1875 / 97 p. 3 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 27 Apr 1875 18:00:01 GMT) scan diff

(Schluß.) (Cfr. Nr. 95 d. Bl.)

Unter drei Arbeiten des Grafen Harrach gebührt der erste Platz der Kniefigur eines „oberitalienischen Bocciaspielers“, die der Künstler als Geschenk für die Verloosung zum Bau eines Künstlerhauses malte. Die Jacke über die Schulter geworfen, die zum Wurf erhobene Kugel mit der rechten, eine andere mit der linken Hand umfassend, mit dem scharfen Blick des dunklen Auges das Ziel abmessend, steht der junge Bursch vornüber⸗ gebeugt da, ganz hingerissen von der leidenschaftlichen Begierde des Spiels, die jede Linie der lebendig charakterisirten Figur beherrscht. Und nicht geringer als diese Energie des Ausdrucks ist die Kraft und Wärme des tiefen, harmonischen Tons, die vortreffliche Modellirung der in durchsichtigem Helldunkel von der Mauer eines alten Gebäudes sich plastisch absetzen⸗ den sonnengebräunten Gestalt. Eine ebenso feine und eigenartige malerische Wirkung ist mit den einfachsten Mitteln in einer diskret gefärbten Kohlenzeichnung dessel⸗ ben Künstlers erreicht. Sie zeigt die in hastigster Bewe⸗ gung meisterhaft geschilderte Figur eines Reiters aus der Zeit des dreißigjährigen Krieges, der auf einem stark gebauten, fast ungethümen Pferde in wilder Flucht durch einen abendlich däm⸗ mernden Tannenforst einen verschneiten Weg dahersprengt, in der Hand noch die erhobene Pistole haltend, mit der er eben den nächsten seiner Verfolger zu Boden gestreckt hat. Ein drittes Bild endlich behandelt in detaillirtester Ausführung ein um des seltsamen Lichteffekts und des sremdartigen Farbenspiels willen gewähltes landschaftliches Motiv vom Thuner See. Zwischen zwei hohen, in ihrem herbstlichen Laub röthlich schimmernden Felswänden, deren eine in einem breiten oberen Streifen unter dem auffallenden Sonnenlicht goldig erglüht, blickt der Beschauer über den klaren, blauen Wasserspiegel hinweg auf die Gebirgs⸗ höhen des jenseitigen Ufers, die der feine, warme Duft der Ferne umhüllt.

Aus der Reihe der Genrebilder ragt durch ihre in den Fi⸗ guren wie in den Accessoires gleich vollendete malerische Durch⸗ ührung und durch ihr emailartig leuchtendes, reiches und kräf⸗

tiges Kolorit eine der gelungensten Arbeiten des talentvollen Felix Schlesinger hervor. Sie schildert mit glücklichster Beob⸗ achtung der Natur in liebenswürdig charakteristischer Auffassung in „schläfriges Kleeblatt“, einen alten Bauer, der, in seiner Stube im hohen ledergepolsterten Lehnstuhl neben dem weiß⸗ edeckten Tisch eingeschlafen, den Kopf in die Linke stützend, en rechten Arm um ein kleines Mädchen gelegt hat, das neben hm sitzend gleichfalls entschlumert ist und mit ihren Händchen wieder den auf beider Schooße behaglich hingestreckten Haus⸗ und umschlungen hält. Neben diesem vorzüglichen Kabinetstück ennen wir ferner noch Hasemann’'s munteren, hinter der Ecke ines ländlichen Hauses, vor dessen blumenumwundener Thür er eben zur Polterabendfeier neue klirrende Scherben hingeworfen hat, neugierig hervorlugenden Buben als ein tüchtig und anspruchs⸗ los gemaltes, kräftig gestimmtes Bild, Conrad’'s sauber und sorgfältig ausgeführte „Spinnerin“ in einer Dorfstube, Sperling's Bäuerinnen „bei der Wäsche“ und schließlich zwei gefällige Bildchen von Grünfeld. Ein breit und sicher ge⸗ malter, in traulicher sonniger Stille daliegender „thüringischer Bauernhof von Tübbecke, der in diesem Bilde ein recht an⸗ sprechendes Talent beweist, und Kühling's unter der Hut einer jungen Bauerndirne auf einer Wiese weidende Kühe, eine freund⸗ lich anmuthende ländliche Idylle von glücklich getroffener herbst⸗ licher Stimmung, sind bereits den landschaftlichen Arbeiten der Ausstellung zuzuzählen, von denen einige der eingehendsten Be⸗ achtung werth erscheinen.

Unter diesen nimmt Ernst Körner's „Marmarameer“ mit einem fern am Horizont sich locker zusammenballenden, prächtig gezeichneten weißlichen Gewölk eine hervorragende Stelle ein. In der meisterhaften Schilderung der südlich heißen, lichterfüllten, flimmernden Luft, die sich über die weite spiegelnde Wasser⸗ fläche ausbreitet, wetteifert diese neue Arbeit des hochbe⸗ gabten Künstlers mit dem von der letzten akademischen Aus⸗ stellung her bekannten entzückenden Suezbilde. Nicht min⸗ der bewunderungswürdig ist Rettich's „Strand mit Kühen“, ein Bild von vollendeter Feinheit und des klaren, silberhellen Tons, von seltenster Wahrheit in der Wieder⸗ gabe der von leise verschleiertem Sonnenlicht gesättigten, stillen, warmen Luft, in welcher die über das sanftgeneigte Ufer und das flache Wasser verstreuten Kühe in meisterlicher Plastik her⸗ vortreten. In einem „Abend in den Scheeren Norwegens“, einer einsamen, von scheuen Wasservögeln belebten Meeresbucht, die

egen die draußen mit weißlichem Gischt anschäumenden dunklen

ogen durch wild zerklüftete, von den Reflexen der sinkenden Sonne goldig angestrahlte Felsenklippen abgeschlossen wird, wußte derselbe Künstler bei gleich feiner Nüancirung eines kräftig energischen Tons aus einem ganz anders gearteten Motiv ein Gemälde von ebenso fesselnder, eigenthümlich ernster und großer Poesie und von überzeugend echter Wahrheit der Naturschilde⸗ rung zu gestalten. 1

Aus einer prächtigen, durch ihre satte, kraftvolle Farbe wie durch den glücklichsten Effekt einer durchaus wahren, ungesuchten Beleuchtung gleich sehr ausgezeichneten „Buchenwaldung“ von Kallenberg strömt es dem Beschauer wie erfrischende, feuchte Kühlung entgegen. Zwischen den Stämmen, deren dichtbelaubte, in ihrem saftigen Grün sonnig durchleuchtete, tief herabhangende Kronen den fetten braunen Boden beschatten, glitzert der silberne Spiegel eines Waldsees hindurch, an dem eine Rinderheerde Weide und Tränkung sucht. In der vorzüglich getroffenen Stimmung eines hellen Sommertages, dem ein erquickender Regen voraufging, ist das Bild mit breitem, sicheren Vortrag meisterlich durchgeführt. Ein kaum weniger echtes und charakteristisches Gepräge zeigt Flickel's „badische Landschaft,“ eine schlichte Wiesenpartie mit einem zwischen kahlen Steingeröll hinschleichenden Wasser, an dessen ÜUfer sich aus niedrigem Strauchwerk eine vereinzelte Baum⸗ gruppe erhebt. Der so wenig verlockenden Erscheinung der ein⸗ förmig grauverhüllten, sommerlichen Stille der hier geschilderten Natur ist aber doch ein feiner poetischer Reiz zu eigen, dem der Maler sorgfältig nachzuspüren bestrebt war. In noch viel höherem Grade ist dessen künstlerische Wiedergabe in vier kleinen Bildern von Hermes gelungen, einer ländlichen Partie aus dem Holsteinischen, einem einsamen Schilfufer in tiefem abend⸗ lichen Schweigen, einem Bauerngehöft, das sich bei aufgehender

Sonne sammt dem goldig angehauchten Gewölk in einem klaren Wasser spiegelt, und einem Motiv aus Thüringen, einem unter schattigen Baumgruppen träumeris ch dahinfließenden kühlen Wald⸗ bach. Namentlich in den beiden letzten Bildern verbindet der Künstler mit dem Belauschen der geheimsten, traulichsten Stimmung der Natur zugleich eine bemerkenswerthe Kraft und Wärme des Tons und der emailartig behandelten Farbe.

Wilberg in einem Motiv aus Neapel, v. Kamecke in einer Ansicht des Comer Sees und seiner hochragenden, das

Oede vor dem Ausbruch eines Gewitters in nur gar zu stumpfen und

weiße Mauerwerk weitläufiger Gebäude mit üppiger südlicher Vegetation umrahmenden Ufer, sowie Douzette in dem kleinen Kabinetstück einer „Schmiede in einer Mondscheinlandschaft“ er⸗ scheinen in gewohnter tüchtiger Qualität, während Pape in seinem „Thuner See“ in erfreulichster Weise wieder die volle Höhe seines Könnens erreicht hat, die manches seiner letzten, süßlich gefärbten Bilder empfindlich vermissen ließ. Das in bläulichgrünem Schimmer fluthende, von einem Dampfer durch⸗ schnittene Wasser, in das eine Landungsbrücke hineinragt, die duftigen Höhenzüge des fernen jenseitigen Ufers, die warme, feuchte Luft, das am Himmel aufziehende graue Gewölk bekunden einen durch⸗ aus frischen, aus dem Vollen schöpfenden Blick des Künstlers, eine gesunde, manierlose Auffassung der Natur und eine den Be⸗ schauer wohlthuend anwehende, kräftige Farbenstimmung. Eine in Wasser und Luft eigenthümlich grau getönte Marine von A. Achenbach endlich und eine nicht übel komponirte Partie zaus der Ramsau bei Berchtesgaden“ von einer Malerin Toska v. Richter mögen diese Uebersicht überschließen.

Von plastischen Arbeiten ist die jetzt in einer tüchtigen Marmprausführung ausgestellte, aus der Denkmalskonkurenz des Jahres 1872 bekannte, charaktervolle Goethebüste von Pfuhl und eine kleine Bronzefigur einer jugendlichen römischen Spinnerin von Breymann hervorzuheben, letztere als eine in ihrem kleinen Maßstabe trefflich modellirte Gestalt von anmuthig naivem Ausdruck und schlichter Grazie der Bewegung.

Sachse’s Kunstsalon fuührt dem Beschauer augenblicklich eine größere Reihe bereits früher hier gesehener, ihrer Mehrzahl nach aus Weimar stammender Landschaften vor. Neben ihnen sind als neu die Bilder von Dreßler, Rummelspacher und Köhnholz zu nennen. Der Erstere zeigt in einer „Partie aus dem Oderwald“, eine weite, spätsommerlich gefärbte, von schilfigen Wasserarmen durchzogenen Ebene mit einem mit weidenden Kühen staffirten Uferrand, den eine hohe, trefflich gezeich⸗ nete Baumgruppe in klaren, durchsichtigen Schatten hüllt. Rummelspacher schildert in einem Gehöft in kahler, hügeliger Landschaft die fahle Beleuchtung, die drückende Schwüle und

trockenen Tönen und mit ungleichmäßiger, hier und da geradezu skizzenhafter Behandlung, während Köhnholz in seiner „Küste von Monaco“ die steil abfallenden Felsengestade das gelbglühende Licht der hinter den Höhen verschwindenden Sonne mit den ihr zugewandten Flächen aufsaugen und in seltener Energie wider⸗ strahlen, den weiten bläulichen Wasserspiegel ringsumher aber in flimmernden Reflexen leise erzittern läßt und vermöge der blen⸗ denden Leuchtkraft der Farbe und der zarten violetten Schatten einen überraschend eigenartigen und zauberischen Effekt erzielt.

Das Glanzstück der Ausstellung ist jedoch eine Arbeit von Gussow in Carlsruhe. Ein heimgekehrter junger Landwehr⸗ mann oder Reservist in einem aus Uniformstücken, aus einem rothen Shawl und einer kurzen schwarzen Sammetjacke gemischten Kostüm sitzt, von seinen Kriegserlebnissen berichtend, mit dem rechten Arm lebhaft gestikulirend, in der Stube am Tisch einem jungen, ihm aufmerksam lauschenden Mädchen in rothem Kleide gegenüber, während zwischen Beiden, die Arme mit gefalteten Händen aufstützend, eine Alte mit starrem, staunenden Ausdruck ihrer wettergebräunten Züge seiner Erzählung zuhorcht. In vollem Lichte modellirt, heben sich die Figuren in ähnlicher, nur noch viel ener⸗ gischerer Weise wie auf einem auch im Motiv des Inhalts verwandten kleineren Bilde der letzten akademischen Ausstellnng von der ganz hellen, gelblichen Wand des Zimmers in plastischer Rundung der Formen ab. Zu der hierbei erzielten imponirenden malerischen Wirkung gesellt sich eine nicht minder erstaunliche Meister chaft der gesammten künstlerischen Technik, eine unbedingte Sicherheit in der Wiedergabe der durch ihren verschiedenartigen Stoff be⸗ dingten charakteristischen Erscheinung der Dinge in Licht und Luft. Eine von Aufdringlichkeit allerdings nicht freie, geniale Probe des rücksichtslosesten Realismus, läßt das Bild gleich ge⸗ wissen anderen ähnlich extremen Bestrebungen nur Eines nahezu ganz vermissen, die den Stoff mit gemüthvoller Empfindung innerlich durchdringende Auffassung, die wiederum eine innigere Theilnahme des Beschauers erweckt.

Obschon es mit einer so eminenten Leistung nicht wett⸗ eifern kann, mag doch auch noch ein Genrebild von Frl. Holtzheimer in Düsseldorf erwähnt sein. Es zeigt in einer Bauernstube, durch deren offenes Fenster man in das sonnige Grün des Sommers hinausblickt, eine sterbende Alte, in deren Schooß, die erkaltenden Hände fassend, eine vor ihr knieende kleine Dirne, eine nun ganz verlassene Enkelin, ihr weinendes Gesicht niedersinken ließ. Nicht in der Farbe allein an manche Bilder von Lasch erinnernd, ist die Darstellung schlicht und auf⸗ richtig empfunden und fleißig gearbeitet, ohne freilich gerade eine besondere Originalität zu verrathen.

Unter den plastischen Werken des Salons ist die nicht ganz in Lebensgröße ausgeführte Marmorbüste Sr. Majestät des Kaisers von dem württembergischen Bildhauer Joseph Kopf aufgestellt, auf welche bereits in diesen Blättern an anderer Stelle hingewiesen wurde. 8

THea. In den ersten Tagen des Mai wird im Königlichen Opernhause ein Gesammtgzastspiel des Personals des Russi⸗

schen Nationaltheaters stattfinden. Zur Aufführung kommt das nationale Stück: „Eine russische Hochzeit im 16. Jahrhundert“. Es wird dabei auch der hiesige Opernchor zu Hülfe genommen wer⸗ den. Wie die „N. A. Z.“ hört, würde Richard Wagner im nächsten Winter im Königlichen Opernhause „Tristan und Isolde“ zur Aufführung bringen, das Werk auch selbst einstudiren und diri⸗ giren. Die Titelrollen würden Hr. Niemann und Fr. Mallinger dann singen, den Kurwenal Hr. Betz.

Das Gesammtzastspiel der Mitglieder des Friedrich⸗Wil⸗ helmstädtischen Theaters im Königlichen Hoftheater in der Neustadt zu Dresden findet die beifälligste Aufnahme. Am 24. ging zum ersten Male „Der Carneval in Rom“, Operette in 4 Akten von Joseph Braun, Musik von Johann Strauß, in Scene und hat sich vieler Anerkennung erfreut.

Das Nationaltheater hat das Gastspiel des Hrn. Ludwig Barnay benutzt, um Shakespeare's König Johann, welche Tragödie seit vielen Jahren nicht auf einer hiesigen Bühne dargestellt worden ist, wieder zur Aufführung zu bringen. Durch die Hülfe des berühmten Gastes konnte dem Stück ein durchgreifender Erfolg nicht fehlen. 8

Hrn. Barnays kräftige Gestalt, sein wohlklingendes, mächtiges, dabei geschmeidiges Organ, wie sein ausdrucksvolles Spiel machen ihn zu einem Darsteller Shakespearischer E vorzüglich ge⸗ eignet; ganz besonders ist die Geläufigkeit anzuerkennen, mit welcher er die oft ungeschmeidigen Worte der Schlegelschen Uebersetzung be⸗ meistert und dem Hörer verständlich macht. Den eigenthümlich aus Realismus und Idealismus gemischten Charakter des Philipp Faul⸗ conbridge (Bastard) weiß Hr. Barnay trefflich als ein harmonisches Ganzes darzustellen, bei welchem der Humor in den ersten Akten eben so berechtigt erscheint, wie im Verfolg des Stücks der Abscheu vor dem Verbrechen an Arthurs Leiche und der Schmerz um den Tod

Der König Johann gelangt durch Hrn. Lortzing auch neben dem berühmten Gast zur Geltung, namentlich wenn die Rolle aus dem Konversationston in den Bereich des Affektes tritt, so bei der Nachricht über den Tod der Mutter, über Arthurs Leben, das stolze Zurückweisen römischer Anmaßung u. s. w. Frl. Wally Hermann als Arthur spielt die grausige Scene vor dem glühenden Eisen mit ergreifender Wahrheit, auch Hr. Menzel ist als Hubert ganz an seiner Stelle. Von den zahlreichen übrigen hicinp), sowie Frau Schubert⸗Waldau (Eleonore) hervor⸗ zuheben. „Den Hauptdarstellern, besonders dem Gast wurde durch reichen Beifall und häufigen Hervorruf gelohnt. Zum Erfolge des Stücks bae 8*, die geschickte Regie und die glänzende Ausstattung ihren eil bei. Der Königlich sächsische Kammersänger Riese hat von Sr. Königlichen Hoheit dem Großherzog von Hessen die goldene Verdienst⸗ medaille erhalten. Dem Hof⸗Opernsänger Eugen Degele ist das Prädikat Königlicher Kammersänger verliehen worden.

In dem Konzert, welches Richard Wagner vor zwei Jahren, am 4. Februar 1873 zum Besten des Unternehmens in Bayreuth hier veranstaltete, machte der Dichterkomponist das hiesige Publikum mit einzelnen Proben aus den ersten beiden Theilen des Bühnen⸗ festspiels „Der Ring der Nibelungen“ bekannt. Sieg⸗ munds Liebeslied, Wotans Abschied und der Feuerzauber aus der „Walküre“, sowie das Schmelzlied und das Hämmer⸗ lied aus „Siegfried“, sämmtlich von Hrn. Niemann gesungen, fanden begeisterte Anerkennung. Gleichwohl war die Theilnahme für das nationale Werk in Bayreuth keine derartige, daß das estspiel hätte in Scene gehen können. Richard Wazgner sieht sich daher ver⸗ anlaßt, durch Konzerte, die neuerdings in Wien, Pest und Berlin unter seiner Leitung stattgefunden haben, für sein Vorhaben immer weitere Kreise zu interessiren, während der materielle Erfolg zur Deckung der Kosten für den Ausbau des Festspielhauses und die scenischen Einrichtung verwandt werden soll.

Die neuerdings gehörten Konzerte brachten Aufführungen von Bruch⸗ stücken aus dem dritten Theil des Nibelungenringes, der „Götterdämmerung“. Dieser letzte Theil hat auch bei den Gegnern der Wagnerschen Richtung Anerkennung gefun⸗ den. Die Dichtung hat in alliterirender Form die alten Lieder der Edda auf das Geschickteste mit dem mittelalterlichen Nibelungen⸗ epos verschmolzen. Das Vorspiel schildert zunächst symphonisch eine nächtliche Scene auf felsiger Höhe. Die drei Nornen weben und werfen das Seil des Schicksales: es reißt; die Nornen umschlin⸗ gen sich mit den Enden desselben und versinken. Morgengrauen. Tagesanbruch. Mit dem Sonnenaufgange treten Siegfried und Brünnhilde auf: Siegfried ist in vollen Waffen, Brünnhilde führt ihr Roß am Zaume. 111“

Es folgt nun der Abschiedszwiegesang, in welchem Siegfried Brünn⸗ hilde den geheimnißvollen Ring zum Dank für ihre Runenweisheit reicht und von ihr das Wolkenroß Grane als Geschenk erhält. In musikalischer Beziehung gehört dieser Zwiegesang zu dem Schönsten seiner Art. Ton und Wort sind hier in den vollen prächtigen Strom der Töne getaucht, welche diese heldenhafte Liebe schildern. Das schmiegsame, wohlklingende Organ der Fr. Friedrich⸗Materna eignet sich für diese Scene vorzüglich, und die bei aller dramatischen Kraft des weichsten Empfindungsausdrucks fähige Stimmbegabung des Hrn. Niemann zeigte sich hier in all ihrem Glanze.

Das Orchester schilderte nun den Hinabzug des Helden durch das 1 an den Rhein, wo ihn die Rheintöchter an den Hof der

ibichungen geleiten, in einem Zwischenspiel, welches zum 1. Akt hinüberleitet. 1

Das 2. Bruchstück, Siegfrieds Tod, führte tonmalerisch die als pantomimisch zu denkende Scene des III. Akts aus, welche den Untergang Siegfrieds durch Hagen zum Gegenstande hat. Die von Hrn. Niemann vorgetragenen Worte des Sterbenden an Brünnhilde waren von ergreifender Wirkung. Der darauf folgende, in der Weise eines Chores gehaltene Trauermarsch, welcher zugleich die Herkunft, die Herrlichkeit und das Schicksal des Helden feiert und beklagt, übte eine solche Wirkung auf die Zuhörer, daß auf Verlangen das ganze Stück wiederholt werden mußte.

Den Schluß des Konzerts bildete die gewaltize letzte Scene des letzten Aktes. Sie hat die feierliche Bestattung des Helden zum Gegenstande. Brünnhilde klagt um Siegfried und schreitet zu seiner Rache. Sie giebt den Befehl zur Errichtung des Scheit⸗ haufens, der mit Decken und Blumen geschmückt wird. Dann zieht Brünnhilde den furchtbaren Ring von seinem Finger, steckt ihn an ihre Hand, schwingt sich auf das Roß Grane und sprengt in den brennenden Scheithaufen. Fr. Friedrich⸗ Materna bewährte in dieser Scene, daß es ihrer Stimme auch an dramatischer Kraft nicht gebricht und die mächtigsten instrumentalen Massen sie nicht zu decken vermögen. Der Beifall, der für ihre großartige Leistung der Künstlerin zu Theil wurde, war darum ein wohlverdienter.

Die symphonische Malerei der Götterdämmerung selbst, mit welchem diese Scene und das ganze Bühnenspiel schließt, ist von überwältigender Wirkung und ohne Zweifel das Gewaltigste, was auf mustkalischem Gebiete hervorgebracht worden ist. Die stürmische Anerkennung, die den Dichterkomponisten dafür lohnte, war hier be⸗ gründeter als je. Vor dieser Schöpfung haben selbst Wagners Gegner üf Waffen gestreckt und dem Genius bewundernde Anerken⸗ nung gezollt. 1u“

8 Zi beiden Konzerte waren die bedeutendsten Ereignisse der Jahreszeit und wohlgeeignet, die Erwartung dessen, was das Fest in Bayreuth im nächsten Jahre bringen soll, auf das Höchste zu spannen.

Die am ersten Mai stattfindende Sinfonie⸗Soirée der Königlichen Kapelle, die letzte dieser Saison, ist zugleich die dreihundertste uͤberhaupt. Mit ihr schließen 33 Jahre des Be⸗ stehens dieser hauptsächlich der Pflege klassischer Instrumentalwerke gewidmeten Konzerte ab. Dem Institute ist bei diesem Anlaß von einem für die empfangenen Genüsse dankbaren Abonnenten ein kost⸗ bares Dirigentenpult geschenkt worden, welches an diesem Abend zum ersten benu 4. neieden soll. Ein Festmahl der Kapelle wird die

eier des Tages beschließen. 8 Am Mittwoch, 28. d. Mts., Nachmittags präzise 5 Uhr, findet in der Marienkirche ein Orgelkonzert, veranstaltet von Schülern des Organisten Dienel, statt, welches durch gütige Mit⸗ wirkung des Frl. Langner, Frl. Schauchmann und des Hrn. Jul. Sturm noch besonders genußreich zu werden verspricht.

Man schreibt den „H. N.“ aus Christiania, 20. April: An der Küste von Ostfinnmarken hat ein schrecklicher Sturm gewüthet, der viele Menschenleben zum Opfer gefordert hat. Der Vogt von Vardö giebt in einem Telegramm die Anzahl der verloren gegangenen Fahrzeuge auf 28 große Böte und 5 kleine Böte an, welche sich beim Ausbruch des Sturmes auf dem Meere befanden, um den Fischfang zu betreiben. Die Besatzung eines sog. großen Bootes pflegt 5, die eines kleineren 3 Mann stark zu sein, so daß darnach nicht weniger als 155 Menschen den Tod in den Wellen gefunden haben. Es ist jedoch sehr leicht möglich, daß diese Zahl sich noch bedeutend erhöht, da man noch von vielen Böten keine Nachricht erhalten hat. Der Schreck und die Bestürzung, heißt es in einem Telegramm, haben die Bevölkerung gelähmt. In Vards sind derartige Stürme besonders

sefährlich. Die Stadt liegt auf einer Insel, welche nur durch einen Sund vom Festlande getrennt ist. Dieser Sund wird, namentlich wenn ein Nordweststurm wüthet, so in Aufruhr gebracht, daß es oft Tage lang zu den Unmösglichkeiten gehört, ihn zu über⸗

schiffen.

Mitwirkenden sind die Herren Müllner (Salisbury), Fellenberg

Redacteur: F. Prehm. Berlin: Verlag der Expedition (Kessel). Druck Vier Beilagen

seiner Krieger wie des Königs.

(einschließlich Börsen⸗Beilage)

W. Elsner.

.n.

zum Deu

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Landtags⸗ Angelegenheiten.

Berlin, 27. April. In der Sitzung des Hauses der erwiderte der Handels⸗Minister Dr. Achenbach in der Diskussion über den ber treffend die Dotation der Provinzial⸗ und Kreisverb ände,

Abgeordneten am 24. d. M.

den Abgg. Schlüter und Frhrn. v⸗ Schorlemer⸗Alst, welche stfalen 2

2

Meine Herren! ö. Provinz Westfalen muß ich iren, daß nach den von mir eingezogenen 4 inzial⸗ ehörden sich diese Chausseen gezog Berichten der Provinzial⸗

Es ist allerdings richtig, daß in Industriebezirken durch den sehr

starken Verkehr die Straßen außerordentlich in Ans

8 9 pruch genommen n, und deshalb stets sehr Reparaturen bedürfen.

enn übrigens der Hr.

glaubt aus diesem Grunde herleiten zu müssen, gegen vr.

ntlich in Westfalen der Fall.

(△ 2 . 5 Dotationsvorlage zu stimmen, so ist mir das abs die sch 88 mir habe, dnolnt mmndfrstenblich en letzten 13 Jahren ich sage, in den letzten 13 Jahren und nehme das Jahr 1872 als Schlußjahr auf 8 Provinz Wecn und durchschnittlich die Summe von jährlich 74,638 Thlr. für Neubau von Staatschausseen und an Prämienzuschüssen gekommen. Dieselben Ermittelungen ergeben, daß auf Westfalen allein von dem Neubau⸗ fonds in Zukunft mehr als das Doppelte fallen wird, und daß die Provinz auch an Unterhaltungskosten wesentlich mehr als bisher er⸗ hält. Es ist also gewiß eine ausreichende Summe dieser Provinz überwiesen, und die Verwendungszwecke sind nach der Vorlage so allgemein bestimmt, daß man in der That annehmen muß, die Pro⸗ ““ werde, 5 öö bisher ungünstige ge⸗ ein sollten, gerade durch diese Vor in ei Ünsti S. se Vorlage in eine recht günstige

In der Diskussion über den Gesetzentwurf, betreffend die

mögensverwaltung in den katholischen Kirchen⸗ gemeinden nahm zu §. 3 der Minister der geistlichen ꝛc. An⸗ gelegenheiten Dr. Falk nach dem Abg. Dauzenberg das Wort: 8 eine Herren! Ich will mir nur zu der Nr. 3 der Vorschläge Ihrer Kommission eine Bemerkung erlauben. Wenn dasjenige, was der Hr. Abg. Statz in diesem Vorschlage gefunden hat, wirklich darin enthalten wäre oder enthalten sein sollte, dann schiene es mir allerdings unmöglich, der Bestimmung Raum zu geben. Ich bin aber doch nicht der Meinung, daß hier irgend etwas über Eigenthumsverhält⸗ nisse bestimmt sein soll, sondern ich habe, namentlich wenn ich den Bericht Ihrer Kommission mit der Formel des Vorschlages verglich, nur ausgedrückt gefunden, daß von derartigen Sammlungen und ihren Resultaten die betreffenden Gemeindeorgane eine Kenntniß erhalten und eine Kontrole darüber üben follen, daß sie aber nichts weiter thun sollen, als daß sie gewissermaßen durch laufende Posten, die sie an der einen Stelle in Einnahme, von der andern in Ausgabe stellen durch ihre Rechnung aufnehmen, das soll, glaube ich, nach den Motiven, die im Bericht niedergelegt sind, der Sinn dieser Bestimmung sein. Ginge er weiter, dann würden sich allerdings Folgerungen daran knüpfen lassen, wie sie der Herr Abg. Statz vorhin angeführt hat, und ich würde mich dann nicht in der Lage befinden, mich mit dieser Be⸗

stimmung irgendwie einverstanden zu erklären.

„Eine solche Kenntnißnahme und Controle scheint mir allerdings wünschenswerth, und wenn Sie das Beispiel, was der Herr Regie⸗ rungs⸗Kommissar durch Verlesung eines ganzen Berichts Ihnen vor⸗ hin vortrug, in dem Sinne asaser wollen, wie ich es thue, nämlich dahin, daß es außerordentlich erwünscht gewesen wäre, im Interesse des angegriffenen, verdächtigten Geistlichen von vornherein Klarheit in die betreffenden v zu bringen, so werden Sie mit mir der Meinung sein, daß eine solche Bestimmung nicht blos nützlich für die Gemeinde, sondern auch im Interesse derjenigen ist, die ohne Kon⸗ trole so erhebliche Summen einnehmen und über die dann derartige Mittheilungen verbreitet werden, wie die vorgetragenen, die übrigens in manchen Punkten von Zeugenaussagen unterstützt sind.

Aber, meine Herren, der Theil, den der Hr. Abg. Haucke bezeichnet hat, scheint mir denn doch über Wünschenswerthes hinauszugehen. Ich bin vollständig davon durchdrungen, daß die Sammlung, welche in den Motiven oder in dem Bericht als Hauptmotiv für den Vorschlag Erwähnung findet, durch die Annahm⸗ desselben nicht unter die Kontrole gestellt wird, die gewünscht wird. Das ist, wie schon vorhin hervorgehoben wurde, der Peterspfennig. Kollekten, meine Herren, die außerhalb der tirchengebäude

gesammelt werden, können legal nur gesammelt werden mit polizei⸗ licher staatlicher Genehmigung. Ich glaube, schon dieses Gesetz wird mannigfach umgangen sein, und wenn es sich um die genannte Ab⸗ gabe handelt, so würden auch in dem Falle, daß die hier fixirte Kon⸗ trollmaßregel angenommen ist, die Mittel zur Umgehung des Gesetzes nicht allzuschwer gefunden werden. In anderen Fällen aber, meine Herren, meine ich, ist die vorgeschlagene Bestimmung des Gesetzes nicht erforder⸗ lich, ihre Folgen würden sich sogar leicht in einer Weise zeigen, die man Quälerei ich brauche allerdings einen harten Ausdruck der Privatpersonen nennen kann. Ich habe gar kein Bedenken, das z. B.

für den Fall, den der Hr. Abg. Haucke und au „glaube ich, d Abg. Brüel angedeutet haben, anzuerkennen. 8 % ch, der Hr.

1. Es ist dies ein aus dem Leben gegriffener Fall, der sich außerordentlich oft ““ Sollen denn die Damen, die einen Teppich sticken wollen, oder eine Altardecke für eine katholische Kirche zum Jubiläum oder zu einer anderen Ge⸗ legenheit, und die durch Kollekten in einem bestimmten Kreise bestimmte Mittel zur Anschaffung der Materialien ch beschaffen, das Geld, erst an den Kirchenvorstand abliefern, damit ie es nachher wieder herausbekommen, um sich die Materialien anzu⸗ chaffen? Wenn diese Bestimmung angenommen würde, würde es ahin kommen. Ich glaube also, es ist wohlgethan, die betreffenden Worte unter allen Umständen zu streichen, und es würde wohlgethan sein, der Be⸗ stimmung des §. 3 nicht die Zustimmung zu gewähren, wenn der Hr. Abg. Statz mit seinen Ausführungen Recht hätte. In dieser Beziehung darf ich aber noch den Aeußerungen des Herrn Referenten oder anderer Mitglieder der Kommission entgegensehen.

Der Bericht der verstärkten XII. Kommission des Hauses der Abgeordneten über den Gesetzentwurf, betreffend die Verfassung der Verwaltungsgerichte und das Ver⸗ waltungsstreitverfahren ist erschienen. Derselbe hebt im Allgemeinen hervor, „daß das Bedürfniß, nach den Vorgängen des Bundesgesetzes über den Unterstützungswohnsitz und des dazu ergangenen Ausführungsgesetzes, der Gewerbeordnung, und besonders der Kreisordnung, für Angelegenheiten jder Verwaltung ein dem ge⸗ richtlichen Verfa ren nachgebildetes Streitverfahren durchzuführen, allgemein und in Uebereinstimmung mit den Anschauungen anerkannt wurde, welche in dem Plenum des Abgeordnetenhauses zur Geltung gekommen sind. Die Einführung von rechtsprechenden Organen, welche in der Handhabung der Verwaltung die Betheiligten gegen Willkür von Einzelbeamten, gegen wechselnde Gesetzesauslegung eines ausschließlich berufsmäßigen und abhängigen Beamtenthums schützen und ihnen die Gewähr der Einhaltung eines gleichen und gerechten Maßes bei Abgrenzung öffentlicher Rechte und Pflichten geben, ist die nothwendige Ergänzung der Entwickelung, welche die innere Ver⸗ waltung und ihre Organisation seit Erlaß der Verfaffung genommen

Erste Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußi

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twurf erklärt hatten, weil die hausseen vom Staate vernach⸗

Gegenüber den Aeußerungen über den Zustand meinerseits kon⸗

in einem normalen Zustande befinden.

ist beispielsweise in

Beilage

Berlin, Dienstag, den 27. April

Sfr- Müfrxmft eeve Bcs der⸗

hat. Daß diese Gewähr nicht in der Uebertragung verwaltungs⸗ Ferichtlicher Funktionen auf die Civilgerichte 822222 werden kaen. eeruht auf der Erwäzung, daß auch das Rechtsprechen in Verwaltungs⸗ sachen von einem freien administrativen Ermessen, von einem Abwägen des Privatinteresses gegenüber dem konkurrirenden öffentlichen Interesse nicht loszulösen ist, und daß eine darauf gerichtete Thäͤtigkeit sich mit dem strengeren Formalismus der Civilrechtspflege nicht verträgt. Wenn sich auch beide Gebiete an lreichen Paarten berühren mögen, so würde doch die Vermischung beider zum Nachtheil entweder der ivilrechts⸗ pflege oder der zu wahrenden öffentlichen Interessen ausschlagen.

Jene Gewähr ist in der kollegialen Verfassung der entscheidenden Behörden, in der Zuziehung von Laien, in einem öffentlich mündlichen Verfahren und einem geordneten Instanzenzuge zu finden, welcher föcters in beonderhe sten, Verwaltngsgerichtshof abschließt. Diesem

esonders die Anfgabe zu, die gleichmäßige An bestehenden Verwaltungsrechts zu sichern. e““

Die Kreisordnung hat eine erste Söfehen in den Kreisausschüssen und, unter ihren Uebergangs⸗ und Aus ührungsbestimmungen, eine Berufungsinstanz in den „Verwaltungsgerichten“, letztere in Anleh⸗ unng an die früher gebildeten Deputationen für das Heimathwesen, bereits geschaffen. Charakterisirt sich diese Organisation der Verwal⸗ tungsgerichte aber schon durch die Stellung, welche die bezüglichen

estimmungen in der Kreisordnung für die sechs östlichen Provinzen erhalten haben, als ein Provisorium, war es nöthig, sie nach den in⸗ wischen gemachten Erfahrungen und bei Ausdehnung ihres Geltungs⸗ ereichs auf die ganze Monarchie einer Revision zu unterwerfen, so fehlte der wesentliche Abschluß des ganzen Baues, das Ober⸗Verwal⸗ -J—, bisher ganz. Der vorliegende Gesetzentwurf enthält des⸗ halb in Bezug auf die Kreisausschüsse und Verwaltungsgerichte einer⸗ seits eine Umarbeitung und Vervollständigung der schon jetzt in den Ostprovinzen bestehenden Einrichtungen und andererseits die Neu⸗ schöpfung des Ober⸗Verwaltungsgerichts. Der Hinblick auf die Stellung, welche die Verwaltungsgerichte in Zukunft in Bezug auf eine neebastäe Zahl von Angelegenheiten gegenüber den Verwaltungen der Stadtgemeinden, v e der die größeren Landgemeinden an Einwohnerzahl erheblich ü ersteigenden Stadtgemeinden) gegenüber den Verwaltungen der Stadtkreise und nicht minder gegenüber den Kreisausschüssen als Organe der Kreis⸗ kommunalverwaltung einzunehmen berufen sind, hat die Kommission zu der Ueberzeugung geführt, daß es nicht angemessen sei, wenn der Entwurf gerade die prozessualische Verfolgung dieser Angelegenheiten um eine Instanz verkürze. Der Entwurf gehe von der Gewährung einer Berufungzinstanz aus. Indem man sich aber genöthigt sehe, das Miittelglied dieser Organisation für ganze Kate⸗ gorien von Angelegenheiten, und zwar für solche keinesweges geringfügiger Art, zur ersten Instanz zu machen, dürfe man für diese nicht mehr mit dem Ober⸗Verwaltungsgericht als Revisionsinstanz begnügen, sondern man müsse auch für sie eine Berufungsinstanz schaffen. Nur auf diese Weise würden die Parteien in den Stand gesetzt, in einer zweiten Instanz solche That⸗ sachen und Beweismittel nachzubringen, über welche sie in der ersten vielleicht noch nicht hätten disponiren können, oder auf deren Erheb⸗ lichkeit sie erst durch das Verfahren in erster Instanz hingewiesen wären. Als der einfachste und beste Weg wurde erachtet, für diese Angelegenheiten das Ober⸗Verwaltungsgericht als Beru ungsgericht zu konstituiren und ihm ad hooc alle diejenigen Befugnisse zu übertragen, welche den Verwaltungsgerichten zweiter Instanz beigelegt sind.

Die vorstehenden Erwägungen haben demächst in der verän⸗ derten Fassung des §. 5 ihren Ausdruck gefunden, außerdem aber Fassungsänderungen in den §§. 54, 56, 58, 60 bedingt.

Dagegen schlägt die Kommission die Beseitigung der in den Ent⸗

wurf eingefügten Institution einer Staatsanwaltschaft vor. Sie nimmt an, daß es nicht erforderlich und deshalb zu vermeiden sei, ein drittes außerhalb des Gerichtshofes und selbständig neben den Par⸗ teien stehendes Element zu dem Verfahren vor dem Provinzial⸗ und Ober⸗Verwaltungsgericht heranzuziehen, welches doch entweder nur die Rolle einer Partei übernehmen oder in die Lage kommen werde, den Richter über die Art belehren zu wollen, wie er Recht zu sprechen habe. In den meisten zur Entscheidung der Verwaltungsgerichte kommenden Streitsachen ist eine öffentliche Behörde Partei z. B. in allen Beschwerdesachen —, welcher hiermit auch die Wahrnehmung des öffentlichen Juteresses zufällt. In den Streisachen, wo ausschließ⸗ lich Private sich als Parteien gegenüber stehen wie in Armen⸗ streit achen wird in der Regel ein öffentliches Interesse nicht konkurriren. Die Erfahrungen des rheinischen Civilprozesses, des Ehescheidungsprozesses u. a. genügen, um die Rolle der Staats⸗ anwaltschaft in 6 Privatstreitigkeiten als eine sehr über⸗ flüssige zu kennzei nen. Allerdings, so wurde insbesondere von dem Hrn. Regierungskommissar hervorgehoben und von der Kommission anerkannt, gäbe es eine Anzahl von Fällen, wo auch in Streitig⸗ keiten unter rivaten (zu welchen auch die Vorstände von Gemeinden, Amts⸗ und Kreisverbänden zu rechnen seien), ein öffentliches Interesse vorliege und der Verwaltungsbehörde Gelegenheit zur Wahrnehmung desselben gegeben werden müsse. Für diese seltenen Fälle erachtete es aber die Mehrzahl der Kommissions itglieder nicht als erforderlich, eine besondere Staatsanwaltschaft einzuführen und die Vorschriften des Entwurfs zu acceptiren, daß dies Staatsanwaltschaft in allen ällen zugezogen und vor Erlaß der Endurtheile gehört werden solle. Die Kreisordnung habe dem Vorsitzenden des Kreisausschusses also einem Staatsbeamten das Recht eingeräumt, in den Fäͤllen, wo er durch eine Entscheidung des Kreisausschusses das öffentliche eeeehe als verletzt ansehe, Berufung einzulegen und also auch dann die Sache seinerseits in der höheren Instanz zu verfolgen, wenn nur S sich als Parteien gegenüber gestanden hätten. Dieses Recht sei auch in dem vorliegenden Entwurfe aufrecht erhalten worden, und es komme nur darauf an, eine gleiche Befugniß dem Regierungspräsi⸗ denten zur Einlegung der Revision (beziehungsweise Berufung) gegen Endurtheile des Provinzialverwaltungsgerichts einzuräumen, und ihm für die Berufsinstanz, den Ministern für bas Verfahren vor dem Ober⸗Verwaltungsgericht, das Recht beizulegen, sich in denjenigen Fäl⸗ len durch einen Kommissar vertreten zu lassen, wo eine Entscheidung der Vorinstanz wegen ihrer prinzipiellen Bedeutung durch die Behörde habe angefochten werden müssen. Werde in Betracht gezogen, daß es die vorgesetzte V erwaltungsbehörde in der Hand habe, den untergebenen Be⸗ amten, also der Minister den Regierungs⸗Präsidenten, der Regierungs⸗ Präsident den Landrath mit Anweisung zu versehen, in Fällen wel⸗ cher Art die Berufung unbedingt eingelegt und Instruktion eingeholt werden solle, so müsse das also abgegrenzte Recht unbedingt ausrei⸗ chen. Auf diesem Gedankengange beruhen die Vorschläge der Kom⸗ mission, dem Regierungs⸗Präsidenten im §. 51 a. das Recht der Be⸗ rufung gegen die in erster Instanz ergangenen Entscheidungen der Provinzialverwaltungsgerichte und im §. 60 das Recht der Revisions⸗ einlegung, so wie ferner dem Regierungs⸗Präsidenten und dem Ressort⸗ Minister im §. 58a. die Befusniß beizulegen, sich in allen Fällen in der höheren Instanz durch Kommissarien vertreten zu lassen, wo ge⸗ gen das Endurtheil der Vorinstanz durch die untergebene Behörde das Rechtsmittel eingelegt ist. Es ergab sich dabei als nothwendige Konsequenz, eine Vorschrift in die §§. 50 f. und 59 des Gesetzentwurfs aufzunehmen, wonach der Regierungs⸗Präsident von allen Endurtheilen des Provinzialverwal⸗ tungsgerichts durch Mittheilung einer Ausfertigung in Kenntniß zu setzen ist, und zwar gleichzeitig mit den Parteien. Der §. 82 der egierungsvorlage will in dem ersten Alinea die Befugniß der Verwaltungsbehörden, gegen die ordentlichen Gerichte

nach den Vorschriften des Gesetzes vom 8. April 1847 den Kompe⸗

1873.

flikt zu erheben, auch dann zulassen, wenn sie der Mei⸗ find, daß die Sache, weil es sich um eine Verwaltungsstreit⸗ * handle, vor die Verwaltungsgerichte gehöre. Das zweite Alinen überträgt die Entscheidung über Kompetenzstreitigkeiten zwischen Ver⸗ waltungsgerichten und Verwaltungsbehörden auf das Ober⸗Verwal⸗ tungsgericht sowohl dann, wenn sich beide Behörden für kompetent (positiver Kompetenzkonflikt), als wenn sich beide Behörden für in⸗ kompetent erachten (negativer Kompetenzkonflikt). zDiese Bestimmungen erregten lebhaftes Bedenken in der Kom⸗ mission. An den bisherigen Befugnissen der Verwaltungsbehörden solle zwar dur dieses Gericht in soweit nicht gerührt werden, als es sich darum handle, solche Angelegenheiten den ordentlichen Gerich⸗ ten zu entziehen, welche nach der von dem Kompetenzgerichtshof ein⸗ zuholenden Entscheidung 1e. nicht durch Gerichte, sondern im gewöhnlichen Wege der Verwa tung zu erledigen seien. Derartige ßerhalb des Rahmens des vorliegenden Gesetzes. lichen Gerichten und Verwaltungsgerichten aber sei wenigstens der Fall nicht wohl denkbar, daß das eine oder das andere sich durch alle Instanzen eine Kompetenz anmaße, welche ihm nach der Vorschrift der Gesetze nicht zustehe und es widerspreche der normalen Stellung der Geri te, zwischen ihnen, vielleicht gegen die Gesetzesauslegung der obersten Gerichtshöfe des Ober⸗Tribunals einerseits oder des Ober⸗Verwaltungsgerichts andrerseits eine dritte 11. und zwar den Gerichtshof zur Entscheidung der Kompetenz⸗ onflikte, zur Entscheidung zuzulassen, welcher geringere Garantien für die Gesetzmäßigkeit seiner Entscheidungen biete, als jene beiden. Nur für den Fall sei allerdings im Interesse der Parteien besondere Vorsorge zu treffen, daß sowohl ein ordentliches Gericht, als ein Ver⸗ waltungsgericht seine Kompetenz ablehne. In diesem Fall aber sei der allein angemessene Ausweg, eine gemeinschaftliche ntscheidung bei der obersten Instanz herbeizuführen, nicht aber eine dritte Be⸗ 1e er Kompetenzstreit zwischen Verwaltungsbehörden und Ver⸗ waltungsgerichten sei ebenfalls in soweit ausgeschlossen als es der Verwaltungsbehörde nicht zustehen dürfe, eine Sache, welche vor einem Verwaltungsgerichte anhängig geworden sei, mittelst Er⸗ haltung des Konfliktes an sich ziehen zu wollen, wie dies denn auch die Regierungsvorlage selbst nicht beabsichtige. Die Verwaltungs⸗ gerichte bis in das Ober⸗Verwaltungsgericht hinauf würden über ihre Kompetenz selbst zu entscheiden haben. Das sei der einfache Gang der Sache. Erachte eine Behörde eine Sache als nicht für das Streitverfahren geeignet, so sei ihr in dem geordneten Verfahren ge⸗ nügende Gelegenheit geboten, auch diesen Einwand zur Geltung und zur Entscheidung zu bringen. Nur die Fälle des negativen Konflikts seien auch hier besonders vorzusehen und in dieser Beziehung seien die Bestimmungen des Regierungsentwurfes zutreffend. In solchen Fällen sei aber von einer Konfliktserhebung im Sinne des Gesetzes von 1847 überhaupt nicht die Rede. Es würde Sache der Parteien sein, die Entscheidung des Ober⸗Verwaltungsgerichts darüber anzu⸗ rufen, an welche Behörde sie sich zu wenden hätten.

Der Regierungs⸗Kommissar widersprach zwar dem gestellten Amendement, der aus der Mitte der Kommission gestellte Antrag fand aber einstimmtge Annahme und ist im §. 82 der Kommissions⸗ beschlüsse niedergelegt.

Im l. Aachener Wahlbezirk (Schleiden, Malmedy, Mont⸗ ben an Stelle des verstorbenen Wirklichen Geheimen Raths von

avigny der Professor Dr. Janssen in Frankfurt a. Main mit 215 gegen 34 Stimmen, welche Joseph Rey in Gladbach erhalten hat, zum Mitgliede des Hauses der Abgeordneten gewählt worden.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Berlin. Am 25. d. M. starb hier der Geheime Regierungs⸗ Rath Dr. Helwing, ordentlicher Professor der Staatswissenschafte an der hiesigen Universität. .“ Am 10. März d. J. war die Senckenber ische Natur⸗ forschende Gesellschaft zu Frankfurt a. M. zum ersten Male in der Lage, den 1854 gestifteten, für die in den letzten vier Jahren erschienene beste phystologische Leistung bestimmten Tiede⸗ mannschen Preis zu vertheilen. Der Preis wurde dem aus Frank⸗ 88b 1. 8S vr. --eadee⸗ 8 eyer 1.. Zürich wegen eines Werkes: „Statik un echanik des menschlichen Knochengerüstes Leipzig 1873, zuerkannt. Alc b ster,

Hr. Prof. Oswald Heer in Zürich ist für sein Werk „Flora fossilis arctica“ von der Akademie in Stockholm mit der gol⸗ denen Medaille ausgezeichnet worden.

—,— Auf der Antillen⸗Insel Dominica ist ein kochender See entdeckt worden. Derselbe liegt in der waldbedeckten Berggruppe hinter der Stadt Roseau, 2500 Fuß über dem Meere und hat zwei englische Meilen im Umfange. Der Rand des Seebeckens besteht au Schwefellagern und ein gewaltiger Wasserfall bildet seinen Abfluß.

Das dritte Heft der Zeitschrift für deutsche Kultur geschichte (neue Folge, IV. Jahrgang 1875), herausgegeben von Dr. J. H. Müller, Studienrath, (Hannover, in Kommission bei Carl Meyer) hat folgenden Inhalt: Frankreichs und Englands Einwirkung auf die Volkswirthschaftslehre in Deutschland und die nationale Reaktion. Von Johannes Falke. Karl der Große in der Schweiz. Von Ed. Osenbrüggen. Bücherschau: Allgemeine deutsche Biographie. Das mecklenburger Osterspiel. Von Dr. Alb. Freybe. Die mittelalterlichen Siegel der Abteien und Konvente ir Steiermark. Von Arnold Luschin. Denkwürdigkeiten aus dem münsterischen Humanismus. Von Dr. J. B. Nordhoff. Elpis Meleno, Kreta⸗Biene. Buntes: Der Hedemöppel von Varde⸗ pötzen oder das Ummeklappen. Von Pastor Engel in Leese. Eine

tätetik des sechsten Jahrhunderts. Von Carl Barisch. Politische Broschürenliteratur und Kolportage zur Zeit des 30 jährigen Krieges. Von Dr. K. G. Heih g. Privilegium für die Sesselträger in Cöln. Zum Bücherwesen der 8 Zorzeit. Von J. Zahn. Letzter Reichs⸗Abschied von der Mutter dem römischen Reich an die enterbte Tochter nun⸗ mehr französische Stadt Straßburg. Inschriften auf Richtschwertern.

Gewerbe und Handel.

Nach dem Geschäftsbericht der Deutschen Effekten⸗ und Wechselbank in Frankfurt a. M. haben es erterhat der Bank ungeachtet der im Allgemeinen vorwaltenden Geschäftsstille eine Höhe erreicht, welche der . nicht nur gleichkommt, son⸗ dern dieselbe noch um etwas übersteigt. Die Betheiligungen an Syndikatsgeschäften betrugen am 31. Dezember 1874 nur 174,747 Fl und haben sich gegen das Vorjahr um ca. 90,000 Fl. vermin⸗ dert. Der Gesammtumsatz beträgt 1,529,558,331 Fl.; das ein⸗ gezahlte Aktienkapital von 7 Millionen Gulden ist demnach 218 Mal, also in je 5 Tagen dreimal umgeschlagen worden. Die Direktion schreibt dieses Resultat einer Ausdehnung ihrer Thätigkeit zu, aus welcher sich andererseits auch die Mehrbelastung des Unkosten⸗Kontos erkläre, welches diesmal im Ganzen mit 210,964 Fl. erscheint. Der nach Abschreibung aller Spesen, zweifelhafter Außen⸗ stände mit 28,160 Fl., Minderwerth der Syndikatsbetheiligungen mit 7924 Fl. verbleibende Reingewinn beläuft sich auf 710,658 Fl. Hiervon beantragt der Aufsichtsrath, nach Dotirung des Reserve⸗ fonds (welcher sich dadurch auf 104,058 Fl. erhöht, und nach Abzug der anderen statutenmäßigen ezüge 8 ½ % mit 10 Mk. Bceo. pro Aktie zu vertheilen und den Saldo von 10,850 Fl. auf neue Rech⸗ nung vorzutragen,.