1874 / 209 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 07 Sep 1874 18:00:01 GMT) scan diff

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8 v1X4X“ Aus Kaiserslautern liegen vom heutigen M

telegraphische Meldungen vor: Der Kronprinz hat sich gestern von Stuttgart über Neustadt und Kaiserslautern nach Homburg begeben. Auf allen Stationen war eine zahlreiche Volksmenge versammelt, welche Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit mit lauten Zurufen begrüßte; in Neustadt und Kai⸗ serslautern wurde Höchstderselre von den Behörden und von den Kriegervereinen empfangen. Die Ankunft in Homburg erfolgte Abends um 8 Uhr. Die Stadt war zu Ehren der Anwesenheit des Kronprinzen festlich illuminirt, Abends spät wurde Ihm ein glänzender Fackelzug gebracht. Nach dem heute stattfindenden Brigade⸗Manöver wird Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit am Nachmittage die Burg Sickingen bei Land⸗ stuhl besuchen; morgen wird Höchstderselbe Sich nach Zweibrücken begeben. Uebermorgen werden die Divisions⸗Manöver bei Hom⸗ burg beginnen.

Ihre Königlichen Hoheiten die Prinzen Friedrich Wilhelm und Heinrich von Preußen, Söhne Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen, trafen am 4. d. M. in Blankenburg ein und stiegen im Hotel „Zur Krone“ ab.

Ueber die nationale Feier des 2. September liegen heute so zahlreiche Festbeschreibungen aus allen Gegenden des Reiches vor, daß wir uns auf Angabe der Namen der be⸗ treffenden Ortschaften beschränken müssen. Es sind die fol⸗

enden:

8 Schippenbeil, Züllichau, Anclam, Bergen, Blublitz, Colberg, Callies, Demmin, Gartz a. O., Gollnow, Grimmen, Löcknitz, Lauenburg, Massow, Neuwarp, Neustettin, Rügenwalde, Stolp, Schlawe und Wangerin. Borek, Jutroschin, Radojewo, Samter, Schroda, Tirschtiegel, Lissa, Neustadt bei Pirna, Obersitzko, Rawitsch, Deutsch⸗ issa, Münsterberg, Winzig, Goschütz, Wiersbel, Creuzburg, Poppelau, Carlsruhe O.⸗S., Leobschütz, Lublinitz, Zborowski, Rybnik, Pleß, Friedland O.⸗S., Leschnitz, Groß⸗Glaesen, Kreuzenort, Schweidnitz, Sagan, Petersdorf, Poln. Neudorf,

Schalkowitz, Ratibor, Mojawola, Leuthen, Neumarkt, Auras, Leubus, Löwenberg,

Haynau, Neusalz a. O., Goldberg, Gottesberg, Grünberg, Schoem⸗ berg, Sprottau, Stroppen, Koeben, Frankenstein, Nimptsch, Karschau, Strehlen, Namslau, Poln. Wartenberg, Halberstadt, Springe, Rethen, Duderstadt, Lüneburg, Emden, Esens, Wittmund, Gr. Schneen, Uchte, Hoya, Alfeld, Burgdorf, Bramsche, Melle, Georgs⸗Marien⸗Hütte, Wildemann, Falling⸗

Trachenberg, Gr.⸗Tinz,

Postel, Bockenem, Papenburg, Wallau, Flörsheim, Geisenheim,

Villmar, Lahr,

Schlangen⸗

Herborn, Essen,

Nassau, Dauborn, Runkel, Battenberg,

bad, Heddernheim, Usingen,

Beochum, Hörde, Hagen, Unna, Hamm, Bielefeld ꝛc.; ferner

Erlangen, Fürth, Kissingen, Muggendorf; Zwickau, Chem⸗ nitz, Crimmitschau, Meißen; Rottweil, Winnenden, Rottenburg a. N., Nürtingen, Künzelsau, Laupheim, Gmünd, Ravensburg, Weilheim, Freudenstadt, Passau, Ansbach, Schweinfurt, Weißenburg, Speyer; Lörrach, Baden, Badenweiler, Stockach, Dürrheim, Constanz, Heidelberg; Offenbach, Bingen, Würrstadt, Castel,

Bermersheim, Heppenheim a. d. W., Pfungstadt, Hungen, Die⸗ burg, Seckmauern i. D. Langen⸗Brombach; Groß⸗Umstadt, Groß⸗

Zimmern, Schaafheim, Gießen, Lauterbach, Alsfeld, Jena, Ober⸗ Weimar, Eisenach, Auma, Großrudestedt, Pillingsdorf, Zwätzen; Bützow; Jeßnitz; Seesen, Harzburg, Königslutter, Stadt⸗ oldendorf, Volkersheim, Lutter a. B., Wolfenbüttel; Detmold, Coburg, Gotha, Uelleben, Boilstädt, Sundhausen,

Emleben, Gospiteroda, Leina, Mülhausen ꝛc.

Die von dem Reichs⸗Eisenbahn⸗Amt veranlaßten, am 4. d. M. unter dem Vorsitze des Präsidenten Maybach be⸗ gonnenen Berathungen mit Delegirten deutscher Eisen⸗ bahn⸗Verwaltungen über den nächsten Wanterfahr⸗ plan sind am folgenden Tage geschlossen worden. Das Ergeb⸗

niß derselben darf im Allgemeinen als ein befriedigendes bezeich⸗

net werden, indem, soweit es der beschränkte Rahmen eines Winterfahrplans gestattet, manche Verbesserungen gesichert, an⸗ dere angebahnt und für verschiedene wichtige Einrichtungen ge⸗ meinsame Gesichtspunkte gewonnen sind, welche für die Zukunft von den besten Folgen für den öffentlichen Verkehr sein werden.

Der Minister des Innern hat unterm 22. August cr. im Anschluß an die Cirkular⸗Verfügung vom 8. Juni cr., be⸗ treffend die Ausführung des Gesetzes vom 9. März cr. über die Beurkundung des Personenstandes und die Form der Ehe⸗ schließung, den Ober⸗Präsidenten folgende Formulare 1) für Aufgebote (§§. 27 ff. des Gesetzes), 2) für standesamt⸗ liche Ermächtigungen (§. 26 des Gesetzes) übersandt: Aufgebot. Es wird zur allgemein Kenntniß gebracht, daß 1G wohnhaft zu Sohn de 2) und die . wohnhaft zu die Ehe mit einander eingehen wollen. 3 Dem unterzeichneten Standesbeamten ist ein Hinderniß dieser Ehe nicht bekannt. Etwaige auf Ehehindernisse sich stützende Ein⸗ sprachen sind bei dem unterzeichneten Standesbeamten anzubringen. Die Bekanntmachung des Aufgebots hat in de

eschehen. “” 8 Der Standesbeamte. Die Bekanntmachung des Aufgebots ist erfolgt durch

Standesamtliche Ermächtigung. Der unterzeichnete Standesbeamte des Königlich Preußischen Standesamtes zu. Kreis ertheilt hierdurch die Ermächtigung, daß die Ehe zwischen 1) dem wohnhaft zu 2) und der. wohnhaft zu vor dem Standesbeamten zu geschlossen werde. Zugleich bescheinigt der unterzeichnete Standesbeamte, daß das vorschriftsmäßige Aufgebot 1“ 2 erfolgt ist und daß Ehehindernisse nicht zu seiner Kenntniß gekom⸗

ök4“4“”“ 1 Der Standesbeamte. 9 Der Minister bemerkt dazu: Schreibt auch das Gesetz den Gebrauch solcher Formulare nicht ausdrücklich vor, so wird doch auf denselben thunlichst hinzuwirken sein, um so die Beobachtung

der gesetzlichen Bestimmungen möglichst sicher zu stellen.

Euer ersuche ich daher, im Einverständnisse mit dem Herrn Justiz⸗Minister, ganz ergebenst, den Gemeinden zu em⸗ pfehlen, die in Rede stehenden Formulare in ausreichender An⸗ zahl 2 zu lassen und dieselben demnächst den Standes⸗

katholizismus auch im Innern Rußlands immer I1“ 13“ 7 8 86 131“ 1

3 1 In Nr. 203 der „Berliner Bürger⸗Zeitung“ ist die Mit⸗ theilung enthalten, daß der Bau der Brücke über den Schiffahrtskanal am Halleschen Thor nicht fortschreite, weil der Finanz⸗Minister versäumt habe, den entsprechenden Bau⸗ kostenbedarf auf den diesjährigen Etat zu bringen; für das nächste Jahr werde, um die Unterlassung wieder gut zu machen, die doppelte Rate gefordert werden. Diese Angabe ist un⸗ richtig. Der diesjährige Staatshaushalts⸗Etat setzt für den frag⸗ lichen Brückenbau die Summe von 40,000 Thlr. aus; dem Ver⸗ kehrsbedürfnisse ist einstweilen durch die Errichtung einer In⸗ terimsbrücke genügt, und wenn der Bau der definitiven Brücke noch nicht begonnen hat, so ist der Grund darin zu suchen, daß die in der Aufstellung des Bauplanes liegenden technischen Schwierigkeiten noch nicht überwunden sind.

Am 3. September verstarb zu Rudolstadt Prinz Adolf Bentheim⸗Tecklenburg⸗Rheda (geboren 7. Mai 1804), Königlich preußischer General⸗Lieutenant à la suite, nach kurzem Krankenlager.

Der General⸗Inspecteur des Militär⸗Erziehungs⸗ und Bildungswesens, General der Kavallerie Baron von Rhein⸗ baben, ist von seinen Dienstreisen hierher zurückgekehrt, des⸗ gleichen der General⸗Lieutenant, Staats⸗Minister und Chef der Admiralität von Stosch von seiner in Begleitung des Ka⸗ pitäns zur See und Chefs des Stabes der Admiralität Batsch, sowie des Obersten und Decernenten in der Admiralität Galster unternommenen Dienstreise behufs Inspizirung des Geschwaders in der Danziger Bucht und der Werft Danzig.

Der Königlich schwedische General⸗Postdirektor Roos ist auf der Durchreise nach Bern gestern hier eingetroffen. In den nächsten Tagen wird sich auch der General⸗Postdirektor Dr. Stephan in Begleitung des Geheimen Ober⸗Postraths Gün⸗ ther zu dem europäischen Postkongresse nach Bern begeben.

Bayern. München, 5. September. Prinz Luitpold hat sich vorgestern Mittags über Ingolstadt nach Neuburg begeben, um als General⸗Inspektor der Armee den Detachementsübungen und den Divisionsmanövern der 2. Division anzuwohnen. Erstere währen in der Gegend von Biberbach seitens der 3. Infanterie⸗ Brigade und bei Neuburg seitens der 4. Infanterie⸗Brigade vom 4. bis 7. d. Mts. Die Divisionsübungen werden bei Harburg mit zwei Bivouaks der ganzen Division und zwei weiteren der Vorposten vom 9. bis 14. September stattfinden.

Der Staats⸗Minister der Justiz, Dr. v. Fäustle, erhielt von Sr. Majestät dem König einen vierzehntägigen Geschäftsur⸗ laub. Während der Dauer der Abwesenheit des Miaisters wird Staats⸗Rath Dr. v. Fischer die Geschäfte des Justiz⸗Ninisteriums versehen.

Die Sedanfeier im Colosseum, der laut Kassen⸗ ausweis 2742 Personen beiwohnten, hat einen Reinertrag von 1000 Fl. ergeben, welcher dem Comité für Errichtung des Na⸗ tionaldenkmals auf dem Niederwald übergeben wird.

Die „Allg. Ztg.“ vernimmt, daß die Staatsregierung die Angelegenheit wegen Erweiterung der Räume des Land⸗ tagsgebäudes wieder aufgenommen hat, und daß in Folge dessen zur Zeit neue Baupläne und Kostenvoranschläge ange⸗ fertigt werden, und die Hoffnung besteht, es werden den Kammern nach deren Wiederberufung entsprechende Vorlagen gemacht werden können.

Die Königliche Verordnung vom 31. August über die Ehrengerichte der Offiziere im bayerischen Heere ist in dem am 4. September ausgegebenen Militär⸗Verordnungs⸗ blatt Nr. 37 mit der Bestimmung publizirt worden, daß sie mit dem Tag ihrer Verkündung in Kraft zu treten hat. Alle ein⸗ schlägigen bisherigen Bestimmungen werden als aufgehoben

erklärt.

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Der König hat

Sachsen. Dresden, 5. September. sich gestern früh, die Königin heute Morgen zu den Manövern bei Großenhain begeben, und werden beide Majestäten Nach⸗

mittags von dort nach Pillnitz zurückkehren. Morgen Mittag werden dieselben wiederum einem bei Großenhain stattfindenden Wettrennen beiwohnen. Der König gedenkt sich nächsten (7. September) zu den Manövern bei Chemnitz zu egeben.

Das „Dr. J.“ berichtigt die Mittheilung über die Sedan⸗

feier dahin, daß das in der katholischen Hofkirche am 2. Sep⸗ tember gehaltene feierliche Hochamt nicht vom Bischof Forwerk, sendfen vom Superior und Pfarrer der Hofkirche celebrirt wor⸗ en sei.

Baden. Zu Freiburg i. Br. ist am 6. September der IV. Altkatholi kenkongreß zusammengetreten. „W. T. B.“ meldet über die Verhandlung von dort Folgendes:

6. September, Vormittags. Zum Altkatholikenkongresse sind bisher über 130 Delegirte aus allen Gegenden Deutschlands und viele hervorragende Gäste eingetroffen. Unter denselben be⸗ finden sich Bischof Reinkens, Reusch, Professor Friedrich und der Reichstagsabgeordnete Voelk, die Professoren Schulte, Knoodt, Reusch und Langen aus Bonn, die Münchener Professoren Huber, Cornelius und Zirngibl, ferner Dr. Munzinger aus Olten, Pastor Dr. Brader aus Ried in Oesterreich, Professor Michelis aus Braunsberg, Staatsanwalt Fischer aus Konstanz, Dr. Petri aus Wiesbaden, Pfarrer Feig aus Baden⸗Baden, Rev. Dr. William Chancy Langdon aus Nordamerika, Tatschelloff, Propst der russischen Kirche in Wiesbaden, Professor Major aus Cambridge, Marchese Guenziere di Gonzaga aus Mantua, Prof. Talbot aus Oxford, Abbé Michaud aus Paris. In der gestern Abend im Saale der Harmonie stattgehabten Vor⸗ versammlung wurden die Delegirten und Gäste durch den Vor⸗ sitzenden des Freiburger Comités, Rechtsanwalt Fohrenbach, be⸗ grüßt. Darauf hielt Bischof Reinkens im Namen der Altkatho⸗ liken Deutschlands eine mit Begeisterung aufgenommene Rede, in der er der großen Fortschritte der altkatholischen Bewegung gedachte, von denen er sich während seiner dreimonatlichen Reise vom Süden bis zum Norden Deutschlands überzeugt habe. Er sprach den Wunsch und die Zuversicht aus, daß eine Einigung der getrennten christlichen Konfessionen durch das Streben und Forschen nach der Wahrheit zu Stande kommen werde, nicht eine Einigung durch ein äußeres Glaubensbekenntniß, sondern eine Einigung durch Erweckung des christlichen Geistes in Allen. Professor v. Holtzendorff gab darauf den Sympathien Ausdruck, mit denen die Protestanten die altkatholische Bewegung und ihre Ziele be⸗ gleiten. In gleichem Sinne sprach der amerikanische Geistliche Langdon zugleich im Namen des in der Versammlung nicht an⸗ wesenden Bischofs von Pittsburg und des gleichfalls abwesenden Bischofs von Maryland. Ebenso bekundeten Professor Major aus Cambridge und der russische Propst Tatschelloff ihre wärm⸗ sten Sympathien. Letzterer betonte insbesondere, daß der Alt⸗

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Erfolg der altkatholischen Bewegung.

größere Würdi⸗!

8 8 e““ 1 I 8 gung finde. Es sprachen darauf Prof. Huber, Amtsrichter Beck und Prof. Schulte, deren Reden ebenfalls mit großem Beifall aufgenommen wurden.

6. September. Erste Sitzung des Altkatholiken⸗ kongresses. Nachdem Schulte, Petri und Huber durch Akkla⸗ mation zu Präsidenten gewählt waren, theilte der Vorsitzende mit, daß in Gemäßheit früherer Beschlüsse zwei Kommissionen gebildet seien und zwar für die anglikanische Kirche, bestehend aus den Professoren Döllinger, Friedrich und Meßmer, sowie für die Beziehungen zur griechischen Kirche, bestehend aus Langen, Knoodt und Reusch. Auf Döllingers Wunsch sei eine Konferenz von Vertretern der christlichen Konfessionen zusammenberufen, um zu⸗ nächst über die dogmatischen Differenzen klar zu werden. Zu dieser Konferenz, welche am 14. September in Bonn stattfinden solle, habe Döllinger persönlich Einladungen an hervorragende Mitglieder der evangelischen, griechischen, anglikanischen und alt⸗ katholischen Konfession erlassen. Schulte berichtete alsdann über die durch neue Erhebung konstatirte bedeutende numerische Aus⸗ dehnung des Altkatholizismus, namentlich in Preußen und Baden. Der Vorsitzende machte schließlich Mittheilung von ein⸗ gegangenen Briefen der Bischöfe von Haarlem und Lincoln, bedauern, an der Theilnahme am Kongresse verhindert zu sein.

6. September, Nachmittags. In der heutigen ersten Delegirtensitzung, welche Vormittags 10 Uhr im Kaufhaussaale stattfand, wurden Professor Schulte zum Präsidenten, Dr. Petri und Professor Huber zu Vize⸗Präsidenten des Kongresses ge⸗ wählt. Nachdem hierauf der Vorsitzende über die Verhandlungen und Beschlüsse der im Mai d. J. zu Bonn stattgehabten ersten altkatholischen Synode Bericht erstattet, gelangten vier Resolu⸗ tionen über die Ansprüche der altkatholischen Gemeinde auf das Kirchenvermögen zur Debatte. Dieselben wurden mit den von Dr. Petri und Professor Michelis eingebrachten Amendements angenommen. An der Debatte betheiligte sich u. A. auch Bischof Reinkens.

6. September. Die in der heutigen ersten Sitzung des Altkatholiken⸗Kongresses angenommenen Resolutionen, welche an Stelle des auf der Tagesordnung stehenden Entwurfs zu einem 88 Preußen zu erlassenden Kirchengesetze beantragt wurden, auten:

Die Altkatholiken halten, wie sie bereits auf den früheren Kon⸗ gressen erklärt haben, fest an ihren Ansprüchen auf das Kirchen⸗

vermögen und verlangen von dem Staate Schutz in ihren Rechten.

Sie erklären, ohne über juristische Fragen entscheiden zu wollen, daß das Kirchenvermögen unbeschadet der bestehenden wohlerworbenen Rechte der Gemeinde gehöre, sie verwerfen, daß dasselbe der Kirche, in abstracto nach römischer Auffassung dem Papste, gehöre. Sie beab⸗ sichtigen nicht, Andere an der Feier des Gottesdienstes zu hin⸗ dern und verlangen deshalb nur die Theilung in der Benutzung der Kirchen, des Kirchengeräths, der Pfründen und Benefizien unter billiger Berücksichtigung der Seelenzahl der beiden Parteien. Das durch den römischen Nuntius zu München den römisch⸗katholischen deutschen Bischöfen aufgedrängte Vorgeben, der Simultangebrauch der Kirchen mit den Altkatholiken sei für sie kanonisch unerlaubt, ist nichts als ein Agitationsmittel zur Einschüchterung der Staatsregie⸗ rung, wie der Menge der nichtunterrichteten römischen Katholiken. Die Stärke der neukatholischen Partei kann nur durch das Re⸗ sultat einer Abstimmung der in den einzelnen Gemeinden wahl⸗ berechtigten Katholiken über die Frage, ob sie die in der Konstitution om 18. Juli 1870 ausgesprochenen Sätze über die Unfehlbarkeit und Allgewalt des Papstes anerkennen, festgestellt werden, weil eine kirch⸗ liche Partei in einem dogmatischen Streite durch Abstimmung über eine Negative überhaupt nicht festgestellt werden kann. Der Staat, welcher die Verpflichtung hat, die Altkatholiken in ihren Rechten zu schützen und denselben einen entsprechenden Antheil an dem Kirchen⸗ vermögen zuzusichern, hat daher auch die Pflicht, eine solche Ab⸗ stimmung auf Antrag überall dort anzuordnen, wo die Rechte der Alt⸗ katholiken verletzt werden. „— 6. September, Abends. Heute um 3 Uhr fand die erste öffentliche Versammlung des Altkatholiken⸗Kongresses statt, in der ungefähr 3000 Personen anwesend waren. Professor Schulte eröffnete dieselbe mit einer Rede über den Ursprung, Zweck und 6 Professor Huber behan⸗ delte dasselbe Thema; er bekämpfte mit besonderem Nachdruck den religiösen Indifferentismus. Landamman Keller aus Aarau versicherte, daß die Schweizer den Deutschen im Kampfe gegen Rom zur Seite stehen würden, worauf Herr Schulte den Schwei⸗ zern dieselbe Versicherung im Namen der deutschen liberalen Katholiken gab. Alsdann sprachen noch Oberamtmann Beck, Professor Knoodt und der Abg. Voelk unter großem Beifall der Versammlung.

Hessen. Darmstadt, 6. September. Das am 1. d. MNM.

ausgegebene Großherzogliche Regierungsblatt Nr. 42 enthält die Verordnung, betreffend die Organisation der obersten Staats⸗ behörden, deren 3 erste Paragraphen lauten: §. 1. An der Spitze der Verwaltung des Großherzogthums steht Unser Gesammt⸗Ministerium. §. 2. Innerhalb des Gesammt⸗ Ministeriums bleiben das Ministerium des Innern, das Mini⸗ sterium der Justiz und das Ministerium der Finanzen mit ihrem bisherigen besonderen Wirkungskreise bestehen, soweit die gegen⸗ wärtige Verordnung nicht anders bestimmt. §. 3. Das Gesammt⸗ Ministerium besteht aus: 1) einem Präsidenten, welcher zugleich Mi⸗ nister des Großherzoglichen Hauses und des Aeußern ist, 2) aus den verantwortlichen Vorständen der in §. 2 erwähnten Mini⸗ terien, 3) aus den in diesen Ministerien angestellten Ministerialräthen, 4) aus einem für das Gesammt⸗Ministerium besonders angestellten Rathe. Der Präsident des Gesammt⸗Ministeriums und Minister des Großher⸗ zoglichen Hauses und des Aeußern kann zugleich Vorstand eines der in §. 2 genannten Ministerien sein. Auch dem Vorstande eines de in §. 2 genannten Ministerien kann gleichzeitig die Vorstandschaf eines andern, dort genannten Departements übertragen werden. Jedem Departements⸗Chef steht es frei, einen vortragenden Rath seines De zur Erstattung eines Vortrags und zum Beiwohnen bei de erathung des von ihm vorgetragenen Gegenstandes in die Sitzung des Gesammt⸗Ministeriums einzuführen. In besonderen Fällen können auch andere Beamte oder Sachverständige zu den Berathungen des Gesammt⸗ Ministeriums mit Genehmigung des Präsidenten zugezogen werden

Während bislang die Vorstände der einzelnen Ministerial⸗

Abtheilungen in ihren bezüglichen Departements im Wesentlichen zu beschließen hatten, wird durch diese Verordnun er Schwerpunkt der Beschlußfassung in einer ganzen Reihe von wichtigen Angelegenheiten in das aus dem Minister⸗Präsidenten, den Vorständen der drei Ministerial⸗Abthei lungen (Inneres, Justiz, Finanzen), den in den Ministerien an gestellten Räthen und aus einem besonders angestellten Rath be⸗ stehende Gesammt⸗Ministerium verlegt. Die einschlägigen Angelege heiten unterliegen der kollegialischen Berathung, ein entscheidende Votum bei der Beschlußfassung steht indessen nur dem Minister Präsidenten und den drei Vorständen der Ministerial⸗Abtheilu gen zu. Im Falle der Stimmengleichheit giebt die Stimme des Minister⸗Präsidenten den Ausschlag, es bleibt jedoch jedem Mit⸗ glied der Minderheit freigestellt, auf die Entscheidung des Regenten zu provoziren. 8 Wie die „Darmst. Ztg.“ vernimmt, der Kircher gese e an die Stände

kallen in 5 Gesetzentwürfe und betreffen: 1) die rechtliche

Fllung der Kirchen und Religionsgemeinschaften im Staate; den Mißbrauch der geistlichen Amtsgewalt; 3) die Vorbildung Anstellung der Geistlichen; 4) die religiössen Orden und ensähnlichen Kongregationen; 5) das Besteuerungsrecht der chen und Religionsgemeinschaften. Jedem Entwurf sind be⸗ dere Motive beigegeben. Der erstere Entwurf hat 6, der ite 25, der dritte 14, der vierte 5, der letzte 7 Artikel. Die twürfe werden zunächst in dem für die Kirchengesetze besonders ählten Ausschusse der Zweiten Kammer berathen. Dieser sschuß besteht aus den Abgg. Küchler, Landmann, Schröder, änzerling, Oechsner, Stüber, v. Wedekind (Darmstadt), und ar ist Letzterer mit dem Vorsitze betraut.)

„Mecklenburg. Schwerin, 5. September. Der Groß⸗ zog und die Großherzogin werden von Moskau über igsberg am 7. Abends in Berlin eintreffen. Von dort be⸗ bt sich der Großherzog am 8. nach Dortmund, während Großherzogin an demselben Tage in Steinfeld eintrifft. 7,—— 2r ves e eraaees,ae

SZachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 6. September.

Großherzog, welcher vorgestern Abend auf der Rück⸗ e von Berlin einige Stunden in Weimar verweilte, traf ern Nacht mit dem Schnellzuge in Eisenach ein und kehrte ch Schloß Wilhelmsthal zurück.

Sachsen⸗Meiningen⸗Hildburghausen. Meiningen, September. (W. T. B.) Ein gestern Nachmittag in einem ckkerhause hier ausgebrochenes Feuer griff mit solcher ftigkeit um sich, daß bis 11. Uhr über 250 Wohn⸗ user niedergebrannt waren. Mehr als 3000 Personen sind dachlos, von denen die Hälfte der ärmeren Klasse angehört. r angerichtete Schaden ist noch nicht zu übersehen und schnelle lfe dringend geboten. 7. September, Morgens. Das vorgestern Nachmittag ausgebrochene Feuer konnte gestern Morgen gegen 2 Uhr ar auf seinen Heerd beschränkt werden; indeß brannten die ümmer bei der außerordentlichen Ausdehnung der Feuers⸗ nst noch während des ganzen gestrigen Tages, und gestern bend verließen viele Bewohner des vom Feuer verschont ge⸗ ebenen Theiles der Stadt ihre Wohnungen und kampirten im keien, weil die Flammen stellenweise wieder viel mächtiger em⸗ rschlugen. Die Nacht ist jedoch gut vorübergegangen. Der erth der durch das Feuer zerstörten Baulichkeiten wird auf Millionen Gulden geschätzt, der Verlust an Mobiliarvermögen noch nicht zu übersehen. Die 3000 Obdachlosen haben bei

Schnelligkeit, mit welcher das Feuer um sich griff, fast alle e Habseligkeiten verloren. Es fehlt an Wäsche, Kleidungs⸗ cken und selbst an Nahrungsmitteln. Alle Gaben zur Lin⸗ rung der Noth sind an den Ober⸗Bürgermeister der Stadt zu

Anhalt. Dessau, 5. September. Dem „Anh. St.⸗A.“ folge hat der Landtagsabgeordnete Pfarrer Urfin seinen Ent⸗ rf einer kirchlichen Gemeinde⸗ und Synodal⸗Ver⸗ ssung für Anhalt beendet und wird ihn demnächst an die effentlichkeit treten lassen.

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Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 5. September. Der Kaiser t gestern, gleich nachdem Se. Majestät die Nachricht von der ückkehr der österreichischen Nordpol⸗Expedition erhalten hatte,

den Schiffs⸗Lieutenant Weyprecht und den Ober⸗Lieutenant ayer nach Vardö ein Telegramm absenden lassen, in welchem

Kaiser der österreichischen Nordpol⸗Expedition, ihrem Führer ind Leiter, die Allerhöchsten Glückwünsche zu deren glücklicher ettung, sowie seine Befriedigung und lebhafte Freude über re Ruüͤckkehr ausdrücken läßt.

Der Kaiserliche und Königliche Gesandte Graf Chotek von Brüssel hier angekommen.

Erzherzog Albrecht besichtigte am 1. d. M. Abends i Hermannstadt die nächst dem Orte Westen bivouakirenden ruppen. Am 2. Abends verließ Se. Kaiserliche Hoheit Her⸗ aannsstadt und ist gestern Morgen in Wien eingetroffen.

Prag, 5. September. (W. T. B.) Die „Bohemia“ meldet s zuverlässiger Quelle, daß Graf Andrassy, ohne Prag berühren, sich am Dienstag gleichzeitig mit den fremden Offi⸗

teren direkt nach Brandeis begeben wird, um den Manövern

izuwohnen.

Schweiz. Genf, 5. September. (W. T. B.) Die hie⸗ ge Regierung hat 19 katholische Geistliche, welche die Ab⸗ istung des verfassungsmäßigen Eides verweigerten, ihres Amtes tsetzt und den Kirchenrath beauftragt, für die Verwaltung er vakanten Stellen Sorge zu tragen.

Niederlande. Haag, 5. September. (W. T. B.) Nach ner hier eingetroffenen Depesche aus Atchin vom 3. d. M. ätten sich die Ortschaften Patti und Kloewang (Nordwestküste) n Niederländern bereits unterworfen; auch an der Nordostküste berde wegen der Unterwerfung unterhandelt.

Belgien. Brüssel, 6. September. (W. T. B.) Der König hat den neu ernannten spanischen Gesandten Her⸗ og von Tetuan heute Nachmittag 2 ½ Uhr in feierlicher Audienz empfangen und dessen Kreditive entgegengenommen.

Frankreich. Paris, 6. September. (W. T. B.) Groß⸗ ürst Konstantin von Rußland machte gestern dem Mar⸗ schall⸗Präsidenten einen Besuch, den dieser kurz darauf er⸗ wwiderte. Au Herrn Thiers stattete der Großfürst in Begleitung ees Grafen Orloff einen halbstündigen Besuch ab. Der Groß⸗ ürst begiebt sich morgen mit der Herzogin von Leuchtenberg ach Biarritz.

Der Marschall⸗Präsident will den bei dem Corps es Generals Clinchant stattfindenden Manövern beiwohnen

and geht zu dem Ende am 13. d. M. nach Bethune.

Geruͤchtweise verlautet, der Vicomte de Gabriac sei zum Nachfolger des Grafen Chaudordy auf dem Berner Ge⸗

sandtschaftsposten bestimmt.

In Msze, unweit Montpellier, haben am Jahrestage

es 4. September Unruhen stattgefunden, so daß die Gens⸗ harmerie genöthigt war, einzuschreiten und von ihren Waffen Gebrauch zu machen. Neunzehn Personen sind verwundet und eine getödtet worden. Nach Moͤze sind Truppen abgesandt worden. Auch in Lyon sind am 4. d. einige Verhaftungen borgenommen. 7. September. (W. T. B.) Der Empfang des spa⸗ ischen Gesandten Marquis de la Vega y Armijo vird am Frectage stattfinden. Noch an demselben Tage wird der Marschall sich nach Lille begeben, um den Manövern bei Bethune beizuwohnen, und am nächsten Dienstag von dort hierher urückkehren.

Spanien. Madrid, 5. September. (W. T. B.) Die amtliche „Gaceta“ meldet, daß mehrere von den Carlisten unternommene Sturmangriffe auf Castro d’Urdiales zurückgewiesen sind.

Dem „Reuterschen Bureau“ geht aus Santander unter dem 6. September die Nachricht zu, daß die deutschen

Kanonenboote „Albatros“ und „Nautilus“ von den Car⸗

listen aus Guetaria (bei Tolosa) beschossen worden seien und in Erwiderung des Angriffes 24 Bomben in die Stadt geworfen hätten. Die Schiffe sollen gestern bereits nach San⸗ tander zurückgekehrt sein.

Weitere Meldungen über Paris, 7. September, bestäti⸗ gen, daß die carlistischen Batterien bei Guetaria, welche die Stadt beschießen, auch auf die deutschen Kriegsschiffe geschossen haben. Letztere erwiderten das Feuer gegen die carlistischen Batterien und setzten darauf die Fahrt nach Santander fort.

Nach einer aus Bayonne über Paris eingetroffenen Mel⸗ dung blokiren die Carlisten die Stadt Pamplona.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 3. Sep⸗ tember. Se. Majestät der Kaiser von Rußland hat folgendes Manifest, betreffend die Vermählung des Groß⸗ fürsten Wladimir, unter dem 28. d. M. erlassen; dasselbe ist am 29. in dem „Messager officiel“ publizirt worden und lautet:

„Von Gottes Gnaden Wir, Alexander der Zweite, Kaiser und Selbstherrscher aller Reußen ꝛc. ꝛc. thun allen Unseren getreuen Unter⸗ thanen kund und zu wissen: 8

Nach dem Willen Gottes und mit Unserem und Unserer gelieb⸗ ten Gemahlin, der Kaiserin, elterlichem Segen hat Unser geliebter Sohn, der Großfürst Wladimir Alexandrowitsch, mit der Tochter des regierenden Großherzogs von Mecklenburg⸗Schwerin, der Herzogin Maria, ein Ehebündniß geschlossen, und am 16. August dieses Jahres ist ihre Vermählung in der Großen Kapelle des Winterpalais nach dem Ritus unserer rechtgläubigen Kirche in Unserem Beisein feierlich vollzogen worden.

Indem Wir von diesem für Unfer väterliches Herz freudigen Er⸗ eignisse Kunde geben und zuͤgleich befehlen, Unserer geliebten Schwieger⸗ tochter, der Gemahlin des Großfürsten Wladimir Alexandrowitsch,

- den Namen „Großfürstin Maria Pawlowna“ und den Titel „Kaiser⸗

liche Hoheit“ zu geben, haben Wir die vollkommene Ueberzeugung, daß alle Unsere getreuen Unterthanen ihre Gebete zu dem allmächtigen und allgütigen Gott um dauerndes, unwandelbares Wohlergehen für die n Herzen theuren Neuvermählten mit den Unsrigen vereinigen werden.

Gegeben zu St. Petersburg am 16. (28.) August im Jahre des Herrn eintausend acht hundert vier und siebzig, Unserer Regierung im zwanzigsten.“

Amerika. Rio de Janeiro, 5. September. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer hat in der gestrigen Sitzung den Antrag des Deputirten Roma, mehrere Mitglieder des Ministeriums wegen Hochverraths und Verschwörung gegen den Staat und die Religion in Anklagezustand zu versetzen, ein⸗ stimmig abgelehnt.

Asien. Shangai, 6. September. Nach hier eingegan⸗ genen, jedoch noch nicht verbürgten Nachrichten sind die zwischen der chinesischen und der japanischen Regierung wegen der Insel Formosa entstandenen Schwierigkeiten beigelegt.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Ritters geographisch⸗statistisches Lexikon über die Erdtheile. Länder, Meere, Buchten, Häfen, Seen, Flüsse, Inseln, Gebirge, Staaten, Städte, Flecken, Dörfer, Weiler, Bäder, Berg⸗ werke, Kanäle ꝛc. mit Angabe sämmtlicher Post⸗, Eisenbahnen⸗ und Telegraphenstationen der wichtigeren Länder, erscheint gegenwärtig unter Redaktion von Dr. Otto Henne⸗Am⸗Rhyn (bei Otto Wigand in Leipzig) in sechster durchaus umgearbeiteter, vermehrter und ver⸗ besserter Auflage und ist bereits bis zum Namen „Ronda“ gelangt. Das Fortschreiten der Wissenschaft und die erleichterte Zugänglichkeit der statisti⸗ schen Arbeiten aller Länder haben dem Lexikon bei jeder neuen Be⸗ arbeitung eine veränderte Gestalt gegeben; bei der gegenwärtigen be⸗ steht die wesenilichste Umgestaltung in der Berücksichtigung der durch die letzten drei größeren Kriege herbeigeführten politischen Veränderun⸗ gen. Hierzu kommen noch die zahlreichen neuen Entdeckungen der letzten acht Jahre und in denselben stattgehabte neue Kolonisationen und Gründungen von Staaten und Territorien. Der Reichthum des in dieser Zeit zugeströmten Materials machte es nöthig, durch die knappste Form die größte Vollständigkeit zu erzielen, und so sind denn geographische und ethnographische Beschreibungen und Schilderungen, physikalische Erörterungen und größere historische Notizen auf das Nothwendigste beschränkt worden. Dadurch ist die Artikelzahl wesent⸗ lich vermehrt worden, ohne daß der Umfang des Werkes in gleichem Verhältniß gesteigert worden wäre. Die Länder und Staaten sind skizzirt nach ihrer Lage, politischen Eintheilung, Areal und Bevöl⸗ kerung, Gestaltung der Oberfläche, Naturerzeugnissen, Handel und Industrie, Kulturzuständen, Staatshaushalt, Vertheidigungsmitteln, Münzen, Maßen ꝛc.; ähnlich, nur gedrängter, die Provinzen, Bezirke, Brafschaften, Departements, Kantone ꝛc.; ferner die Städte, ihre Lage und Einwohnerzahl nach dem letzten Census, nebst ihren Merk⸗ würdigkeiten, kleinere Orte noch mit Angabe der nächsten Post oder Pfarrei, endlich alle Post⸗, Eisenbahn⸗ und Telegraphen⸗Stationen der wichtigeren Länder. Wie in der fünften Auflage, sind die Orte Deutschlands, Deutsch⸗Oesterreichs und der Schweiz schon von 100 Einwohnern an aufgenommen. Bei anderen europäischen Ländern wird mit Orten von 2 500, bei außereuropäischen mit solchen von 500 1000 Einwohnern angefangen. Gleiche Regel⸗ mäßigkeit ist eingeführt in der Schreibweise der Ortsnamen, sowie in der Einreihung derselben nach Alt, Neu, Ober, Nieder, Groß, Klein, Heilig ꝛc. und deren Uebersetzung in den verschiedenen Sprachen.

Nach dem Quellenverzeichniß sind der Redaktion des Werks die vollständigsten und genauesten Angaben über die gegenwärtigen Ver⸗ hältnisse der Länder und Orte aus Deutschland, der Schweiz, den Niederlanden, Oesterreich, Frankreich, Italien, Portugal, Serbien, Rumänien und Griechenland, und in allen wichtigen Beziehungen aus England, Nordamerika, Dänemark, Schweden und Rußland, also im Ganzen gerade aus den zivilisirtesten, für die neuesten Territorial⸗ veränderungen und für Handel und Gewerbe wichtigsten Ländern und Staaten zugegangen. Diese neue Auflage des Lexikons ist daher für Post⸗Bureaus, Comptoirs, Kaufleute, Fabrikanten, Zeitungs⸗ leser, Reisende, Real⸗, Industrie⸗ und Handelsschulen, ein ganz un⸗ entbehrliches Hülfsmittel. Sie erscheint in 2 Bänden und in ca. 18— 20 Lieferungen zum Preise von je 15 Ngr. oder 1 ½ Mark, von denen bereits die 5. Lieferung 2. Bandes ausgegeben worden ist.

Das am 2. September in München feierlich enthüllte Kriegerdenkmal vom Stadtbaurathe Zenetti entworfen und von den Bildhauern Oehlmann und L. Eibl im Vereine mit dem Zink⸗ gußfabrikanten Hörner ausgeführt, erhebt sich inmitten der Gräber von fast 300 deutschen Kriegern, meist Preußen und Bayern, an welche ich nebenan die Gräber von 245 französischen Soldaten anreihen.

uf einfachem Sockel ruht ein Sarkophag, mit dem Eisernen Kreuz, dem bayerischen Verdienstkreuz und Lorbeerkränzen geschmückt, an dessen vier Ecken Löwen in sitzender Stellung Wacht halten und zugleich einen in konischem Vierecke gehaltenen Aufbau von Sandstein tragen. Die Vorder⸗ und die Rückseite dieses Aufbaues sind mit kunstvoll gegossenen und sinnig geordneten Emblemen des bayerischen und des preußischen Hee⸗ res geschmückt, während an den Flankenseiten je ein großer Rei⸗ sadler aus Bronze horstet. Ueber diesem Aufbau schwebt in feiner Grazie, in Bronze ausgeführt, die lebensgroße Figur einer Victoria, die mit der Rechten einen Lorbeerkranz über die Gräber herniederbreitet, wäh⸗

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rend sie in der Linken die Friedenspalme schwingt. Der Genius des Sieges, in einfachem, edlem Stil gehalten, ist eine in künstlerischer Hinsicht vorzüglich gelungene Schöpfung.

Nach dem Katalog der öffentlichen Vorlesungen an der Uni⸗ versität zu Wien für das am 1. Oktober d. J. beginnende Winter⸗ semester 1874/75 werden 370 Kollegien gelesen und acht sogenannte Fertigkeiten gelehrt werden. Von den Kollegien entfallen 19 auf die theologische, 53 auf die rechts⸗ und staatswissenschaftliche, 161 auf die medizinisch-chirurgische und 137 auf die pbilasophische Fakultät. Die Kollegien an der rechts⸗ und staatswissenschaftlichen Fakultät zer⸗ fallen in 38 rechts⸗ und 12 staatswissenschaftliche, 3 betreffen Hülfswissenschaften. An der medizinisch⸗chirurgischen Fa⸗ kultät werden gelesen Kollegien: 15 über Anatomie, 11 über Physiologie, 12 über Therapie, 26 über Medizin, 30 über Chirurgie, 15 über Augenheilkunde, 28 über Gynäkologie und Pä⸗ diatrik, 11 über Hautkrankheiten und Syphilis, 4 über Psychiatrie, 6 über Staatsarzneikunde und Hygiene, 1 über Veterinärkunde und 2 über angewandte medizinische Chemie. An der philosophischen Fakultät endlich werden gehalten Kollegien: 8 über Philosophie, 12 über Geschichte, Geographie und deren Hülfswissenschaften, 64 über Mathematik und Naturwissenschaften, 7 über Kunstgeschichte, 39 über Philologie und Linguistik, 7 über neuere Sprachen. Dem Lektions⸗Katalog ist eine Uebersicht der im Sommersemester 1874 an der Wiener Universität inskribirt gewesenen Hörer angehängt, dem wir Folgendes entnehmen: Es waren inskribirt 184 Theologen (darunter 28 als außerordentliche Hörer), 1581 Ju⸗ risten (darunter 161 a. H.), 1036 Mediziner (darunter 73 a. 82 und 814 Philosophen (darunter 141 a. H.) Darunter befanden sich 12 Schweizer, 11 Preußen, 8 Bayern, 3 Sachsen, 9 Russen, 16 Serben, 30 Rumänen, 4 Syrmier, 11 Griechen, 3 Türken, 15 Ita⸗ liener, 2 Franzosen und 9 Amerikaner. Aus der östlichen Reichs⸗ hälfte waren 900 (genaue, nicht abgerundete Ziffer) Hörer an der Wiener Universität inskribirt.

Am 5. d. M. fand im Hotel zum „goldenen Kreuz“ in Wien der Empfang der zum II. Taubstummen⸗Kongresse erschienenen auswärtigen Delegirten und Gäste statt. Vorläufig sind deren 86 an⸗ gemeldet, und sind von nichtdeutschen Ländern Frankreich, Italien, Rußland, Schweden, Norwegen, dann Ungarn vertreten. Von Nota⸗ bilitäten sind zu nennen: Prof. Berthier, Prof. Lenoir, Chevalier Lou⸗ stone, sämmtlich vom Taubstummeninstitute zu Paris, Hr. Edoardo de Weil⸗Weiß aus Turin, der Präsident des Taubstummenvereines zu Stockholm, Albert Berg, der Präsident des Taubstummenvereines zu Moskau, Hofphotograph Paul Müller aus Dresden sammt Frau (beide taubstumm), Finanz⸗Ministerial⸗Sekretär Fürstenberg, zugleich Präsident des Berliner Taubstummenvereines, und Hr. Wilhelm Kaglo, Telegraphenfabrikant aus Berlin.

Wie die „Zürch Ztg.“ meldet, sind beim Bau der Bahn⸗ hofanlage auf dem Uetliberg wieder allerlei interessante Reste aus keltischer (helvetischer) Zeit zum Vorschein gekommen, z. B. ein eiser⸗ nes Schwert, 2 vorzüglich erhaltene eiserne Lanzenspitzen (tragulae) und eine schöne Broche von Bronze. Ferner stieß man bei Anlage des Weges vom Bahnhofe nach der Aegerten, am westlichen Ende des dort befindlichen keltischen Walles auf eine 8 10 dicke Mauer, welche den Kern dieses Walles bildete und aus flachen Bruchsteinen ohne Mörtelverbindung bestand. Im Fundament dieser Mauer wurde ein wohlgeformtes Beil aus Knochen oder einem riesigen Geweihstück ge⸗ funden, das nach Art der Steinbeile aus den Pfahlbauten mit einem runden Loche zur Aufnahme des Stieles versehen ist. Alle bis jetzt 1e Geräthe und Schmucksachen sind von der Direktion der Uetlibergbahngesellschaft der Antiquarischen Gesellschaft übergeben worden, deren Sammlungen dies Jahr von den Fremden sehr frequen⸗ tirt werden.

Landwirthschaft.

In Mecklenburg herrscht über das Resultat der dies⸗ jährigen Ernte allgemeine Freude. Den ganzen Sommer war man wohl gewiß darüber, daß hinsichtlich des Strohs eine gute Ernte erwartet werden dürfte; darüber aber, ob der Ertrag von Körnern diesem auch entsprechend ausfallen werde, waren Manche vielfach im Zweifel, welche die Blüthezeit nicht günstig gefunden haben wollten. Desto größer ist nun die Ueberraschung, da es sich beim Dreschen herausstellt, daß der Kornertrag der Strohernte nicht nachsteht. Hafer und Gerste liefern gleich dem Wintergetreide sowohl an Korn als an Stroh eine volle Ernte. Auch Bohnen, Erbsen und Wicken, die fämmtlich seiner Zeit gut liefen und lange einen höchst prächtigen Stand bewahrten, später aber doch etwas durch Dürre gelitten hatten, sind in Folge des dann zu öfteren Malen gefallenen befruchtenden Regens im Stroh nicht kurz geblieben. Der Schoten⸗ ansatz ist zahlreich und die Schotenbildung eine vollkommene geworden. Der Kornertrag dieser Fruchtarten, wie der der Bohnen, ist ein sehr lohnender. Soweit der Weizen die Hauptfrucht ist, wird dieser Ernte⸗ segen fast eine Last, da es an Raum für seine Bergung fehlt. Die Löhnung des Kornertrages muß als eine volle gelten. Gleichwohl geht der Strohertrag über voll hinaus. Die Nachmaht der Kleefelder und der Wiesen wird dagegen der trockenen Witterung wegen nicht genügend ausfallen. Manche lassen deshalb die Nachmaht des Klees vom Vieh abweiden. Kohl und Rüben gedeihen ebenfalls gut und versprechen guten und reichlichen Ertrag. Die Kartoffelernte wird recht gut ausfallen. Seit Jahren dürfte diese Frucht an Qualität nicht so schön gewesen sein, als in diesem Jahre, und auch die Quan⸗ tität ist weit über mittel. Dazu ist von Krankheit keine Spur da, und noch grünen die Kartoffeln auf manchen Feldern, da der in letzterer Zeit eingetretene Regen sehr fördernd auf das Wachsthum der Knollen wirkte. Sicheren Nachrichten zufolge stellen selbst manche Sandgegenden, wo die Kartoffelfelder erfroren waren, eine gute Ernte in Aussicht. Die Dreschmaschinen arbeiten viel und anhaltend, und die kleineren Landwirthe werden bald neuen Roggen massenhaft an den Markt bringen, weil sie mit Recht billige Preise fürchten.

Gewerbe und Handel.

In der Nacht vom 3. zum 4. September starb auf seiner Be⸗ sitzung in Charlottenburg der Geh. Kommerzien⸗Rath Johann Fanerich Gelpke, eines der hervorragendsten Mitglieder der Ber⸗ liner Kaufmannschaft. Am 14. Juni d. J., an welchem Tage im Jahre 1824 die Firma Breest, Gelpke & Kuckerling, aus der später das bekannte Bankhaus Breest & Gelpke hervorging, gegründet wor⸗ den, feierte er sein fünfzigjähriges Jubiläum als Mitglied der Kauf⸗ mannschaft. Lange Zeit Chef letzterer Firma, war er auch Mitinhaber der Berliner Handelsgesellschaft und gehörte dem Centralausschuß der Meistbetheiligten der Preußischen Bank, dem Vorstande des Berliner Kassenvereins und dem Aufsichtsrath der Berlin⸗Anhalter und der Berlin⸗Hamburger Eisenbahn an. Am 1. Juli d. J. zog sich der Verstorbene in das Privatleben zurück.

Wie den „Hamb. N.“ geschrieben wird, gedenkt ein Englän⸗ der die Schwefelindustrie auf Island zu erneuern. Die Schwefelquellen befinden sich im nordöstlichen Theile der Insel, in nicht weiter Entfernung vom Vulkan Krabba und dem Binnensee Myvatu; sie werden navmar (illidanàmar) genannt und liegen auf einem nackten, nur mit einer losen Sandschicht bedeckten Felsrücken. Die eigentlichen Schwefelquellen (solfataren) sind Ausströmungen heißer Gasarten aus der Erde, welche Schwefel absetzen; ferner sind „Gytzequellen“ (Gytze ist eine Art Seeschleim, welcher als Heilmittel bei Bäbern benutzt wird) vorhanden. Diese liegen am Fuße der Felsen. Das schwefelhaftige Gas dringt mitunter stoßweise mit Krachen nnd Dröhnen hervor. Wenn man den losen Sand entfernt, so stößt man bei diesen Quellen auf eine Schicht gelben, fast reinen Schwefel, einige Zoll dick, ziemlich porös und zerbröcklich. Als der Schwefel seiner Zeit bearbeitet wurde, gab er nur einige hundert Centner im Jahre, wogegen man auf Sicilien gegen eine Million Centner gewinnen kann. Der Dozent Pahküll, welcher die Quellen vor 8 Jahren untersuchte, behauptet, daß jetzt ein

bedeutender Schwefelvorrath vorhanden sein muß, aber daß der Vor⸗

rath bei regelmäßigem Verbrauch sehr bald schwinden würde, da er

nur langsam wieder ersetzt wird.