1874 / 138 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 15 Jun 1874 18:00:01 GMT) scan diff

Communs das Festvergnügen der Mannschaften mit Tanz und Spiel, wozu die Einwohnerschaft von Potsdam und auch Ber⸗ lin ein zahlreiches Publikum geliefert hatte. Den Schluß des Festes für die hohen militärischen Kreise und den Hof bildete eine dramatische Vorstellung im Theater des Neuen Palais, wozu eine größere Anzahl von Einladungen an die höheren Gesellschaftskreise Potsdams und auch an Damen der Berliner Hofgesellschaft ergangen waren.

Um 7 Uhr betraten der Kaiser und König, die Kronprinzessin führend, den Theatersaal und begrüßten die Gesellschaft. Der Kronprinz führte die Prinzessin Friedrich Carl. Alsdann begann die Vorstellung mit dem einaktigen Lustspiel: „Ein anonymer Kuß“, darauf folgte ein Tanz⸗Ensemble „Mandolinata“, diesem ein einaktiges Stückchen „Herrn Kaudels Gardinenpredigten“, und den Beschluß machte ein Grand pas de deux.

Nach einem Souper, das nach beendigter Vorstellung in den an den Thelltersaal angrenzenden Räumen eingenommen wurde, verabschiedeten Sich Se. Majestät der Kaiser und König von Allerhöchstihcer Familie und traten um halb 11 Uhr von der Wildparkstation die Reise nach Ems an.

Heute Vormittag 10 Uhr 15 Minuten sind Se. Ma⸗ jestät der Kaiser und König wohlbehalten in Ems eingetroffen und auf dem Bahnhofe von Sr. Majestät dem Kaiser von Rußland und von zahlreichen Badegästen und Einwohnern be⸗ grüßt worden. Die Brücke und die Straße vom Bahnhofe bis

zum Kurhause waren reich mit Blumen und Flaggen geschmückt. Die beiden Majestäten fuhren inn offenen Wagen zunächst in die Wohnung Sr. Majestät des Kaisers von Rußland im Hotel „Zu wo heute große Galatafel stattfindet.

den vier Thürmen,“

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Das Staats⸗Ministerium trat gestern Mittag um

1 Uhr zu einer Sitzung zusammen.

Der Ausschuß des Bundesraths für Justizwesen hielt heute eine Sitzung.

In der Woche vom 24. bis 30. Mai 1874 sind geprägt worden an Goldmünzen: 2,047,440 Mark 20⸗Mark⸗ stücke; an Silbermünzen: 520,972 Mark 1⸗Markstücke; 134,210 Mark 80 Pf. 20⸗Pfennigstücke; an Nickelmünzen: 115,044 Mark 80 Pf. 10⸗Pfennigstücke; 45,711 Mark 50 Pf. 5⸗Pfennigstücke; an Kupfermünzen: 11,325 Mark Pf. 2⸗Pfennigstücke; 7564 Mark 50 Pf. 1⸗Pfennigstücke. Vorher wa⸗ ren geprägt: an Goldmünzen: 819,369,060 Mark 20⸗Markstücke, 202,800,640 Mark 10⸗Markstücke; an Silbermünzen: 17,913,624 Mark 1⸗Markstücke, 5,438,775 Mark 60 Pf. 20⸗Pfennigstücke; an Nickelmünzen: 2,094,387 Mark 30 Pf. 10⸗Pfennigstücke, 154,214 Mark 50 Pf. 5⸗Pfennigstücke; an Kupfermünzen: 363,631 Mark 66 Pf. 2⸗Pfennigstück«, 108,178 Mark 63 Pf. 1⸗Pfennig⸗ stücke. Mithin sind im Ganzen geprägt: an Goldmünzen:

1,024,217,140 Mark; an Silbermünzen: 24,007,582 Mark 40

münzen: 490,699 Mark 79 Pf.

8 Die Fürstlich lippesche Regierung erließ in einer Armen⸗ Streitsache am 27. Januar 1874 einen Bescheid, in welchem 1) sie erklärte, daß das uneheliche Kind der Katharine E, nach⸗ herigen Ehefrau K., seinen Unterstützungswohnsitz im Amte DOerlinghausen habe; 2) sie den verklagten Armenverband zur Erstattung der zur Unterstützung des K. und seiner Kinder vom x22. Dezember 1872 bis zum April 1873 aufgewendeten Kosten für verpflichtet erklärte, nachdem Kläger nachgewiesen haben werde, daß der K. in gedachtem Zeitraum hülfsbedürftig gewesen sei und die gewährte Unterstützung das gesetzliche Maß nicht überschritten habe; 3) Verklagter mit Rücksicht darauf, daß der K. am 1. April 1873 mit Hinterlassung seiner Kinder von sei⸗ nem bisherigen Aufenthaltsort entwichen sei, es also eines wei⸗ teren Beweises der Hülfsbedürftigkeit der Kinder nicht bedürfe, für schuldig erklärt wird, die ihnen gewährte Unterstützung zu erstatten, nachdem Kläger den Betrag und die Angemessenheit näher nachgewiesen haben würde; 4) sie die Entscheidung über die Kosten vorbehält. . Auf die Berufung des Verklagten hat das Bundesamt für das Heimathwesen durch Erkenntniß vom 4. Mai 1874 den erstrichterlichen Bescheid aufgehoben und die Sache selbst zu anderweitiger Entscheidung in der Hauptsache sowohl, als in Betreff der Kosten erster Instanz an den Richter der ersten Instanz zurückgewiesen. In den Gründen dieser Entscheidung wird nach dem Centr. Bl. für das D. R. Folgendes ausgeführt: Die Sache befindet sich prozessualisch nicht in der Lage, daß das Bundesamt in der Sache selbst eine Entscheidung treffen könnte. Der von dem ersten Richter erlassene Bescheid hat in seiner Nr. 1 nur über eine Präjudizialfrage für einen Theil des erhobenen Anspruchs be⸗ funden. Derselbe trägt sodann in Nr. 2 und Nr. 3 den Cha⸗ rakter eines der Rechtskraft empfänglichen Beweisinter⸗ lokuts des gemeinen Civilprozesses an sich, indem die Verurtheilung des Verklagten unter der Bedingung aus⸗ gesprochen wird, daß derselbe einen genau normirten Beweis zu erbringen im Stande sein werde. Der Erlaß der⸗ artiger, die Beweislast und das Thema probandum rechtskräftig fixirender Vorbescheide, entspricht den in s inen wesentlichen Grund⸗ zügen durch das Reichsgesetz für die interterritorialen Streitig⸗ keiten vorgeschriebenen Reichsprozesse nicht, und das Bundesamt insbesondere ist nach den sein Verfahren regelnden Bestimmun⸗ gen jenes Gesetzes außer Stande, dem ersten Richter auf dem von ihm eingeschlagenen prozessualischen Wege zu folgen. Die §§. 38, Abs. 1, 39 41 des Reichsgesetzes haben für den Reichsprozeß in I. Instanz überall nur eine Entscheidung angeordnet, durch welche die Streitsache nach allen Seiten hin ihre definitive Entscheidung sinden muß. Sofern nach dem Schlusse der Verhandlungen zwischen den Parteien noch An⸗ stände gefunden werden, deren Erledigung vor der Entscheidung erfolgen muß, so sind die erforderlichen Auflagen durch eine Verfügung zu treffen, gegen welche kein Rechtsmittel gegeben ist, welche aber auch der endlichen Entscheidung nicht präjudizirt. Insbesondere ergiebt der §. 39, daß besondere Beweiserkenntnisse der hier in Anwendung gebrachten Art in dem hier fraglichen Administrativprozesse nicht zu erlassen sind, die für die Entschei⸗ dung zuständige Landesbehörde vielmehr den ihr erheblich er⸗ scheinenden, angetretenen Beweis sofort erheben und dann nach §. 40 ihre Entscheidung erlassen soll. Nur gegen die letztere, nicht gegen die zu ihrer Vorbereitung erlassenen Verfügungen findet nach §§. 40 und 46 die Berufung an das Bundesamt statt, und auch die Entscheidung des letzteren kann stets nur eine defimitive sein. Erachtet dasselbe vor Fällung dieser Ent⸗ scheidung noch eine Aufklärung über das Sach⸗ und Rechts⸗ verhältniß für erforderlich, so ist dieselbe auf dem im §. 49 vorgezeichneten Wege, durch Vermittelung der zuständigen Landes⸗ behörde vorzunehmen, also nicht eine Vorentscheidung zu treffen, sondern eine vorläufige Verfügung in Gestalt einer Requisition

Pf.; an Nickelmünzen: 2,409,358 Mark 10 Pf.; an Kupfer⸗

zu erlassen, nach deren Erledigung dann die endliche Entschei⸗ dung erfolgt, ohne daß das Bundesamt hierbei formell an die erlassene vorläufige Verfügung gebunden wäre. Was nun spe⸗ ziell den vorliegenden Fall anlangt, so widerspricht es der gan⸗ zen Oekonomie des Reichsprozesses vollkommen, daß das Bundes⸗ amt über präjudizielle Rechtsfragen und über die vom ersten Richter als Bedingung der bereits eventuell ausgesprochenen Verurtheilung festgestellte Beweisnorm durch ein Erkenntniß entscheiden soll, was zur Folge haben würde, daß auf Grund des aufrecht erhaltenen oder modifizirten Beweisinterlokuts der Beweis vom ersten Richter zu erheben und dann von ihm aber⸗ mals in der Sache nach den vom Bundesamte rechtskräftig im Vorerkenntnisse festgestellten Direktiven zu entscheiden wäre. Ein solches Prozeßverfahren kann daher nicht zugelassen werden.

Der erste Richter hätte hiernach, nachdem er schlüssig ge⸗ worden war, welcher Beweise es zur Begründung der Klage in ihrem ganzen Umfange bedurfte, die Aufnahme des in dieser Richtung etwa angetretenen Beweises verfügen und nach ge⸗ schlossener Beweisaufnahme in der Sache definitiv entscheiden müssen. Wie die Sache jetzt liegt, erübrigt, um die Prozedur in die gesetzlichen Formen umzuleiten, nur den Bescheid des ersten Richters, soweit derselbe angegriffen ist, aufzuheben und die Sache zu anderweitiger weiterer Veranlassung nach Maß⸗ gabe der §§. 39 und 40 des Reichsgesetzes zur ersten Instanz zurückzuweisen.

Der Minister des Innern hat sich in zwei Cirkular⸗ erlassen vom 26. v. M. damit einverstanden erklärt, daß behufs Gewinnung qualifizirter Standesbeamten die Zusammen⸗ legung mehrerer kleiner Gemeinden zu gemeinschaftlichen Standes⸗ amtsbezirken als unvermeidlich zu betrachten sein wird. Auch dagegen findet der Minister des Innern Nichts zu erinnern, daß bei dieser Zusammenlegung in Ermangelung sonstiger, meh⸗ rere Gemeinden umfassenden politischen Verbände die Kirch⸗ spiele als Anhaltspunkt genommen werden.

Dagegen soll eine Theilung der Bürgermeistereibezirke in mehrere Standesamtsbezirke nur ausnahmsweise und aus beson⸗ ders erheblichen Gründen stattfinden. Gegen die Bestellung qua⸗ lifizirter Bürgermeisterei⸗Sekretäre zu Stellvertretern der Standes⸗ beamten, die übrigens auch in Stadtgemeinden nur durch das Ober⸗Präsidium wird erfolgen können, findet der Minister im Allgemeinen Nichts zu erinnern, vorausgesetzt, daß das Fungiren der gedachten Sekretäre als stellvertretende Standesbeamte e-2 der Intention des Gesetzes zuwider, thatsächlich zur Regel werde.

Die Voraussetzung, daß demnächst in den, aus mehreren Gemeinden zusammengesetzten Standesamtsbezirken gleichwohl für jede Gemeinde besondere Geburts⸗, Heiraths⸗ und Sterberegister zu führen sein werden, ist nach Ansicht des Mi⸗ nisters eine irrige. Nach der unzweideutigen Fassung und Inten⸗ tion des Gesetzes sei von jedem Standesbeamten nur Ein, den gesammten Bezirk umfassendes Geburts⸗, resp. Heiraths⸗ und Sterberegister zu führen. Auch sei nicht wohl abzusehen, daß aus einer Einrichtung solcher Art bezüglich der bürgerlichen Standesbuchführung größere Uebelstände hervorgehen sollten, als es bei der kirchlichen Standesbuchführung in den, mehrere Ge⸗ meinden, Ortschaften ꝛc. umfassenden Pfarrbezirken bisher der Fall gewesen ist.

Ein Regierungs⸗Präsidium hatte in die Geschäfts⸗ Instruktion für die Amtsvorsteher unter den besonderen gesetzlichen Vorschriften, nach welchen die erste Entscheidung in polizeilichen Angelegenheiten dem Landrathe zusteht, auch den 57 Absatz 2 der Feldpolizei⸗Ordnung vom 3. November

847 aufgeführt, welcher bestimmt, daß in dem Falle, wo der Gutsherr die Polizeigerichtsbarkeit selbst verwaltet und er oder einer seiner Angehörigen bei einer Pfandgeldstreitsache betheiligt ist, die Entscheidung dem Landrathe gebührt. Der Minister des Innern hat das Regierungs⸗Präsidium jedoch darauf aufmerk⸗ sam gemacht, daß diese letztere Bestimmung durch den §. 57 Absatz 5 der Kreisordnung, vom 13. Dezember 1872, wonach für den Fall der persönlichen Betheiligung eines Amtsvorstehers bei der Erledigung eines Amtsgeschäftes der Kreisausschuß den Stellvertreter oder einen der benachbarten Amtsvorsteher damit zu betrauen hat, eine Abänderung erfahren hat. Es ergiebt sich dies aus den Motiven des auf Grund Allerhöchster Ermächti⸗ gung vom 20. Dezember 1871 dem Landtage der Monarchie ö Kreisordnungs⸗Entwurfs, in welchen zu §. 44 be⸗ merkt ist:

„Nach der Bestimmung im zweiten Absatze dieses Paragraphen soll der Stellvertreter für den Amtsvorsteher auch dann eintreten, wenn letzterer bei einem von ihm wahrzunehmenden Amtsgeschäfte persönlich betheiligt ist. Hierdurch werden die Vorschriften des §. 57 Absatz 2 der Feldpolizei⸗Ordnung vom 1. November 1847 (Gef.⸗ Samml. S. 276) und des §. 1 Absatz 3 des Gesetzes vom 24. April 1854, betreffend die Verletzung der Dienstpflichten des Gesindes und der ländlichen Arbeiter (Ges.⸗Samml. S. 214) abgeändert, wonach in den Fällen der persönlichen Betheiligung der Lokalpolizeibehörde bei einer Pfandgeldstreitsache beziehungsweise bei einer Dienstverletzung des Gesindes ꝛc. der Landrath eintreten sollte.“

Das Regierungs⸗Präsidium ist deshalb Seitens des Mini⸗ sters des Innern veranlaßt worden, die gedachte Bestimmung der Instruktion für die Amtsvorsteher entsprechend zu modisiziren.

„— Der am 13. d. M. verstorbene Staats⸗Minister a. D. Freiherr August v. d. Heydt war am 15. Februar 1801, der Sohn des Chefs des Bankhauses v. d. Heydt, Kersten und Söhne, zu Elberfeld geboren. Er widmete sich nach Vollendung der Schulbildung dem väterlichen Geschäft, dessen Leitung er, durch längere Reisen in Frankreich und Eng⸗ land vorbereitet, in Gemeinschaft mit seinen Brüdern Carl und Daniel übernahm. Die Kommunalverwaltung von Elberfeld führte ihn zuerst in das öffentliche Leben ein, in welchem sich sein Wirkungskreis mit seiner im Jahre 1840 erfolgten Ernennung zum Präsidenten des Handelsgerichts zu Elberfeld, ganz besonders aber durch seine parlamentarische Thätigkeit allmählich erweiterte. Nachdem v. d. Heydt schon als Kreistagsabgeordneter gewirkt hatte, wurde er 1841 zum Ab⸗ geordneten des Rheinischen Provinziallandtags erwählt und von diesem in die Vereinigten ständischen Ausschüsse deputirt, welche am 18. Oktober 1842 in Berlin zusammentraten. Der Thätigkeit, welche v. d. Heydt 1847 und 1848 auf den Vereinigten Landtagen entwickelte, folgte am 6. Dezember 1848 seine Ernennung zum Staats⸗Minister; er trat in das am 8. No⸗ vember desselben Jahres von dem Grafen Brandenburg gebildete Ministerium ein, in welchem ihm das bis dahin von dem Wirkl. Geh. Ober⸗Finanz⸗Rath v. Pommer⸗Esche interimistisch geleitete Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten über⸗ tragen wurde. In dieser Stellung, welche er bis zum Jahre 1862 inne hatte, hat der Staats⸗Minister Freiherr v. d. Heydt sich bleibende Verdienste um die wirthschaftliche Entwickelung Preußens erworben. In dem Ministerium Prinz Hohenlohe ger v. d. Heydt (17. März 1862) das Finanz⸗Ministerium,

behielt abe ch das Handels⸗Ministerium interimistisch bei. Am 23. September 1862 schied er aus dem Staatsdienst, übernahm aber später, am 2. Juni 1866,

Am 26. Oktober 1869 trat der Freiherr v. d. Heydt in den Privatstand zurück; ein Herzleiden erschwerte ihm die letzten Jahre seines thätigen Lebens, dem ein plötzlicher Tod am 13. Juni, Morgens 6 Uhr, ein Ziel setzte.

Der General⸗Lieutenant z. D. und Präsident des geodä⸗

tischen Institus Baeyer hat sich zu einer Badekur nach Pyr⸗ mont begeben. Nach beendigter Kur wird derselbe die Inspizirung der Gradmessungs⸗Arbeiten in Thüringen, Hessen und am Rhein vornehmen.

Der General⸗Major und Inspecteur der 1. Ingenieur⸗ Inspektion von Braun hat sich behufs Inspizirung der

Pommerschen und der Festungen Danzig und Thorn, sowie

des Ostpreußischen Pionier⸗Batalllons Nr. 1 und des Pommer⸗ schen Pionier⸗Bataillons Nr. 2 auf Dienstreisen begeben.

Der Kapitän zur See und Ober⸗Werft⸗Direktor zu Kiel Weikhmann, welcher zur Abstattung persönlicher Meldungen von Kiel hier eingetroffen war, hat sich dorthin zurückbegeben.

Posen, 14. Juni. Die zum 17. Provinzial⸗Landi⸗ tage des Großherzogthums Posen einberufenen Ab⸗ geordneten wohnten heute früh um 10 Uhr dem Gottesdienste in der katholischen Pfarrkirche ad St. Mariam Magdalenam, be⸗ ziehungsweise in der evangelischen Kirche St. Pauli bei und ver⸗ sammelten sich sodann um 12 Uhr Nachmittags in dem Sitzungs⸗ saale des s. g. alten Landschaftsgebäudes hierselbst.

Nachdem der Königliche Kommissarius, Ober⸗Präsident Guenther, durch eine Deputation benachrichtigt worden war, daß der Provinzial⸗Landtag versammelt sei, begab sich derselbe in die Mitte der Versammlung und eröffnete den Provinzial⸗Landtag mit folgender Ansprache:

Hochgeehrte Herren! Seit Ihrer letzten Versammlung hat eine weitgreifende Bewegung im wirthschaftlichen Leben sich vollzogen. Der Aufschwung, welchen Handel und Industrie vielfach dadurch er⸗ fahren haben, hat eine nennenswerthe Ausdehnung auf das Großher⸗ zogthum nicht gewonnen. Dagegen ist das letztere von der in Folge der Ueberspekulation eingetretenen Kreditstörung wesentlich mit er⸗ griffen worden.

Um die Provinzial⸗Hülfskasse in den Stand zu setzen, für die Abhülfe der Kreditnoth wirksam zu sein, und insbesondere auch klei⸗ neren ländlichen Grundbesitzern Darlehne zu ihrer Erhaltung zu ge⸗ währen, ist eine Verstärkung der Fonds derselben und eine Abän⸗ derang einiger Bestimmungen ihres Statuts erforderlich. Eine dahin zielende Vorlage wird Ihnen gemacht werden. G

Es wird Ihnen ferner der in dem Allerhöchsten Propositions⸗ Dekret bezeichnete Entwurf eines Gesetzes, betreffend die anderweite Regelung der Verpflichtung zur Leistung der 8 und Spanndienste für die Unterhaltung der Land⸗ und Heerstraßen in der Provinz Po⸗ sen, zur Begutachtung unterbreitet werden. Die Beschwerden des Bauernstandes über unbillige Belastung bei dem Wegebau sind Ihnen bekannt. Der Gesetzentwurf bezweckt eine Abhülfe dieser Beschwerden.

Andere Vorlagen, welche Ihnen zugehen werden, betreffen die von Ihnen auf dem 16. Provinzial⸗Landtage als wünschenswerth bezeich⸗ neten Aenderungen der Reglements für die Feuer⸗Sozietät der Provinz Posen, die exekutivische Einziehung der an die Provinzial⸗Hülfskasse

zu zahlenden Zins⸗ und Amortisationsbeträge, die Konvertirung der

Provinzialanleihen, die Bewilligung der zur Erhaltung und weiteren

Entwickelung der ständischen Institute erforderlichen Geldmittel und

die von Ihnen vorzunehmenden Wahlen.

Die vorgeschriebenen Berichte und Ausweise über die Leitung und Wirksamkeit der ständischen Institute und Verwaltungen werden Ihnen ebenfalls vorgelegt werden. 3

Ich bitte Sie, den umfassenden Geschäften, welche Ihnen ob⸗ liegen, mit der Hingebung Sich zu unterziehen, welche Sie bei Be⸗ rathung der Angelegenheiten der Provinz stets bewährt haben. So weit es in meinen Kräften steht, werde ich gern bereit sein, Sie hierin zu unterstützen. 1

Ihnen, Herr Landtagsmarschall, überreiche ich den Allerhöchsten Landtagsabschied vom 27. Mai d. J. und das Allerhöchste Proposi⸗ tionsdekret von demselben Tage, und erkläre im Namen und im Auf⸗ trage Sr. Majestät des Kaisers und Königs den 17. Provinzial⸗Landtag des Großherzogthums Posen fir eröffnet. 1

Die eben von mir geäußerten Worte bitte ich Sie in polnischer Sprache verlesen zu lassen.

Der Landtagsmarschall entgegnete hierauf:

„Mit Freuden begrüßen wir es, daß unter den Vorlagen, welche Sie, hochgeehrter Herr Landtags⸗Kommissarius, uns so eben als die Grundlage unserer Arbeiten angekündigt haben, sich solche befinden, die sich die Verbesserung der Lage des kleinen bäuerlichen Grund⸗ besitzers zur Aufgabe stellen, da diese bei uns mehr als in den an⸗ dern Provinzen der Fürsorge bedarf. 8

Wir werden es uns angelegen sein lassen, auf dem Wege, den die vor uns versammelt gewesenen Landtage betreten haben, weiter fort⸗

uschreiten und namentlich der Kreditbedürftigkeit des kleineren Grund⸗

esitzers, die durch die Störungen, welche sich in den letzten Jahren allgemein auf dem wirthschaftlichen Gebiete geltend gemacht und leider auch unsere Provinz in Mitleidenschaft gezogen haben, größer denn je ist, soweit dies uͤberhaupt durch Maßnahmen unsrerseits geschehen kann und 85 die Rücksicht auf die Leistungsfähigkeit der Provinz es uns gestattet, die dazu erforderlichen Mittel zur Verfügung zu stellen, abzuhelfen.

Ich darf die Versicherung aussprechen, daß die Vertreter der Pro⸗ vinz, wie es bisher immer ihr Bestreben war, innerhalb der Grenzen ihrer Befugnisse und ihres Könnens zu helfen, wo Hülfe nöthig war, auch jetzt bereit sein werden mit der Kraft, welche die Vereinigung Aller zu gleichem Zweck verleiht, den Einzelnen, deren wirthschaftliche Existenz ohne ihre Schuld in Frage gestellt ist, beizuspringen, ohne doch den Charakter des provinzialständischen Instituts, dessen Thätig⸗ keit wesentlich auf dem Felde der Erreichung gemeinnütziger Zwecke 558 werden soll, in den eines gewöhnlichen Geldinstituts umzu⸗

andeln.

Wir werden ferner erwägen, ob die jetzigen Verhältnisse des Geld⸗ marktes uns die Möglichkeit geben, durch eine Regelung der Schuldverhältnisse, die Last, welche zur Verzinsung und Tilgung der zu Provinzialzwecken kontrahirten resp. vielleicht noch zu kontrahiren⸗ den Schuld auf den Steuerpflichtigen ruht, zu verringern. „Zedenfalls läßt uns die Versicherung, daß wir bei diesen, wie überhaupt bei unsern Arbeiten anf die thatkräftige Hülfe des geetrten Herrn Landtags⸗Kommissarius, welche ich Namens meiner Mitstände dankbar acceptire, rechnen dürfen, zuversichtlich hoffen, daß diese Erwägungen zu einem guten Ende und einem unserer Heimath heilsamen Beschluß führen werden.

Wenn sodann die Regierung Sr. Masestät des Königs sich bereit erklärt, auf dem Wege der Gesetzgebung diejenigen Bestimmun⸗ gen zu beseitigen resp. abzuändern, welche die Wegebaulast im Wesentlichen auf die Schultern eines Standes gelegt hat, so werden wir die Vorlage mit dem Ernste prüfen, der ihr gebührt, und ich hoffe, das Resultat dieser Prüfung wird zu einem den Inten⸗ tionen der ee. Regierung entgegenkommenden Votum führen; denn diese Gesetzgebung ist zu einer Zeit entstanden, welche ganz andere, von den jetzigen total verschiedene Verhältnisse zu berück⸗ sichtigen hatte, und es kann keinem Zweifel unterliegen, daß sie für die heutigen absolut nicht mehr paßt.

Wir werden endlich die uns sonst noch verheißenen Vorlagen, welche den Zweck verfolgen, die so segensreich wirkenden Institute in dem Sinne, in welchem sie von unsern Vorgängern gegründet sind, auszu⸗ bauen und zu weiterer Ausdehnung ihrer Wirksamkeit zu befähigen, mit

von dem Staats⸗Minister v. Bodelschwingh noch einmal die Leitung des Finanz⸗Ministeriums.

““ 8— Gewissenhaftigkeit und Fleiß einer gründlichen Prüfung unterziehen, und ich darf aus innigster Ueberzeugung die zuversichtliche Hoffnung aussprechen, daß die Arbeiten des siebenzehnten Provinzial⸗Landtages, welchen zu eröffnen Sie soeben die Güte gehabt haben, zum Segen und zum Heil unseres engeren Vaterlandes des Großherzogthums Posen mit Gottes Hülfe beitragen werden. 8

Lassen Sie uns nun, meine Herren, der althergebrachten Sitte getreu, vor dem Beginn unserer Arbeitendem Gefühle der Ver⸗ ehrung für unseren Herrscher Ausdruck verleihen, indem wir rufen: · Es lebe Se. Majestät der Kaiser und König!

Die Versammlung stimmte in das von dem Marschall aus⸗ gebrachte dreimalige Hoch auf Se. Majestät den Kaiser und

König begeistert ein. Der Königliche Kommissarius wurde hier⸗

auf durch die ö wieder zurückbegleitet, und es wurden sodann die Verhandlungen der diesmaligen Session er⸗ öffnet.

Dem Landtags⸗Marschall Freiherrn von Unruhe⸗Bomst ward der Allerhöchste Landtags⸗Abschied und das Allerhöchste Propo⸗

sitions⸗Dekret vom 27. Mai a. c. übergeben.

Zum Vize⸗Marschall ist von Sr. Majestät dem Kaiser und

König in Stelle des Grafen Poninski auf Wreschen, welcher aus

Gesundheitsrücksichten an der Theilnahme des Landtags verhin⸗ dert ist, der Abgeordnete von Kurwatowski auf Porarowo er⸗ nannt.

Von dem Marschall wurden zu Schriftführern die Abgeord⸗ neten Dr. Szuldrzynski und Alberti und zum Quästor der Ab⸗ geordnete Reimann bestimmt und sodann die nächste Plenar⸗ sitzung zu morgen, den 15. d. Mts., zur Bildung von 4 Abthei⸗ lungen zur Borberathung der vorliegenden Gegenstände an⸗ beraumt.

Ems, 13. Juni.⸗(W. T. B.) Der Großfürst Niko⸗ laus Nikolajewitsch ist zum Besuche des Kaisers von Ruß⸗ land hier eingetroffen. Nach einer weiteren hier eingegangenen Nachricht würde auch der König der Niederlande am 18. d. M. zum Besuche des Kaisers hier erwartet.

Cöln, 14. Juni. (W. T. B.) Die Delegirtenver⸗ fammlung des „Deutschen Vereins für die Rhein⸗ provinz“ ist heute durch den Abg. Professor Dr. Sybel mit einer Rede über den Zweck des Vereins eröffnet worden. An⸗ wesend waren außer 74 Delegirten, welche 2060 Vereinsmitglie⸗ der repräsentirten, viele zu selbständigen Vereinen gehörende Mitglieder. Die Versammlung nahm das provisorische Statut des Vereins definitiv an, dessen erster Paragraph als Zweck des Vereins hinstellt: „Gegenüber den Tendenzen der Ultramontanen und der Sozialdemokraten für die Verbreitung freisinniger deut⸗ scher Gesinnung zu wirken.“ Ein Antrag, sich an den natio⸗ nal⸗liberalen Verein in Berlin anzuschließen, wurde abgelehnt, da die Verhältnisse in der Rheinprovinz wesentlich andere seien, als die in Berlin, dagegen wurde beschlossen, sich mit dem Ber⸗ liner Vereine in freundschaftliche Beziehungen zu setzen. Der Plan zur Organisation des Vereins wurde nach ausführlicher Diskussion definitiv festgestellt.

Bayern. München, 12. Juni. Nach Vernehmung des Staatsrathes wurde von Sr. Majestät dem König in Bezug auf die Formation der Staats⸗Ministerien eine Verordnung, d. d. Linderhof, den 9. d. M. erlassen, nach welcher das Zoll⸗ wesen aus dem Wirkungskreise des Staats⸗Ministeriums des Königlichen Hauses und des Aeußern ausgeschieden und an das Staats⸗Ministerium der Finanzen überwiesen wird. Die Ver⸗ ordnung tritt am 15. Juni d. J. in Wirksamkeit. In Betreff der Organisation der Aufschlags⸗ und Stempelgefälls⸗Verwal⸗ tung wurde gleichzeitig verordnet, daß die Ober⸗Aufschlag⸗ und Kreisstempel⸗Verlags⸗Aemter, dann das Filial⸗Zahl⸗ und Stempel⸗ Amt Nürnberg aufgehoben werden. Die Verwaltung des Malz⸗ aufschlags und des Kartenstempels wird den Organen der Zoll⸗ verwaltung überwiesen. Die Kartenabstempelung kann durch das Staats⸗Ministerium der Finanzen auch einem Nebenzollamte übertragen werden. Das Haupt⸗Stempelverwaltungs⸗ und Ver⸗ lags⸗Amt hat fortan die Bezeichnung „Haupt⸗Stempelverlags⸗ Amt“ zu führen. Diese Verordnung tritt am 1. Juli d. J. in Wirksamkeit.

Die Bestimmung des Landtagswahlgesetzes vom 4. Juni 1874, daß nur derjenige zur Wahl zugelassen wird, welcher erweislich den Verfassungseid abgeleistet hat ist in dem Entwurfe des neuen Wahlgesetzes nicht mehr enthalten. Nach dem neuen Entwurf sollen auch die in München wohnen⸗ den Abgeordneten, was bisher nicht der Fall war, Tages⸗ gelder, resp. die bestimmte Aversalsumme erhalten. Auch die Bestimmung des Wahlgesetzes, daß weder die aktive noch die passive Wahlfähigkeit an ein bestimmtes Glaubensbekenntniß ge⸗ bunden, 8 im neuen Entwurf nicht mehr aufgenommen.

Die heutige Sitzung der Abgeordneten kammer leitete der Vize⸗Präsident v. Schlör. Der Etat des Ministe⸗ riums des Innern kam zum Abschluß, nachdem noch die Posi⸗ tion wegen der staatlichen Beiträge zu den Kosten der Polizei⸗ verwaltung in den Städten einige Debatten und einen vergeblichen Antrag auf Erhöhung der postulirten Summe hervorgerufen hatte. Ein Antrag Jörgs, betreffend die Stellung der im Civildienst untergebrachten Militärpensionisten, ward durch einen solchen von Rußwurm ersetzt, durch welchen die Regierung gebeten wird, die auch solchen Personen durch das gegenwärtige Budget ausgeworfenen Theuerungszulagen in dem Fall zurück⸗ zubehalten, wenn dieselben durch diese Mehrung den Verlust ihrer Militärpensionen, und damit in der That eine Minderung ihres Einkommens zu gewärtigen hätten. Herr Freytag verlas einen langen Bericht über Rechnungsnachweisungen aus den Jahren 1870/72. Schließlich wurde der ganze Etat des Finanz⸗Mini⸗ steriums ohne alle Diskussion in Zeit von einer halben Stunde nach den Vorschlägen des Ausschusses genehmigt. Die nächste Sitzung findet am Mittwoch statt, und ist auf deren Tages⸗ ordnung eine Reihe von Petitionen und Anträgen gesetzt.

Württemberg. Stuttgart, 12. Juni. Der König ist gestern Abend von Mergentheim wieder hierher zurückgekehrt. Auf der Villa Seefeld bei Rorschach ist die Prinzessin Friedrich von Württemberg in voriger Woche zum Sommer⸗ aufenthalt eingetroffen; der Herzog von Parma wird demnächst auf Schloß Wartegg erwartet.

Die Kammer der Abgeordneten setzte heute die Berathung des Berichts der staatsrechtlichen Kommission über die Königlichen Verordnungen in Betreff der neueren Organisation innerhalb der evangelischen Landeskirche und über- die Ausgaben für die evangelische Landessynode fort. Der Antrag der Kommissionsminderheit auf Bean⸗ standung der Königlichen Verordnung vom 20. Dezember 1867, betreffend die Einführung der Landessynode, wurde mit 54 gegen 25 Stimmen abgelehnt und die Synodalkosten pro 1873 74 (14,300 Fl.) genehmigt.

Baden. Karlsruhe, 11. Juni. Das Gesetzes⸗ und Verordnungs⸗Blatt Nr. 21 vom heutigen Tage enthält u. A.

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das Gesetz, die Aufhebung des §. 78 der Gemeinde⸗Ordnung und des §. 57 des Bürgerrechts⸗Gesetzes betreffenb, sowie eine Bekanntmachung des Ministeriums des Großherzoglichen Hauses, der Justiz und des Auswärtigen, den Vollzug des Ge⸗ setzes über die Beurkundungen des bürgerlichen Standes und üͤber die Förmlichkeiten bei Schließung der Ehen, hier die Er⸗ bhetung der Nachsicht wegen des fehlenden Heirathsalters be⸗ reffend.

Hessen. Darmstadt, 12. Juni. Die Prinzessin Ludwig ist gestern zum ersten Mal wieder ausgefahren.

Die Zweite Kammer der Stände setzte in ihrer heutigen (64.) Sitzung die Berathung des Nachtragsbudgets fort und erledigte die Positionen: Ober⸗Medizinal⸗Direktion; Ober⸗ Konsistorium; Kreis⸗Schul⸗Inspektoren; Ober⸗Rechnungskammer⸗ Justifikatur II. Abtheilung; Lokal⸗Polizeibeamte und nie⸗ dere Polizeioffizianten; Landes⸗Universität; Gymnasien; Schullehrer⸗Seminarien; evangelisches Prediger⸗Semi⸗ nar; Besoldungen der Geistlichen; Museum und Hof⸗ bibliothek; Botanischer Garten; Polytechnikum und Real⸗ schulen; für das Turnen gemäß den Propositionen der Regie⸗ rung. Eine Ausnahme fand nur statt bezüglich der Landes⸗ Universität und des Polytechnikums. Für Erstere wurden statt der verlangten 19,876 fl. 30 kr. nur 18,176 fl. 30 kr. bewilligt und zwar wurde diese Summe nicht zur gleichmäßigen Aufbesse⸗ rung aller Gehalte um ¼, sondern zur Aufbesserung der Ge⸗ halte bis zu 2000 fl. und betreffs Verwendung des verbleiben⸗ den Restes behufs vorzugsweiser Bedenkung der Professoren nach dem Dienstalter bewilligt. Für das Polytechnikum wurden zwar die verlangten 9272 fl. bewilligt, jedoch ebenfalls nicht zur gleich⸗ mäßigen Aufbesserung aller Lehrer um ⅛¼ der Besoldung, son⸗ dern zur Erhöhung der weniger als 2000 fl. betragenden Besol⸗ dungen und dann zur vorzugsweisen Berücksichtigung der älteren Lehrer. Ein Antrag des Abg. Heinzerling: Das Schulgeld an den Gymnasien und Realschulen für zwei diese gleichzeitig be⸗ suchende Söhne nur auf %¾%, für drei und mehr Söhne auf die Hälfte des Betrags festzusetzen, wurde angenommen. Ebenso fand ein Antrag des Ausschusses auf Vereinigung der Ober⸗ Rechnungskammer⸗Justifikatur II. Abtheilung mit der J. Abthei⸗ lung die Zustimmung der Kammer. Erwähnt mag noch werden, daß die Eingabe der Realschul⸗Direktoren zu Mainz und Darm⸗ stadt, sowie sämmtlicher Reallehrer, betreffend die Gehalts⸗ verhältnisse an den Realschulen, der Regierung zur etwa geeig⸗ b--. Berücksichtigung bei einem künftigen Budget überwiesen wurde.

14. Juni. (W. T. B.) Die Kaiserin von Rußland ist heute Nachmittag 1 Uhr in Jugenheim eingetroffen.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 14. Juni. Die „Wien. Z.“ publizirt die vom Kaiser genehmigten Beschlüsse der Dele⸗ gationen des Reichsraths in Betreff des Voranschlages für den gemeinsamen Staatshaushalt im Jahre 1875, ferner die in Betreff der Schlußrechnungen der Jahre 1872 und 1871.

(Wien. Z3.) Die Einberufung der Landtage für die im Reichsrathe vertretenen Königreiche und Länder ist im Allgemeinen für den 15. September d. J. in Aussicht genom⸗ men. In Betreff der Landtage von Görz⸗Gradisca, Istrien und Triest ist auf Ansuchen der betreffenden Landesausschüsse, sowie des Podesta von Triest und zwar mit Rücksicht auf die im Sep⸗ tember stattfindende Weinlese von Seite der Regierung die Statthalterei in Triest ermächtigt worden, die Einberufung der Landtage von Görz⸗Gradisca und von Istrien für den 19. August, von Triest für den 29. August d. J. in Aussicht zu stellen.

Der Minister des Innern, Frhr. v. Lasser, ist zum Kurgebrauch in Marienbad eingetroffen.

Pest, 12. Juni. Im Abgeordnetenhause interpellirte Tavassi wegen Regelung der hauptstädtischen Polizei, Szentimrey wegen der Einrichtung der Kaschauer landwirthschaftlichen Lehr⸗

anstalt, Cseh wegen der ungleichen Einfuhrzölle auf Brenn⸗ und s

Bauholz an der südlichen Grenze Siebenbürgens. Nagy legte einen Gesetzentwurf vor über die gesetzliche Feststellung des Zins⸗ fußes für Hypothekarschulden. Die Gesetzvorlagen über die praktischen Richterprüfungen und über das Verfahren in Fällen falscher Krida wurden in dritter Lesung angenommen, ferner die sanktionirten Gesetze über das Pester Grundbuch und das Verfahren bei Wechselfälschungen promulgirt, dann die Modifikationen, die das Oberhaus an den Gesetzentwürfen über die Unterdrückung der Rinderpest und in Betreff der Haftpflicht der Eisenbahnen vornahm, angenommen, endlich die noch in Schwebe gebliebenen Paragraphen der Advokatenordnung, sowie die Gesetzentwürfe über die Vermehrung der Handelsbeisitzer beim Budapester Wechselgerichte und über die Organisirung des sta⸗ tistischen Landesbureaus in erster und zweiter Lesung erledigt. Wie „Pesti Naplo“ nunmehr erfährt, übernimmt das Rothschildsche Konsortium definit v den bisher unbegebenen Rest von 15 Millionen Silbergulden der ersten Hälfte der unga⸗ rischen 153⸗Millionen⸗Anleihe und gewährt der ungarischen Regierung einen in noch festzustellenden Raten zahlbaren Vor⸗ schuß von 30 Millionen Silbergulden auf die zweite Hälfte dieser Anleihe. Bezüglich dieser zweiten Hälfte behalten sich die Re⸗ gierung und das Konsortium freie Hand vor und soll hierüber

erst im Herbste verhandelt werden. Der Vorschuß auf die Ost⸗

bahn⸗Prioritäten wird wahrscheinlich prolongirt werden.

Schweiz. Bern, 13. Juni. (W. T. B.) Der Stände⸗ rath hat eine nachträgliche Uebereinkunft zum internationalen Münzvertrag genehmigt, wonach im Januar 1875 ein neuer Münzkongreß in Paris zusammentreten soll.

14. Juni. (W. T. B.) Die heutige sehr zahlreich be⸗ suchte Versammlung von Delegirten der liberal⸗ katholischen Gemeinden der Schweiz ist nach kurzer Vor⸗ debatte in die Berathung des vom Pfarrer Herzog ausgearbeiteten Entwurfs einer Verfassung der christkatholischen Kirche in der Schweiz eingetreten.

15. Juni. Der vorgelegte Entwurf einer Verfassung der christkatholischen Kirche in der Schweiz wurde im Großen und Ganzen ohne Abänderungen von erheblicher Bedeutung ange⸗ nommen und insbesondere beschlossen, ein Nationalbisthum zu errichten, die einzelnen Bestimmungen über die Befugnisse und die Absetzung des Bischofs indessen an den Ausschuß zurück⸗ verwiesen.

Niederlande. Haag, 14. Juni. (W. T. B.) Die Regierung hat der Zweiten Kammer einen Bericht über die Finanzverwaltung zugehen lassen. Nach demselben beträgt das Defizit im niederländischen Staatshaushalt pro 1874 3 ½ Millionen Fl. Dasselbe wird mittelst Emittirung von Schatz⸗ billets gedeckt. Was das Kolonialbudget betrifft, so hat der Krieg gegen Atchin bis 8 etwa 13 Millionen Fl. gekostet; weiter erforderlich zu demselben Zwecke sind etwa 6 ½ Millionen,

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und bleiben demnach noch 20 Millionen von dem vorveranschlag ten Ueberschusse disponibel.

Großbritannten und Irland. London, 12. Juni. Die Königin wird am 17. oder 18. d. M. Balmoral verlassen und nach Windsor zurückkehren. Aus Oxford wird gemel⸗ det, daß Prinz Leopold, der jüngste Sohn der Königin, von seinem Hüfteübel so weit wiederhergestellt ist, daß er ausgehen kann und wahrscheinlich im Stande sein wird, an den bevor⸗ stehenden Universitäts⸗Festlichkeiten Theil, zu nehmen. Der Prinz von Wales wohnte gestern dem jährlichen Banket der Benchers des Middle⸗Temple, deren Mitglied er ist, bei.

Im Buckingham⸗Palast fand vorgestern Abend ein Hof⸗ konzert statt, das sehr zahlreich besucht war. Der Prinz und die Prinzessin von Wales, der Herzog und die Herzogin von Edinburgh, der Herzog von Connaught (Prinz Arthur), Prinz und Prinzessin Christian von Schleswig⸗Holstein, die Prinzessin Louise und der Marquis von Lorne, der Herzog von Cambridge und der Herzog und die Herzogin von Teck, die Mitglieder des diplomatischen Corps und ein großer Theil der hohen Aristo⸗ kratie befanden sich unter den Anwesenden. Das Programm umfaßte Musikstücke von Richard Wagner (Tannhäuser⸗Ouver⸗ ture und Preis⸗Lied aus: „Die Meistersinger von Nünberg“), Mozart, Gounod c.

„— Der Lordmayor gab vorgestern den Richtern der Königlichen Gerichtshöfe das herkömmliche Diner in der aegyp⸗ tischen Halle des Mansion⸗House. Dasselbe hatte sehr zahlreiche Betheiligung und wurde durch die Anwesenheit des Marine⸗ Ministers, Ward Hunt, besonders ausgezeichnet.

In Bedford wurde gestern in Gegenwart einer zahl⸗ reichen Menschenmenge eine Statue John Bunyans, des Dissidenten⸗Predigers und Verfassers von „The Pilgrims Pro- gress“ enthüllt.

13. Junj. (W. T. B.) Der Herzog und die Her⸗

ogin von Edinburgh sind heute früh zum Besuche des Kaisers und der Kaiserin von Rußland nach Ems abgereist.

14. Juni. (W. T. B.) Bei der anderweiten Wahl eines Parlamentsmitgliedes für Wighton ist Marc John Stewart (konservativ) mit einer Majorität von 8 Stim⸗ zmen gewählt worden.

Frankreich. Paris, 13. Juni. Der Präsident hat, wie das „Journal officiel“ anzeigt, 1232 von den Militär⸗ gerichten Verurtheilten die Wirkungen seiner Gnade ange⸗ deihen lassen und 966 dieserg Verurtheilten den Rest ihrer Strafen ganz geschenkt, 266 derselbem sie gemildert.

14. Juni. (W. T. B.) Der Graf von Sainte Croix ist wegen der Gambetta zugefügten Unbill zu einer sechsmonatlichen Gefängnißstrafe, sowie in eine Geldbuße von 200 Fres. und in die Kosten verurtheilt worden. Die übrigen verhafteten Ruhestörer wurden zu verschiedenen Gefängnißstrafen im Betrage von 8 Tagen bis zu 1 Monat verurtheilt. Heute sind am Bahnhofe von St. Lazare keine Ruhestörungen vor⸗ gekommen.

Cassagnac hat eine wiederholte Herausforderung des Republikaners Clemenceau zum Duell abgelehnt.

Das Gerücht, der Herzog von Decazes beabsichtige von seinem Posten zurückzutreten, wird von der „Agence Havas“ dementirt.

Versailles, 13. Juni. (W. T. B.) In der Natio⸗ nalversammlung brachte heute der Kriegs⸗Minister Cissey einen Gesetzentwurf ein, betreffend die Bestimmungen, welche bei einem Uebergange der Armee vom Friedensfuße auf den Kriegsfuß zu treffen sind. Die Vorlage wurde für dringlich erklärt und der Armeekommission überwiesen. Hierauf beantragte der Deputirte Houssard, im Interesse der landwirth⸗ schaftlichen Arbeiten das Aufgebot des zweiten Theiles des Kontingents hinauszuschieben. Der Minister des Acker⸗ baues und Handels, Grivart, machte darauf aufmerksam, daß der Kriegs⸗Minister durch die Entscheidung der Nationalver⸗ ammlung in dieser Beziehung gebunden sei und die Verant⸗ lichkeit für eine solche Maßregel nicht auf sich nehmen könne.

Das linke Centrum wird, wie aus parlamentarischen Kreisen mitgetheilt wird, am nächsten Montag einen Antrag stellen, welcher die definitive Proklamation der Republik

unter dem Marschall Mac Mahon als Präsidenten auf die Zeit

von 7 Jahren verlangt. Dieser Antrag läßt eine vollständige oder eventuell auch nur theiweise Revision der gegenwärtigen republikanischen Verfassung zu. Das linke Centrum beabsichtigt mit dem Einbringen dieses Antrages zugleich die Dringlich⸗ keit für denselben zu verlangen. Man hofft, ein Theil des rechten Centrums werde dem Antrage beistimmen, doch ist dies noch zweifelhast.

14. Juni. (W. T. B.) In einer Versammlung der gemäßigten Linken und der äußersten Linken, welche gestern Abend stattgefunden hat, wurde beschlossen, ob⸗ gleich die Fraktionen eine konstituirende Gewalt der Nationalver⸗ sammlung im Prinzip nicht anerkennen könnten, trotzdem für den konstitutionellen Antrag zu stimmen, welcher, wie ben gemeldet, am Montag vom linken Centrum gestellt werden wird, weil man darin einen Versuch erblicke, die Republik vor den Angriffen der

Bonapartisten sicher zu stellen.

Spanien. Madrid, 13. Juni. (W. T. B.) Dem Vernehmen nach soll die Zahlung der verfallenen Cou⸗ pons vermittelst eines zu diesem Zwecke zu creirenden Werthpa⸗ pieres erfolgen, das in bestimmten Zeitabschnitten amor⸗ tisirt werden soll. Die künftig fälligen Coupons sollen mit 1 ½ Prozent in Silber bezahlt werden und ist zu diesem Zwecke in das Budget für 1875, dessen Veröffentlichung bevorsteht, ein Betrag von 600 Millionen Realen eingestellt. 8

Nach in Paris eingegangenen Nachrichten aus Madrid vom 13. Juni hat die Armee ihre Operationen wieder aufge⸗ nommen. General Concha wird seine Truppen bei Tafalla konzentriren.

Der Carlistenchef Emio ist in Paris angekommen.

14. Juni. (W. T. B.) Nach einer Meldung der „Epoca“ hat der Finanz⸗Minister Camacho am 11. d. für die Waaren, die bei dem Kantonalaufstande in Cartagena deut⸗ schen Kaufleuten von den Aufständischen weggenommen worden waren, den Betrag von 20,000 Piastern auszahlen lassen.

Italien. Venedig, 13. Juni. (W. T. B.) Der Katho⸗ liken⸗Kongreß hat in seiner heutigen Sitzung die Anträge, betreffend 1) die Betheiligung an Wohlthätigkeits⸗Instituten, 2) die Herbeiführung eines im christlichen Sinne gehaltenen Unterrichts an den Munizipalschulen, 3) die Betheiligung an den admini⸗ strativen Wahlen und 4) die Wahl einer Kommission zur Grün⸗ dung von Universitäten angenommen.

Türkei. Konstantinopel, 14. Juni. (W. T. B.) Die Regierung hat die Ratifizirung des von Sadyk Pascha ab⸗

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