, betr. die Einkommensteuer; Anl. D. Gesetz, betr. die Aufhebung der Mahl⸗ und Schlachtsteuer; IV. Aus den Gutachten des Vereins für Socialpolitik; V. Vom fünften Kongreß deutscher Landwirthe; VI. Die Reichs⸗Einkommensteuer und ihre Gegner; A. Ein Gegner überhaupt; B. Reichs⸗Gewerbesteuer; C. Reichs⸗Getränkesteuer; D. Reichs⸗Wehr⸗ geld; VII. Vorschläge zu einer degressiven Reichs⸗Erwerbsteuer: 1. Zum (vom Herausgeber); 2. Zur Selbsteinschätzung;

achtrag zu III.: Die preußische vrSIe. betreffend; Das Kriegswesen des Deutschen Reichs. echtswissenschaftlich dargestellt von Dr. Max Seydel. Einleitung; VII. Abschnitt: Die Leistungen des Bundesgebietz für militärische Zwecke. (Fortfetzung folgt.)

Die Nr. 128 (April) der „Mittheilungen der Groß⸗ herzoglich Hessischen Centralstelle für die Landes⸗ Statistik“ (Beilage zur Darmstädter Zeitung) hat folgenden Inhalt: Die Geburten, Sterbefälle, Heirathen und Ehescheidungen im Gr. Hessen im Jahre 1872 (Schluß). Meteorologische Beobachtungen im März 1874. Uebersicht des Güterverkehrs in den Häfen zu Mainz, Worms und Bingen im Jahr 1872. Sterbfälle und Todes⸗ ursachen im Februar 1874. .

London, 16. Mai. (A. A. C.) Aus Irland sind während der vier ersten Monate dieses Jahres 22,429 Personen 13,332 männ⸗ liche und 9,097 weibliche nach transatlantischen Plätzen aus⸗ gewandert, das ist 9563 weniger als in dem entsprechenden Zeitraum des vorhergehenden Seit dem 1. Mai 1851, haben 2,275.174 Personen die Insel verlassen. 1

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

München, 14. Mai. Am 10. Mai wurde die permanente Lokalausstellung der hiesigen Künstler⸗Genossenschaft im Königlichen Kunstausstellungsgebäude gegenüber der Glyptothek dem Besuch des Publikums eröffnet, um ihm für einige Monate neue Werke jüngerer aufstrebender Künstler zur Anschauung und zur Aus⸗ wahl für Ankauf zu bringen. Der Ausstellung stehen dermalen fünf Räume zu Gebote. Es sind ungefähr 200 Kunstwerke zur Aus⸗ stellung gelangt. Die Bildhauerkunst ist durch nahezu 50 Gegenstände vertreten. Darunter ragen zwei Erzgüsse von Hirt hervor: „Hermann und Dorothea“ und „Haidenröslein.“ Von Porzellangemälden sind von Lau zwei sehr tüchtige Kunstwerke ausgestellt: das Bildniß von Rubens’ Frau und Bacchanten. Aquarellen sind 6 Nummern vor⸗ handen, Landschaften und Bildnisse. Alles Andere entfällt auf das Gebiet der Oelmalerei. Hier überwiegen bei Weitem die Fächer des Genre und der Landschaft. Von den Repräsentanten der Geschichtsmalerei sind Friedr. Spangenbergs „Plündernbe Bandalen“ zu nennen. Bar⸗ barenhorden in kriegerischer Ausrü rung dringen in eine römische Basilikakirche ein, wo sie plündern und morden, Zeit: das 5. Jahr⸗ hundert nach Christus, Schauplatz: Rom. Durch ungewöhnliche Di⸗

mensionen und nicht minder durch hohen Kunstwerth ist F. Köppens.

„Kampf gegen die Elemente“ ausgezeichnet. Ein großes, stark be⸗ manntes Schiff strandet an einem Felsen im Meere inmitten eines furchtbaren Gewitters. Der Blitz En und bringt dem So auch durch Feuer den Untergang. Zwei Elemente wirken so vereint seindlich

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einholen, und der Vice⸗Präsident Dr. Löwe iͤden 5

geschieden, 8

e n lche, 1 Religion angegeben. Das Verhältniß der städtischen zur ländlichen Beyvölke⸗

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