dem Kommentar des Hrn. General⸗Staatsauwalts Schwarze enthal⸗ ten. Man hat E“ hinstellen wollen, wie man dies schon im preußischen Strafgesetzbuch von 1351 gewollt hatte, ist aber zu der fakultativen Fassung: „können beschäftigt werden“ nur deshalb ge⸗ ommen, weil man für kleine, narzentlich Lokalgefängnisse, nicht immer
in der Lage sei, Arbeit geben zu können, und wenn man die Bestimmung in das Gesetz aufnähme, der Gefangene müsse arbeiten, so veefle au die Regierung in der Lage sein, e ihm geben zu können.
de ihmn at die fakultattve Fassung angenommen. Derselbe Gesichts⸗ punkt ist auch nach dem Kommentar des Hrn. General⸗Staatsanwalt Dr. Schwarze maßgebend gewesen, als eine freie Kommission, die bei der Berathung des Strafgesetzbuchs für den Norddeutschen Bund bei einer späteren Lesung zusammengetreten ist, eine solche Fassung vor⸗ schlug, die auch ohne Diskussion im Hause angenommen wurde. Dem entsprechend sagt auch der Kommentar von Goltdammer zum preußischen Strafgesetzbuch, daß die Anstalt allein über die Arbeit zu bestimmen habe. Ist die Bestimmung inkorrekt, so hat der Ge⸗ fangene das Beschwerderecht und es wird ihm dasselbe nicht verkürzt werden. Fns Ich habe schließlich nur über die Frage der Beköstigung noch etwas zu sagen. n den verschiedenen Reden war die Auffassung durchleuchtend, als ob es sich bei der Beköstigung des Abg. Most in Plötzensee um diejenige Beköstigung handle, die zwar nach möglichst billigen Grundsätzen als reguläre Kost in den Strafanstalten eingeführt, andererseits aber häufig noch viel besser ist, als der freie Arbeiter sie genießt. In der Strafanstalt am Plötzenfee ist ein anderes Verpfle⸗ gungssystem, und nach einem anderen Verpflegungssystem wird auch der Hr. Abg. Most beköstigt. Die Aerzte haben längst erkannt, daß es eine ganze Reihe von Personen giebt, die, wenn sie in ein Ge⸗ fängniß kommen, in Rücksicht auf ihren früheren Lebensberuf, den sie gehabt haben, und ihre frühere Lebensweise die für einen Tagar eiter sehr gute Kost dennoch nicht vertragen können, und daß ihnen, wenn man sie bei Gesundheit erhalten will — und dazu ist ja der Staat verpflichtet, denn er hat nur die Berechtigung, mit den Modifikationen, die in dem Gesetze ausgesprochen sind, die Freiheit zu entziehen — als Gefangenen diejenige Kost zu geben ist, bei der ihr Wohlbefinden nicht leidet. So lange noch das System der Selbstbeköstigung be⸗ stand und die Reglements, die vor dem Jahre 1850 erlassen sind, gründen sich auf das Landrecht, welches noch Standes⸗ unterschiede anerkannte, war das Verhältniß noch ein anderes, da konnte nur derjenige zur Selbstbeköstigung gelangen, der sie eben bezahlen konnte. Pei der Entwerfung des Reglements für Plötzensee ist man der Meinung gewesen, daß man einen anderen Versuch zu machen habe — oder ich will mich korrigiren: zunächst bei der Entwerfung des Reglements verfolgte man den alten Grundsatz. Man folgte aber dem Rathe des Arztes, ein anderes System einzufübren, weil mancher Veranlassung haben könne, eine bessere Kost beanspruchen n müssen, während er nicht in der Lage sei, dieselbe bezahlen zu önnen. Deshalb ist außer der gewöhnlichen Gefängnißkost eine zweite
ganz wesentlich andere eing⸗führt, die so ist, daß jeder, der früher einem anderen Lebensberuf angehört hat, als ein Tagarbeiter, der eine sitzende Lebensweise geführt hat und darum leichtere Nahrung haben muß und auch mehr und ausreichendere Kost als die Krankenkost, die für ihn geeignete Nahrung bekommt. Nach diesem System ist es jetzt natür⸗ licherweise nicht mehr nothwendig, die Selbstbeköstigung in alter Art zuzulassen. Sie ist nicht absolut aufgehoben, denn es war auch in den früheren Reglements dem Direktor die Ermächtigung gegeben, zu be⸗ stimmen, wann sie eintreten könne. Dem humanen Sinne des Ge⸗ setzes wird durch diese gegenwärtig in dem Strafgefängniß am Plötzensee geltende Einrichtung gewiß keine Verletzung angethan; das vollständige Ueberlassen der Selbstbeköstigung, eine vollständige Selbst⸗ bestimmung über die Arbeit würde die Gefängnißstrafe dahin umge⸗ stalten, daß sie wesentlich die Eigenschaft der Festungshaft annähme. ch glaube, daß die Justizverwaltung keine Veranlassung ge⸗
habt hat, in dem vorliegenden Falle die Beschwerde hier für begrün⸗ det zu erachten. Der preußische Herr Justiz⸗Minister würde aber, wenn der Hr. Abg. Most den korrekten Beschwerdeweg eingeschlagen hätte, vielleicht auch noch Veranlassung gehabt haben, demselben einen Be⸗
scheid * zu lassen. Kommen Inkorrektheiten vor, so wird der
preußische Herr Justiz⸗Minister ganz gewiß mit vollem Gerechtigkeits⸗
sinn das thun, was seines Amtes ist, wenn aber der Beschwerdeweg
nicht innegehalten wird, wenn einfach über die Instanzbehörden hin⸗
weg dem Minister eine Beschwerde zugesendet wird, so kann er kor⸗
rekter Weise nichts anderes thun, als sie an diejenige Stelle abzu⸗ geben, welche die Beschwerde zu prüfen hat.
— In Betreff der Petition von Notaren und Notariats⸗ kammern in Elsaß⸗Lothringen hatte die Kommission beantragt: „die Petitionen dem Herrn Reichskanzler mit dem Ersuchen zu überweisen, die Frage wegen der Abfindung der im Besitze von ursprünglich verkäuflichen Stellen befindlichen Notare in Elsaß⸗ Lothringen in Rücksicht darauf, daß dieselben durch die Gesetz⸗ gebung von 1872 und 1873 für Elsaß⸗Lothringen benachtheiligt er⸗ scheinen, einer erneuerten Erwägung und Regelung zu unterziehen.“
Der Abg. Dr. Banks beantragte dagegen: „Die Petitionen dem Herrn Reichskanzler zur Berücksichtigung mit dem Antrage zu überweisen, eine Revision der über die Entschädigung der im Besitze von ursprünglich verkäuflichen Stellen befindlichen Notare in Elsaß⸗Lothringen bestehenden Gesetzgebung eintreten zu lassen, und schon jetzt den früheren Notaren die ihnen gesetzlich zustehende Entschädigung auszuzahlen, wobei es der Landesregierung selbst⸗ verständlich unbenommen bleibt, alle oder einzelne der früheren Notare wieder als Notare anzustellen.“
Der Bundeskommissar, Direktor im Reichskanzler⸗Amte, Vhragcher Geheimer Ober⸗Regierungs⸗Rath Herzog, erklärte ierüber:
Meine Herren! Gestatten Sie mir die Stellung der Regierung zu den vorliegenden Anträgen kurz zu bezeichnen.
Die praktische Frage, um welche es sich in der Hauptsache han⸗ delt, ist: soll den freiwillig ausscheidenden Notaren die ermittelte Ent⸗ schädigungssumme voll oder nur zu zwei Drittheilen ausgezahlt wer⸗ den? Die Bejahung der Feage würde die Folge haben, daß das Gesetz und daß die Finanzen des Landes mit einer Summe von
Fülzufig n Million Franken jährlich belastet werden müßten, welche nöthig sein würde, um die Zinsen und Amortisationsquoten aufzubrin⸗ gen. Die Regierung geht, — ich glaube, sie ist dabei in Uebereinstim⸗ mung mit der Mehrheit Ihrer Kommission — von der Annahme aus, daß Rechtsgründe für die Bejahung dieser Frage den Petenten nicht zur Seite stehen. Es sprechen besten Falles für den Antrag der Pe⸗ tenten nur Gründe der Billigkeit. Als ein solcher Billigkeitsgrund wird in erster Linie hervorgehoben, daß durch ein Gesetz, welches nach dem Entschädigungsgesetz ergangen ist, die Tarife herabgessetzt worden seien. Meine Herren, es genügt nicht, zu behaupten daß die Tarifsätze gemindert worden seien, es handelt sich darum, zu erweisen, daß die Einnahme der Notare in Folge der Minderung ge⸗ ringer geworden. Diesen Beweis vorausgesetzt, würde die Regierung das Gewicht des angeführten Billigkeitsgrundes nicht verkennen wollen, ste glaubt aber, daß dieser Beweis noch nicht erbracht worden sei. Den herabgeminderten Tarifsätzen stehen andere gegenüber, welche Reubewilligungen gewähren. Es ist geltend zu machen, daß die Zahl der Notariatsstellen um ein Erhebliches vermindert worden ist, daß sie von 277 auf 186 herabgesetzt, also um 91 Stellen verringert worden ist, sodann, daß die räumliche Kompeten der Notariatsstellen erweitert worden ist, endlich, da Rvon Hause aus bei der Werthsermittelun nach den liberalsten Grund⸗ sätzen verfahren worden ist, ber Art, daß der auf 26 Millionen Fran⸗ ken ermittelte Schäͤtzungswerth den nachgewiesenen Kaufwerth von 18 Miltonen Franken um 7 Millioncn, also mehr als 25 %, über⸗
eigt. 1 8 3
Bei dieser Lage der Sache glaubte die Fesaierung zunächst ermit⸗ teln zu müssen! wie liegen fhatsächlich die Verhältnisse bezüg⸗
“
eil das aber nicht immer der Fall ist,
28
lich der Wirkung des neuen Tarifs? Das Ergebniß dieser Er⸗ mittelungen enthält der vorliegende Kommissionsbericht. Es geht daraus hervor, daß die Durchschnittseinnahmen der No⸗ tare gewachsen sind, daß die Bruttoeinnahmen der einzelnen Notare, nur bei 62 Stellen, also bei einem „Drittheile der sämmtlichen Stellen, geringer geworden sind als früher. Auf der anderen Seite aber ist nicht zu verkennen, daß auch die Ausgaben der Kotare gewachsen sind, und ebensowenig, daß der Zeitraum seit Ein⸗ tritt des neuen Tarifs zu kurz ist, als daß die bezeichnete Ermittelung als eine dauernde, sichere und zuverlässige bezeichnet werden könnte. Die Regierung hat sich deshalb bereit erklärt, den Gegenstand im Auge zu behalten, sie hat es aber, weil die Ermittelungen noch nicht abgeschlossen sind, zur Zeit für unthunlich erklärt, den Wünschen der Petenten zu entsprechen.
Hieraus ergiebt sich die Stellung zu den Anträgen. Ich ersuche Sie, den Antrag Banks jedenfalls in seinem zweiten Theile abzu⸗ lehnen, weil er auf der jetzt unerfüllbaren Voraussetzung beruht, daß Deckungsmittel vorhanden seien, um die Bezahlung der für die nehes zu gewährenden Entschädigungssummen zu er⸗ möglichen. 3
Was den Antrag der Kommission anlangt, so wird sich die Regierung dem Wunsche einer erneuten Erwägung nicht verschließen, namentlich deshalb nicht, weil auch ein Theil der Bezirkstage den Anträgen der Notare sich günstig erwiesen hat. Sie hofft, was die finanzielle Seite der Sache anbelangt, im Landesausschusse eine zu⸗ verlässige Beurtheilung zu finden, welche über die Schwierigkeiten der Frage in dieser Beziehung hinweghilft. Wenn ich nun auch die Motivirung des Antrags der Kommission mir nicht aneignen kann, so widerspreche ich doch Namens der Regierung dem Antrage der Kom⸗ mission nicht.
— In der dritten Berathung über den Gesetzentwurf, betreffend die Naturalleistungen für die bewaff⸗ nete Macht im Frieden erklärte der Bundesbevollmächtigte Staats⸗Minister Dr. Delbrück nach dem Berichterstatter Dr. Weigel:
Meine Herren! Die verbündeten Regierungen erkennen in dem Vorschlage Ihrer Kommission den dankenswerthen Versuch, eine Frage, deren Lösun ihnen nicht minder am Herzen liegt wie dem Hause, zu einer Lösung zu bringen. Indem der Kommissionsvorschlag die⸗ jenigen Sätze, welche das von dieser Seite des Hauses (nach rechts) gestellte Amendement verlangte und mit welchem im Namen der verbündeten Regierungen ich mich einverstanden zu erklären hatte, als Nor⸗ malsäͤtze an die Spitze stellt, schließt es nach unserer Ansicht die wesentliche Gefahr aus, welche der Satz von einer Mark in den Augen der verbündeten Regierungen hatte, die Gefahr nämlich, daß man in vielen Jahren zu viel bezahlen müßte, mit anderen Worten, daß man in vielen Jahren Reichsgeld zu verschenken hätte. Dagegen, daß bei steigenden Preisen der Vergütungssatz steigt, ist grundsätzlich um so weniger etwas einzuwenden, als das Prinzip als solches schon in der Vorlage der verbündeten Regierungen enthalten ist. Daß jetzt dieses Prinzip unter gewissen Voraussetzungen konkret in Zahlen aus⸗ gedrückt ist, wird für die verbündeten Regierungen ein Hinderniß für die Annahme des Gesetzes, falls der Reichstag den Vorschlag Ihrer Kommission annehmen follte, nicht bilden.
Landtags⸗Angelegenheiten.
Berlin. Dem Herrenhause ist der Entwurf eines Ge⸗ setzes, betreffend die Gebühren der Hebammen in der Provinz Schleswig⸗Holstein vorgelegt worden, dem Hause der Abgeordneten der Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Regelung der in den §§. 2 und 3 des Gesetzes vom 21. Mai 1856 festgestellten Pauschbeträge der in den hohenzollernschen Landen zur Erhebung gelangenden Wirthschaftsabgabe.
— Der dem Hause der Abgeordneten vorgelegte Entwurf einer Provinzialordnung für die Provinzen Preu⸗ ßen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen hat folgenden Wortlaut:
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen ꝛc. verordnen mit Zustimmung beider Häuser des Landtages für die Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen, was folgt: 1
Erster Titel. Von den Grundlagen der Provinzial⸗
Verfassung. Erster Abschnitt. Von dem Umfange und der Begren⸗ zung der Provinzialverbände.
§. 1. Jede Provinz bildet einen mit den Rechten einer Korpo⸗ ration ausgestatteten Kommunalverband zur Selbstverwaltung seiner Angelegenheiten.
Zum Kommunalverbande der Provinz (Provinzialverband) gehö⸗ fen 88 innerhalb der Grenzen derselben belegenen Kreise und Ort⸗ aften.
Diejenigen Kreise und einzelnen Ortschaften, welche bisher zu einem anderen provinzialständischen Verbande gehört haben, treten aus diesem Verbande aus und in den Kommunalverband derjenigen Pro⸗ vinz ein, innerhalb deren Grenzen sie belegen sind.
. 2. Die Haupt⸗ und Residenzstadt Berlin, die Stadt Char⸗ lottenburg und die sie umgebenden ländlichen Ortschaften werden zu einem besonderen Provinzialverbande vereinigt.
Die Feststellung der Grenzen, sowie die Regelung der Verfassung — Iv“ der Provinz Berlin erfolgt durch ein besonderes
esetz.
§. 3. Die in Folge der Ausführung der Vorschrift des §. 1 rrforderliche Regelung der Verhältnisse ist, unbeschadet aller Privat⸗ eechte Dritter, durch den Minister des Innern zu bewirken.
Streitigkeiten, welche hierbei entstehen, unterliegen der CEntschei⸗ dung des Ober⸗Verwaltungsgerichts.
§. 4. (Veränderung der Provinzialgrenzen). bestehender Provinzialgrenzen erfolgt durch Gesetz.
Die in Folge einer derartigen Veränderung erforderliche Regelung der Verhältnisse ist auf dem im §. 3 bezeichneten Wege zu bewirken.
Veränderungen solcher Gemeinde⸗ oder Gutsbezirksgrenzen, welche zusleich Provinzialgrenzen sind, ziehen die Veränderung der letzteren ohne Weiteres nach sich. 8
Eine seg Veränderung der Provinzialgrenzen, welche nicht durch Gesetz erfolgt, ist durch die Amtsblätter der betheiligten Provinzen bekannt zu machen.
Zweiter Abschnitt. Von den Provinzialangehörigenz ihren Rechten und Pflichten.
§. 5. Provinzialangehörige sind alle Angehörige der zu der Pro⸗ vinz gehörigen Kreise. .
§. 6. (Rechte der Provinzialangehörigen.) angehörigen sind berechtigt:
1) zur Theilnahme an der Verwaltung und Vertretung des Pro⸗ vinzialverbandes nach näherer Vorschrift dieses Gesetzes,
2) zur Mitbenutzung der öffentlichen Einrichtungen und An⸗ stalten des Provinzialverbandes nach Maßgabe der, für dieselben be⸗ stehenden Bestimmungen.
§. 7. heeeacpsegict den Provinzialabgaben.) Die Provinzial⸗ angehörigen sind verpflichtet, nach näherer Vorschrift dieses Gesetzes zu den Provinziallasten beizutragen (§§. 113 ff.).
Dritter Abschnitt. Von Provinzialstatuten und 7 Reglements.
§. 8. Die Provinzialverbände sind befugt,
1) zum Grlasse besonderer statutarischer Anordnungen über solche ihre Verfassung betreffenden Angelegenheiten, hinsichtlich deren das Gesetz auf statutarische Regelung verweist, oder keine ausdrücklichen Vorschriften enthält. Das Statut darf den bestehenden Gesetzen nicht
Die Veränderung
Die Provinzial⸗
widersprechen;
2) zum Erlasse von Reglements über besondere Einrichtungen des Provinzialverbandes. .
Die Provinzialstatuten und Reglements sind auf Kosten der Pro⸗
vinzialverbände durch die Amtsblätter der Provinz bekannt zu machen.
Zweiter Titel, Von der Vertretung und Verwaltung der Provinzialverbände.
Erster Abschnitt. Von der Zusammensetzung der Provinziallandtage. “ 9. Die Provinzialversammlung (der Provinziallandtag) be⸗ steht aus Abgeordneten der Land⸗ und Stadtkreise der Provinz.
§. 10. (Zahl der Mitglieder der Provinziallandtage.) In den
rovinzen Preußen, Brandenburg, Pommern und Sachsen werden ür jeden Kreis zwei Abgeordnete, in der Provinz Schlesien für jeden Kreis mit weniger als 40,000 Einwohnern ein Abgeordneter, für jeden Kreis mit 40,000 oder mehr Einwohnern zwei Abgeordnete ge⸗ wählt. Erreicht die Einwohnerzahl eines Kreises
1) in der Provinz Schlesien 80,000,
2) in der Provinz Preußen 60,000,
3) in den Provinzen Brandenburg und Sachsen 50,000,
4) in der Provinz Pommern 40,000 Einwohner, “ so werden drei Abgeordnete gewählt. ,
Für jede fernere Vollzahl von 50,000 Einwohnern tritt ein Ab⸗ geordneter himu.
§. 11. Dem Provinziallandtage der Provinz Schlesien bleibt es überlassen, durch stafutarische Anordnung diejenigen Landkreise, welche nur einen Abgeordneten zu wählen haben, mit je einem an⸗ grenzenden Landkreise zu Wahlbezirken zu verbinden und die Wahl⸗ orte zu bestimmen.
Für die Berechnung der Zahl der von diesen Wahlbezirken zu Abgeordneten sind die Bestimmungen des §. 10 maß⸗ ebend. .
8 §. 12. Die Feststellung der Zahl der von den einzelnen Kreisen beziehungsweise Wahlbezirken zu wählenden Abgeordueten erfolgt alle drei Jahre vor jeder neuen Wahl durch den Provinzialausschuß und wird durch die Amtsblätter der Provinz zur öffentlichen Kenntniß
ebracht. Die Feststellung ist die durch die jeweilige letzte Volkszählung ermittelte Einwohnerzahl der Kreise beziehungsweise Wahlbezirke, mit Ausschluß der aktiven Militärpersonen, zu Grunde zu legen. §. 13. Anträge auf Berichtigung der Feststellung sind innerhalb vier Wochen nach Ausgabe des Amtsblatts, durch welches die Fest⸗ stellung veröffentlicht worden ist, bei dem Provinzialausschusse anzu⸗ bringen. Gegen den Beschluß des Provinzialausschusses findet inner⸗ halb zehn Tagen die Klage bei dem Ober⸗Verwaktungsgerichte statt. §. 14. (Vollziehung der Wahlen.) Die Abgeordneten der Land⸗ kreise werden von den Kreistagen gewählt.
Erfolgt in der Provinz Schlesien die Bildung von Wahlbezirken, o treten die Kreistage der zu dem Wahlbezirke gehörigen beiden Landkreise unter dem Vorsitze des von dem Ober⸗Präsidenten zu er⸗ nennenden Wahlkommissars zu einer Wahlversammlung zusammen.
§. 15. Die Abgeordneten der Stadtkreise werden von dem Ma⸗ istrate und der Stadtverordnetenversammlung beziehungsweise dem ürgerschaftlichen Repräsentantenkollegium in gemeinschaftlicher Sitzung unter dem Vorsitze des Bürgermeisters; die Abgeordneten des Stadt⸗ kreises Magdeburg werden von dem Kreistage gewählt.
§. 16. Die Vollziehung der Maäflen der Provinziallandtags⸗ Abgeordneten erfolgt nach näherer Vorschrift des diesem Gesetze bei⸗ gefügten Wahlreglements.
§. 17. (Wählbarkeit zum Abgeordneten.) Wählbar zum Mit⸗ gliede des Provinziallandtags ist jeder selbständige Angehörige des Deutschen Reichs, welcher das dreißigste Lebensjahr vollendet hat, ich im Besitze der bürgerlichen Chrenrechte befindet, und seit minde⸗ seas einem Jahre der Provinz durch Grundbesitz oder Wohnsitz angehört.
Als selbständig gilt derjenige, welchem das Recht, über sein Ver⸗ mögen zu verfügen und dasselbe zu verwalten, nicht durch gerichtliche Anordnung entzogen ist. —
§. 18. (Verlust der Wählbarkeit.) Die Wählbarkeit geht ver⸗ loren, sobald eines der im §. 17 gedachten Erfordernisse bei dem bis dahin Wählbaren nicht mehr zutrifft Sie ruht während der Dauer eines Konkurses, serner während der Dauer einer gerichtlichen Unter⸗ suchung, wenn dieselbe wegen Verbrechen oder wegen solcher Vergehen, welche den Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte nach sich ziehen müssen oder können, eingeleitet, oder wenn die gerichtliche Haft verfügt ist.
§. 19. Vater und Sohn, sowie Brüder koͤnnen nicht gleichzeitig Mitglieder des Provinziallandtages sein; werden dergleichen Ver⸗ wandte zugleich gewählt, so wird der Aeltere allein zugelassen.
§. 20. (Dauer der Wahlperiode der Abgeordneten). Die Ab⸗ geordneten zum Provinziallandtage werden auf sechs Jahre gewählt.
Jede Wahl verliert dauernd oder vorübergehend ihre Wirkung mit dem gänzlichen oder zeitweisen Aufhören einer der für die Wäͤhl⸗ barkeit vorgeschriebenen Bedingungen. Der Provinziallandtag hat darüber zu peschließen, ob einer dieser Fälle eingetreten ist. Gegen den Beschluß des Provinziallandtages findet innerhalb zehn Tagen die Klage bei dem Ober⸗Verwaltungsgerichte statt.
Alle drei Jahre scheidet die Hälfte der Abgeordneten aus. Ist die Zahl der Abgeordneten nicht durch 2 theilbar, so scheidet das erste Mal die nächst größere Zahl aus. Die Zahl der Ausscheiden⸗ den ist auf die einzelnen Kreise durch Beschluß des Provinzialland⸗ tages thunlichst gleichmäßig zu vertheilen. Die das erste Mal Aus⸗ scheidenden werden durch das Loos bestimmt.
Die Ausscheidenden sind wieder wählbar.
§. 21. (Ergänzungs⸗ und Ersatzwahlen.) Die Wahlen zur re⸗ gelmäßigen Ergänzung des Provinziallandtages finden alle drei Jahre statt. Die Vornahme derselben wird durch den Ober⸗Präsi⸗ denten angeordnet.
Alle Ergänzungs⸗ und Ersatzwahlen werden von denjenigen Land⸗ und Stadtkreisen beziehungsweise Wahlbezirken vorgenommen, von denen die Ausgeschiedenen gewählt waren.
Ersatzwahlen für die im Laufe der Wahlperiode Ausgeschiedenen müssen innerhalb längstens sechs Monaten und jedenfalls vor dem
Zusammentritte des nächsten Provinziallandtages vorgenommen wer⸗
den. Die Ersatzmänner bleiben nur bis zum Ende desjenigen Zeit⸗ raums in Thätigkeit, für welchen die Ausgeschiedenen gewählt waren. 22. Die Namen der neugewählten Abgeordneten sind von
dem durch die Amtsblätter der Provinz bekannt zu machen.
Die Einführung derselben erfolgt durch den Vorsitzenden des Provinziallandtages.
§. 23. (Einspruch gegen das stattgehabte Wahlverfahren und Entscheidung über die Gültigkeit der Wahlen.) Gegen das statt⸗ gehabte Wahlverfahren kann jedes Mitglied der Wahlversammlung innerhaln zehn Tagen Einspruch bei dem Vorsitzenden des Wahlvor⸗ standes erheben. Die Beschlußfassung über den Einspruch, über wel⸗ chen die Betheiligten vorab zu hören sind, steht dem Provinzial⸗ landtage zu. Der Provinziallandtag kann die Gültigkeit einer Wahl auch von Amtswegen beanstanden. Gegen den Beschluß des Provin⸗ ziallandtages findet innerhalb zehn Tagen die Klage bei dem Ober⸗ Verwaltungsgerichte statt.
Zweiter Abschnitt. Von den Versammlungen der Pro⸗ vinziallandtage.
§. 24. (Einberufung des Provinziallandtages.) Der Provinzial⸗ landtag wird von dem Könige alle zwei Jahre wenigstens ein al berufen, außerdem aber so oft es die Geschäfte erfordern.
. 25. Die Ladung der Mitglieder, die Eröffnung und Söltesrn⸗ des Provinziallandtages erfolgt durch den Ober-⸗Präsidenten der Pro⸗ vinz als Königlichen Kommissarius oder den für ihn in dieser Eigen⸗ schaft ernannten Stellvertreter.
26. (Königlicher Kommissarius bei dem Provinziallandtage.) Der Königliche Kommissarius ist die Mittelsperson bei allen Ver⸗ handlungen der Staatsbehoöͤrden mit dem Provinziallandtage; an ihn hat sich der Provinziallandtag wegen jeder Auskunft oder wegen der
für seine Geschäfte bedarf, zu wenden
Materialien, deren er
sitzende leitet die Verhandlungen.
sonstigen Gegenstände sein Gutachten abzugeben,
die Vorlagen
Der Kommissarius theilt dem Provinzialla ihm abzugebenden
der Staatsregierung mit und empfängt die von Erklärungen und Gutachten.
Der Königliche Kommissarius, sowie die zu seiner Vertretung oder Unterstützung abgeordneten Staatsbeamten sind befugt, den Sitzungen des Provinziallandtages und der von ihm zur Vorbereitung seiner Be⸗ schlüsse gewählten Kommissionen beizuwohnen; dieselben müssen auf Verlangen zu Zeit gehört werden.
5. 27. (SOeffentlichkeit der Sitzungen des Provinziallandtages.) Die Sitzungen des Provinziallandtages sind öffentlich. Für einzelne Gegenstände kann durch besonderen, in geheimer Sitzung gefaßten Beschluß die Oeffentlichkeit ausgeschlossen werden.
RWI (Beschlußfähigkeit des Provinziallandtages.) Der Pro⸗ vinziallandtag kann nur beschließen, wenn mehr als die Hälfte der in dem §. 10 vorgeschriebenen Mitgliederzahl anwesend ist.
Als anwesend gelten in allen Fällen auch diejenigen, welche sich der Abstimmung enthalten.
§. 29. (Ausschluß von den Verhandlungen des Provinzialland⸗ tages wegen perfönlichen Interesses.) Kein Mitglied darf in eigener Angelegenheit an der Berathung und Abstimmung des Provinzial⸗ landtages Theil nehmen.
„§. 30. (Fassung der Beschlüsse nach absoluter und zwei Drittel Stimmenmehrheit.) Der Provinziallandtag faßt seine Beschlüsse nach Stimmenmehrheit. Die Stimmenmehrheit wird ohne Mitzäh⸗ lung derjenigen festgestellt, die sich der Abstimmung enthalten haben. Bei Stimmengleichheit gilt der gestellte Antrag als abgelehnt.
Eiinne Stimmenmehrheit von mindestens zwei Drittel der Ab⸗ stimmenden ist jedoch erforderlich zu Beschlüssen, welche
Ja. eine neue Belastung der Provinzialangehörigen ohne eine ge⸗ setzliche Verpflichtung,
b. eine Veräußerung von Grundstücken,
c. eine Verwendung von Kapitalvermögen,
d. eine Veränderung des gemä §. 116 festgestellten Maßstabes für die Vertheilung der Provinzialabgaben, zum Gegenstande haben.
§. 31. (Theilnahme der Mitglieder des Provinzialausschusses, des Landesdirektors und der oberen Beamten an den Sitzungen des Pro⸗ vinziallandtages) Die Mitglieder des Provinzialausschusses, sowie der Landesdirektor und die ihm beigegebenen oberen Beamten (§§. 95 und 100) können, sofern sie nicht selbst Mitglieder des Provinzial⸗ 1 sind, den Sitzungen desselben mit berathender Stimme bei⸗ wohnen.
§ 32. (Wahl des Vorsitzenden des Provinziallandtages und seines Stellvertreters.) Unter dem Versitze des an Jahren ältesten Mit⸗
gliedes, welchem die beiden jüngsten Mitglieder als Schriftführer und
Stimmzähler zur Seite stehen, wählt der Feeäe eee btn nach näherer Vorschrift des diesem Gesetze beigefügten Wahlreglements einen Vorsitzenden und einen Stellvertreter.
Dieselben fungiren während der Sitzungsperiode und in der dar⸗ auf folgenden Zwischenzeit bis zum Zusammen ütte de nächsten Pro⸗ vinziallandtages.
§. 33. (Geschäftsordnung des Provinziallandtages.) Der Vor⸗ Er eröffnet und schließt die Sitzungen
und handhabt die Ordnung in denselben. Er kann jeden Zuhoöͤrer
entfernen lassen, welcher Zeichen des Beifalls oder des Mißfallens giebt, oder sonst eine Störung verursacht.
Im Uebrigen regelt der Provinziallandtag seinen Geschäftsgang
durch eine Geschäftsordnung.
Dritter Abschnitt. Von den Geschäften des Provinzial⸗ landtages. §. 34. (a. Im Allgemeinen.) Der Provinziallandtag ist be⸗ rufen:
I. über diejenigen die Provinz betreffenden Gesetzentwürfe, sowie ns 1 g a. welche ihm zu dem Ende von der Staatsregierung überwiesen werden,
II. den Provinzialverband zu vertreten, und nach näherer Vor⸗
scchrift dieses Gesetzes über die Angelegenheiten desselben, sowie über
diejenigen Gegenstände zu berathen und zu beschließen, welche ihm durch Gesetze oder Königliche Verordnungen überwiesen sind, oder in Zukunft durch Gesetz überwiesen werden.
85. 35. (b. Im Besonderen.) Zu den Befugnissen und Obliegen⸗ heiten des Provinziallandtages gehören insbesondere folgende:
I. Der Provinziallandtag beschließt über den Erlaß von Statuten und Reglements gemäß §. 8.
§. 36. II. Der Provinziallandtag beschließt, in welcher Weise Staatsprästationen, welche von dem Provinzialverbande aufzubringen sind, und deren Aufbringungsweise nicht schon durch das Gesetz vor⸗ geschrieben ist, vertheilt werden sollen. 8
.S. 37. III. Der Provinziallandtag beschließt über den Maßstab für die Aufbringung der Provinzialabgaben gemäß §§. 116 ff. „S. 38. IV. Der Provinziallandtag beschließt über die zur Er⸗ füllung von Verpflichtungen oder im Interesse der Provinz erforderli⸗ chen Ausgaben.
Er beschließt zu dem Ende:
1) über die Verwendung der dem Propianialwerbende aus der Staatskasse überwiesenen Fonds nach näherer Vorschrift des Gesetzes, betreffend die Ausführung der §§. 5 und 6 des Gesetzes vom 30. April 1873 wegen der Dotation der Provinzial⸗ und Kreisverbände,
2) über die Verwendung der Einnahmen aus sonstigem Kapital⸗ und Grundvermögen des Provinzialverbandes, sowie über die Ver⸗ vwendung des Kapitalvermögens selbst,
.3) über die Aufnahme von Anleihen und die Uebernahme von Bürgschaften, 1
4) über die Ausschreibung von Provinzialabgaben.
§. 39. V. Der Provinziallandtag beschließt über die Einrichtung des Rechnungs⸗ und Kassenwesens, über die Feststellung des Haushalts⸗ b über die Dechargirung der Jahresrechnungen (§§. 108 un 8 .
§. 40. VI. Der Provinziallandtag stellt die Grundsätze fest, nach denen die Verwaltung der Angelegenheiten des Provinzialverban⸗ des zu erfolgen hat. Er beschließt über die Erwerbung und die Ver⸗ äußerung von Grundstücken und Immobiliarrechten.
§. 41. VII. Der Provinziallandtag beschließt über die Einrich⸗ tung von er bestimmt die Zahl, die Besoldung, sowie die Art der Anstellung der Beamten und wählt die oberen Beamten (§§. 95 und 100).
§. 42. VIII. Der Provinziallandtag vollzieht die Wahlen zum Provinzialausschusse, zu den Bezirksverwaltungsgerichten und zu den durch das Gesetz für Zwecke der allgemeinen Landesverwaltung an⸗ geordneten Kommissionen; er bestellt besondere Kommissionen oder SeMegsser⸗ für Zwecke der kommunalen Provinzialverwaltung §. .
Für die Vollziehung dieser Wahlen gelten die Vorschriften des diesem Gesetze beigefügten Reglements. Gegen das stattgehabte Wahlverfahren kann jedes Mitglied des Provinzziallandtags inner⸗ halb 24 Stunden Einspruch bei dem Vorsitzenden erheben. Die Be⸗ schlußfassung über den Einspruch steht dem Provinziallandtage zu. Gegen den Beschluß des Provinziallandtages findet innerhalb zehn Tagen die Klage bei dem Oberverwaltungsgerichte statt.
§ 43. IX. Der Provinziallandtag ist berechtigt, Anträge und Beschwerden, welche die Provinz oder einzelne Theile derselben betref⸗ fen, an die Staatsregierung zu richten. S. 44. X. Der Provinziallandtag nimmt die ihm durch Eesetz übertragenen sonstigen Geschäfte wahr.
Vierter Abschnitt. Von den Provinzial⸗
und Bezirks⸗ ausschüssen,
ihrer Zusammensetzung und ihren Ge⸗ schäften.
§. 45. Stellung der Provinzial⸗ und Bezirksausschüsse im All⸗
emeinen. Zum Zwecke der Verwaltung der Angelegenheiten des
Prepinilctante⸗ (kommunale Provinzialverwaltung) und der
ahrnehmung von Geschäften der allgemeinen Landesverwaltung wird
für jede Provinz ein Provinzialausschuß bestellt.
Der Provinzialausschuß zerfällt in so viele einzelne Abtheilungen
(Bezirksausschüͤsse), ls die Pcovinz Regierungsbezirke enthält.
S. 46. Zusammensetzung des Provinzialausschu es. Der Pro⸗ vinzialausschuß besteht aus einem Vorsitzenden acht bis Per und zwanzig Mitgliedern. 8
Innerhalb dieser Grenzen ist die Zahl der Mitglieder durch das Pro vinzialstatut dergestalt zu bestimmen, daß auf jeden Regierungs⸗ vis e 19. entfallen. 1 F. 47. Wahl der Mitglieder des Provinzialausschusses. Die Mitglieder des Provinzialausschusses werden 8 5 1. Landtage und zwar ans jedem Regierungsbezirke die durch das Pro⸗ vinzialstatut bestimmte Zahl (§. 46) gewählt.
„Für die Mitglieder ist in gleicher Weise eine mindestens der
derselben gleichkommende Zahl von Stellvertretern mit der aßgabe zu wählen, daß jedem Regierungsbezirke mindestens zwei oder drei Stellvertreter angehören.
Die Zahl der Stellvertreter, sowie die Reihenfolge, in welcher einzuberufen sind, wird durch das Provinzial⸗Statut be⸗ immt.
Wählbar ist jeder zum Provinzial⸗Landtage wählbare Angehörige des Deutschen Reichs (§. 17). 1b gehörig „,§. 48. Vater und Sohn, sowie Brüder, können nicht gleichzeitig Mitglieder des Provinzialausschusses oder Mitglieder des Provinzial⸗ Ansschusses und des Provinzial⸗Landtages sein; werden dergleichen Verwandte zugleich gewählt, so wird der Aeltere allein zugelassen. §. 49. Die Wahl der Mitglieder des Provinzialausschusses und deren Stellvertreter erfolgt auf sechs Jahre.
„Jede Wahl verliert dauernd oder vorübergehend ihre Wirkung mit dem gänzlichen oder zeitweisen Aufhören einer der für die Wähl⸗ barkeit vorgeschriebenen Bedingungen.
Der Provinzialausschuß hat darüber zu beschließen, ob einer dieser Fälle eingetreten ist. Gegen den Veschtuß des Provinzialaus⸗ L. findet innerhalb zehn Tage die Klage bei dem Oberverwal⸗ ungsgerichte statt. S§. 50. Alle drei Jahre scheidet die Hälfte der Mitglieder und Stellvertreter jedes Regierungsbezirks aus und wird durch neue Wah⸗ len ersetzt. Die Ausscheidenden bleiben jedoch in allen Fällen bis zur Einführung der neu Gewählten in Thätigkeit.
„Die das erste Mal Ausscheidenden werden durch das Loos be⸗
stimmt. Die Ausscheidenden sind wieder wählbar. §. 51. Die Mitglieder des Provinzialausschusses werden von dem Vorsitzenden (§. 52) in ihre Stellen eingeführt und vereidigt. Sie können aus Gründen, welche die Entfernung eines Beamten aus seinem Amte rechtfertigen (§. 2 des Gesetzes vom 21. Juli 1852. Gesetzsamml. S. 465), im Wege des Disziplinarverfahrens ihrer Stellen enthoben werden. f das Disziplinarverfahren gelten die Vorschriften des §. 105,
§. 52. (Vorsitzender des Provinzialausschusses.) Vorsitzender des Provinzialausschusses ist der Vorsitzende des Provinziallandtages und in dessen Behinderung der Stellvertreter desselben (§. 32).
8. 53. (Uebernahme des Vorsitzes im Provinzialausschusse durch den Ober⸗Praͤsidenten.) Betrifft der Gegenstand der Berathung des Provinzialausschusses eine Angelegenheit der allgemeinen Landesver⸗ waltung (§§. 65 ff.), so übernimmt der Ober⸗Präsident oder dessen Stellvertreter den Vorsitz mit vollem Stimmrechte.
„§S. 54. Im Zweifelsfalle hat das Ober⸗Verwaltungsgericht darüber Bestimmung zu treffen, ob bei der Berathung eines Gegen⸗ standes der Ober⸗Präsident oder der Vorsitzende des Provinzialland⸗ tages den Vorsitz zu führen hat.
§. 55. (Berufung des Provinzialausschuffes.) Der Provinzial⸗ ausschuß versammelt sich, so oft es die Geschäfte erfordern. Die Berufung zu den Versammlungen erfolgt durch den Vorsitzenden des Provinziallandtags nach vorherigem Einvernehmen mit dem Ober⸗ Präsidenten; sie muß erfolgen, so bald es von dem Ober⸗Präsidenten zur Erledigung von Geschäften der allgemeinen Landesverwaltung ver⸗ langt wird, ingleichen auf schriftlichen Antrag des Landesdirektors oder der Hälfte der Mitglieder des Provinzialausschusses.
Durch Beschluß des Provinzialausschusses können im Einverneh⸗ mit dem Ober⸗Prästdenten regelmäßige Sitzungstage festgesetzt werden.
§. 56. (Geschäftsordnung des Provinzialausschusses.) Der Pro⸗ vinzialausschuß kann nur beschließen, wenn mehr als die Hälfte der Mitglieder mit Einschluß des Vorsitzenden anwesend ist.
Die Beschlüsse werden nach Stimmenmehrheit gefaßt. Ist eine gerade Zahl von Mitgliedern anwesend, so nimmt das dem Lebens⸗ alter nach jüngste Mitglied an der Abstimmung keinen Theil. Dem Vorsitzenden und dem Berichterstatter steht jedoch in allen Fällen Stimmrecht zu.
§. 57. Bei Berathung über solche Gegenstände, welche das v eines Mitgliedes oder dessen Verwandten und Ver⸗ chwägerten in auf⸗ oder absteigender Linie oder bis zum dritten Grade der Seitenlinie berühren, muß dasselbe sich der Theilnahme an der Berathung und Abstimmung enthalten.
Epvbensowenig darf ein Mitglied bei der Berathung und Beschluß⸗ fassung über solche Angelegenheiten mitwirken, in welchen es in anderer Eigenschaft ein Gutachten abgegeben hat oder als Geschäfts ⸗ führer, Beauftragter oder in anderer Weise thätig gewesen ist. Diese Bestimmung findet jedoch auf die Mitglieder des Provinzialausschusses, in ihrer Eigenschaft als Mitglieder des Provinziallandtages, von Be⸗ zirksausschüssen oder von Provinzialkommifsionen keine Anwendung. §. 58. Wird in Folge des gleichzeitigen Ausscheidens von mehr als der Hälfte der Mitglieder gemäß §. 57 ein Provinzialausschuß beschlußunfähig, und kann die Beschlußfähigkeit auch nicht durch Ein⸗ berufung unbetheiligter Stellvertreter hergestellt werden, so erfolgt die Beschlußnahme durch den Provinziallandtag, sofern es sich um eine Provinzialangelegenheit handelt (§§. 62— 64).
Betrifft der Gegenstand eine allgemeine Landesan elegenheit, so wird mit der Erledigung derselben der Provinzialausschuß einer an⸗ deren Provinz durch den zuständigen Minister beauftragt (§§. 65 ff.).
§. 59. Der Landesdirektor (Landeshauptmann) und die ihm bei⸗ gegebenen oberen Beamten (§§. 95 und 100) können den Sitzungen des Provinzialausschusses mit berathender Stimme beiwohnen.
§. 60. Der Ober⸗Präsident kann zu denjenigen Sitzungen, in welchen er den Vorsitz fuͤhrt, den einen und den anderen der ihm bei⸗ gegebenen Beamten zuziehen, um Vorträge zu halten und an den Be⸗
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rathungen Theil zu nehmen.
§8. 61. Im Uebrigen regelt der Provinzialausschuß seinen Geschäfts⸗ gang durch eine Geschäftsordnung.
Dieselbe bedarf der Genehmigung des Provinziallandtages und soweit sie Bestimmungen über die unter dem Vorsitze des Ober⸗Prä⸗ sidenten zu erledigenden (§. 53) enthält, auch der Ge⸗ nehmigung des Ministers des nnern. 8
§. 62. (Geschäfte des Provinzialausschusses in der kommunalen Provinzialverwaltung.) In der kommunalen Provinzialverwaltung liegt dem Provinzialausschusse die Erledigung folgender Geschäfte ob:
I. Der Provinzialausschuß hat die Beschlüsse des Provinzial⸗ landtages vorzubereiten und auszuführen, soweit damit nicht die Be⸗ zirksausschüsse, besondere Kommissionen, Kommissarien oder Beamte durch Gesetz oder Beschluß des Provinziallandtages beauftragt sind.
§. 63. II. Der Provinzialausschuß hat die Angelegenheiten des Provinzialverbandes, insbesondere das Vermögen und die Anstalten desselben nach Maßgabe der Gesetze, der auf Grund von Gesetzen er⸗ lassenen Königlichen Verordnungen und der von dem Provinzialland⸗ tage zu beschließenden Reglements (§. 8 Nr. 2), sowie des von diesem festzustellenden Haushaltsetats zu verwalten.
§. 64. III. Der Provinzialausschuß hat die Provinzialbeamten zu ernennen, soweit die Ernennung derselben nicht dem Provinzial⸗ landtage vorbehalten ist (§§. 95 und 100), und deren Geschaͤfts⸗ führung zu leiten und zu beaufsichtigen.
§. 65. (Geschäfte des Provinzialausschusses in der allgemeinen Landesverwaltung) In der allgemeinen Landesverwaltung hat der Sek i; folgende Befugnisse und Obliegenheiten wahr⸗ zunehmen. t u“ 1G
I. Der Provinzialausschuß hat in höherer Instanz bei der Be⸗ aufsichtigung der Kommunalangelegenheiten der Kreise und Gemeinden, bei der Beaufsichtigung der Schulangelegenheiten und des Wegebaues,
sowie in landespolizeilichen Angelegenheiten nach näherer Vorschrift der Kreis⸗, Gemeinde, Schul⸗ und Wege Ordnungen, beziehungsweise der darüber zu erlassenden besonderen Gesetze mitzuwirken.
§. 66. II. Der Provinzialausschuß hat sein Gutachten über alle Angelegenheiten abzugeben, welche ihm von dem Ober⸗Präsidenten oder den Ministern überwiesen werden.
§. 67. III. Dem Provinzialausschasse steht die Revision und endgültige Feststellung der ven dem Minister des Innern gemäß §. 49, Abs. 1 der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872 gebildeten Amtsbezirke, sowie jede spätere Abänderung derselben zu.
Die Beschlußnabme des Provinziglausschusses über Abänderun⸗ gen der gemäß §. 49, Abs. I., der Kreisordnung gebildeten Amts⸗ bezirke, sowie alle späteren Abänderungen derselben erfolgt im Ein⸗ vernehmen mit dem Minister des Innern, nach vorheriger Anhörung der Betheiligten und des Kreistages.
„†. 68. 1y. Lehnt eein Kreistag auf Aufforderung des Ober⸗ Präsidenten die Vervollständigung der von ihm gemäß §. 56 der Kreisordnung vom 13. Dezember 1872 gemachten Porschlaͤge der zu Amtsvorstehern befähigten Personen ab, so hat der Provinzialaus⸗ schuß auf Antrag des Ober⸗Präsidenten darüber zu beschließen, wel Personen nachträglich in die Vorschlagsliste aufzunehmen sind.
§. 69. (Zusammensetzung der Bezirksausschüsse.) Der Bezirks ausschuß eines jeden Regierungsbezirks besteht aus einem Vorsitzen den (§. 70) und den dem betreffenden Regierungsbezirke angehörigen Mitgliedern des Provinzialausschusses, beziehungsweise deren Stell vertretern. (§§. 46 und 47.) 1
§. 70. (Vorsitz im Bezirksausschusse.) Den Vorsitz im Bezirkse ausschusse führt mit vollem Stimmrechte,
a, bei der Berathung und Beschlußfassung über Angelegenheiten der allgemeinen Landesverwaltuns der Regierungs Präsident oder des sen Stellvertreter,
b. bei der Berathung und Beschlußfassung über Angelegenheiten der kommunalen Provinzialverwaltung ein von dem Provinzialaus⸗ schusse zu bestimmendes Mitglied des Bezirksausschusses; jedoch steht dem Vorsitzenden des Provinzialausschusses die Befugniß zu, den Vorsitz jeder Zeit selbst mit vollem Stimmrechte zu übernehmen.
§. 71. (Geschäftsordnung der Bezirksaus caßfe) Der Bezirks⸗ ausschuß versammelte sich, so oft es die Geschäfte erfordern.
Die Berufung zu den Versammlungen erfolgt durch den Regie⸗ rungs Präsidenten nach vorherigem Einvernehmen mit dem von dem Provinzialausschusse mit der Fuͤhrung des Vorsitzes beauftragten Mit⸗ gliede des Bezirksausschusses; sie muß erfolgen, sobald es von dem letzteren oder dem Landes⸗Direktor zur Erledigung von Geschäften der kommunalen Provinzialverwaltung verlangt wird, ingleichen auf schriftlichen Antrag der Hälfte der Mitglieder des Bezirksausschufses.
„Durch Beschluß des Bezirksausschusses können im Einvernehmen it gent Regierungs⸗Präsidenten regelmäßige Sitzungstage festgesetzt werden.
§. 72. Die Vorschriften der §§. 56, 57, 59, 60 und 61 finden auf die Bezirksausschüsse sinngemäße Anwendung.
§. 73. Wird in Folge des gleichzeitigen Ausscheidens von mehr als der Hälfte der Mitglieder emäß §. 57 ein Bezirksausschuß be⸗ schlußunfähig, und kann die Beschlu zfähigkeit auch nicht durch Einbe⸗ rufung unbetheiligter Stellvertreter tellt werden, so erfolgt die Beschlußfassung durch den Provinzialausschuß, sofern es sich um eine Provinzialangelegenheit handelt (§. 75).
Betrifft der Gegenstand eine allgemeine Landesangelegenheit, so wird mit der Erledigung derselben der Bezirksausschuß eines dnderen Regierungsbezirkes durch den Provinzialausschuß beauftratt §. 76).
§. 74. Die Geschäfteordnungen für die Bezirksausschüsse werden von dem Provinzialausschusse mit Genehmigung des Provinzialland tages beziehungsweise des Ministers des Innern erlassen 88. 61).
5. 75. (Geschäfte der Bezirksausschüsse. a. In der kommunalen Provinzialverwaltung.) In der kommunalen Provinzialverwaltung haben die Bezirksausschüsse diejenigen Geschäfte wahrzunehmen, welche ihnen von dem Provinziallandtage oder dem Provinzialaus⸗ schusse aufgetragen werden. 8
. 76. (b. in der allgemeinen Landesverwaltung.) Die Zustän⸗ digkeit der Bezirksausschüsse in Angelegenheiten der allgemeinen Lan⸗ desverwaltung, insbesondere in Betreff ihrer Mitwirkung bei der Be⸗ aufsichtigung der Kommunalangelegenheiten der Kreise, Amtsverbände und Gemeinden, bei der Beaufsichtigung der Schulangelegenheiten und des Wegebaues, sowie in landespolizeilichen Angelegenheiten wird durch die Kreis⸗, Gemeinde⸗, Schul⸗ und Wegeordnungen, beziehungs⸗ weise durch die darüber zu erlassenden besonderen Gesetze geregelt.
§. 77. Die Bezirksausschüsse haben ihr Gutachten über alle Angelegenheiten der allgemeinen Landesverwaltung abzugeben, welche ihnen von dem Regierungs⸗Präsidenten, dem Ober⸗Präsidenten oder den Ministern vorgelegt werden. 8 3
§. 78. (Oertliche Zuständigkeit der Bezirksausschüsse in allgemei⸗ nen Landesangelegenheiten.) Zuständig in erster Instanz ist:
a. für Beschlüsse in allgemeinen Landesangelegenheiten, welche sich 888 Grundstücke beziehen, der Bezirksausschuß der velegenen Sache,
b. für alle sonstigen Fälle der Bezirksausschuß desjenigen Regie⸗ rungsbezirks, in welchem die Person oder Korporation wohnt oder bhren hat, auf deren Angelegenheit sich die Beschlußfassung
ezieht.
§. 79. Sind die Grundstücke in mehreren Regierungsbezirken belegen, oder ist es zweifelhaft, zu welchem Regierungsbezirke sie ge⸗ hören, so wird der zuständige Bezirksausschuß durch den Provinzial⸗ ausschuß oder durch den zuständigen Minister bestimmt, je nachdem die betreffenden Regierungsbezirke derselben Provinz oder verschiedenen Provinzen angehören.
Dasselbe findet statt, wenn die Personen oder Korporationen, deren Angelegenheit den Gegenstand der Beschlußfassung bildet, in mehreren Regierungsbezirken wohnen oder ihren Sitz haben. .
§. 80. (Beschwerden gegen die eüieell der Bezirksausschüfse.) In welchen Fällen gegen die Beschlüsse des egirkzausschuß es in An⸗ g legenheiten der allgemeinen Landesverwaltung die Beschwerde an — Provinz alausschuß zulässig ist, bestimmen die im §. 76 erwähnten
esetze.
§. 81. Die Frist zur Einlegung der Beschwerde beträgt vier Wochen, sofern nicht für einzelne Fälle eine andere Frist gesetzlich be⸗ stimmt ist. “
§. 82. In allen Fällen, in welchen gegen die Beschlüsse des Bezirksausschusses die Beschwerde an den Provinzialausschuß ulässig ist, steht dieselbe aus Gründen des öffentlichen Interesses auch dem Vorsitzenden des Bezirksausschusses zu. 8 1
§. 83. Will der Vorsitzende die Beschwerde einlegen, so hat er dies dem Bezirksausschusse sofort anzuzeigen. Die Zustellung des Be⸗ schlusses an den Betheiligten bleibt in diesem Falle einstweilen, 189 längstens drei Tage, ausgesetzt. Sie erfolgt mit der Eröffnung, da im öffentlichen 8 die Beschwerde eingelegt worden sei. Ist die Zustellung ohne diese Eröffnung erfolgt, so gilt die Beschwerde als zurückgenommen.
Die Gründe der Beschwerde sind dem Betheiligten zur schrift⸗ lichen Erklärung innerhalb einer bestimmten, von einer bis zu vier Wochen zu bemessenden Frist mitzutheilen.
Nach Ablauf der Frist sind die Verhandlungen dem Provinzial⸗ ausschusse einzureichen.
. 84. (Erlaß von Polizeiverordnungen unter Mitwirkung der Provinzial⸗ und Bezirksausschüsse.) Der Ober⸗Präsident ist befugt, unter Zustimmung des Provinzialausschusses gemäß §8. 6, 12 und 15 des Gesetzes über die Polizeiverwaltung vom 11. März 1850 (Gesetz⸗Samml. S. 265) für mehrere Kreise, für einen oder mehrere Regierungsbezirke oder für den Umfang der ganzen Provinz gültige Her e zu erlassen und gegen die Nichtbefolgung dersetben
eldstrafen bis zum Betrage von 30 Mark anzudrohen.
§. 85. Solche Polizeivorschriften sind unter der Bezeichuung:
Polizeiverordnung“ und unter Bezugnahme auf die betreffenden Bestimmungen dieses und des Gesetzes vom 11. März 1850 zu erlassen und durch die Amtsblätter derjenigen Bezirke bekannt 1 welchen dieselben Geltung erlangen sollen.