Seachsen. Dresden, 10. Februar. Gestern Abend hat bei Ihren Majestäten in den Paradesälen der zweiten Etage des Königlichen Schlosses ein größerer Hofball stattgefunden. — Der Erbgroßherzog und die Erbgroßherzogin von Sachsen⸗Weimar sind heute Vormittag nach Dessau ab⸗ gereist. — Der Prinz Philipp von Sachsen⸗Coburg und Gotha ist nebst Gemahlin, Prinzessin Louise, Tochter des Königs der Belgier, vorgestern Abend aus Brüssel im strengsten Incognito hier eingetroffen, im „Hotel de Saxe“ ab⸗ getreten und heute Mittag nach Prag weiter gereist.
Württemberg. Stuttgart, 9. Februar. Wie der „St. A. f. W.“ mittheilt, haben in dem Jahre 1874 bei den verschiedenen württembergischen Truppentheilen einschließlich des nach Straßburg abkommandirten 8. Infanterie⸗Regiments Nr. 126 423 Einjährig⸗Freiwillige ihren Dienst abge⸗ leistet, und zwar bei der Infanterie 315, Kavallerie 45, Ar⸗ tillerie 55, beim Pionier⸗Bataillon 6 und beim Train⸗Ba⸗ taillon 2. — Das Centralcomité für das V. deutsche Bundes⸗ schießen hat unter dem 28. v. M. auch einen Aufruf an die Schützen der Eidgenossenschaft erlassen.
Baden. Karlsruhe, 9. Februar. Der Großherzog folgte gestern einer Einladung des Offiziercorps des 2. badischen Feld⸗Artillerie⸗Regiments Nr. 30 zur Eröffnung seines Kasinos und begab sich Abends nach Rastatt, von wo derselbe Nachts 1 Uhr wieder hierher zurückkehrte. — Die Herzogin von Schleswig⸗Holstein verweilt seit vorigen Sonntag, den 7. d., in Carlsruhe, und hat in dem Hause ihres Bruders, des Fürsten Hohenlohe⸗Langenburg, Wohnung genommen.
Anhalt. Dessau, 9. Februar. Der Erbgroßherzog und die Großherzogin von Sachsen treffen morgen Nach⸗ mittag mit Gefolge zu einem Besuche am Herzoglichen Hofe ein.
Waldeck. Arolsen, 9. Februar. „Das F. W.“ Reg.⸗Bl. veröffentlicht ein Gesetz, die Dacheindeckungen betreffend, vom 13. Januar 1875. 1““
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 10. Februar. bereits telegraphisch gemeldete Versetzung des Erzherzogs Johann Salvator wird in der „Wiener Ztg.“ amtlich, wie folgt, be⸗ kammt gemacht: Se. K. und K. Apostolische Majestät geruhten Allergnädigst, die Uebersetzung Sr. Kaiserlichen Hoheit des Herrn Oberst⸗Lieutenants Erzherzogs Johann Salvator, des Feld⸗ Artillerie⸗-Regiments Leopold Prinz von Bayern Nr. 13, in gleicher Eigenschaft zum Infanterie⸗Regimente Erzherzog Wilhelm Nr. 12 anzuordnen (Allerh. Entschl. vom 5. Februar 1875).
Das „Prag. Abendbl.“ bemerkt dazu: Bekanntlich wird dem Erzherzog Johann Salvator die Autorschaft der jüngst er⸗ schienenen und in den Blättern viel besprochenen Broschüre „Be⸗ trachtungen über die Organisation der österreichifchen Artillerie“ zugeschrieben.
— Im Abgeordnetenhause gelangte gestern der Gesetz⸗ entwurf über den Zwangsverkauf beweglicher und unbeweglicher Güter zur Berathung. Abg. Dr. Sturm erstattete den Bericht und charakterisirte die Vorlage dahin, daß sie berufen sei, die bisherigen Lücken im Exekutionsverfahren auszufüllen und ohne Gefahr für den zahlungswilligen Schuldner die bisherigen drei Feilbietungstermine in einen zusammenzuziehen, um auf diese Art das Verfahren abzukürzen und billiger zu gestalten. In der Generaldebatte sprach eine Anzahl von Rednern, darunter namentlich Mitglieder des Fortschrittsklubs und des rechten Cen⸗ trums gegen die Vorlage, indem sie in derselben allzu große Härte gegenüber dem zahlungsunfähigen Schuldner erblickten. Für die Ausschußanträge hatten sich drei Redner zum Worte gemeldet. Der Justiz⸗Minister Dr. Glaser erklärte, die Regie⸗ rung habe den Gesetzentwurf nur deshalb eingebracht, weil sie von vielen Seiten dazu gedrängt worden sei. Sie lege aber kein Gewicht darauf, daß gerade der vorliegende Entwurf unverändert angenommen werde. Bei der Abstimmung wurde der Antrag Edelbachers, den Gesetzentwurf nicht als Grundlage für die Spezialdebatte zu machen, sondern denselben an den Ausschuß zurück zu verweisen, damit derselbe noch in dieser Session ein Gesetz über einige Aenderungen der Exekutionsord⸗ nung vorlege und hierbei von folgenden Grundlagen ausgehe:
„1) die Erwirkung des exekutiven Pfandrechtes und der exeku⸗ tiven Schätzung ist durch ein einziges Gesuch zu ermöglichen; 2) die Zahl der Feilbietungstagfahrten ist zu verringern; 3) der Anschluß eines Mitpfandgläubigers an die Exekutionsführung ist gestattet“ mit 87 gegen 77 Stimmen angenommen. Vor Beginn der Berathung interpellirten Dr. Vidulich und 18 Ge⸗ nossen das Gesammt⸗Ministerium wegen Vorlage der in Aussicht gestellten Seegesetze, speziell des Gesetzes über die Registrirung der österreichischen Handelsschiffe.
Triest, 9. Februar. Bischof Legat istschwer erkrankt und
heute mit den Sterbesakramenten versehen worden. Pest, 9. Februar. In der heutigen Sitzung des Abgeord⸗ netenhauses ergriff in der Budgetdebatte zunächst das Wort Paczolay. Derselbe polemisirte gegen Lonyay. Er werde den Stand⸗ punkt der Deak⸗Partei immer vertheidigen. Nachdem aber Tisza selbst gestehe, daß die gemeinsamen Angelegenheiten gut sind, müsse auch gestanden werden, daß alle Reden gegen die Deak⸗Partei, gelinde gesagt, eine Verleumdung waren. Dies dürfte auch Lonnay bestätigen. Er acceptire die Budgetvorlage, aber nur im Allgemeinen. Hierauf nahm Graf Lonyay in persönlicher Frage das Wort. Er erklärte, er habe schon 1868 und 1869 im Einundzwanziger⸗Ausschusse jene Richtung befürwortet, welche er auch in seiner jüngsten Rede anempfohlen habe. Er acceptire die Solidarität mit allen Verfügungen, welche während seiner Finanz⸗ wirthschaft die Regierung getroffen hat. Aber für die Eisenbahnen seien in erster Reihe dennoch die Fachminister verantwortlich: nach seinem Austritte aus dem Kabinette seien aber viel mehr Konzessionen votirt worden; schließlich bemerke er, daß es heute ganz unzeitgemäß sei, gegen das linke Centrum zu rekriminiren, heute, wo Tisza so patriotisch von einer Diskussion der gemein⸗ samen Angelegenheiten abgestanden, sei ein derartiges Auftreten unbegreiflich. Hierauf ergriff, wie bereits telegraphisch gemeldet, der Finanz⸗Minister Ghyczy das Wort. Derselbe wies in zwei⸗ einhalbstündiger Rede vorerst auf die Undurchführbarkeit der zahl⸗ reichen, von einzelnen Rednern gemachten Reformvorschläge hin und erklärte, daß der von der Regierung vorgeschlagene Modus zur Regelung des Staatshaushaltes der einzig zweckentsprechende sei. Ghyczy betonte, daß das unbedeckte Defizit von nun an jedenfalls mit den Steuereinnahmen gedeckt werden müsse, wies ziffer⸗ mäßig nach, daß, wenn die Vorschläge der Regierung angenommen werden, die Regelung des Staatshaushalts im Jahre 1877 möglichsei,
und that die Unmöglichkeit der Erhöhung der indirekten Steuern
und die Nothwendigkeit einer höheren Besteuerung des Grund⸗ besitzes dar. Redner hielt die Enunziationen Tisza's für hoch⸗ wichtig, begrüßte ihn auf dem Wege, welchen er selbst früher betreten,
gets verband. Ghyczy erklärte, er habe das Finanzportefeuille in dem Bewußtsein übernommen, daß er wegen der unausbleib⸗ lichen Steuergesetze angegriffen werde; er habe gestrebt, die Zahlungsunfähigkeit des Staates hintanzuhalten, daher sei seine Thätigkeit doch nicht ganz nutzlos gewesen. Redner erklärte schließlich, an seinen Vorschlägen festzuhalten und gar keine an⸗ deren zu machen, und ersuchte, in die Spezialdebatte des Bud⸗ gets einzugehen. Ghyczy erntete am Schlusse minutenlangen
Beifall.
Großbritannien und Irland. London, 9. Februar. Im Oberhause brachte gestern Lord Lyttelton eine Gesetz⸗ vorlage ein, welche die Krone befugt, unter gewissen Bedingungen neue Bisthümer in England und Wales zu kreiren.
— 10. Februar. (W. T. B.) Der Schatzkanzl er Sir S. H. Northcote . heute eine Deputation empfangen, welche die Abschaffung der Einkommensteuer befürwortete. Der Schatzkanzler erwiderte, daß die Aufhebung der Steuer ohne die Einführung einer anderen Auflage an ihrer Stelle sich nicht er⸗ möglichen lassen werde und versprach, die Frage in weitere Er⸗ wägung zu ziehen.
— Die Königin wird gegen Ende des Monats nach Windsor zurückkehren und Prinz Leopold voraussichtlich sie dahin begleiten.
— Der „Globe“ meldet, daß Kriegsschiffe des ostafri⸗ kanischen Geschwaders nach Benin (Oberguinea) abgegangen sind, um wegen eines von den Einwohnern auf englische Han⸗ delsschiffe gemachten Angriffs Repressalien zu nehmen.
Frankreich. Paris, 10. Februar. (W. T. B.) Die Nachricht, daß die Unterhandlungen zwischen dem linken und dem rechten Centrum behufs einer Verständi⸗ gung über die Zusammensetzung des Senats auf große Schwierigkeiten stoßen, bestätigt sich. Das linke Centrum wünscht die Wahl des gesammten Senats durch allgemeines Stimmrecht gemäß dem Vorschlage des Gesetz⸗ entwurfs Dufaure's. Das rechte Centrum ist dagegen dafür, daß die Mitglieder des Senats theils durch das Staats⸗ oberhaupt, theils durch die Generalräthe ernannt werden. Sollte der von Dufaure eingebrachte Gesetzentwurf abgelehnt werden, so würde, der „Agence Havas“ zufolge, die Linke sich für das System der indirekten Wahlen erklären.
— Der „Moniteur de l'Armée“ zeigt an, daß das Kriegs⸗ Ministerium entschieden habe, die Adjutant⸗Majors zu be⸗ seitigen. Diese Maßregel bezwecke die Ersparung von 500 neuen Hauptleuten, die dem Staate eine Summe von 1,500,000 Fr. per Jahr kosteten.
Spanien. Burgos, 10. Februar. (W. T. B.) Der König Alfons ist hier eingetroffen. Der Eisenbahnzug, welcher ihn hierher führte, wurde unterwegs zwischen Miranda und Haro von den sogenannten Conchas de Haro (eine Felsengruppe) aus von den Carlisten beschossen. Die an der Bahn aufgestellten Truppen erwiderten das Feuer, das darauf von den Carlisten eingestellt wurde. Mehrere der vorderen Wagen des Zuges wurden durch⸗ löchert. Von den im Zuge befindlichen Personen wurde Nie⸗ mand getroffen. — Ein Zug, welcher eine Deputation aus der Provinz Logrono nach Logrono zurückführte, ist an derselben Stelle, wo der Königliche Zug euer erhielt, von den Carlisten beschossen worden. Das Feuer war so heftig, daß der Zug zurückgehen und in einem Tunnel Zu⸗ flucht suchen mußte. Erst unter dem Schutze einer von den nächstliegenden Garnisonorten beorderten Bedeckungsmannschaft von 6 Compagnien konnte die Fahrt fortgesetzt werden.
Italien. Rom, 10. Februar. (W. T. B.) Die Nach⸗ richt, daß der Papst am Sonnabend einen Ohnmachtsanfall erlitten habe, wird von der „Agenzia Stefani“ für unbegründet
erklärt.
Türkei. Konstantinopel, 10. Februar. (W. T. B.) Die Eisenbahn⸗Kommission hat heute ihre erste Sitzung abgehalten, welcher Baron Hirsch beiwohnte.
Rumänien. Bukarest, 11. Februar. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer hat das Gesetz, betreffend die Deckung des Defizits pro 1875 angenommen. Durch dasselbe wird die Regierung ermächtigt, anstatt des ursprünglich bestimmten Betrags von 19 Millionen nunmehr 24 Millionen in Renten⸗ titeln auszugeben.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 7. Fe⸗ bruar. Einer Mittheilung der „Mosk. Ztg.“ zufolge wird das Ministerium der Wegekommunikationen in nächster Zeit ein Ver⸗ zeichniß der wichtigsten ins Bahnnetz des Reichs, einschließlich Kaukasien, aufzunehmenden Eisenbahnen beim Minister⸗ Comité einbringen.
— Wie der „Golos“, seine früheren Angaben berichtigend, mittheilt, stellen sich die Einnahmen und Ausgaben des tur⸗ kestanischen Budgets wie folgt: 1868: 1,643,237 Ein⸗ nahme, 620,750 Ausgabe, 1,022,486 Ueberschuß der Reichsrentei; 1869: 2,205,909 Einnahme, 1,229,063 Ausgabe, 976,846 Ueber⸗ schuß der Reichsrentei; 1870: 2,007,836 Einnahme, 1,177,125 Ausgabe, 830,712 Ueberschuß der Reichsrentei; 1871: 2,021,138 Einnahme, 1,378,768 Ausgabe, 642,370 Ueberschuß der Reichs⸗ rentei; 1872: 2,019,296 Einnahme, 1,695,732 Ausgabe, 323,563 Ueberschuß der Reichsrentei; in Summa: 9,897,416 Einnahmen, 6,101,438 Ausgaben, 3,795,978 Ueberschuß der Reichsrentei. Im Gegensatz zu dem früher gemeldeten Defizit von gegen 19 Millionen hat sich nach der neuern Darstellung ein Ueber⸗ schuß von 3,795,978 Rbl. ergeben.
Schweden und Norwegen. Stockholm, 6. Februar. (H. N.) Der Finanz⸗Minister Akerhjelm hat sich gegen die Vorlage der Wehrpflichtssache und des Heeresordnungsentwurfs in dieser Reichstagssaison ausgesprochen. Die übrigen Minister dagegen riethen, den Entwurf schon in dieser Versammlung vor⸗ zulegen.
— Das Domkapitel in Upsala hat bei der Regierung bean⸗ tragt, dem Reichstag einen Gesetzentwurf über Bewilligung zur Wiederherstellung der Domkirche in Upsala in ihrem ursprüng⸗ lichen Styl, vorzulegen. Die Ausgaben hierfür werden auf 1 Million Kronen veranschlagt.
— Der frühere Intendant an der Akademie für Wissen⸗ schaften, Professor Carl Jacob Sundevall, ist Freitag in Stockholm, 73 Jahre alt, gestorben.
Christiania, 5. Februar. Nach dem bei Eröffnung des Storthings verlesenen Bericht über den Zustand des Reiches betrug die Schuld des Reiches, die sich Ausgang 1873 auf circa 8,242,500 Spd. belief, Ausgang 1874 circa 13,357,400 Spd. Seit der letzten Storthingssession ist die amortisable Staatsschuld um 5,000,000 Spd. in 4 ½ % Obligationen erhöht
81
dieser Anleihe war Ausgang 1874 nur ein Betrag von 847,000 Spd. weniger, als was zur selben Zeit von der Staatskasse für die neuen Eisenbahnen ausgegeben war. im Jahre 1874 ca. 746,000 Spd. ausgeliehen.
eingezogen, oder ungefähr 200,000 Spd.
Die Hypothekenbank hat
Von den vom Storthing für die Anschaffung neuer Feld⸗
geschütze bewilligten Mitteln sind 19 Stück 2 ½⸗ und Zzöllige Stahlkanonen mit Eisenbelegen beim Näs⸗Werk bestellt und so weit fertig, daß die Rifelung nächstens in der Werkstatt des Hauptarsenals geschehen kann. berg hat im Jahre 1874 5400 Stück Remingtongewehre geliefert. diesem Gewehr versehen. Dampfkanonenboot fertig geworden, ein Monitor wird gebaut, einer in der Bepanzerung verstärkt. Mehrere Kanonenschaluppen werden in Kanonenboote umgewandelt.
Die Waffenfabrik zu Kongs⸗
Von den 20 Infanterie⸗Bataillonen sind jetzt 13 mit Auf den Marine⸗Werften ist ein
Amerika. (A. A. C.) Aus Washington wird vom 8.
ds. per Kabel gemeldet: Präsident Grant hat dem Senat eine den Stand der Angelegenheiten in Arkansas betreffende Botschaft übersandt, in welcher er Mr. Brooks als den gesetzlich erwählten
Gouverneur anerkennt und den Kongreß ersucht, nicht den Um⸗
sturz der Staatsverfassung durch gesetzlose revolutionäre Maß⸗
regeln zu übersehen. Der Präsident hat den Akt zur Amen⸗ dirung der Gesetze, welche direkte Steuern betreffen, der „kleine Tarif⸗Akt“ genannt, unterzeichnet.
— 9. Februar. (W. T. B.) Die Finanz⸗Kommission des Kongresses hat den Gesetzentwurf, betreffend die Be⸗ steuerung von baumwollenen und wollenen Manufakturwaaren, sowie von Eisen und Stahl angenommen. Die Besteuerung von Papier, Büchern. Leder, Zucker, Thee und Kaffee wurde dagegen abgelehnt. Die Finanz⸗Kommission schätzt die durch die vorgeschlagenen Steuern zu erzielende Mehreinnahme auf 30 Millionen Dollars.
— In der Legislatur von Nord⸗Carolina hat die re⸗ publikanische Partei Resolutionen eingebracht, welche den Gesetz⸗ entwurf, betreffend die Bürgerrechte, verwerfen.
Landtags⸗Angelegenheiten.
Berlin, 11. Februar. Der dem Hause der Abgeordneten vorliegende Entwurf eines Gesetzes über die Ver⸗ mögensverwaltung in den katholischen Kirche
gemeinden lautet:
Wir Wilhelm, von Gottes Gnaden König von Preußen ꝛc. verordnen, mit Zustimmung beider Häuser des Landtages, für den Um⸗ fang der Monarchie, was folgt:
§. 1. In jeder katholischen Pfarrgemeinde sind die kirchlichen Vermögensangelegenheiten durch einen Kirchenvorstand und eine Gemeindevertretung nach Maßgabe dieses Gesetzes zu besorgen.
§. 2. Die Vorschrift des §. 1 findet auch auf Missionspfarr⸗ gemeinden, sowie auf solche anderen Kirchengemeinden (Filial⸗, Kapellen⸗ ꝛc. Gemeinden) Anwendung, für welche besonders bestimmte kirchliche Vermögensstücke vorhanden sind oder deren Gemeindegliedern besondere Leistungen zur Bestreitung der kirchlichen Bedürfnisse dieser Gemeinden obliegen. .
§. 3. Zu dem kirchlichen Vermögen im Sinne dieses Gesetzes gehören: 1) das für Kultusbedürfnisse bestimmte Vermögen, ein⸗ schließlich des Kirchen⸗ und Pfarrhausbaufonds, der zur Besoldung der Geistlichen und niederen Kirchendiener bestimmten Vermögens⸗ stücke und der Anniversarien; 2) die zu wohlthätigen und Schul⸗ zwecken bestimmten kirchlichen Vermögensstücke; 3) die zu irgend einem kirchlichen Zwecke innerhalb des Gemeindebezirks bestimmten Stiftungen, sofern nicht stiftungsmäßig eigene Verwaltungsorgane eingesetzt sind. 3
§. 4. Unter kirchlichem Vermögen im Sinne dieses Gesetzes ist dasjenige nicht begriffen, welches zwar zu kirchlichen Zwecken be⸗ stimmt ist, aber im Eigenthum der bürgerlichen Gemeinde sich befindet, insbesondere die der bürgerlichen Gemeinde gehörigen Kirchhöfe. 8
I. Kirchenvorstand.
§. 5. Der Kirchenvorstand besteht: 1) aus dem Pfarrer, bei Pfarrgemeinden, in welchen mehrere Pfarrgeistliche angestellt sind, aus dem ersten oder Hauptpfarrer, in Filial⸗, Kapellen⸗ zc. Gemeinden, welche einen eigenen Geistlichen haben, aus diesem; 2) aus mehreren Kirchenvorstehern, welche durch die Gemeinde gewählt werden, sofern die Ernennung derselben oder die Berechtigung zum Eintritt in den Fee Bäfften nicht durch dieses Gesetz anderen Personen zuge⸗ wiesen ist.
§. 6. Die Feststellung der Zahl der für jede Gemeinde zu wäh⸗ lenden Kirchenvorsteher erfolgt das erste Mal durch die bischöfliche Behörde im Einvernehmen mit dem Regierungs⸗Präsidenten (Land⸗ drosten)
stexne. Abänderung der Zahl kann durch Beschluß der Gemeinde⸗ vertretung bewirkt werden.
Die Zahl soll nicht mehr als zwölf und nicht weniger als vier betragen.
Mit Rücksicht auf die Seelenzahl oder die besonderen Verhält⸗ nisse einer Gemeinde kann die Zahl bis auf zwei herabgesetzt werden.
.7. Das Amt der Kirchenvorsteher ist ein Ehrenamt. ür außergewöhnliche Mühwaltungen kann auf Antrag des Kirchenvorstandes eine angemessene Entschädigung durch die Ge⸗ meindevertretung bewilligt werden.
§. 8. Der Kirchenvorstand verwaltet das kirchliche Vermögen.
Er vertritt die seiner Verwaltung unterstehenden Vermögens⸗ massen und die Gemeinde in vermögensrechtlicher Beziehung.
Die Rechte der jeweiligen Inhaber an den zur Besoldung der Geistlichen und niederen Kirchendiener bestimmten Vermögensstücken werden hierdurch nicht berührt. “
§. 9. Die Mitglieder des Kirchenvorstandes haften für die Sorg⸗ falt eines ordentlichen Hausvaters. 1
§. 10. Die Kassenverwaltung und die Rechnungsführung ist einem Kirchenvorsteher zu übortragen, welcher von dem Kirchenvor⸗ stande gewählt wird.
Durch Beschluß des Kirchenvorstandes kann ein demselben nicht angehöriger, besonderer Rendant oder Rechnungsführer angestellt werden. Ein solcher Rendant oder Rechnungsführer gehört zu den Kirchendienern im Sinne des Gesetzes vom 12. Mai 1873 (Gesetz⸗ Sammlmung Seite 198). G
§. 11. Der Kirchenvorstand stellt einen Voranschlag der Jahres⸗ einnahmen und Ausgaben auf.
§. 12. Der Kirchenvorstand hat am Schlusse jedes Rechnungs⸗ jahres die Rechnung zu prüfen. 8
§. 13. Den Vorsitz in dem Kirchenvorstande führt der Pfarrer oder der im §. 5 Nr. 1 bezeichnete Geistliche und wenn diese ver⸗ hindert sind, deren Stellvertreter im geistlichen Amt.
Bei Erledigung der Stelle geht der Vorsitz auf den Kirchen⸗ vorsteher über, welcher von dem Kirchenvorstande alle drei Jahre bei dem Eintritt der neuen Kirchenvorsteher zu wählen ist.
Demselben gebührt auch der Vorsitz, wenn der Geistliche den Eintritt in den Kirchenvorstand oder die Uebernahme oder Fortführung des Vorsitzes verweigert, oder wenn der Vertreter des Geistlichen ver⸗ hindert oder ein solcher nicht vorhanden ist.
. 14. Der Kirchenvorstand versammelt sich auf Einladung des Vorsitzenden, so oft es die Erledigung der Geschäfte erforderlich macht. Durch Beschluß können regelmäßige Sitzungstage festgesetzt werden.
§. 15. Der Kirchenvorstand ist zu berufen, wenn dies verlangt wird: 1) von der bischöflichen Behörde, 2) von dem Landrath (Amts⸗ hauptmann, Amtmann), in Stadtkreisen von dem Bürgermeister,
worden, in Gemäßheit des Storthingsbeschlusses vom 5. Juni
und bedauerte nur das, daß er damit die Ablehnung des Bud⸗
1874 und der Königl. Resolution vom 8. Januar d. J. Von
3) von der Hälfte der Kirchenvorsteher, 4) durch Beschluß der Ge⸗
8 “ 8—
““ . — meindevertretung, in den beiden letzten Fällen, sofern ein innerhalb der Zuständigkeit des Kirchenvorstandes liegender Zweck angegeben „ 5b. Kommt der Vorsitzende dem Verlangen nicht nach oder ist ein Vorsitzender nicht „vorhanden, so kann die Berufung sowohl durch die bischöfliche Behörde, als auch durch die im §. 15, Nr. 2 genannten Beamten erfolgen. “ nbeae diesen Fällen bestimmt die berufende Behörde den Vor⸗ 1 8
§. 17. Zu den Sitzungen sind sämmtliche Mitglieder des Kirchen⸗ vorstandes einzuladen. Die Einladung ist, der Beschtiheher⸗ Zustimmung der Gemeindevertretung bedarf, schriftlich unter Angabe des Gegenstandes spätestens den Tag vor der Sitzung zuzustellen.
§. 18. Die Mitglieder sind verpflichtet, über alle als vertraulich bezeichneten Gegenstände Verschwiegenheit zu beobachten.
88 “ . 6“ Stimmenmehrheit der An⸗ esend aßt. Bei Stimmerngleichheit entscheidet di e Vorfcgenden E das Loos. sch “ zur Gültigkeit eines Beschlusses ist erforderlich, daß U die Hälfte der Mitglieder des Kirchenvorstandes, na1egeeis bo 8—
u“ der S genommen haben. „Mitsglieder, welche an dem Gegenstande der Beschlußfassun ⸗ fönlich betheiligt sind, haben sich der Abstimmung “ k Bei nicht vorschriftsmäßig erfolgter Einladung kann eine Be⸗ schlußfassung nur dann stattfinden, wenn der Kirchenvorstand vollzäh⸗ lig versammelt ist und Widerspruch nicht erhoben wird.
§. 20. Die Beschlüsse sind unter Angabe des Tages und der ee.S .n⸗ 5 88 LP zu verzeichnen. Die Protokolle werden von dem Vorfitzenden und mindestens ei s nühe her e stens einem Kirchenvorsteher
§. 21. Zu jeder die Gemeinde und die von dem Kirchenv te vertretenen Vermögensmassen verpflichtenden schrifäläirch rftnnde erklärung des Kirchenvorstandes bedarf es der Unterschrift des Vor⸗ sitzenden und zweier Kirchenvorsteher, sowie der Beidrückung des Kirchensiegels. Hierdurch wird Dritten gegenüber die ordnungsmäßige Fassung des Beschlusses festgestellt, so daß es eines Nachweises der einzelnen Erfordernisse desselben, insbesondere der erfolgten Zustim⸗ der Gemeindevertretung, wo eine solche nothwendig ist, nicht edarf. G
8
1“ emeindevertretung.
§. 22. Die Feststellung der Zahl der Gemeindever für j Gemeinde erfolgt nach Maßgabe des §. 6 Absatz 1 Kmss “ Die Zahl soll nicht mehr als vierzig betragen und muß mindestens drei Mal so groß sein, wie diejenige der Kirchenvorsteher. 88 zunten “ 85 Fesgn HEnhgeseheen Voraussetzungen kann ahl der Gemeindevertreter bis auf die doppelte Zahl — vorsteher herabgesetzt werden. “ Die Beschlüsse des Kirchenvorstandes bedürfen der Zu⸗ stimmung der Gemeindevertretung in folgenden Fällen: 1) bei dem Erwerb, der Veräußerung oder der dinglichen Belastung von Grund⸗ eigenthum, bei der Vermiethung oder Verpachtung desselben auf län⸗ ger als zehn Jahre und bei der Vermiethung oder Verpachtung der den kirchlichen Beamten zum Gebrauch oder zur Nutzung überwiesenen Grundstücke über die Dienstzeit des jeweiligen Inhabers hinaus; 2) bei außerordentlicher Benutzung des Vermögens, welche die Substanz selbst angreift, so wie bei Kündigung und Einziehung von Kapita⸗ lien, sofern sie nicht zur zinsbaren Wiederbelegung erfolgt; 3) bei Anleihen, sofern sie nicht blos zur vorübergehenden Aushülfe dienen und aus den laufenden Einnahnten derselben Veranschlagungsperiode zurückerstattet werden können; 4) bei Anstellung von Prozessen, soweit dieselben nicht die Eintreibung fortlaufender Zinsen und Gefälle oder die Einziehung auestehender Kapitalien, deren Zinsen rückständig ge⸗ blieben sind, betreffen, und bei Abschließung von Vergleichen; 5) bei Neubauten oder erheblichen Reparaturen an Baulichkeiten, sofern nicht über die Nothwendigkeit der Bauausführung bereits durch die zustän⸗ digen Behörden endgültig entschieden ist. Für erheblich gelten Repa⸗ raturen, deren Kostenanschlag 200 Mark übersteigt. Im Falle des Bedürfnisses kann die Gemeindevertretung ein für alle Mal die Voll⸗ macht des Kirchenvorstandes zur Vornahme höher veranschlagter Re⸗ paraturen, jedoch nicht über die Summe von 1000 Mark hinaus, er⸗ weitern; 6) bei Beschaffung der zu den kirchlichen Bedürfnissen er⸗ forderlichen Geldmittel oder Leistungen, soweit solche nicht nach dem bestehenden Rechte aus dem Kirchenvermögen oder von dem Patron oder von sonst speziell Verpflichteten zu gewähren sind; 7) bei Fest⸗ setzung der auf die Gemeindeglieder zu vertheilenden Umlagen und bei Bestimmung des Vertheilungsmaßstabes; letzterer ist entweder nach Maß⸗ gabe der direkten Staatssteuer oder der Kommunalsteuer festzusetzen; 8) bei Veränderung bestehender oder Einführung neuer Gebühren⸗ aren; 9) bei Bewilligungen aus der Kirchenkasse zur Ausstattung neuer Stellen für den Dienst der Gemeinde, sowie zur dauernden Ver⸗ besserung des Einkommens bestehender Stellen, um bei Umwandlung on veränderlichen Einnahmen der kirchlichen Beamten in feste Hebungen oder von Naturaleinkünften in Geld, letzteres, soweit nicht ie Umwandlung in dem durch die Staatsgesetze geordneten Ablösungs⸗ verfahren erfolgt; 10) bei Feststellung des Etats und der Voranschlags⸗ . 11) bei Abnahme der Jahresrechnung und Ertheilung der Ent⸗ astung. Der Etat ist nach erfolgter Feststellung, die Jahresrechnung na ertheilter Entlastung auf zwei Wochen zur Einsicht “ glieder öffentlich auszulegen. 1 §. 24. Der Kirchenvorstand ist befugt, zu Beschlüssen auch über andere, als die im §. 23 aufgeführten Vermögensangelegenheiten die Zustimmung der Gemeindevertretung einzuholen. In diesem Falle dürfen die Beschlüsse des Kirchenvorstandes nicht eher vollzogen wer⸗ den, als bis die Zustimmung ertheilt ist. 25. Die Gemeindevertretung wählt ihren Vorsitzenden und den Stellvertreter desselben. Sie versammelt sich auf Einladung des Vorsitzenden, so oft es die Erledigung der Geschäfte erforderlich macht. In Betreff der Berufung der Gemeindevertretung finden die Vorschriften der §§. 15 und 16 sinngemäße Anwendung. 1.8. 26. Zu den Sitzungen sind sämmtliche Geimneindevertreter schriftlich unter Angabe des Gegenstandes spätestens den Tag vor der Sitzung einzuladen. „Im Uebrigen finden die Bestimmungen der §§. 18, 19 und 20 sinngemäße Anwendung. Die Beschlüsse werden dem Kirchenvorstande in einem von dem Vorsitzenden und zwei Gemeindevertretern unterschriebenen Auszuge aus dem Protokollbuche zugestellt.
III. Wahl der Kirchenvorsteher und der Gemeinde⸗ vertreter.
§. 27. Wahlberechtigt sind alle männlichen, volljährigen, selbst⸗ ständigen Mitglieder der Gemeinde, welche bereits ein Jahr in der⸗ selben, oder wo mehrere Gemeinden am Orte sind, an diesem Orte wohnen und zu den Kirchenlasten nach Maßgabe der dazu bestehenden Verpflichtung beitragen.
Selbständig sind diejenigen, welche einen eigenen Hausstand haben oder ein öffentliches Amt bekleiden oder ein eigenes Geschäft oder als Mitglied einer Familie deren Geschäͤft führen.
Als selbständig sind nicht anzunehmen diejenigen, welche unter Vormundschaft oder Kuratel stehen oder welche im letzten Jahre vor er Wahl armuthshalber aus öffentlichen Mitteln Unterstützung er⸗ halten oder Erlaß der kirchlichen Beiträge genossen haben.
. 28. Von der Ausübung des Wahlrechts sind ausgeschlossen diejenigen: 1) welche nicht im Besitze der bürgerlichen Ehrenrechte sich efinden; 2) welche wegen eines Verbrechens oder wegen eines solchen Vergehens, welches die Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte nach ziehen kann, in Untersuchung sich befinden; 3) welche im Konkurse sich befinden; 4) welche mit der Bezahlung kirchlicher Umlagen über ein Jahr im Rückstande sind. . 29. Wählbar sind die wahlberechtigten Mitglieder der Ge⸗ meinde, welche das dreißigste Lebensjahr vollendet haben, sofern sie nicht nach §. 28 von der Ausübung des Wahlrechts ausgeschlossen sind. §. 30. Geistliche und andere Kirchendiener gehören nicht zu den wahlberechtigten und wählbaren Mitgliedern der Gemeinde.
8“
5. 31. vertreter sein. 8 §. 32. Das Wahlverfahren bestimmt sich nach der nachfolgenden
2 ö“ .33. Die Kirchenvorsteher sind nach erfolgter Wahl in ih Amt einzuführen und auf treue Erfüllung i lli he 1r vennche f rfüllung ihrer Obliegenheiten zu . 34. Die Gewäͤhlten können das Amt eines Ki oder eines Gemeindevertreters nur ablehnen oder deee. sie das sechzigste Lebensjahr vollendet, oder 2) schon sechs Jahre das Amt bekleidet haben, oder 3) wenn andere erhebliche Entschuldigungs⸗ gründe vorliegen, z. B. Kränklichkeit, häufige Abwesenheit, oder Dienstverhältnisse, welche mit dem Amte unvereinbar sind.
Ueber die Erheblichkeit und thatsächliche Richtigkeit entscheidet der Kirchenvorstand und auf eingelegte Berufung, für welche von vecalscheidmg 5 eine Ausschlußfrist von zwei Wochen auft, die bischöfliche Behörde im Einverne ie⸗ “ tes guntebem n
Wer ohne solchen Grund die Uebernahme oder die tfü dege Ant verweigerg verteer das Bäefe⸗ Gesetz NeeBaüt ehahhn
hlrecht. Dasselbe kann ihm auf sein Ge ir⸗ chenvorstande wieder beigelegt werden, Behae wehesa §. 35. Das Amt der Kirchenvorsteher und der Gemeindevertreter
dauert sechs Jahre. Von drei zu drei Jahren scheidet die Hälfte aus. Die Aus⸗ bleiben jedenfalls bis zu dem
scheidenden sind wieder wählbar und inteae has Kechcfcen im Ems Dienstzeit, das ste Mal e 9 geschiedenen einen
8 IV. Fortfall der Gemeindevertretung. §. 37. In Gemeinden, in denen besondere Verhältnisse geringes Vermögen, zerstreute Wohnsitze u. s. w., die Basen Gemeindevertretung unzweckmäßig oder unthunlich erscheinen lassen kann die bischöfliche Behörde im Einvernehmen mit dem Ober⸗Präsi⸗ denten der Provinz anordnen, daß eine Gemeindevertretung nicht zu bilden, sofern in einer hierzu anzuberaumenden Versammlung der “ Gemeindeglieder die Mehrheit derselben nicht wider⸗ bricht. §. 38. In dem Falle des §. 37 werden die der Gemeindevertre⸗
tung nach §. 7 zustehenden Befugnisse von dem Kirchenvorstande wahrgenommen. 1 8 328 Zahl der Kirchenvorst eher darf nicht weniger als vier be⸗ agen. Ersatzmänner werden durch die Gesammtheit der Wahlberechtigten
gewählt. V. Entlassung und Auflösung. §. 39. Die Entlassung eines Kirchenvorstehers oder eines Ge⸗ meindevertreters erfolgt: 1) wegen Verlustes einer zur Wählbarkeit erforderlichen Eigenschaft; 2) wegen grober Pflichtwidrigkeit. In dem letzteren Falle kann die Wahlberechtigung dauernd oder auf Zeit ent⸗ zogen werden.
Die Entlassung kann sowohl von der bischöflichen Behörde, als auch von dem Regiernngspräsidenten (Landdrosten), nach Anhörung des Beschuldigten und des Kirchenvorstandes, verfügt werden. Gegen die Entscheidung steht binnen einer Ausschlußfrist von vier Wochen nach erfolgter Zustellung die Berufung an den Gerichtshof für kirch⸗ liche Angelegenheiten zu. Durch Einlegung der Berufung wird die Vollstreckung der angefochtenen Entscheidung aufgehalten. Der Ge⸗ richtshof ist jedoch befugt, die vorläufige Vollstreckung zu gestatten.
§. 40. Wenn der Kirchenvorstand oder die Gemeindevertretung beharrlich die Erfüllung ihrer Pflichten gern, oder wiederholt Angelegenbeiten, welche nicht zu ihrer Zustän⸗ digkeit gehören, zum Gegenstande einer Erörterung oder Beschluß⸗ fassung machen, so können sie sowohl durch die bischöfliche Behörde, als auch durch den Ober⸗Präsidenten, unter gegenseitigem Einver⸗ nehmen, aufgelöst werden. 1
Mit 88 b 88 “ 88 1 Neuwahlen an⸗ zuordnen. Bei diesen sind die Mitglieder der aufgelöst örp nihsh p “
3 ellung der Patrone und anderer Berechtigter. S. 41. Der Patron, welchem auf Grund des Patronats. oder ein anderer Berechtigter, welchem auf Grund eines besonderen Rechts⸗ titels die Mitgliedschaft in dem Kirchenvorstande oder die Berechti⸗ gung zugestanden hat, Kirchenvorsteher zu ernennen, zu bestellen oder zu präsentiren, ist fortan befugt, entweder selbst in den Kirchenvor⸗ stand einzutreten oder einen Kirchenvorsteher zu ernennen.
Der Berechtigte, welcher in den Kirchenvorstand eintritt, und der
von ihm ernannte Kirchenvorsteher müssen die in den §§. 29 bis 31 vorgeschriebene Wählbarkeit besitzen. 8. . Außer der im §. 41 festgesetzten Befugniß zur Bethei⸗ ligung an dem Kirchenvorstande verbleiben dem Potron da, wo der⸗ selbe Patronatslasten für die kirchlichen Bedürfnisse trägt, die Aufsicht über die Verwaltung der Kirchenkasse und das Recht der Zustimmung zu den nach den bestehenden Gesetzen seiner Genehmigung unterlie⸗ genden Geschäften der Vermögensverwaltung.
Die Beschlüsse des Kirchenvorstandes und der Gemeindevertretung sind dem Patron abschriftlich mitzutheilen. Erklärt er sich auf die⸗ selben nicht binnen dreißig Tagen nach dem Empfange, so gilt er als zustimmend. Widerspricht der Patron, so steht dem Kirchenvorstande
vernachlässigen oder verwei⸗
die Berufung an die Bezirksregierung, in der Provin Hannover an das Königliche katholische Konsistorium zu, welche den Widerspruch verwerfen und die Zustimmung des Patrons ergänzen können.
Eine solche Ergänzung ist unzulässig, wenn es sich um Ausgaben handelt, für welche die Kirchenkasse bisher nicht bestimmt gewesen ist.⸗ Kconmt es für Urkunden auf die formelle Feststellung der Zu⸗ stimmung des Patrons an und ist die letztere wegen Verabsäumung der dem Patron offen stehenden Frist für ertheilt zu erachten, so wird die fehlende Unterschrift durch die im Absatz 2 genannten Aufsichts⸗
behörden ergänzt. 8
VII. Ausführungsbestimmungen. §. 43. Anweisungen über die Geschäftsführung können dem Kirchenvorstande oder der Gemeindevertretung sowohl von der bischöf⸗ lichen Behörde, als auch von dem Ober⸗Präsidenten, unter gegensei⸗ tigem Einvernehmen, ertheilt werden. §. 44. Macht die bischöfliche Behörde in denjenigen Fällen, in welchen sie eine Anordnung oder Entscheidung im Einvernehmen mit der Staatsbehörde zu treffen hat, von ihren Befugn ssen keinen Ge⸗ brauch, so ist ste zur Ausübung derselben von der Staatsbehörde auf⸗ zufordern. Leistet sie dieser Aufforderung binnen dreißig Tagen nach dem Empfange derselben keine Folge, so geht die Ausübung der Be⸗ fugnisse auf die Staatsbehörde über. —
„In denjenigen Fällen, in welchen die bischöfliche oder die Staats⸗ behörde, jede jedoch im Einvernehmen mit der anderen, eine Anord⸗ nung oder Entscheidung zu treffen hat, muß die um ihre Zustimmung augegangene Behörde sich binnen dreißig Tagen nach dem Empfange den heng erklären. Erklärt sie sich nicht, so gilt ste als zu⸗ immend.
Bei erhobenem Widerspruch entscheidet in allen Fällen über Mei⸗ nungsverschiedenheiten zwischen der bischöflichen Behörde und dem Re⸗ gierungspräsidenten (Landdrosten) der Ober⸗Präsident, über Meinungs⸗ verschiedenheiten zwischen diesem und der bischöflichen Behörde der Minister der geistlichen Angelegenheiten. §. 45. In den getroffenen Anordnungen ist erkennbar zu machen, ob das Einvernehmen erreicht oder ob die Zustimmung wegen Verab⸗ säumung der Frist 8 ertheilt zu erachten oder ob die Entscheidung in Folge erhobenen Widerspruchs getroffen ist.
§. 46. Weigert sich ein A Henvertehen oder ein Gemeindever⸗
treter, sein Amt zu übernehmen oder auszuüben, so ist eine Neuwahl anzuordnen. 1
Niemand kann zugleich Kirchenvorsteher und Gemeinde⸗
“ Weigert sich auch der neu gewählte Kirchenvorsteher oder Gemeinde⸗ vertreter, sein Amt zu übernehmen oder auszuüben, so ist der Regie⸗ rungspräsident (Landdrost) befugt, den Kirchenvorsteher oder den Gemeinde⸗ vertreter, wenn möglich aus den wählbaren Mitgliedern der Gemeinde, zu bestellen.
Diese Befugniß steht dem Regierungspräsidenten (Landdrosten) auch zu, soweit die Wahl der Kirchenvorsteher oder der Gemeinde⸗ vertreter nicht zu Stande kommt.
§. 47. Kommt die Wahl der Kirchenvorsteher überhaupt nicht zu Stande oder weigern sich die gewählten Kirchenvorsteher sämmt⸗ lich, ihr Amt zu übernehmen oder auszuüben, so ist der Regierungs⸗ präsident (Landdrost) zugleich befugt, den Vorsitzenden zu ernennen. In den Fällen des Absatzes 1 wird eine Gemeindevertretung nicht gebildet und finden die Vorschriften des §. 38 Anwendung.
. VIII. Schlußbestimmungen. *
§. 48. Die gesetzlichen Verwaltungsnormen, sowie die den vor⸗ gesetzten Staats⸗ und Kirchenbehörden gesetzlich zustehenden Rechte der Aufsicht und der Einwilligung zu bestimmten Handlungen der Verwaltung werden durch dieses Gesetz nicht berührt.
Macht die vorgesetzte Kirchenbehörde von den ihr gesetzlich zu⸗ stehenden Rechten der Aufsicht oder der Einwilligung zu bestimmten Handlungen der Verwaltung keinen Gebrauch, so ist sie zur Aus⸗ übung derselben von dem Regierungs⸗Präsidenten (Landdrosten) auf⸗ zufordern. Leistet sie dieser Aufforderung binnen dreißig Tagen nach dem Empfange derselben keine Folge, so geht die Ausübung der Be⸗ fugnisse auf den Regierungs⸗Präsidenten (Landdrosten) über.
§. 49. Gegen Verfügungen der vorgesetzten Kirchenbehörde, durch welche die Einwilligung zu bestimmten Handlungen der Ver⸗ waltung versagt wird, steht dem Kirchenvorstande die Berufung an den Ober⸗Präsidenten zu, welcher endgültig entscheidet.
§. 50. Beschlüsse über Umlagen auf die Gemeindeglieder können erst dann vollstreckt werden, wenn sie von der Staatsbehörde für voll⸗ streckbar erklärt worden 55 Diese Erklärung ist insbesondere zu versagen, sofern Bedenken hinsichtlich der Ordnungsmäßigkeit der Auferlegung, der Angemessen⸗ heit des Beitragsfußes oder der Leistungsfähigkeit der Pflichtigen
bestehen. §. 51. Weigert sich der Kirchenvorstand oder die Gemeinde⸗ vertretung, Leistungen, welche aus dem kirchlichen Vermögen zu be⸗ streiten sind, oder den Pfarreingesessenen oder sonstigen Verpflichteten obliegen, auf den Voranschlag zu bringen, festzusetzen oder zu geneh⸗ migen, so ist sowohl die bischöfliche Behörde, als auch der Regie⸗ rungs⸗Präsident (Landdrost), unter gegenseitigem Einvernehmen, befugt, die Eintragung in den Voranschlag zu bewirken und die weiter erfor⸗ derlichen Anordnungen zu treffen. Unter derselben Voraussetzung sind diese Behörden befugt, di gerichtliche Geltendmachung von Ansprüchen der Kirche, der Pfarrei der Gemeinde und der in der Verwaltung des Kirchenvorstandes be⸗ findlichen Vermögensmassen, insbesondere auch der aus der Pflicht⸗ widrigkeit eines kirchlichen Beamten entstehenden Entschädigungsfor⸗ derung, anzuordnen und die hierzu nöthigen Maßregeln zu treffen. „S. 52. Die Vorschriften dieses Gesetzes finden auf Dom⸗, Militär⸗ und Anstaltsgemeinden keine Anwendung. 8 53. Vom “ ab können die dem Kir⸗ chenvorstande und der Gemeindevertretung nach diesem Gesetze r stehenden Befugnisse nicht durch andere Personen oder Behörden, als durch die in diesem Gesetz bez ichneten wahrgenommen werden. Sofern nach bisherigem Rechte den kirchlichen Organen (Kirchen⸗ vorständen, Kirchenkollegien, Fabrikräthen, Kirchmeistern, Repräsen⸗ tanten ꝛc.) noch andere Befugnisse, als die der Vermögensverwaltung zugestanden haben, gehen diese, wenn sie von den unmittelbar zur Vermögensverwaltung berufenen Organen ausgeübt worden sind, auf den Kirchenvorstand, in allen anderen Fällen auf die Gemeinde⸗ vertretung über. Ist eine solche nicht vorhanden, so werden auch die der Gemeindevertretung zustehenden Befugnisse von dem Kirchen⸗ vorstande wahrgenommen. §. 54. Alle diesem mögen dieselben in dem in allgemeinen Rechte,
Gesetze entgegenstehenden Bestimmungen, den verschiedenen Landestheilen geltenden in Provinzialgesetzen, in Lokalgesetzen oder Lokal⸗ ordnungen enthalten, oder durch Observanz oder Gewohnheit begrün⸗ det sein, werden aufgehoben.
r.55. Der Minister der geistlichen Angelegenheiten ist mit der Ausführung diefes Gesetzes beauftragt. “ Derselbe ist befugt, mit Kücksicht auf besondere örtliche oder sonstige Verhältnisse und besondere für die Vermögensverwaltung bestehende Einrichtungen von der Ausführung dieses Gesetzes in einzelnen Gemeinden Abstand zu nehmen, sofern dies von den Ge⸗ “ G Urkundlich unter Unserer Höchsteigenhändigen Unterschrift und beigedrucktem Königlichen ene c 1 2 8 8 Gegeben ꝛc.
Wahlordnung. 1““ Art 1. Der Kirchenvorstand ordnet die Wahl der Hirchenvor⸗ steher und der Gemeindevertreter an, stellt die Liste der Wahlberech⸗ tigten auf und legt dieselbe in einem Jedermann zugänglichen Lo⸗ kale zwei Wochen lang öffentlich aus Zeit und Ort der Auslegung sind der Gemeinde öffent lch durch Aushang bekannt zu machen, mit dem Beifügen, daß nach Ablauf der Auslegungsfrist Einsprüche gegen die Liste nicht mehr zulässig sind. Nach dem Ermessen des Kirchenvorstandes kann die Bekanntmachung auch noch in anderen, den örtlichen Verhältnissen entsprechenden Formen erfolgen. Zur Erhebung des Einspruchs ist jedes wahlberechtigte Mitglied der ect.segsch befugt. Art. 2. Der Kirchenvorstand entscheidet über die Einsprüche und berichtigt die Liste. Gegen den ablehnenden Bescheid steht 8 da⸗ durch von der Wahl Ausgeschlossenen binnen einer Ausschlußfrist von zwei Wochen nach erfolgter Zustellung die Berufung an die Gemeinde⸗ Vertretung, in dem Falle, daß eine solche nicht vorhanden ist, an die bischöfliche Behörde zu. Letztere hat im Einvernehmen mit dem Regierungs⸗Präsidenten (Landdrosten) die Entscheidung zu treffen. Durch Einlegung der Berufung wird die anstehende Wahl nicht auf⸗ gehalten. Zwischen dem Ablauf der Einspruchsfrist und dem Tag⸗ der Wahl müssen mindestens zwei Wochen in der Mitte liegen. Art. 3. Die Einladung zur Wahl muß die Zeit und den Ort der Wahl, sowie die Zahl der zu wählenden Personen enthalten und ist der Gemeinde öffentlich durch Aushang bekannt zu machen. Nach dem Ermessen des Kirchenvorstandes kann die Bekanntmachung auch 5 in anderen, den örtlichen Verhältnissen entsprechenden Formen erfolgen. Alrt. 4. Aus dem Vorsitzenden des Kirchenvorstandes und aus vier Beisitzern, welche der Vorsitzende aus den wählbaren Mitgliedern der Cen. 1. Unnd 8 “ 8 rt. 5. Die Wahlhandlung wird durch den Vorsitzenden geleitet. Art. 6. Das Wahlrecht wird in Person durch 88 eine Wahlurne niederzulegende Stimmzettel ohne Unterschrift ausgeübt. Durch Beschluß des Kirchenvorstandes kann eine mündliche Ab⸗ stimqgehig, se L1“ Perden. rt. 7. Wird in dem ersten Wahlgange eine Mehrheit für die ur Bildung des Kirchenvorstandes oder der Cen de 8 düövelche Zahl von Personen nicht erreicht, so findet eine engere ahl zwischen denjenigen statt, welche die meisten Stimmen auf sich vereinigt haben. Beläuft sich die Zahl derselben auf mehr als das Doppelte der zu wählenden Kirchenvorsteher oder Gemeindever⸗ treter, so scheiden von denjenigen, welche die wenigsten Stimmen er⸗ halten haben, so viele aus, daß die Zahl der Wählbaren die doppelte b 8 enahlendesgeftröge ei Stimmengleichheit entscheidet überall das Loos. „Art. 8. Nachdem der Vorsitzende die Abstimmung für geschlossen c 5 EEn . 88 mehr zugelassen werden. Art. 9. Ueber die Gültigkeit oder Ungülti er Sti
entscheidet der Wahlvorstand.
men, welches den wesentlichen Hergang beurkundet.
Art. 10. Ueber die Wahlhandlung wird ein Protokoll aufgenom⸗ Dasselbe ist von “ 8