1874 / 301 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 23 Dec 1874 18:00:01 GMT) scan diff

hunals vom 5. November cr. nicht unter den Begriff „tödtliche Waffen“, und ein mit solchen Waffen geführter Zweikampf ist emnach straflos. Die beiden Polxntechniker G. und H. hatten zu Anfang dieses Jahres ein Duell bei Aachen mit ge⸗ schliffenen Schlägern ausgeführt, denen sie jedoch durch Anlegen von Binden und Bandagen jede Gefährlichkeit benommen und o die Möglichkeit eines tödtlichen Erfolges ausschlossen. Auf die vom Staatsanwalt eingeleitete Untersuchung wurden die eiden Angeklagten G. und H. in erster Instanz verurtheilt, in zweiter jedoch freigesprochen. Auf den Kassationsrekurs des Ober⸗Prokurators bestätigte das Ober⸗Tribunal das Erkenntniß der zweiten Instanz, indem es ausführte: „Nach der thatsäch⸗ ichen, unanfechtbaren Auffassung des Appellationsrichters sind allerdings geschliffene Schläger als tödtliche Waffen zu betrach⸗ en, im vorliegenden Falle jedoch waren alle Schutzvorrichtungen getroffen, um den Schlägern jede Gefährlichkeit zu benehmen und die Möglichkeit eines tödtlichen Erfolges gänzlich aus⸗ geschlossen. Es kann daher unter den obwaltenden Umständen von einer Tödtlichkeit der benutzten Waffen keine Rede sein. §§. 201 und 205 St. G. B. zum Thatbestand

des nach §. 205 strafbaren Zweikampfes die Anwendung tödt⸗ licher Waffen Seitens der beiden Kämpfer gehört, so kann rechtlich nicht in Betracht kommen, ob die angewandten Waffen Gebrauchsweise als tödtliche zu betrachten sein

Am 17. d. M. wurde von dem Ober⸗Tribunal fol⸗ gende Entscheidung, betr. die Bildung politischer Vereine, 5 eines größeren politischen Vereins, welcher in Bezirke Anmeldungen zum Beitritt zu mt, ohne daß die durch die Anmeldun⸗ gen bei ihm beigetretenen Personen thatsächlich mit ihm einen abgeschlossenen unter sich bestehenden Verein bilden, ist weder verpflichtet, die Statuten seines Vereins noch ein Verzeichniß der von ihm angeworbenen Mitglieder der Orts⸗ polizeibehörde zur Kenntnißnahme einzureichen, da er zwischen jenen angeworbenen Personen überhaupt keinen eigenen Verein bildet. .

Am 21. d. M., Abends, fand unter Vorsitz des Stadt⸗ raths Dr. Techow im Bürgersaale des Rathhauses hiersebst abermals eine Versammlung der Delegirten sämmt⸗ licher Gemeinde⸗Kirchenräthe und Gemeindever⸗ tretungen Berlins statt, um auf Grund der Beschlüsse der in einer früheren Versammlung niedergesetzten Kommission die Frage der Aufhebung der kirchlichen Stolgebühren zur Entscheidung zu bringen. Der Referent der Kommission, Stadt⸗ rath Dr. Techow, empfahl die Annahme folgender Resolution:

„Die Delegirten sämmtlicher Gemeindekirchenrithe und Gemeinde vertretungen Berlins erklären:

1) Die Abschaffung der Stolgebühren für Taufen und Trauun⸗ gen ist in Berlin dringend geboten. 2) Da der Staat durch §. 54 des Gesetzes vom 9. März 1874 die Verpflichtung übernommen hat, die Ausfälle an Stolgebühren, die durch dieses Gesetz verursacht werden, den Geistlichen und Kirchenbeamten zu ersetzen, so wird die Erwartung ausgesprochen, daß die für diese Entschädigung zu be⸗ stimmende Summe im Staatshaushalts⸗Etat möglichst reich bemessen werde und die Auslegung des §. 54 dem Zweck einer ausreichenden Entschädigung entsprechend erfolge. 3) Es ist nothwendig, daß die Entschädigung des Staates auch denjenigen Kirchenkassen gewährt werde, welche durch das Gesetz vom 9. Marz 1874 einen Ausfall an Stolgebühren erleiden. 4) Die Fürsorge für dieienigen einzelnen Gemeinden, in welchen dringende Nothstände sofortige Abhülfe er⸗ heischen, liegt zunächst dem Patronate ob; daneben ist nöthigenfalls der Weg der Kollekte ins Auge zu fassen. Die Delegirten⸗Versamm⸗ lung beschließt demgemäß: 1) Eine Petition an den Landtag zu rich⸗ ten; 2) eine Kommission zu ernennen, welche spätestens nach Schluß der Landtags⸗Verhandlungen die Delegirten⸗Versammlung zur Be⸗ richterstattung und erneuten Berathung darüber zusammenberuft, ob und inwieweit Gemeindeleistungen in Anspruch zu nehmen sind.“

In der Spoezialdiskussion beantragte der Präsident des Königlichen Konsistoriums, Hegel, den Absatz 1 wie folgt zu fassen: „Die Abschaffung der Stolgebühren für Taufen, Trauungen und Beerdigungen, sowie der damit ver⸗ bundenen Opfer ist in Berlin dringend geboten. Der Antrag wurde, nachdem sich mehrere Redner aus Oppor⸗ tunitäts⸗Rücksichten dagegen erklärt hatten, abgelehnt, ebenso ein Antrag desselben Antragstellers, in Nr. 3 hinter „Ent⸗ schädigung des Staates“ einzuschalten: „nicht blos den vor dem 1. Oktober cr. angestellten Geistlichen und Kirchendienern, son⸗ dern überhaupt den kirchlichen Stellen und derjenigen ꝛc.“ Da⸗ gegen fanden folgende vom Konsistorial⸗Präsidenten Hegel beantragten Resolutionen die Zustimmung der Versammlung:

1) An den Herrn Minister der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten den Antrag zu richten, daß zur sofortigen Abhülfe der dringendsten Noth⸗ stände wenigstens Vorschüsse auf Grund des Gesetzes vom 9. März 1874 und in Anrechnung auf die spätere definitiv festzusetzende Ent⸗

schädigung aus der Staatskasse gewährt werden.

2) An das Königliche Konsistorium der Provinz Brandenburg den Antrag zu⸗ richten, in Gemäßheit des §. 57 der Kirchen Gemeinde⸗ und Synodalordnung schleunigst das Zusammentreten der vier Ber⸗

liner Kreissynoden zu dem Zwecke herbeizuführen, um

a. über die Aufhebung der Stolgebühren in Berlin und den da⸗ für zu schaffenden Ersatz und 3

b. über das Statut der durch das Zusammentreten dieser vier Kreissynoden zu bildenden ständigen Gesammt⸗Kreissynode von Berlin zu und dem Kirchenregimente bezügliche Vorschläge zu machen.

Mit diesen Amendements gelangten die Vorschläge der Kom⸗ mission mit großer Majorität zur Annahme. Die weiteren Schritte wurden der bestehenden Kommission überlassen. (Siehe den Erlaß des Ministers der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten vom 19. d. M. in Nr. 299 des „R. und St. A.*)

Der hiesigen Sternwarte ist gestern von dem Direktor der Sternwarte zu Greenwich, Sir G. Airy, die telegraphische Mittheilung zugegangen, daß der Venusdurchgang auf den Sandwich⸗Inseln, welche eine sehr wichtige Station bildeten, im Allgemeinen gut beobachtet worden ist, und daß dort im Ganzen 60 photographische Aufnahmen gelungen sind. Nur eine der drei englischen Expeditionen, welche sich auf diesen In⸗ seln befanden, ist durch Wolken benachtheiligt worden.

Das Telegramm enthält zugleich die Mittheilung, daß der ausgezeichnete französische Astronom Jansen seine Beobachtung des Kontaktes für verfehlt erklärt hat, oder wenigstens auf meh⸗ rere Sekunden unsicher geblieben ist, daß derselbe dagegen die volle Scheibe der Venus bereits 12 Minuten vor dem vollstän⸗ digen Eintritte in die Sonnenscheibe wahrgenommen hat.

Die Bundesraths⸗Bevollmächtigten, Großherzoglich badi⸗ scher Ministerial⸗Präsident von Freydorf und Großherzoglich oldenburgischer Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Selkmann, sind von Berlin abgereist.

Der General⸗Lieutenant Graf von Brandenburg ll., General⸗Adjutant Commandeur der Garde⸗Kavallerie⸗Division, hat sich mit Urlaub nach Domanze in Schlesien begeben, desgleichen der Major und

Sr. Majestät des Kaisers und Königs und

etatsmäßige Stabsoffizier im 1. Garde⸗Dragone

Prinz Friedrich zu Hohenzollern nach Hohenzollern. Posen, 22. Dezember. (W. T. B.) Auf Grund einer

Verfügung des Kreisgerichts zu Rawicz ist auch Dekan

Sandroki, weil er in Bezug auf den päpstlichen Delegaten

sein Zeugniß verweigerte, verhaftet worden.

Ratibor, 21. Dezember. Heute fand die Uebergabe des vom Herzog von Ratibor, General der Kavallerie à la suite der Armee, dem 3. Oberschlesischen Infanterie⸗ Regiment Nr. 62 für sein Mufikchor geschenkten Schellen⸗ baum statt. Das hier garnisonirende Füsilier⸗Bataillon des Regiments nahm zu diesem Zwecke um halb 10 Uhr Vormittags Aufstellung im Hofe des Herzoglichen Schlosses und empfing das Geschenk aus den Händen Sr. Durchlaucht, worauf der Regiments⸗Commandeur Oberst Böhmer, nachdem er dem Herzog den Dank des Regiments ausgesprochen, ein Hurrah auf Se. Majestät den Kaiser ausbrachte. Ein Vorbeimarsch des Bataillons und das Abrücken desselben unter klingendem Spiele mit dem schönen Schellenbaum an der Spitze des Musikchors, be⸗ schlossen diese militärische Feier.

Flensburg, 18. Dezember. Heute fand die feierliche Ueberreichung des von den Herzogthümern dem Schleswig⸗ Holsteinischen Füsilier⸗Regiment Nr. 86 als Zeichen dankbarer Anerkennung verehrten Schellenbaumes am hiesigen Häuptgarnisonsort statt. Der Landtagsmarschall Graf E. zu Rantzau⸗Rastorff hielt bei der Uebereichung an das Regiment eine Anrede, welche mit einem Hoch auf das Schleswig⸗Hol⸗ steinische Füsilier⸗Regiment Nr. 86 schloß, und die vom Regi⸗ ments⸗Commandeur Oberst Liebe mit einem Hoch auf die Pro⸗ vinz Schleswig⸗Holstein erwidert wurde.

Bayern. München, 20. Dezember. (Corr. v. u. f. D.) Vom 1. Januar k. J. ab wird: 1) die Administration der Remonte⸗Depots als Dienstesstelle aufgehoben, 2) die Lei⸗ tung sämmtlicher auf das Remontewesen und die Administration der Remonte⸗Depots bezüglichen Angelegenheiten an die Remonte⸗ Inspektion übertragen, endlich 3) dieser Inspektion behufs Lei⸗ tung des landwirthschaftlichen Betriebes ein „Direktor der Re⸗ monte⸗Depots“ beigegeben. In Folge dessen ist der bisherige Vorstand der Administration der Remonte⸗Depots, charakt. Ge⸗ neral⸗Major z. D. M. Wepfer, unter Allergnädigster Anerken⸗ nung seiner ersprießlichen Dienstleistung dieser Funktion enthoben, der charakt. Oberst⸗Lieutenant a. D. G. Freiherr von Flotow bei der Remonte⸗Inspektion als Vorstand der Ankaufs⸗Kom⸗ mission in Verwendung genommen.

In Gemäßheit der für Regelung der militärdienstlichen und administrativen Verhälmisse der Festung Ulm beider Ufer getroffenen Vereinbarung vom 16. Juni d. J. bildet diese Festung vom 1. Januar k. Js. ab, vorbehaltlich der Souve⸗ ränetätsrechte der hohen Territorialherren und der bestehenden Eigenthumsrechte, einen einheitlichen Waffenplatz unter ein⸗ heitlichem Kommando und einheitlicher Verwaltung durch Organe des Reiches. Demzufolge wird vom 1. Januar k. J. die Königlich bayerische Festungs⸗Kommandantur in Ulm und die Ingenieur⸗Direktion in Neu⸗Ulm auf⸗ gelöst. Der im Range älteste Commandeur der bayerischen Be⸗ satzungstruppen führt von da die Bezeichnung „Königlich baye⸗ rischer Kontingents⸗Aeltestery. Die für die Verwaltungs⸗ angelegenheiten der Königlich bayerischen Friedensbesatzung auf⸗ gestellten Königlich bayerischen Garnisonsverwaltungs⸗, Proviant⸗ und Lazareth⸗Behörden für Neu⸗Ulm bleiben in ihrem bisherigen Dienst⸗ und Ressortverhältnisse; die Vermittelung der Be⸗ ziehungen zum Festungs⸗Gouvernement liegt dem Kontingents⸗ Aeltesten ob.

Württemberg. Stuttgart, 20. Dezember. Der Herzog Eugen von Württemberg ist heute von Karlsruhe in Schlesien, wohin sich derselbe zum Besuche seines erkrankten Vaters, des Herzogs Eugen Erdmann, begeben hatte, wieder hierher zurückgekehrt.

Baden. Karlsruhe, 20. Dezemver. Gestern Abend feierte der Karlsruher Militärverein den Jahrestag des Gefechts bei Nuits. Das vom Großherzog bestellte Bild des Schlachtenmalers Emele, darstellend den „Angriff der badischen Grenadier⸗Brigade auf den Eisenbahn⸗Einschnitt vor Nuits am 18. Dezember 1870“ ist gegenwärtig hier ausgestellt.

Die „Konstanzer 3.“ berichtet: „Der wegen der Spital⸗ pfründe zwischen dem Ober⸗Stiftungsrath und der hiesigen Spitalver⸗ waltung schwebende Rechtsstreit ist nun nach der Ueberweisung der Pfründe an die Altkatholiken durch letztere weiter zu führen. Nach der Synodalordnung ist die Zustimmung der Ge⸗ meinde zur Führung eines Prozesses erforderlich und findet des⸗ halb morgen Nachmittags 2 Uhr eine altkatholische Gemeinde⸗ versammlung im Stadthaussaale statt. Die Verhandlung vor

dem Großerzoglichen Ober⸗Hofgericht findet am Dienstag statt.

Vor der Civilkammer und dem Avppellationssenat dahier hat die Spitalverwaltung den Prozeß verloren.“

Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 21. Dezember. Aus Anlaß der bevorstehenden Einführung der Reichsmark⸗

rechnung sind in den letzterschienenen Regierungsblättern ver⸗

schiedene Verordnungen zur Regulirung der in Gesetzen, Statuten ꝛc. normirten Geldsätze publizirt worden, so nament⸗ lich zur Ausführung des Gesetzes über die allgemeine Einkommen⸗ steuer, über die Erhebung der direkten Steuern, Hundesteuern und Brandkassenbeiträge, über die Alimentationsbeiträge der Waisenversorgungsanstalt, über die Verzinsung der Sparkasse⸗ Einlagen, über die Zinsen⸗ und Gebührensätze der Leihhäuser zu Eisenach und Weimar, über die Verwaltung der öffentlichen Depositen u. s. w. Das heutige Regierungsblatt enthält das Gesetz über die Aufbringung der Synodalkosten vom 19. De⸗

zember.

Sachsen⸗Meiningen⸗Hildburghausen. Mein in⸗ gen, 20. Dezember. (Fr. J.) Der Landtag ist in seinen letzten Sitzungen mit der Etatsberathung zu Ende gekommen. Die höheren Besoldungen und Dotationen für die Unterrichtsanstalten wurden nach den Anträgen des Ausschusses bewilligt. In Bezug auf die direkten Steuern einigte sich der Landtag zu 5 ½ Terminen Grund⸗ und 12 Terminen Einkommen⸗ und Klassensteuer. Erstere ergiebt im Jahr 82,500 Thlr., die letzteren 83,000 und 161,000 Thlr., wozu noch 110,000 Mark an Gebäudesteuer kommen. Außer den Besoldungen werden auch die Tagegelder der Beamten und Landtags⸗Abgeordneten erhöht, die der letzteren auf 9 Mark.

Sachsen⸗Altenburg. Altenburg, 20. Dezember. Die Frage wegen Verlegung des hiesigen Bahnhofs und Beseitigung der störenden Kopfstation desselben ist gestern durch einen in ge⸗ Sitzung gefaßten Beschluß des Landtages zur Er⸗ edigung gekommen. Der Landtag hat nach langer Debatte zu dem deshalb mit der Königlich sächsischen Staatsregierung ab⸗

1

dagegen auf Antrag

schlossenen Bertrag seine Genehmigung ertheilt und alle au Modifikation dieses Vertrages gerichteten Anträge abgeworfen. Insbesondere wurde auch ein Antrag, die Zustimmung davon ahb⸗ hängig zu machen, daß die Stadt Altenburg mit einem Bei⸗ trage von 50,000 Thlr. eintrete, abgelehnt, dagegen die Petition mehrerer Einwohner der Stadt um Beschaffung besserer Zugäng⸗ lichkeit zu dem Bahnhof, als in dem Plane vorgesehen, der Regierung zur thunlichsten Berücksichtigung empfohlen.

Anhalt. Dessau, 21. Dezember. Der Erbprinz und der Prinz Friedrich sind zum Besuche ihrer hohen Ver⸗ wandten während des Weihnachtsfestes von Bonn * gestern hier eingetroffen. Wegen der längern Dauer des Reichstages soll die Vertagung des Landtages verlängert werden, und wäre der „L. Z.“ zufolge für die Wiedereröffnung desselben der 19. Januar in Aussicht genommen. 8

Schwarzburg⸗Sondershausen. Sondershausen, 22. Dezember. Das 27. Landesgesetzsammlungs⸗Stück enthält u. A.: Nr. 57. Verordnung, die Erhöhung des vom hiesigen Landesseminare zu zahlenden Schul⸗ und Eintrittsgeldes für Ausländer betr., vom 27. November 1874; Ministerial⸗ verordnung, betr. Abänderungen des Regulativs vom 17. Mai 1860 über die Entschädigung an Reisekosten und Gebühren der Geometer für Versteinigungen, vom 30. November 1874; Mi⸗ nisterialverordnung, betr. den Verkauf, die Aufbewahrung und den Transport von Schießpulver, Sprengöl, methylifirtem Nitro⸗ glycerin und Dynamit, vom 30. November 1874.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 23. Dezember. (W. T. B.) Die „Wiener Zeitung“ neröffentlicht in ihrem amt⸗ lichen Theil das Finanzgesetz für das Jahr 1875, nach welchem die Deckung des Defizits von 8,200,000 Fl. durch den Verkauf von Renten erfolgen soll.

Pest, 21. Dezember. Im gestrigen Ministerrathe wurde über die Nordostbahn⸗Angelegenheit verhandelt; dem „Pester Lloyd“ zufolge wurden die sämmtlichen diesbezüglichen An⸗ träge des Verkehrs⸗Ministers angenommen.

Im Abgeordnetenhause interpellirte Popovics den Kultus⸗ Minister, ob bei Besetzung des Munkacser Bischofssitzes Rück⸗ sichten auf die antimagyarische Gesinnung der dortigen Bevöl⸗ kerung maßgebend gewesen seien. Das Idemnitätsgesetz und die Steuerverlängerungsgesetze wurden promulgirt; sodann wurde die Grundsteuervorlage zu Ende berathen und die Sitzungen bis zum 9. Januar vertagt.

Im Oberhause wurden dieselben Gesetze promulgirt.

Agram, 20. Dezember. Nach der Eröffnung der heutigen Sitzung des Landtags durch den Präsidenten Krestié inter⸗ pellirte Dr. Makanec den Banus betreffs des Zeitpunktes, wann in Gemäßheit der gesetzlichen Verordnungen die definitive Be⸗ setzung der Richterstellen in der kroatisch⸗slavonischen Militär⸗ grenze, nach den zwischen dem K. K. General⸗Kommando als der obersten Grenzverwaltungsbehörde, und der kroatisch⸗ slavonischen Landesregierung einverständlich zu unterbreitenden Besetzungsvorschlägen vor sich gehen werde, und zweitens, wann die Vereinigung der Grenzsektion der Septemviral⸗ tafel und der Banaltafel und mit dem gleichnamigen obersten Gerichtshofe beziehungsweise Ober⸗Gerichte in Civil⸗Croatien, durchgeführt werden wird. Der Banus Ma⸗ zuranié antwortete auf die erste Interpellation, daß er in der genannten Richtung mit dem Grenzverwaltungs⸗Chef, FZM. Mollinary, Rücksprache gepflogen habe, die weiteren Maßnahmen des Letzteren jedoch nicht kenne; zweitens, daß die Vereinigung des erwähnten Grenz⸗Ober⸗Gerichtes und obersten Gerichtshofes mit dem Ober⸗Gerichte und dem obersten Gerichtshofe in Civil⸗ Croatien im nächsten Frühjahre vor sich gehen dürfte. Dr. Ma⸗ kenec erklärte sich mit dieser Antwort zufrieden. Der Banus Mazuranié brachte den Landesvoranschlag pro 1875 ein.

Großbritannien und Irland. London, 22. Dezember. (W. T. B.) In dem Befinden Disraelis ist eine ent⸗ schiedene Besserung eingetreten. Derselbe wird voraussichtlich an den Arbeiten der nächsten Legislatursession theilnehmen.

Frankreich. Paris, 22. Dezember. (W. T. B.) Das „Pays“ ist wegen eines gestern veröffentlichten Artikels über die Fortschritte der Bonapartisten auf vierzehn Tage suspendirt worden. Emile Pereire ist schwer erkrankt.

Versailles, 22. Dezember. (W. T. B.). Die National⸗ versammlung setzte heute die Berathung des Unterrichts⸗ gesetzes fort. Der erste Artikel wurde genehmigt, der zweite der Regierung mit 350 gegen 325 Stim⸗ men an den betreffenden Ausschuß zurückverwiesen. Der De⸗ putirte Goblet (Linke) machte darauf die Mittheilung, daß er die Regierung darüber zu interpelliren beabsichtige, ob dieselbe den am 8. Juni d. J. gegen das sogenannte Comité des appe] au peuple eingeleiteten Maßregeln noch weitere Folge zu ge⸗ ben gedenke. In Gemäßheit eines von dem Justiz⸗Minister kundgegebenen Wunsches und unter Ablehnung eines von Gam⸗ betta gestellten Antrages, die Diskussion dieser Interpellation be⸗ reits morgen vorzunehmen, beschloß die Nationalversammlung, die Berathung derselben bis nach Entgegennahme des Berichtes der fünften Abtheilung über die Wahl von Bourgoing im De⸗ partement de la Nievre zu vertagen.

Spanien. Madrid, 21. Dezember. Veranlassung des Ministers des Auswärtigen, Ulloa, sind die militärischen Bevollmächtigten, welche die spanische Re⸗ gierung auf dem Brüsseler Kongreß vertreten haben, zu einer Konferenz zusammengetreten, um ein Gutachten über die Ant⸗ wort abzugeben, welche die spanische Regierung der russischen auf die von der letzteren unter dem 25. September d. J. über⸗ sandte Depesche demnächst zu ertheilen gedenkt. Die militä⸗ rischen Operationen gegen die Carlisten sind wegen heftigen Schneegestöbers, durch das alle Gebirgswege schon seit 6 Tagen unzugänglich geworden find, eingestellt. Mehrere Eisen⸗ bahnzüge auf der Nord⸗ und auf der Ostbahn sind durch den Schneefall aufgehalten worden.

Italien. Ueber den vom Kriegs⸗Minister dem Parla⸗ mente vorgelegten Gesetzentwurf zur Organisation der Territorial⸗ und Kommunal⸗Miliz äußert sich die „Italia Militare“ in folgender Weise:

Nach den Bestimmungen dieses Entwurfs wird die Territorial⸗ miliz (der Landsturm) ein integrirender Theil des Heeres und hilft vS als letzte Nationalreserve bei der Landesvertheidigung. Sie kann nur im Kriege zu den Waffen gerufen werden, ist aber dann denselben Gesetzen unterworfen, wie das stehende Heer. Sie hat keine Uniform, wird aber mit einer Militärmütze und Armbinde versehen und durch diese Abzeichen unter den Schutz des Völkerrechts gestellt. Ihre Offiziere werden durch König⸗ liches Dekret ernannt und die Korporale und Unteroffiziere durch die Kommandanten der Militairdistrikte, welche auch wie die Bürger⸗

(W. T. B.) Auf

auf 40,615 Thlr.; ältere und neuere

meister die Verzeichnisse der Territorialmilizpflichtigen

jenigen Landsturmmänner, welche weder im stehenden Heere noch in 2 Mobilmiliz (Landwehr gedient haben und nicht en.

sie die Handhabung des Gewehrs und die Grund⸗Elemente des Soldatendienstes verstehen, können zu Uebungen einberufen werden. Diese dürfen aber nicht über 40 Tage dauern. Die Kommunal⸗ Miliz ist von der Territorial⸗Miliz ganz verschieden. In jeder Gemeinde soll ein Verzeichniß der Kommunal⸗Milizpflichtigen ge⸗ führt werden. Dazu gehören alle zu den Gemeindewahlen berechtigten Zürger, und sind in die Listen einzutragen mit ihren resp. Graden alle Diejenigen, welche territorialmilizpflichtig sind, aber auch. Diejeni⸗ en, welche zum stehenden Heere und zur Mobilmiliz gehören, jedoch auf unbestimmte Zeit beurlaubt sind. Die auf diesen Listen einge⸗ tragenen Kommunal⸗Milizpflichtigen können, wenn sie überhaupt brauch⸗ bar sind, jederzeit und unter allen Umständen zur Aufrechthaltung der ffentlichen Ordnung und Sicherheit zu den Waffen gerufen werden und stehen dann ebenfalls unter Militärgesetz und Disziplin. Der Gesetzentwurf enthält auch Spezialbestimmungen z. B. gegen Die⸗ jenigen, welche sich dem Kommunal⸗Milizdienst ungerecht⸗ fertister Weise entziehen, auch Vorschriften, wie man im Nothfalle stufenweise bis zum Minister des Innern hinauf Berufungen einlegt, und Bestimmungen, welche die Grenzen des Kommunal⸗Milizdienstes bezeichnen, über welche hinaus die Kommunal⸗Milizmänner nicht her⸗ angezogen werden dürfen. Die Kommunal⸗Miliz hat ebenfalls keine cbligate Uniform, es sollen aber Bestimmungen über eine fakultative Uniformirung getroffen werden, aber nur für Diejenigen, welche sich solche auf eigene Kosten anschaffen wollen, Die Kommunal⸗Milizmannschaf⸗ ten werden disziplinarisch als Detachement des Militärdistriktes be⸗ nachtet. Mit der Einführung dieses Gesetzentwurfs verlieren alle setzt gültigen die Nationalgarde betreffenden Gesetze und Verfügungen ihre Kraft.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Bon F. Schmidts „Burggraf Friedrich von Nürn⸗ berg, Geschichtliche Erzählung aus der letzken Zeit des 14. und der ersten Zeit des 15. Jahrhunderts;“ (Berlin, Versag von A. Haack) ist neuerdings eine zweite Auflage veranstaltet worden. Die in markiger Sprache gegebene Schilderung der Lage der Mark Branden⸗ burg und der durch Kaiser Sigismund erfolgten Einsetzung des Burg⸗ grafen Friedrich, des Ahnen des Hohenzollernhauses, zum Statthalter

ist von fesselnder Wirkung auf den historischen Sinn der Jugend

und verleiht dem Buche den Charakter einer bildenden Volksschrift.

Unter dem Titel: „Fritz Reuter, sein Leben und seine Werke“, ist soeben eine von Hermann Ebert verfaßte Biographie

des verstorbenen bedeutendsten niederdeutschen Volksdichters bei Opitz

u. Co. in Güstrow erschienen. Auf eingehenden Quellenstudien

beruhend, dichterisches Schaffen und seine Häuslichkeit bis an sein Lebensende. Das Werk zerfällt in folgende Abschnitte: Stemhagen (1810 1824). Aus der Schülerzeit (1824 1831). Burschenjabre (1831 1833). De Festungstid (1833 1840).

mit 7361 gegen 30 Stimmen an.

schildert derselbe des Dichters geistige Entwickelung, seine mannigfachen Lebensschicksale, seinen Charakter und sein Wesen, sein

tow (1850 1856). org (1856 1863). Am Fuße der Wartburg (1863 bis 1874). Als werthvolle Beigaben sind 8 er⸗ wähnen die darin enthaltenen Schulzeugnisse aus Parchim, Briefe aus der Festungszeit, ein Schreiben des Justiz⸗Ministers v. Kamptz, betreffend Reuters Freilassung, Berichte über die Verhandlungen der philosophischen Fakultät zu Rostock wegen Ernennung Reuters zum Ehrendoktor, das Danksagungsschreiben des Letzteren an Se. König⸗ liche Hoheit den Großherzog als Kanzler der Universität, sowie ein humoristischer Begleitsrief bei Ueberreichung eines seiner Werke an Se. Königliche Hoheit und mehrere bisher noch nicht veröffentlicht Dichtungen. 8

Am 18. d. Mts. Vormittags trafen die österreichisch⸗unga⸗ rischen Nordpolfahrer, Graf Wilczeck, Marine⸗Offizier Weiprecht und Dr. Kepes, einer Einladung Sr. Königlichen Hoheit des Groß⸗ herzogs von Sachsen folgend, in Weimar ein. Die Herren wur⸗ den am selben Tage zur Tafel befohlen und hatten die Ehre, am folgenden Morgen Sr. Königlichen Hoheit Bericht zu erstatten und mit Sr. Königlichen Hoheit zu frühstücken. Nachdem die Herren Abends wieder einer Einladung zum Diner Folge geleistet und der Vorstellung im Theater beigewohnt, reisten Nachts mit dem Courier⸗ zug Graf Wilczeck und Dr. Kepes nach Wien, während Hr. Weiprecht sich nach seiner Heimatb, dem Großherzogthum Hessen, zurückbegab.

Gewerbe und Handel.

Die kürzlich stattgefundene Generalversammlung der Deut⸗ schen Holz⸗Industriegesellschaft setzte die Dividende auf 1 ½ 3 fest, ertheilte sodann vorbehaltlich der Zustimmung der u erwählen⸗ den Revisionskommission Decharge und wählte die ausscheidenden Mitglieder des Verwaltungsrathes wieder. Das geringe Betriebs⸗

ergebniß erklärt sich daraus, daß das verflossene Geschäftsjahr zum größten Theile ein Baujahr war und von einem vollen Betriebe erst

in den allerletzten Monaten desselben die Rede sein konnte. So be⸗ trug der vertheilbare Reingewinn nur 4635 Thlr. bei einem Aktien⸗ kapital von 300,000 Thlrn.

Die am 22. Dezemb er in Hamburg abgehaltene General⸗ versammlung der Anglo⸗Deutschen Bank ertheilte mit 7287

gegen 67 Stimmen die Decharge und nahm darauf die Anträge auf . G 8 1 über der Katholischen Kirche, befindet, zu legen.

Herabsetzung des Aktienkapitals und auf Reorganisation der Bank

Das Warschauer Ober⸗Tribunal hat den von der Konkurs⸗ verwaltung des Bankverein „Tellus“ gegen die Gräfin Plater, Gemahlin des mithaftenden Gesellschafters Grafen Stanislaus Plater, n899 S e Pne angestrengten Prozeß zu Gunsten der Masse des „Tellns“ entschieden. Das Streitobjekt ist 230,000 Thlr. 1

Auch die Märkische Eisenhütte (früher Ludwigshütte) deren Generalversammlung am 19. Dezember in Dortmund abgehal⸗ ten wurde, ist, wie fast alle Unternehmungen dieser Art, nicht in der Lage, von günstigen Resultaten berichten zu können, da man auch

hier unter den obwaltenden ungünstigen Verhältnissen in der Kon⸗ I1 Fh an Absatz zu leiden hatte. 5 b Geschäftsbericht ausführt, produzirte die Gießerei vom 1. Januar De Stromtid (1840 1850). Trep: z 5

Wie der

bis Ende Juni d. J. an Kastenguß 647,000 Pfund, an Lehmguß 91.000

Pfund, an Heerdguß 40,000 Pfund; ferner vom Mai an, wo der erste Flammofen in Betrieb gesetzt wurde, 88,000 Pfund Walzen. Es wurden versandt an Waaren 564,800 Pfund Gußeisen, 35,300 Pfund Schmiedeeisen und Stahl, 11,830 Rothgu Gesammtwerthe von 53,000 Thlr. Die Abschreibungen beziffern sich im Ganzen auf 2949 Thlr., das Effekten⸗Conto weist 49,800 Thlr., das Debitoren⸗Conto 18,188 Thlr. und das Gewinn⸗ und Verlust⸗ Conto 992 Thlr. nach.

Abermals sind falsche Braunschweigische Zehn⸗Thaler⸗

in einem

Scheine in Umlauf, welche indeß sehr schlecht 21. und daher

leicht zu erkennen sind. Das erste Erkennungszeichen ist, „. das Wasserzeichen (in den Ecken die Zahl 10, am Rande die „Herzogl. Braunschw. Leihhaus“) fehlt. der Fehler des Falsifikats enthält eine Bekanntmachung des Braun⸗ schweigischen Finanzkollegiums, die wir im Inseratentheil der Nr. 299 veröffentlicht haben.

1“ Königliche Schauspiele.

Donnerstag, den 24. Dezember, sind die Königlichen Theater geschlossen.

Freitag, den 25. Dezember. Opernhaus. (257. Vorstellung.) Ceario. Oper in 3 Akten von E. Taubert. Musik von Wil⸗ helm Taubert. (Unter Direktion des Komponisten.) Anfang halb 7 Uhr. Mittelpreise.

Schauspielhaus. von Spanien.

Trauerspiel in 5 Akten von Schiller. halb 7 Uhr

Mittel⸗Preise.

Eine genaue Beschreibung

8 89

(270. Vorstellung.) Don Carlos, Infant Anfang

Es wird ersucht, die Meldekarten (sowohl zu den Opern⸗

haus, wie zu den Schauspielhaus⸗Vorstellungen) in den Brief⸗

kasten des Opernhauses, welcher sich am Anbau desselben, gegen⸗

Dieser Briefkasten ist täglich für die Vorstellungen des fol⸗

genden Tages nur von 10 bis 12 Uhr Vormittags geöffnet.

Meldungen um Theater⸗Billets im Bureau der General⸗ Intendantur oder an anderen Orten werden als nicht eingegan⸗ gen angesehen und finden keine Beantwortung

Die in den Königlichen Theatern gefundenen Gegenstände können von den Eigenthümern innerhalb 4 Wochen bei den Hauspolizei⸗Inspektoren Schewe (Opernhaus) und Hoff⸗ meister (Schauspielhaus) in Empfang genommen werden. Erfolgt die Zurückforderung der betreffenden Sachen in der angegebenen Frist nicht, so werden dieselben den Findern ohne Weiteres ausgehändigt.

Das Deutsche Gewerbemuseum hielt am Dienstag Abend unter dem Vorsitze des Professors Gro⸗ pius seine dies jährige Generalversammlung ab. Dem vom Direktor Gruner erstatteten Jahresbericht entnehmen wir nachstehende Daten: Das Jahr 1873 darf als ein, für die inere wie die äußere Ent⸗ wickelung des Deutschen Gewerbemuseums besonders wichtiges be⸗ trachtet werden. Das Verhältniß der Anstalt zur Königlichen Staats⸗ regierung ist insofern geordnet worden, als die in der vorjährigen Generalversamm lung beschlossene Fassung der Satzungen die Allerhöchste Bestätigung gefunden haben; in Folge dessen wurden die bis da nur leihweise im Besitze des Museums befindlichen kunstgewerblichen Gegenstände, sowie

die in den Vorjahren vom Staat erworbene Minntoli’ sche und Hahne⸗ mannsche Sammlung dem Museum als Eigenthum überwiesen. Durch

diese Zuwendungen, sowie durch die gesicherte Gewährung eines jähr⸗ lichen Staatszuschusses von 18,000 Thlrn. sind die ganzen Existenz⸗ bedingungen des Museums verändert und befestigt.

der Landes vertretung bewilligt sind. Wenn trotzdem mit dem Bau noch nicht begonnen ist, so liegt dies in der Schwierigkeit, einen geeigneten Bauplatz zu finden, da spez ell das Gewerbemuseum mit dem zu erbauenden Reichstagsgebäude wegen des Platzes konkurrirt. Am 1. Oktober 1873 wurden die früher inne⸗ gehabten Räumlichkeiten in der Stallstraße geräumt, und das Mu⸗ seum siedelte in die früheren Betriebsgebäude der Königlichen Por⸗ zellan⸗Manufaktur über. Im östlichen dieser Gebände wurde die oberstegtage ausschließlich für Sammlungszwecke verwandt und Re⸗ serve⸗, Voubletten⸗ und Reparaturzimmer eingerichtet, in der ersten Etage fanden die Bibliothek, sieben Zeichensäle u. s. w. ihr Unter⸗ kommen; das Erdgeschoß wurde⸗zu Zeichen, Modellirsälen, Thon⸗ kammer, Tischlerei u. s. w. eingerichtet. Das westliche Gebäude enthält einen großen Atelierraum, einen Zeichensaal mit Oberlicht, Magazinräume für verkäufliche Gipsabgüsse und einen Hörsaal mit physikalischem Kabinet. Da der bauliche Zustand etwas mangelhaft war, so steigerten sich die Umbaukosten von 14,000 auf 23,000 Thaler. Am 1. Juli 1873 wurden die Sammlungssäle, am 9. Dkiober v. J. der Unterricht im neuen Lokale eröffnet. Unter den Mitgliedern des verflossenen Jahres ist vor Allen Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Kronprinzessin zu nennen, deren wärmstes Interesse, gleich der Förderung und Fürsprache Sr. Kaiser⸗ lichen und Königlichen Hobeit des Kronprinzen, dem Institute auch im Jahre 1873 zu Theil geworden ist. Die Zahl der ständigen Mitglieder beirng im Jahre 1868: 92, im Jahre 1873: 117; die Zahl der Jahresmitglieder à 6 bis 50 Thaler betrug im Jahre 1868: 182, im Jahre 1873: 259. Aus dem Vorstande schieden aus wegen überhäufter Geschäfte Staats⸗Minister Dr. Del⸗ brück, durch den Tod Ministerial⸗Direktor Moser und Professor Dr. Schwabe, für letztere beide Herren sind eingetreten. Ministerial⸗Di⸗ mktor Jacobi und Dr. Max Weigert. Die Sammlungen umfassen zur Zeit Fliese, Kacheln, bäuerliche Theegefäße verschiedener Länder und Zeiten, moderne Kunsttöpferei, ältere und neuere Fayence und Majoliken. Weit rhin folgen: deutsches und englisches Steingut, Verzellan, böhmisches, deutsches und venetianisches Glas; Metall⸗ arbeiten jeder Art und Email; Mosaik in verschiedenen Stoffen; Lack⸗ arbeiten, Leder, Papier; sodann ein Zimmer mit Weißstickereien und Spitzenarbeiten, orientalischen Stickereien, Teppichen und geweb⸗ ten Sioffen; schließlich plastische Arbeiten in Holz und Stein, Schnißwerke, Möbel und Gipsabgüsse. Den bohen Werth dieser Sammlungen deuten folgende Zahlen an. Es sind geschätzt die An⸗ käufe und Geschenke des Museums (5000 Nummern, auf 22,130 Thlr; die Minutoli⸗ und Hahnemann⸗Sammlung (5000 Nummern) Zuwendungen der Königlichen Staatsregierung (1400 Nummern) auf 18,764 Thlr. und die Ankäufe arf der Wiener Weltausstellung im Jahre 1878 auf 22,700 Thlr. Reben eignen Ankäufen erhielt das Museum durch Ge⸗ sbenke noch einen Zuwachs an Werth von 1950 Thlr. Der Besuch der Sammlungen betrug im Jahre 1872 fast 6000 Per⸗ sonen, sank in Folge der dreimonatlichen Schließung und der Ver⸗ sezung in ein weniger bekanntes und zugängliches Lokal im Jahre 1873 auf 4260, hat aber im laufenden Jahre sich bereits wieder ge⸗ Keboben Die Sammlung der Gipsabgüsse beläuft sich auf ca. 9 Nummern, von denen 251 in Abgüssen käuflich sind. Auf die ibliothek ist ebenfalls große Sorgfalt verwandt, ein Stoffkatalog

zwei Jahresraten von

uch für die le⸗ Errichtung eines eigenen Gebäudes sind die wesentlichsten Vorberei⸗ die tungen getroffen, indem auf Aatrag der Königlichen Staatsregierung von der auf ca. 80 0,000 Thlr. veranschlagten Bausumme bereits

August vo

ist angefertigt; die Abbildungen liegen in Mappen, deren jede eine

größere Reihe von Darstellungen gleichartiger und gleichzeitiger Gegen⸗

stände birgt. Die Bibliothek, auf die 910. wurden, enthielt 1394 Bände, 5736 Blatt Abbildungen, welche zusammen einschließlich der 1344 Zeichen⸗ und Modellirvor⸗ lagen einen Werth von 7730 Thalern haben. Der

Thaler verwandt

falls in der Abgelegenheit des Lokals zu suchen. Was den Unterricht betrifft, so ist das Konstruktionszeichnen für Bauhandwerker und das Maschinenzeichnen aufgehoben; dagegen ist neu eingerichtet eine Thier⸗ zeichenklasse und eine Nachmittagklasse für Elementar⸗ und Ornament⸗ zeichnen; letztere wurde bis zum Sommer 1874 von den beiden Söh⸗ nen Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit des Kronprinzen, den Prinzen Wilhelm und Heinrich, und zeitweise selbst von Ihrer Kaiser⸗ lichen und Königlichen Hoheit der Kronprinzessin besucht. Im 4. Quartal 1873 betrug die Zahl der Schüler und Schü⸗ lerinnen 479; die Zahl der gewährten Freikarten, die d Dürftigsten und Würdigsten fi len, belief sich auf 5 %. Von den Gipsabgüssen sfind im Jahre 1873 659 Stück ver⸗ kauft, es verblieb am Jahresschluß ein Bestand von 1600 Stück; die Sendungen gingen meist an Gewerbe⸗, Real⸗ und Zeichenschulen einerseits bis Wiesbaden, Breslau, Elbing und Riga, zwei Sendungen gingen nach Kopenhagen und Stockholm. Das im November 1873 ausgegebene Preisverzeichniß umfaßt 251 Nummern, deren Gesammtwerth sich auf 462 Thlr. 10 Sgr. stellt. 261;

der ganzen Sammlung 112 Thlr. An Veranstaltung von Wanderausstel⸗ lungen konnte nicht gedacht werden, da die Wiener Weltausstellung für kleinere Uaternehmungen kein Interesse übrig ließ. Die Einnahmen des Gewerbe⸗Museums betrugen 33,553 Thlr. 2 Sgr. 2 Pf, als Haupt⸗ posten figuriren hierbei 4711 Thlr. von der städtischen Fri drich Wil⸗ helmsstiftung, 18000 Thlr Staatszuschuß, 1788 für Unterrichtskarten; die Ausgaben beliefen sich auf 32,205 Thlr. 24 Sgr. 10 Pf.; es sind

910 Thlr., für den Unterricht 5055 Thlr., für die Verwaltung 11,909 Thlr, für den Umzug 641 Thlr., für den Umbau 9234 Thlr. Das Vermögen beläuft sich somit auf 1347 Thlr. 7 Sgr. 4 Pf.

Bei der hierauf vorgenommenen Wahl für den Vorstand wurden die ausscheidenden Mitglieder: Herzog von Ratibor, Fabrikbesitzer S. Elster und Historienmaler A. Ewald wieder gewählt, der Mater

Heyden dagegen neu gewählt.

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Wissenschaftlicher Kunstverein. 5

Am Mittwoch, den 16. Dezember, hielt -8. Dr. Grothe einen Vortrag, der sich über verschiedene Punkte der Kunstgeschichte und der Kunst verbreitete, angeknüpft und veranlaßt durch eingehende Studien an Ort und Stelle im Norden Italiens. Der Vortragende legte zuerst dar, wie es komme, daß die heutigen Künstler ausschließ⸗ lich ein bestimmtes Gebiet der Kunst kultivirten, während eigentlich nachzuweisen sei, wie gerade die bedeutendsten Künstler des 2 ittel⸗ alters auf der breiten Basis eines universellen Wissens gestanden. Als Hauptrepräsentanten dieser Männer der Kunst seien zumal Leonardo da Vinci und Michel Angelo zu detrachten. Nicht ausschließlich der Malerei oder Skulptur zugewendet, hätten sie vielmehr Architektur, Ingenieurkunst für Wasser und Festungsbau in höchster Vollendung getrieben, ja bei Leonardo habe sogar Philosophie und deren Anwen⸗ dung und das Maschinenwesen ein gewisses Vorrecht in der Verthei⸗ lung seiner Thätigkeit beansprucht, wofür die gewaltige Masse nachgelassener Manuskripte und Handzeichnungen desselben der deutlichste Beweis seien. Der Vortragende bemerkte, daß er das Leben und Wirken Leonardo's als Ingenieur und Philosoph zum Gezgenstande einer besonderen Abhandlung (Nicolai'’sche Buch⸗ handlung) gemacht habe, und daß in einer Sitzung der Mechanical Society in Manchester hervorragendste Ingenieure bewundernd über die großartige Thätigkeit des Mannes und über die genialen, selbst unsere Zeit uͤberragenden Ideen Leonardo's sich dahin ausgesprochen haben, daß man (uicht, wie der Vortragende angenommen habe, daß nämlich Leonardo seine ganze Mußezeit dem Ingenieurmaschinenwesen gewidmet) glauben könne und müsse, Leonardo da Vinci habe selbst die Ingenieurknnst Philosophie als Hauptsache und Lebens⸗

chtet, M jedoch als Neben sache. Allerdings ließen sich

Besuch

der Bibliothek war ein verminderter, die Gründe hierzu sind eben⸗

auf

Crefeld und Nürnberg, andererseits bis

Die Sammlung verkäuflicher Photographien beträgt der Preis der einzelnen Blätter beträgt 10 oder 15 Sgr., der

hierfür viele Gründe anführen; allein der Vortragende beab⸗ sichtige nicht über dieses Verhältniß zu sprechen, sondern wolle bemerken, daß die mittelalterlichen Ingenieure die schätzten als Verzierung und Bekrönung ihrer Ingenieurwerke So finde man auch an den Schleusen, Durchläͤssen ꝛc. des Mortesanakanals Ornamente eingefügt, so finde man 3 Mauern und Zinnen der Befestigungswerke gleichfalls kunstgerecht

Kunst

an

Verzierungen, so auch gerade an den alten Maschinen und Hand⸗

werksgeräthen. Vortragender erwähnt, wie er eine alte Drehbank in Ledi aufgefunden, deren einzelne recht kräftig gehaltene Theile, so auch die Backen mit den Einsporndornen, mit Intarstaarbeit verziert war; daß er einen Schmiedeheerd gesehen, von Holz zugerichtet, einer Kom⸗ mode ähnlich, die auf Löwenfüßen stand; daß er in Melegnano Pasterlengo, Crema, Treviglio, Chiari, Brescia u. a. O. Heiden

haspeln, Hausgeräth aller Art und Handwerksgeräth mit solchen

künstlerischen Arbeiten verziert fand. die künstlerische Ausbildung der Ingenieure des Mittelalters zurückzu führen oder, wenn man wolle, daralff, daß die früheren Maler und Künstler auch Ingenieure waren. Der Vortragende bemerkt ausdrück⸗ lich, daß von diesem Standpunkt aus nech wenig Untersuchungen aus gegangen seien, daß aber diese Richtung des Studiums zu äußerst be sriedigenden Resultaten führen müfse. Als Beleg führt er an, daß

Es ist dies Alles sicherlich auf

Ausstellung für Kunstindustrie in Mailand in diesem Jahre eine Reihe

von Objekten zu Tage förderte, an denen nach den Ursprungsbeziehungen

durch die Besitzer eine Reihe der bedeutendsten Künstler betheiligt

gewesen. eine Reihe der ausgestellten

Objefte: Teppiche, Fayencn, Bronzen.

Daß unter solchen Einflüssen die Industri

Um dies näher zu b legen, berichtet der Vortragende über Porzellane und

künstlerische G danken und Formen leicht aufnehmen und kultiviren

konnte, erscheint kaum wunderbar, da die Direktive von hervorragen den Künstlern oder besser Künstleringenieuren, Künstlerarchitekten aus ging, deren direkte Betheiligung am Gewerbe in unzählizen Fällen rachweisbar ist. Es werde auch in unserer Zeit nur dadurch ein

en beli 32, gr. 10 n ues Kunstgewerbe erstehen können, wenn Küastler und Handw ausgegeben für Sammlungsankäufe 1752 Thlr., für die Bibliothek 1 es g fger

direkt und dauernd zusammen arbeiteten. Der Vortragende geht nunmehr ein auf eine Reihe Kunst gewerbe und Kunstgewerbsprodukte. Er hebt hervor, daß in den kleineren lombardischen Städten eine Fülle trefflichste Schmiedearbeiten, Terr cotten, Möbel u. s. w. noch aufzufinden sei wertn, durch Abbildung urd Beschreibun; dem Kunstgewerbe nähe geruͤckt zu werden. Er beto⸗t, daß den italienischen Handwerkern ki Behandlungsoart nach künstlerischen Gesetzen noch nicht abhanden ge⸗ kommen sei, ued geht auf die Marmorarbeiten in Italien über. bestätigt, daß man vom Standpunkt der Kunst aus einen großen Tbeil dieser italienischen Marmozarbeiten nicht als künstlerisch Leistungen betrachten könne. Allein nicht gefordert sei, daß der Marmor nur zu Kunstle stungen Bestimmung fände. Die oft recht naturalistisch v, oft barokken Marmorgruppen und Einzelstatuen hätten mindestens im Allgemeinen diese be Berechtigung, wie im Gebiete der Oelmalerei das G nrebild. Aber die Darstellungen in Marmor hätten in Italien eine viel andere Bedeutung, als wir ihnen unter legen. Das Auge des Italieners begrüßt die Marmorstatuen al Freunde und Genossen; er schätzt sie höher, als alle anderen Kunst⸗ objekte; er begeistert sich daran und freut sich, sein eigenes Leben, seine Nation, sei es in ihren Kindern mit harmlosem Spiel, sei e in ernsten Denkern oder gar Märtyrern dargestellt zu sehen; er er blickt in der Arbeit selbst etwas Anderes, als wir. Die Marmor skulpturen seien dem Naturell des Italieners entstammt und bildeten einen Theil seines Denkens, Lebens und Strebens. Der Vortragend bemerkt dazu ferner, wie des Italieners Wunsch es auch sei, sein Trauer, seine Verehrung für Verstorbene in Marmor gekleide zu sehen, und diesem Gefühl verdankten die Camp Santo. Italiens ihren Ursprung, ihre Existenz, ihr schöne Form. Allerdings macht sich nirg nd der Naturalismus meh gelteed, als bei diesen Statuen d.s Grabes; allein, abgesehen von sol chen Machwerken, bleibe doch eine Fülle von Trefflichem, das besonders gezenüber unserer Grabverzierungen außerst werthvoll erscheine. Frei lich müsse hierbei dem Rechnung getragen werden, daß jere Natio ihre besenderen Gebräuche für das Begräbniß und die Verehrun der Todten babe. Der Finnländer spendet allein grüne Tannen zweige, der Russe ißt und trinkt zur Eh e ds Gestorbenen, de Deutsche deckt den grünen Rasen darauf und Epheugewinde, der Italiener führt den Todten mit dem Gesang von Lita neyen zu Grabe und bedeckt das Grab mit einem Marmor deakmal. Für die Gestaltung dieses Denkmals geben viel