1874 / 298 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 19 Dec 1874 18:00:01 GMT) scan diff

desrath gebracht ist und der Erwägung unterliegen wird, über die Petitionen zur Tagesordnung überzugehen, und bezüglich der Petitionen von Telegraphenbeamten I. Diese Petitionen, insoweit sie 1) das Verlangen, die Tantième der Telegraphenbeamten als pensionsfähigen Theil des Einkommens der gedachten Beamten, und 2) insoweit sie die Regelung der Rangverhältnisse der Ober⸗Telegraphisten und Telegraphisten betreffen, dem Reichskanzler zur Erwägung zu überweisen; II. insoweit sie die Berücksichtigung der Altpensionäre betrifft, durch die Erhöhung der betreffenden Dispositionsfonds im Etat für 1875 für erledigt zu erklären; III. im Uebrigen über die bezeichneten Petitionen zur Tagesordnung überzugehen.

Dann setzte das Haus die zweite Berathung des Landes⸗ haushalts⸗Etats von Elsaß⸗Lothringen fort, an der sich übrigens die elsaß⸗lothringischen Abgeordneten nicht betheilig⸗ ten, und erledigte dieselbe nach den Beschlüssen der Kommission. Um 4 ½ Uhr vertagte sich das Haus bis Abends 7 ½ Uhr.

In der gestrigen 36. (Abend⸗) Sitzung des Reichs⸗ tages, welcher der Reichskanzler Fürst von Bismarck, sowie mehrere Bundesbevollmächtigte und Bundeskommissare beiwohn⸗ ten, wurde die zweite Lesung des Bundeshaushalts⸗Etats für Elsaß⸗Lothringen nach den Beschlüssen der Kommission beendet. Schluß 11 ½¼ Uhr.

In der heutigen (37.) Sitzung des Deutschen Reichstags, welcher der Präsident des Reichskanzler⸗Amts Staats⸗Minister Dr. Delbrück mit mehreren Bundeskommissarien beiwohnte, wurde der Gesetzentwurf, betreffend die Feststellung des Landeshaushalts⸗Etat von Elsaß⸗Lothringen für das Jahr 1875 in dritter Berathung ohne erhebliche Diskussion angenommen. Nur der Abg. Simonis brachte in längerem Vortrage verschiedene Beschwerden vor und betonte nochmals, daß es den Abgeordneten aus dem Reichslande aus den schon früher angegebenen Gründen unmöglich gewesen sei, an der Be⸗ rathung dieses Gesetzentwurfes theilzunehmen. Ihm antwortete der Abg. Dr. Lasker, welcher nachwies, daß diese von den elsäs⸗ sischen Abgeordneten eingenommene Stellung dem Interesse des Reichslandes nicht entspreche. Um 1 Uhr vertagte sich der Reichstag bis zum 7. Januar 1875, Nachmittags 1 ½ Uhr.

Eine häufig wiederkehrende Beschwerde des Publikums besteht darin, daß auf Erkundigungen an den Personen⸗ billetschaltern und bei den Güter⸗Expeditionen über Reiserouten, Frachtsätze und dergleichen von den Beamten öfters ungenügende oder unrichtige Auskunft ertheilt wird. Das Reichs⸗Eisenbahn⸗Amt hat Veranlassung genommen, sämmtliche Eisenbahnverwaltungen Deutschlands (exkl. Bayerns) darauf aufmerksam zu machen, daß, wenn es auch im Allge⸗ meinen dem die Eisenbahn benutzenden Publikum überlassen bleiben muß, sich aus den publizirten Tarifen, Fahrplänen und sonstigen Bestimmungen über die zweckmäßigste Art der Benutzung der Eisenbahnen und über die Höhe der Sätze zu informiren, sich doch die Verwaltungen und ihre Organe nicht werden ent⸗ ziehen können, dem Publikum auf Verlangen über die erwähn⸗

ten Transportverhältnisse ausführliche Belehrung zu ertheilen.

Diese könne aber ihren Zweck nur erfüllen, wenn sie durchaus genau und zuverlässig sei, und liege es ganz abgesehen von der Frage, ob und inwieweit die Verwaltungen für die Seitens ihrer Organe ertheilte Auskunft einzustehen haben ebenso sehr im Interesse der Bahnen, wie des Publikums, daß dabei keinerlei Unrichtigkeiten unterlaufen. Neben der bereits zur Pflicht gemachten Ausruüstung der Expeditionen ꝛc. mit dem für Beleh⸗ rung des Publikums nöthigen Material werden dieselben auch anzuweisen sein, bei eigener ungenügender Information oder in zweifelhaften Fällen zum Zweck pflichtmäßiger willfähriger Aus⸗ kunftsertheilung schleunigst erst Instruktion der betreffenden vor⸗ gesetzten Dienststelle einzuholen.

Das Reichs⸗Eisenbahn⸗Amt hat die Bahnverwaltungen ferner darauf aufmerksam gemacht, daß die Seitens der Güter⸗Ex⸗ ditionen auf die Frachtbriefe zu setzenden Vermerke häufig lückenhaft und unkorrekt sind. So fehlen insbesondere die Stempel der Aufgabe⸗, Uebergangs⸗ und Ankunfts⸗Stationen nicht selten gänzlich; noch häufiger sind diese Stempel so undeut⸗ lich aufgedrückt, daß der Name der Station, sowie das Datum nicht oder doch nur mit Mühe zu entziffern ist. Ebenso vermißt man in den zur „Note“ gehörigen Kolonnen des Frachtbriefes fast regelmäßig den vor eschriebenen Eintrag des Einheits⸗ Frachtsatzes und hin und wieder bei gebrochener Kartirung den Vermerk der Stationen, bis zu welchen die einzelnen Sätze, aus welchen sich die Gesammtfracht zusammensetzt, berechnet wurden.

Wenn Seitens der Eisenbahnverwaltungen mit Recht darauf gehalten wird, daß Seitens des Publikums das Frachtbrief⸗For⸗ mular den Bestimmungen des Reglements entsprechend ausge⸗ füllt werde, so dürfe mit gleichem Rechte von den Eisenbahn⸗ verwaltungen erwartet werden, daß die zur Orientirung des Publikums und zur Kontrole über den pünktlichen Vollzug des Frachtvertrages bestimmten bahnseitigen Vermerke auf dem Frachtbriefe vollständig und so deutlich eingetragen werden, daß der dadurch beabsichtigte Zweck erreicht wird. .

Es wird den Eisenbahnverwaltungen empfohlen, diesem Gegenstande ihre ernstliche Aufmerksamkeit zuzuwenden und Zu⸗ widerhandlungen ihrer Bediensteten nachdrücklich zu ahnden.

Ein rheinischer Civilstands⸗Beamter hatte einer, auf Bekanntmachung des Aufgebotes nach den Vorschriften des Gesetzes vom 9. März cr. gerichteten Requisition eines

anderen Standesbeamten keine Folge gegeben, weil das in Rede stehende Gesetz im Bezirke des Appellationsgerichtshofes zu Cöln keine Anwendung finde. Die Bestimmungen des Ge⸗ setzes vom 9. März d. J. erleiden jedoch nach §. 30 ibid. eine Ausnahme nur in dem Falle, wenn einer der Orte, wo das Aufgebot nach §. 29 vorgenommen werden soll, außerhalb Preußens gelegen ist. Der Minister des Innern hat daher in einem im Einverständniß mit dem Justiz⸗Minister ergangenen Spezial⸗Erlaß vom 9. v. M. die Gemeindebehörden auch im Gebiete des Rheinischen Rechtes resp. im Gebiete der ehe⸗ maligen freien Stadt Frankfurt a./M. für verpflichtet erachtet, den Requisitionen der gedachten Art nachzukommen.

Die Anfertigung schriftlicher Eingaben an die gerichtlichen Behörden durch Private, im Auftrage der Unterzeichner, ist, selbst wenn sie gewerbsmäßig und gegen Entgelt erfolgt, nach einem Erkenntniß des Ober⸗Tribu⸗ nals vom 17. November cr. strafrechtlich nicht zu ver⸗ folgen.

Nach §. 53 des Reichs⸗Strafgesetzbuches ist eine straf⸗ bare Handlung nicht vorhanden, wenn die Handlung durch Nothwehr, „um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einem Anderen abzuwenden“, geboten war. Im Anschluß an diese Bestimmung erkannte der Ober⸗Tribu⸗

Issenat für Strafsachen, in der Sitzung vom 3. Dezem

ber cr., daß die Nothwehr nur dann straflos ist, wenn der Angriff wirklich bereits begonnen, beziehungsweise Handlungen stattgefunden haben und konstatirt sind, in welchem der Beginn eines rechtswidrigen Angriffs gefunden werden kann.

Die Verweisung auf die ein für allemal bei einem Ge⸗ richtshof geschehenen Vereidung eines Sachverständigen für die Verhandlungen eines anderen Gerichtes, welche die Fortsetzung der Verhandlungen jenes Gerichtshofes bilden, ist nach einem Erkenntniß des Ober⸗Tribunals vom 4. De⸗ zember cr. für zulässig zu erachten.

Der Bundesraths⸗Bevollmächtigte Großherzoglich hessischer Ministerial⸗Rath Finger ist hier eingetroffen, die Bundesraths⸗ Bevollmächtigten Königlich bayerischer Staats⸗Minister Berr, Großherzoglich hessischer Minister Hofmann, Königlich baye⸗ rischer Ober⸗Zollrath Schmidtkonz und Königlich württember⸗ gischer Ober⸗Regierunge⸗Rath Baetzner sind nach ihrer Heimath zurückgereist.

Der Königlich dänische Gesandte am Kaiserlich⸗Königlich österreichisch⸗ungarischen Hofe, Kammerherr von Falbe, traf gestern Nachmittag auf der Durchreise nach Kopenhagen hier ein und stieg im Hotel Royal ab.

Der General⸗Lieutenant von Voigts⸗Rhetz, Com⸗ mandeur der 20. Division, und der General⸗Major Graf von der Groeben, Commandeur der 5. Kavallerie⸗Brigade, sind von St. Petersburg, wohin sich dieselben zur Theilnahme an dem St. Georgs⸗Ordens⸗Feste begeben hatten, auf der Durch⸗ reise nach ihren resp. Garnisonen hier eingetroffen.

S. M. S. „Victoria“ ist am 16. Dezember cr. zur Ueberführung nach Wilhelmshaven in Kiel in Dienst gestellt.

Rendsburg, 18. Dezember. (W. T. B.) Der vom Provinzial⸗Landtage niedergesetzte Ausschuß hat wegen der Ausgleichung der schleswig⸗holsteinischen Kriegskosten Bericht erstattet. In demselben wird der offerirte Betrag von 400,000 Thlr. als ungenügend zur Beseitigung aller alten Ansprüche be⸗ zeichnet und zugleich beantragt, daß im Sinne des Beschlusses des Abgeordnetenhauses vom 10. Mai eine Ausgleichssumme bewilligt werden möge, die dem Betrage der Kommunalanleihen von 1849/50 (3 Millionen Thaler) nahe komme.

Paderborn, 19. Dezember. (W. T. B.) Der Bischof Martin von Paderborn ist zum 5. Januar nach Berlin vor den Gerichtshof für kirchliche Angelegenheiten geladen worden.

Baden. Karlsruhe, 17. Dezember. Die Regierung hat das erzbischöfliche Kapitels⸗Vicariat zur Zurück⸗ nahme der den sog. Neupriestern ertheilten Mission auf⸗ gefordert. Nach einer Verfügung des Ministeriums an die Be⸗ zirksämter soll bei gesperrten Neupriestern, wenn sie die Erthei⸗ lung des ihnen seither verbotenen Religionsunterrichts vor⸗ nehmen, selbst in dem hierzu verordneten Schullokal, kein Zwang oder polizeilicher Arrest mehr Platz greifen. Die neulich wegen unbefugter kirchlicher Funktionen verurtheilten Neupriester v. Rüpplin, Ihringer und Fauler haben nicht aufgehört, diese Funktionen auszuüben; die beiden letzteren befinden sich denn auch neuerdings wieder in Untersuchung.

Hessen. Darmstadr, 17. Dezember. Den Zudrang mittel⸗ loser Deutscher nach Frankreich betreffend, hat das Großherzog⸗ liche Ministerium des Innern an die Großherzoglichen Kreisämter ein Ausschreiben erlassen, in welchem u. A. gesagt ist: 4ℳ

In unserem Ausschreiben vom 30. März und vom 11. Dezem⸗ ber 1872 haben wir auf die großen Schwierigkeiten aufmerksam die sich Deutschen, die in Frankreich und namentlich in Paris Arbeit suchen, entgegenstellen und Sie angewiesen, bei Ausstellung der Legitimationspapiere an die eine Uebersiedelung dorthin beabsichti⸗ genden Personen dieselben entsprechend zu bedeuten, und daß dieses geschehen, jedesmal aktenmäßig zu machen. Nach neueren Mitthei⸗ lungen hat der Zudrang deutscher junger Leute, welche nach Frankreich und besonders nach Paris kommen, um daselbst Beschäftigung zu suchen, in bedenklicher Weise zugenommen. Bei des fortdauernden Ungencigtheit der Franzosen, deutsche Arbeiter zu beschäftigen, fallen diese Arbeiter, welche meist ohne Existenzmittel und kaum der fran⸗ zösischen Sprache mächtig sind, nach wenigen Tagen vergeblichen Suchens den dortigen Behörden oder den Hülfsvereinen zur Last. Wir beauftragen Sie daher, der Uebersiedelung von Angehörigen Ihrer Kreise nach Frankreich fortdauernd Ihre volle Aufmerksamkeit zu schenken, die oben erwähnte Vorschrift genau zu befolgen u s. f.

Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 15. Dezemher. Der Kurator der Universität Jena hat bei den Regierungen der ernestinischen Linie die Bitte gestellt, dieselben möchten von den französischen Kriegsentschädigungsgeldern 500,000 Thlr. zu einer Dotation für die Universität verwenden.

Hesterreich⸗Ungarv. Wien, 17. Dezember. In der heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauses legte die Regierung einen Gesetzentwurf betreffs Verlängerung der Rück⸗ zahlungstermine des böhmischen Nothstandsanlehens, ferner einen

Gesetzentwurf, betreffend die Regulirung der Mur, vor. So⸗

dann entstand eine lebhafte Debatte über eine Petition des Ver⸗ eins „Volksstimme“. Der Ausschuß beantragte diesbezüglich, die Regierung wolle in der bevorstehenden Reform der Gewerbe⸗ Ordnung Arbeiterkammern als Organ der gewerblichen Lohn⸗ arbeiter aufnehmen, welches dort einzuführen wäre, wo das Asso⸗ ciationswesen der Arbeiter die gesetzlichen Vorbedingungen erfüllt. Schrank sprach gegen den Ausschußantrag, beantragte, daß überall, wo Handelskammern sind, auch Arbeiterkammern gegründet wer⸗ den, und wollte die Regierung zu einer diesbezüglichen Gesetzvor⸗ lage aufgefordert wissen. Walterskirchen stellte den Zusatzantrag, die Regierung aufzufordern, die Art und Weise einer politischen Vertretung der Arbeiterkammern zu erwägen. Bei der Abstim⸗ mung wurde der Antrag Schranks abgelehnt, der Ausschuß⸗ antrag angenommen und der Zusatzantrag Walterskirchens ab⸗ gelehnt. Der Antrag des Ausschusses, die Regierung aufzufor⸗ dern, daß in die revidirte Gewerbeordnung schützende Bestim⸗ mungen über die Arbeitszeit von Kindern und Frauen und über die Sanitätsverhältnisse in den Fabriken aufgenommen werden, wurde nebst dem Zusatzantrag Kübecks auf Errichtung von Fabriksschulen angenommen.

18. Dezember. Heute antwortete der Unterrichts⸗Minister v. Stremayr auf die Interpellation betreffs der Ausführungs⸗Be⸗ stimmungen zu den konfessionellen Gesetzen, daß die Vorarbeiten zur Regelung des Patronatswesens wegen des zu bewältigenden massen⸗ haften Materials nur langsam vorwärts schritten, und daß aus gleichem Grunde auch die Reform der katholisch⸗theologischen Fakul⸗ täten sich verzögere. Die hierauf folgende Prüfung der Wahl der Abgeordneten des oberösterreichischen Großgrundbesitzes rief eine längere Debatte hervor, indem dabei die prin⸗ zipielle Frage, ob geistlichen Nutznießern das Wahlrecht zustehe, entschieden werden sollte. Der Abg. Herbst hob hervor, daß

diese Frage die Regierung nicht direkt berühre, vielmehr ein innere Angelegenheit des Abgeordnetenhauses sei und nicht 8 politischen, sondern nur vom Rechtsstandpunkte aus entschieden werden müsse. Der Minister Unger wies nun aus juristischen Gründen und unter Bezug auf juristische Autoritäten nach, daß es dem geltenden Rechte durchaus entspreche, den geistliches Nutznießern das Wahlrecht zu gewähren; bei der Abstimmun wurde aber der Antrag auf Annullirung der Wahlen des ober⸗ österreichischen Großgrundbesitzes mit 120 gegen 116 Stimmen angenommen.

Pest, 17. Dezember. Im Abgeordnetenhause wurde bei fortgesetzter Verhandlung der Grundsteuervorlage im §. 18 nach langer Debatte der Antrag des Oberhauses angenommen wonach statt des von dem Katasterausschusse beantragten zehn⸗ jährigen Durchschnittes als Basis bei der Berechnung des Ein⸗ kommens der sechsjährige Durchschnitt der Produktenpreise von 1867 bis 1872 angenommen wird.

Für den Oberhausantrag stimmten 96, gegen denselben Abgeordnete. Die Verhandlung wurde hierauf bis zum §. 38 fortgeführt.

Schweiz. Bern, 16. Dezember. Der Nationalrath hat

heute bei Fortsetzung der Berathung des Gesetzentwurfs betreffend Civilstand und Ehe, die Bestimmungen über die auf die Eheabschließung Bezug habenden Förmlichkeiten fest⸗ gestellt, welche er unwesentlich verändert nach dem Antrag der Kommissionsmehrheit und in Uebereinstimmung mit dem Stände⸗ rath angenommen hat. Sie lauten: B „Jeder im Gebiet der Eidgenossenschaft vorzunehmenden Ehe⸗ schließung muß die Verkündung des Eheversprechens vorausgehen. Die Verkündung hat am Wohnorte, sowie am Heimathsorte jedes der Brautleute zu erfolgen. Wird im Auslande mit Berufung auf bestehende Landesgesetze das Aufgebot als überflüssig oder unzulässig abgelehnt, so ersetzt eine desfällige Bescheinigung dasselbe. Behufs Vornahme der Verkündigung von Eheversprechen sind dem Civil⸗ beamten vorzuweisen: a. die Geburtsscheine beider Brautleute; b. so⸗ fern dieselben nicht im Civilstandskreise selbst ihren ordentlichen Wohnsitz haben, eine Bescheinigung des Civilstandsbeamten des Wohnortes über ihren ledigen Stand; c. für Personen, welche das 20. Altersjahr nicht zurückgelegt haben, eine Zustimmungserklärung der Inhaber der elterlichen Gewalt; wenn diese nicht in dem Fall, ihren Willen zu äußern, so ist eine Zustimmungserklärung des Vormundes, resp. der Vormundsbehörde erforderlich; und falls nicht beide Theile persönlich erscheinen, ein von ihnen unterzeichnetes und von der zuständigen Amtsstelle beglaubigtes Eheversprechen.“

Eine lange Debatte veranlaßten die Ehescheidungsbestim⸗ mungen, welche jedenfalls noch die morgende Sitzung in An⸗ spruch nehmen werden.

Der Ständerath begann heute die Budgetberathung.

Großbritannien und Irland. London, 17. Dezember. Der Herzog und die Herzogin von Edinburgh haben mit ihrem Sohne Schloß Windsor verlassen und sich zu einem Besuche des Earls und der Gräfin Dudley nach Witley⸗Court begeben. Der Prinz und die Prinzessin von Wales haben ihren Besuch bei der Königin ebenfalls beendet und sind nach Marl⸗ borough House zurückgekehrt.

Das Auswärtige Amt hat vom außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister der Republik Para⸗ guay in London eine vom 3. d. datirte Note erhalten, in der mitgetheilt wird, daß er die Ernennung des Dr. Leone Levi zum General⸗Konsul für die Republik Paraguay in London annullirt habe, und daß die Legation vor der Hand die Konsu⸗ latsgeschäfte fortführen werde.

Der lange vakante Posten eines Lordkanzlers von Irland ist jetzt in der Person des bisherigen Generalanwalts für Irland, Dr. Thomas Ball, wiederbesetzt worden. Der bisherige Generalfiskal für Irland, Hr. Henry Ormsby, ist zum Generalanwalt hinaufgerückt und hat den Königlichen Rath, Hrn. D. Robert Plunket ein Enkel des Redners und Rechtsgelehr⸗ ten Lord Plunket der das Großsiegel in Irland von 1830 bis 1834 und wieder von 1835 1841 innehatte zu seinem Nachfolger erhalten.

Herr George Walkem, der Premier von Britisch⸗ Columbia, verließ gestern London, um via Liverpool nach Vic⸗ toria zurückzukehren. Außer dem Geschäft im Kolonialamte be⸗ züglich der canadischen Pacific⸗Cisenbahn, die den Hauptzweck seiner Mission nach England bildete, pflog Herr Walkem Kon⸗ ferenzen mit dem ersten Lord der Admiralität und dem Schatz⸗ kanzler bezüglich der Herstellung eines neuen Flottendocks in Esquimalt, Vancouvers⸗Insel, da ein solcher Dock für die För⸗ derung der britischen Interessen im Stillen Ozean für sehr nöthig erachtet wird.

In South Kensington, London, starb am 12. ds. Dr. James Thomas O' Brien, Lord⸗Bischof von Ossory und Ferns, im Alter von 83 Jahren.

Der Gesundheitszustand der Hauptstadt bleibt in Folge der dieser Jahreszeit eigenen plötzlichen Witterungs⸗ umschläge ein sehr ungünstiger. In der am 12. d. beendeten Woche starben 2082 Personen, d. i. eine Zahl, welche den Durch⸗ chnitt der letzten 10 Jahre um ein volles Drittel übersteigt. Das Sterblichkeitsverhältniß ist seit den letzten sieben Wochen von 20 auf 33 auf Tausend Einwohner gestiegen. Luftröhrenent⸗ zündung verschuldete die größte Zahl der Sterbefälle, demnächst Scharlachfieber, Keuchhusten ꝛc.

Großbritanniens Staatseinnahmen vom 1. April bis zum 12. Dezember ecr. betragen 58,029,660 Lstr. gegen 63,045,178 Lstr. in derselben Periode des Vorjahres, während die Ausgaben sich auf 53,826,988 Lstr. gegen 58,899,255 Lstr. im Vorjahre belaufen. Der Kreditsaldo des Schatzamtes in der Bank von England bezifferte sich am gedachten Tage auf 4,202,672 Lstr.

Frankreich. Paris, 18. Dezember. (W. T. B.) Das linke Centrum hat beschlossen, das Gesetz wegen Errichtung eines Senates zu bekämpfen, sobald nicht mit demselben gleich⸗ zeitig auch die übrigen konstitutionellen Vorlagen eingebracht wer⸗ den. In der Untersuchung gegen das „Comité des appel au- peuple“ ist ein Einstellungsbeschluß erfolgt.

19. Dezember. (W. T. B.) Gestern fand bei dem deutschen Botschafter, Fürsten Hohenlohe, der erste Empfang statt. Sämmtliche Mitglieder des diplomatischen Corps, sowie der Minister des Auswärtigen, Herzog v. Decazes, der Minister des Innern, General de Chabaud⸗Latour, der Unterrichts⸗Minister Cumont, der Handels⸗Minister Grivart und der Militär⸗Gou⸗ verneur von Paris, General de Ladmirault, wohnten demselben bei. Alle Damen des diplomatischen Corps, die Herzogin von Decazes und eine große Anzahl anderer Damen aus den offi⸗ ziellen Kreisen waren gleichfalls erschienen.

Versailles, 18. Dezember. (W. T. B.) National⸗ versammlung. Der Minister des Auswärtigen, Herzog von Decazes, zeigt an, daß er die am 22. v. M. in Alexandrien ab⸗

ges chlossene Konvention, betreffend die Gerichtsreform in Aegypten,

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in nächster Woche der Versammlung zur Ratisikation vorlegen werde, er verweist auf das Gelbbuch, in welchem die amtlichen Schriftstücke enthalten seien, die sich auf die der Konvention vorausgegangenen Verhandlungen bezögen. Im weiteren Ver⸗ laufe der Sitzung fand eine längere Debatte über das für Algier in Anwendung zu bringende Verwaltungssystem statt. Verschie⸗ dene Abgeordnete erklärten sich für das Kolonial⸗Verwaltungs⸗ system. Crémieux sprach sich für die Wiederherstellung der Civil⸗ verwaltung aus. Der Minister des Innern, General de Chabaud Latour, beantragte die Einsetzung einer Enquéte⸗Kommission. Die Berathung soll in der morgenden Sitzung fortgesetzt werden.

Griechenland. Aus Konstantinopel wird der „Times“ telegraphirt, daß Photiades Bey, der türkische Gesandte in Athen, am 15. d. M. sich auf seinen Posten begeben sollte, mit In⸗ struktionen, bei der griechischen Regierung auf die Regelung der Frage betreffs des Umstandes, daß ottomanische Unterthanen hellenischen Schutz in der Türkei beanspruchen, zu dringen, und Maßregeln zur Verhinderung der Wiederbelebung des Bri⸗ gantenthums an der Grenze, das Mehemed Ali Pascha's Energie in der europäischen Türkei gänzlich unterdrückt hat, zu verabreden. Ungefähr 200 Briganten wurden während der letzten 6 Monate gefangen genommen und gegenwärtig existirt keine reguläre Bande.

Rußland und Polen. (Monatsübersicht für No⸗ vember.) Die Abreise des Kaisers aus der Krim hat sich dieses Mal etwas verzögert aus Rücksicht auf die Erkrankung des Grafen Adlerberg, des Ministers des Kaiserlichen Hauses. So blieb Se. Majestät noch den ganzen November in der Krim und traf mit der Gemahlin des Thronfolgers und dem Groß⸗ fürsten Wladimir am 2. Dezember neuen Styls in Zarskoje⸗ Selo ein. Gleich nach seiner Rückkehr wohnte der Kaiser dem Stiftungsfeste des Garde⸗Regiments Semenow bei und wurde von dem Volke mit enthusiastischen Zurufen begrüßt.

Am 23. November fand in London die Taufe des Sohnes des Herzogs von Edinburgh statt, worauf die Kaiserin von Rußland von London abreiste, um im strengsten Inkognito über Paris sich nach San Remo am Mittelländischen Meere zu be⸗ geben. Das offizielle Blatt konstatirte den leidenden Zustand der Kaiserin, welcher wenn er auch nicht ernstliche Besorgnisse einflößt doch besondere Schonung und einen längeren Auf⸗ enthalt in dem milden Klima Italiens nothwendig macht. Zu der Taufe waren auch der Großfürst⸗Thronfolger und der Großfürst Alexis nach England gekommen; sie reisten am 26. November in Begleitung der Kaiserin nach Paris. Der Tele⸗ graph und die Tageblätter haben seitdem genau Rechenschaft ge⸗ geben sowohl über den Aufenthalt des Thronfolgers in Paris und in Berlin, als auch über seine Rückkehr nach Rußland.

Wie immer in den letzten Jahren sind auch diesmal zum russischen St. Georgsfeste auf Einladung des Kaisers aus Preußen Gäste eingetroffen, die mit Herzlichkeit vom Publikum empfangen wurden. Man begrüßte den Prinzen Albrecht, die Generale von Voigts⸗Rheetz und v. d. Gröben und die andern mit ihnen gekommenen Georgs⸗Ritter als Vertreter der alten Vaffenbrüderschaft zwischen Rußland und Preußen, an welche die Erinnerung noch immer ungeschwächt hüben und drüben fortlebt.

Seit der Rückkehr des Reichskanzlers Fürsten Gortschakow, der auf der Heimreise in Berlin verweilte und daselbst mit dem deutschen Reichskanzler wiederholt konferirte, sind auch alle Minister von ihren Reisen zurück, und das St. Petersburger Leben ist somit in seine lebhafteste Phase wieder eingetreten.

Schon in einem unserer früheren Berichte haben wir auf

die außerordentlich lebhafte Thätigkeit hingewiesen, welche in die⸗ sem Sommer die Regierung in gesetzgeberischer Hinsicht entfaltet. Zunächst wurde der Vertrag mit Deutschland in Betreff der Hinterlassenschaften russischer Staatsangehörigen in Deutschland und Deutscher in Rußland ratifizirt. Dann erschien ein aus⸗ führliches Gesetz über die Dienstpflicht der donischen Kosaken; endlich wurde der Entwurf zu einem ausführlichen Gesetz über das Vormundschaftswesen publizirt. Zu den Gesetzen von gerin⸗ gerer Tragweite gehört dasjenige, welches den Beamten mit Ausnahme der höheren Würden und des Hofressorts das Tragen von Bärten völlig freigiebt. -Ddie Dienstpflicht der donischen Kosaken wird durch das neue Gesetz für die aktive Armee und Reserve verkürzt; der Donische Kosak gehört der aktiven Armee und der Reserve nur noch bis zum 33. Jahre an. Dazu bestimmt das neue Gesetz eine vorbereitende Dienstzeit vom 18. bis 21. Lebensjahre, damit die Kosaken systematisch den modernen Dienst erlernen. Endlich ordnet das neue Gesetz auch eine dem zeitgemäßen Bedürfniß entsprechende Eintheilung der Kosaken⸗Truppenkörper an und bestimmt auch das Kontingent für andere militärisch wichtig ge⸗ wordene Dienstbranchen, wie z. B. für die Eisenbahn⸗Kom⸗ manden.

Das Gesetzprojekt über das Vormundschaftswesen soll einem höchst dringenden Bedürfniß abhelfen. Die Vormundschaften wurden früher rein nach dem ständischen Prinzip behandelt, und dem patriarchalischen Wesen der alten russischen Familien zu sehr Rechnung getragen. Das Gesetzprojekt hebt die ständischen Vormundschaftsbehörden auf und überweist die Mündelsachen einer Behörde der Landstände; es setzt Familienräthe zur Kon⸗ trole der vormundschaftlichen Behörden ein und nimmt unter Abschaffung der bisherigen Abstufungen der Voll⸗ und Groß⸗ jährigkeit eine einzige Mündigkeitsperiode (mit 21 Jahren) an.

Am 13. November begann im ganzen Reiche die erste Aus⸗ hebung nach dem Gesetze über allgemeine Wehrpflicht. Bei Or⸗ ganisation der Einberufungsbezirke und Zählung der Stellungs⸗ pflichtigen hat sich erwiesen, daß nahezu 800,000 junge Leute in diesem Jahre das 21. Jahr vollenden. Da das auszuhebende Kontingent auf nur 150,000 Mann bemessen ward, hat die Wehr⸗ pflicht keineswegs als schwere Last aufgefaßt werden können. Da ferner in früheren Jahren nach der alten Form der Rekru⸗ tirung, die nicht alle Klassen der Staatsangehörigen traf, mehr ausgehoben waren als jetzt, und die reguläre Dienstzeit viel länger dauerte, betrachtet die Presse die gegenwärtige mäßige Aushebung als einen neuen Beweis für die Fortdauer des Friedens.

Im Reichsrath dürften demnächst die allgemeinen Zusiche⸗ rungen, welche im Auftrage des Kaisers der General Todtleben den Mennoniten bezüglich ihrer Exemtion vom Kriegsdienst und dem Tragen von Waffen gemacht, zur formellen Diskussion ge⸗ langen. Die Zahl der Mennoniten in Rußland beträgt etwa 40,000 Seelen; ihr Jahreskontingent belief sich auf 100. Die Presse befürwortet die Exemtion der Mennoniten und die Ver⸗ wendung ihrer Jahreskontingente zur Hebung der Forstkultur.

Der November ist Zeuge unliebsamer Auftritte an einigen unserer gelehrten Anstalten in St. Petersburg gewesen. Strei⸗ tigkeiten zwischen Professoren der medico⸗chirurgischen Akademie boten den ersten Anlaß zu studentischen Demonstrationen. Unter den Studenten drängten sich einige vor, welche aus ihren frühe⸗

der Fronte stehen.

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ren Verhältnissen herausgetreten waren und die akademischen Prüfungen, durch die sie anstellungsfähig werden sollten, nicht abzulegen vermochten. Diese „declassirten“ jungen Leute be⸗ strebten sich die Bewegung allgemein zu machen, und zogen die Studirenden an der St. Petersburger Universität, an dem technolo⸗ gischen Institut und anderen Anstalten in ihren Kreis. Es blieb bei einigen tumultuarischen Szenen, welche ein Einschreiten der regulären Obrigkeit nach sich zogen, worauf Alles wieder in den richtigen Gang kam. Eine Kommission ist mit einem gut⸗ achtlichen Bericht über die studentischen Wirren betraut.

Weniger klar sind diejenigen Ereignisse, welche an einigen Stellen in der Provinz Verhaftungen nach sich zogen. Vom Auslande aus haben Emissäre sozialistischer Kreise, wie es scheint, das Landvolk und die Arbeiter zu bearbeiten gesucht, sind aber wohl durch die loyale Treue, welche den Bauer in Rußland auszeichnet, in ihrem Vorhaben gehindert worden. Bis jetzt ist jedoch zu wenig bekannt, um den Gang und die Ausdehnung der Propaganda zu präcisiren. .

Gegen Ende des Monats sind an die Mächte, welche am brüsseler Kongreß sich betheiligten, Einladungen ergangen, die Verhandlungen weiter fortzuführen mit Berücksichtigung der während des Kongresses erhobenen Einwendungen.

Das Jahrbuch des Finanz⸗Ministeriums liefert interessante Notizen über die Entwickelung des Aktienwesens in Rußland. Unter dem Kaiser Paul gab es in Rußland eine einzige Aktiengesellschaft, und unter Alexander I. kam eine zweite hinzu. Unter Nikolaus J. gab es aber schon 76 Aktiengesellschaften. Seit 1855 sind nicht weniger als 476 Aktiengesellschaften neu gegründet worden und zwar davon allein in dem Jahre 1872 61 und im Jahre 1873 105. Somit sind in Rußland 552 Aktiengesellschaften gegründet worden, von welchen 42 nicht recht zu Stande kamen und 51 ihre Thätigkeit wieder einstellten. Die bestehenden 459 Aktien⸗ gesellschaften besitzen ein Gesammtvermögen von 1,154,159,035 Rubel in klingender Münze und 619,847,720 Rubel in Bank⸗ notenwährung (zu 28 bis 29 Silbergroschen). Dieses Gesammt⸗ vermögen vertheilt sich folgendermaßen: Eisenbahn⸗Compagnien 1,111,009,035 Rubel in klingender Münze und 172,691,520 Rubel in Banknotenwährung; Dampfschiffahrts⸗Gesellschaften 3,600,000 Rubel in klingender Münze und 43,209,000 Rubel in Banknoten; Handelsgesellschaften und Fabriken 39,550,000 Rubel in klingender Münze und 265,307,200 Rubel in Bank⸗ noten; Kommerzbanken 74,900,000 Rubel in Banknoten; Landeskreditbanken 30 Millionen Rubel in Banknoten; Ver⸗ sicherungsgesellschaften 33,740,000 Rubel in Banknoten.

Außerordentlich rasch haben sich die ländlichen Darlehns⸗ kassen und Hülfsgenossenschaften entwickelt. Die erste wurde 1865 gegründet, die nächsten zwei 1868 und 1869; 1870 gab es 9, 1871 über 30, 1872 hatten sich schon 101 gemeldet, von denen mehr als 60 bestätigt waren. Im Jahre 1873 waren schon 260 Darlehnskassen und Hülfsgenossenschaften bestätigt, und im Jahre 1874 betrug ihre Anzahl 327. Dazu kommen noch etwa 110, welche sich schon angemeldet, aber noch nicht die erforderliche Bestätigung erlangt. Vom Jahre 1873 haben 231 Genossenschaften (von den damals bestehenden 260) ihre Bilan⸗ cen eingeschickt und 33,461 Theilnehmer mit einem Aktienkapital von 596,000 Rubel nachgewiesen; sie hatten binnen Jahresfrist 3,333,500 Rubel an Darlehn verabfolgt und einen Reingewinn von mehr als einer Million Rubel erzielt. Diese Hülfsgenossen⸗ schaften bestehen schon in 48 Gouvernements des europäischen Rußland (im Gouvernement Cherson giebt es ihrer 58), doch ist ihr Kontingent aus den Fabrikkreisen gering, so daß das ländliche Element fast ganz bestimmend vorwaltet.

Hinsichtlich der Armeeverhältnisse liefert der Kalender von Suworin für das Jahr 1875 folgende Daten: Die russische Armee besteht aus 785 Bataillonen, 590 Schwadronen, 320 Batterien mit 1550 Geschützen, im Ganzen aus 808,066 Mann mit 116,200 Pferden. Zur Garde gehören 42 Bataillone, 50 Schwadronen und 22 Batterien; die Kosaken bilden 8 Batail⸗ lone, 310 Schwadronen und 15 Batterien. Generale zählt Rußland 562, Offiziere 25,490, Unteroffiziere 50,439, Unter⸗ Militärs 630,000 in der Fronte und etwa 80,000, die außer Die Gesammtbevölkerung des ganzen russi⸗ schen Reiches beträgt nach Zählungstabellen, die übrigens für manche Landestheile nicht neu genug sind, 86,177,906 Köpfe.

Dänemark. Kopenhagen, 17. Dezember. Die Kon⸗ firmation des Prinzen Waldemar hat heute Vormittag in der Schloßkirche zu Fredensborg in Gegenwart der König⸗ lichen Familie und sämmtlicher Eingeladenen, sowie einer großen Anzahl der Gemeindemitglieder aus Fredensborg stattgefunden.

Der Gedenkstein am Grabe des preußischen Architekten, Richard Günther, welcher am 4. April d. J. bei der Rettung eines Knaben im hiesigen Hafen ums Leben kam, ist jetzt auf dem Kopenhagener AÄssistentz⸗Kirchhofe errichtet worden. Der⸗ selbe besteht aus einem sehr großen Granitstein mit einer ge⸗ schliffenen Fläche, worauf der Name steht. Unter demselben um⸗ schließt ein Lorbeerkranz das Eiserne Kreuz mit daranhängender Rettungsmedaillle.

Amerika. New⸗York, 18. Dezember. (W. T. B.) Nach aus Havanna hier eingelangten Nachrichten haben die auf Kuba bezüglichen Stellen der Botschaft des Präsidenten Grant dort keine besondere Beunruhigung erregt. Bon den Blättern wird eine Intervention der nordamerikanischen Union für nicht wahrscheinlich gehalten, deßungeachtet aber eine fort⸗ gesetzte Wachsamkeit der Regierung für nothwendig erachtet.

Das Dekret, womit am 31. Oktober d. J. ein Theil der Seeküste non Venezuela, insbesondere des Staates Falcon (nach seiner Hauptstadt auch Coro genannt), in Blokade⸗ zustand erklärt worden ist, lautet nach der „Cöln. Ztg.“ in wortgetreuer Uebersetzung folgendermaßen:

Antonio Guzman Blanco, Präsident der Vereinigten Staaten von Venezuela; in Anwendung der Machtbefugnisse, mit denen ich bekleidet bin, und in Erwägung, daß im Staate Falcon eine Er⸗ hebung mit bewaffneter Hand gegen die politischen Einrichtungen der Nation und die Centralregierung stattgefunden hat, befehle ich: Art. 1. Die Küsten des Staates Falcon von der Mündung des Tocuvo bis zur Mündung des Oribons werden für geschlossen und in Blokade⸗ zustand erklärt. Art. 2. Um diese Blokade effektiv zu machen, wird die nothwendige Seemacht bestimmt werden. Art. 3. Die Kriegsschisse befreundeter und neutraler Staaten können in den Hafen Vela de Coro ein⸗ laufen, ausgehen und dort bleiben, so lange sie nicht auf irgend eine Weise die Feinde der Republik unterstützen. Art. 4. Die Kommandanten der blokirenden Schiffe haben sich an die Cours⸗Ordonnanz vom 30. März 1822 und an die folgenden Bestimmungen zu halten: 1) Den aus Europa kommenden Schiffe, welche während zweier Monate, gerechnet vom Datum des gegenwärtigen Dekrets, ihren Hafen ver⸗ lassen haben, den aus Nordamerika kommenden, welche während eines Monats, den aus den Antillen, ausgenommen Barbados und Trini⸗ dad, kommenden, welche während 14 Tazen, und den von Curagao, Trinidad und Demerara kommenden Schiffen, welche seit Mittheilung dieses Dekrets an ihre resp. Behörden ihren Hafen verlassen haben, soll bei Ankunft in den blokirten Gewässern von dem Kom⸗ mandanten des nächsten blokirenden Schiffes notifizirt

wer⸗

den, daß sie die Blokadelinie nicht nur wenn das Schiff darauf besteht, in besagten Gewässern Leine Fahrt fortzusetzen, soll es als ein die Blokade brechende betrachtet werden. 2) Den Schiffen, auf welche sich die vorgehend Bestimmung bezieht, soll sofort bei der ersten Notifikation mitgetheil werden, daß ihnen erlaubt ist, in irgend einen der übrigen Häfen de Republik, der nicht von den Insurgenten besetzt ist, einzulaufen un dort zu löschen. 3) Nach Ablauf des festgesetzten Termins wird jedes Schiff, das in die Gewässer der blokirten Küste einläuft, unter Wache nach Puerto Cabello geschickt werden, damit es dort vom Seegerich gedachten Hafenbezirks gerichtet wird. Art. 5. Der Staats⸗Ministe des Kriegs und der Marine wird mit der Ausführung dieses Dekrets und Mittheilung desselben, wen es angeht, beauftragt. Gegeben, ge⸗ zeichnet von meiner Hand und gegengezeichnet von dem Staats⸗Minister des Kriegs und der Marine im Bundespalast von Caracas am 31. Oktober 1874. 1. Jahr des Gesetzes und 16. der Föderation. Guz man Blanco. Gegengezeichnet: Der Kriegs⸗ und Marine⸗Minister.

Afrika. Aus Cape Town wird unterm 16. November geschrieben: Des Gouverneurs Arrangements mit Adam Kok be⸗-⸗ züglich der Annexion von Griqualand erweisen sich als korrek berichtet; es wird indessen gemeldet, daß diese Prozeduren nu vorläufige waren, und alle proponirten Arrangements dem Parlamente zur Genehmigung unterbreitet werden würden. Unter dem 26. November wird gemeldet: Der Bischof von Cape Town wurde am 6. ds. in sein Amt eingeführt.

überschreiten dürfen;

Nr. 51 des „Central⸗Blatts für das DeutscheReich“, herausgegeben im Reichskanzler⸗Amt (Berlin, Carl Heymanns Verlag), hat folgenden Inhalt: 1) Allgemeine Verwaltungssachen: Verwei⸗ sungen von Ausländern aus dem Reichsgebiete. 2) Münzwesen: Uebersicht über die Ausprägung von Reichsmünzen; Uebersicht über die bis Ende November 1874 für Rechnung des deutschen Reichs zur Einziehung gelangten Landessilber⸗ und Kupfermünzen. 3) Han⸗ dels und Gewerbewesen: Dispensation von ärztlicher Prüfung ꝛc. 4) Telegraphenwesen: Bekanntmachung, betr. die auf Reichsmarkwäh⸗ rung lautenden Telegraphenfreimarken. 5) Konsulatwesen: Er⸗ nennungen ꝛc. 6) Zoll⸗ und Steuerwesen: Nachweisung der Ein⸗ nahmen an Wechselstempelsteuer im deutschen Reiche für die Monate Januar bis Novpember 1874. 7) Amtliche Belehrung des Publi kums an Billetschaltern und Güterexpeditionen; sorgfältige Ausfüllun u. s. w. der Frachtbriefe Seitens der Güterexpeditionen. 8) Perso⸗ nalveränderungen ꝛc.: Ernennung.

Nr. 24 des „Marine⸗Verordnungs⸗Blatits' hat folgen⸗ den Inhalt: Verordnung über die Zuständigkeit der Reichsbehörden zur Ausführung des Gesetzes vom 31. März 1873 und die Anstellung der Reichsbeamten. Vom 23. November 1874. Ausführungs⸗ Bestimmungen zum Gesetz über die Beurkundung des Personenstandes und die Form der Eheschließung vom 9. März 1874. Berichtigung der Instruktion über die Ausbildung der Schiffssungen der Kaiser⸗ lichen Marine. Ausstellung der Quartierbescheinigungen. Ein⸗ sendung der Rechnungssachen. Kostenfreie Zusendung des Marine⸗ Verordnungsblattes resp. der Hydrographischen Mittheilungen durch die Admiralität an diejenigen Avonnenten, welche sich auf S. M. Schiffen und Fahrzeugen im Auslande befinden. Currenthaltung der Stauungspläne. Dienstbeschädigungs⸗Atteste.

Nr. 12 des „Beiheft zum Marine⸗Verordnungs* Blatt“ hat folgenden Inhalt: 1) Eine Uebersetzung (Panzerwirkung verschiedener Geschützsysteme). 2) Aus den englischen Admiralitäts⸗ Cirkularen pro 1874): a) Abfeuern der Geschütze mittels Elektrizität; b) Vorschriften über Behandlung und Konservirung von Maschinen und Kesseln; c. Stromrestimmung; d. Lothungen im Stillen Ocean. 3) Bericht des Kommandos S. M. S. „Arcona“ über den Aufenthalt in Levuka und über die Reise nach den Samoa⸗Inseln. 4) Bemer⸗ kungen zu dem 6. Artikel im Beiheft Nr. 9. (die Seekriegführung an der Küste) und dem 4. Artikel im Beiheft Nr. 10 (Entgegnung auf den ersteren). 5) Bericht des Kommandos S. M. S. „Arcena“ über den Aufenthalt in Apia und über die Samoa⸗Inseln. 6) Aus den englischen Admiralitäts⸗Cirkuläaren pro 1874. Beschreibung des Lothapparates von Sir Willtam Thomsen. 7) Vom Batterie⸗Offizier. 8) Internationales Seerecht. 9) Kiitik.

Reichstags⸗Angelegenheiten. Berlin, 19. Dezember. In der gestrigen (35.) Sitzung des Deutschen Reichstages bemerkte der Bundesbevollmäch⸗ rigte, Präsident des Reichskanzler⸗Amts, Staats⸗Minister Dr. Delbrück auf eine Aeußerung des Abg. Dr. Loewe in Betreff der Wiedereinführung des Zolls auf Eisenbahnmaterialien in der Schweiz:

Meine Herren, die von dem Herrn Vorredner angeführten That⸗ sachen sind meines Wissens richtig; es ist auch nicht zu bestreiten, es folgt das aus der Natur der Dinge, daß durch die Wiederauf⸗ hebung der Zollfreiheit für Eisenbahnmaterial der Bau der Gotthard⸗ bahn vertheuert werden wird.

Was nun die Stellung des Reichs zu dieser Frage anlangt, so mache ich darauf aufmerksam, daß die Subventionen, welche das Reich, die Schweiz und Italien geben, feste Summen sind, die weder sich vermindern, wenn die Banausführung wohlfeiler wird, wie sie veranschlagt war, noch sich erhöht, wenn sie theurer ausfällt, als sie veranschlagt war. Interessirt bei der Frage direkt ist die Gesell⸗ schaft, welche die St. Gotthardbahn auszuführen hat. Auf die Schultern dieser Gesellschaft fällt die Mehrausgabe. Diese Gesell⸗ schaft hat sich an das Reich in dieser Beziehung noch nicht gewendet, und von Reichswegen die Frage aufzunehmen, lag kein Grund vor, wenn man nicht die Frage auffassen wollte als eine allgemeine, als eine das Interesse der deutschen Eisenindustrie betreffende. Hierzu lag aber, ganz abgesehen davon, daß derartige Reklamationen in Bezug auf Tarifsätze einzelnen Staaten gegenüber nur unter beson⸗ deren Umständen anzubringen sind, namentlich die Rücksicht vor, daß der schweizerische Eisenzoll kein Schutzzell ist.

Zu Kap. 6 (Reichsheer) Titel 5 a. 16, betreffend den Neubau eines Getreide⸗ und Mehlthurmes in Leipzip, ergriff der Bundes⸗Kommissar, Königlich sächsischer Major v. d. Planitz das Wort:

Meine Herren! Wohl ist es schwierig, eine von Ihnen in zwei⸗ ter Lesung abgesetzte Position jetzt wieder einzustellen, ich muß aber doch darauf hinweisen, daß sich die Nothwendigkeit der Magazine in Leipzig, bezüglich deren Sie die Bewilligung der Position abgelehnt haben, und zwar deshalb, weil sie während der Periode des Pausch⸗ quantums ohne besondere Bewilligung gebaut worden seien und des⸗ halb auch à conto des Pauschquantums ausgeführt werden müßten ich sage, daß sich die Nothwendigkeit dieser Magazine schon früher herausgestellt hatte. Meine Herren! Wie Sie sich vielleicht erinnern werden, war in der Vorlage, welche im Jahre 1873 in der damaligen Session dem Reichstag gemacht worden ist, bei denjenigen Bauten, welche vorzugsweise aus dem sogenannten 13 Millionenfonds bestritten werden sollten, auch der Betrag für diese Magazine enthalten. Der Reichstag hat damals blos die besonders nothwendigen Bauten genehmigt und gewisse Bauten zurückgestellt, oder die Be⸗ willigung dafür wenigstens vorläufig nicht ausgesprochen. Unter diesen letzteren befanden sich auch diese Magazine in Leipzig. Da sich in⸗ zwischen aber die unbedingte Nothwendigkeit herausgestellt hat, die Magazine herzustellen, so ist man mit dem Ban derselben in der Hoffnung auf deren nachträgliche Bewilligung vorgegangen.

In der Diskussion über den elsaß⸗lothringischen Stat erklärte der Bundes⸗Kommissar, Direktor im Reichskanzler⸗ Amt, Wirkl. Geh. Ober⸗Regierungs⸗Rath Herzog auf die vom Abg. Miquel befürwortete Resolution auf Vereinfachung des Verwalungsapparats in den Reichslanden: