1875 / 106 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 08 May 1875 18:00:01 GMT) scan diff

Schleswig⸗Holstein, die Denkschrift und die zu dem Gesetz⸗ entwurf eingegangenen Petitionen. Der Berichterstatter Herr Hasselbach stellte Namens der Kommission den Antrag: 1) den vorangeführten Gesetzentwurf unverändert, in Uebereinstimmung mit dem Hause der Abgeordneten, anzunehmen; 2) die Denk⸗ schrift und die Petitionen durch die zu dem Gesetzentwurf ge⸗ faßten Beschlüsse für erledigt zu erklären, und das Haus trat dem Antrage bei.

Der vierte Gegenstand der Tagesordnung war der münd⸗ liche Bericht der Budgetkommission über die Petitionen der Gemeinde⸗Kirchenräthe zu Seehausen A.⸗M., Wahrenberg, Fylsen, Grassau, Klinke, Arendsee und Neuendorf a. S. mit dem An⸗ trage: die im diesjährigen Staatshaushalts⸗Etat zur weiteren Verbesserung der äußeren Lage der Geistlichen neu bewilligten 2 Millionen Mark nicht zur Erhöhung der Minimal⸗Gehälter allein, sondern auch zur Ertheilung von Alterszulagen auf Grund bestimmter Dienstjahre zu verwenden und hiernach den Vermerk zu Kapitel 127 Titel 3 in verschiedenen Punkten abzuändern. Auf Antrag des Referenten Herrn Theune beschloß das Haus ohne Diskussion, diese Petitionen durch die Feststellung des Staatshaushalts⸗Etats und durch die bei dieser Gelegenheit stattgefundenen Verhandlungen für erledigt zu erklären.

Den fünften Gegenstand der Tagesordnung bildete der mündliche Bericht der Budgetkommission über die Petition der Gerichtsvögte für den innern Dienst bei den höheren Gerichten in der Provinz Hannover, wegen Erhöhung des Gehaltes und der bewilligten Wohnungsgeldzuschüsse. Auch über diese Petitionen berichtete Herr Theune und auf seinen Antrag beschloß die Kom⸗ mission 85 Diskussion den Uebergang zur Tagesordnung.

Der sechste Gegenstand der Tagesordnung war der Bericht der Justiz⸗Kommission über den Gesetzentwurf, betreffend den standesherrlichen Rechtszustand des Herzogs von Arenberg wegen des Herzogthums Arenberg⸗Meppen. Zur General⸗ diskussion sprachen gegen das Gesetz die Herren Graf v. Lands⸗ berg⸗Vehlen und Graf zur Lippe, worauf der Justiz⸗Minister Dr. Leonhardt bei Schluß des Blattes Veranlassung nahm, in die Generaldiskussion einzugreifen.

Im ferneren Verlaufe der gestrigen Sitzung des Hauses der Abgeordneten, der auch noch die Staats⸗ Minister Graf zu Eulenburg, Dr. Achenbach und Dr. Frieden⸗ thal beiwohnten, beendete zunächst der Staats⸗Minister Dr. Falk seine Rede für das Gesetz, betreffend die Orden und ordens⸗ ähnlichen Kongregationen der katholischen Kirche unter großem Beifall des Hauses. (Wir werden die Rede am Montag mit⸗ theilen.) Es folgte ihm der Abg. Jung für die Vorlage. Der Abg. Frhr. von Schorlemer⸗Alst erklärte sich darauf gegen das Gesetz und fn die Ausführungen der Vor⸗ redner und der Motive der Vorlage zu widerlegen. Der Abg. Klöppel wies an den einzelnen in Frage kommenden Ver⸗ fassungsartikeln nach, daß das Gesetz durchaus verfassungsmäßig sei. Damit schloß die erste Lesung; es wurde sofort in die zweite eingetreten.

§. 1 lautet:

Alle Orden und ordensähnlichen Kongregationen der katholischen Kirche sind vorbehaltlich der Bestimmung des §. 2 von dem Gebiete der preußischen Monarchie ausgeschlossen. Die Errichtung von Nie⸗ derlassungen derselben ist untersagt. Die zur Zeit bestehenden Nieder⸗ lassungen dürfen vom Tage der Verkündung dieses Gesetzes ab neue Mitglieder, unbeschadet der Vorschrift des §. 2, nicht aufnehmen, und b binnen sechs Monaten aufzulösen. Der Minister der geistlichen

ngelegenheiten ist ermächtigt, diese Frist für Niederlassungen, welche sich mit dem Unterricht und der Erziehung der Jugend beschäftigen, um für deren Ersatz durch anderweite Anstalten und Einrichtungen Zeit zu lassen, bis auf vier Jahre zu verlängern. Zu gleichem Be⸗ hufe kann derselbe auch nach Ablauf dieses Zeitraums einzelnen Mit⸗ gliedern von Orden und ordensähnlichen Kongregationen die Befug⸗ niß gewähren, Unterricht zu ertheilen.

Hierzu lag ein Amendement des Abg. Dr. Virchow vor: in Alinea 1 hinter „Kirche“ die Worte einzuschieben: „welche ihre Mitglieder durch Gelübde oder Eide verpflichten“.

Nachdem sich der Abg. Windthorst (Meppen) in längerer Rede gegen diesen Paragraphen und gegen das ganze Gesetz ausgesprochen, wurde die Debatte über §. 1 um 4 ½ Uhr vertagt.

In der heutigen (64.) Sitzung des Ab geord⸗ netenhauses, der am Ministertisch die Staats⸗Minister Dr. Leonhardt, Dr. Falk, der Ministerial⸗Direktor Dr. Foerster und mehrere andere Regierungs⸗Kommissarien beiwohnten, wurde zunächst der Eingang eines Gesetzentwurfes, betreffend einen mit dem Herzogthum Anhalt abgeschlossenen Rezeß über die Regelung der Grenz⸗ und Hoheitsdifferenzen angezeigt. Dann nahm das Haus ohne vorhergehende Spezialdiskussion den Gesetzentwurf über das Vormundschaftswesen en bloc an, nachdem der Justiz⸗Minister Dr. Leonhardt sich mit den von der Kommission vorgenommenen Aenderungen einver⸗ standen erklärt hatte.

Darauf wurde die gestern vertagte Debatte über den

1 des Gesetzentwurfs, betreffend die Orden und ordensähnlichen Kongregationen der katholischen Kirche fortgesetzt. Dafür sprach der Abg. Dr. Petri, der die vielfachen Schäden und Nachtheile der Klöster darstellte. Der Ministerial⸗Direktor Dr. Foerster ergriff darauf das Wort, um besonders die Frage der Verfassungsmäßigkeit der Vorlage zu erörtern. Gegen den Paragraphen sprach dann der Abg. Dr. Franz, der die Schädlichkeit der Klöster leugnete, die Behaup⸗ tung, daß in ihnen unbedingter Gehorsam herrsche, als un⸗ richtig verwarf, und beim Schluß des Blattes von der Wirksam⸗ keit der Schulorden sprach.

Der General⸗Major und Inspecteur der Kriegsschulen von Hartmann hat sich auf Inspizirungsreisen begeben.

Der General⸗Arzt des VI. Armee⸗Corps Dr. Protz ist mit Urlaub von Breslau hier eingetroffen.

Der vom 15. d. M. an auf der Märkisch⸗Posener Eis enbahn in Kraft tretende neue Fahrplan liegt der heu⸗ tigen Nummer dieses Blattes bei.

Breslau, 8. Mai. (W. T. B.) Der Fürstbischof Dr. Foerster gedenkt, wie die ‚Schlesische Zeitung“ meldet, aus Johannisberg nicht zurückzukehren. Alle wesentlichen Vermögens⸗ objekte, Geld, Dokumente sollen in Sicherheit gebracht sein. Der Fürstbischof beabsichtigt, wie die „Schlesische Zeitung“ wiederholt bemerkt, nicht die Verwaltung der hiesigen Diözese von Johannis⸗ berg fortzuführen und will vielmehr die daraus für den Klerus hervorgehenden Schwierigkeiten möglichst vermeiden. Die Er⸗ nennung eines geheimen Delegaten soll nicht zu erwarten sein.

Bayern. München, 5. Mai. Das Amtsblatt des Kö⸗ niglichen Staats⸗Ministeriums des Innern veröffentlicht das nach vorgängigem Einvernehmen von Sachverständigen festgesetzte Ver⸗ zeichniß der Gebäude, bei welchen wegen Bestimmung oder Be⸗ nutzung zu feuergefährlichen Zwecken Erhöhungen der Bei

S 2

1u1.“ 1

1

träge zur Immobiliar⸗Brandversicherungs⸗Anstalt eintreten. Die Erhöhungen sind per Mille der Versicherungs⸗ summe bemessen. Von den Gebäuden, welche seither einem er⸗ höhten Beitrag unterlagen, sind im neuen Verzeichniß nicht auf⸗ geführt, also für die Zukunft von einem erhöhten Beitrage be⸗ freit: Bäckereien und Buchdruckereien ohne Dampfbetrieb, Küchel⸗ bäckereien, Töpfereien, dann Apotheken, wenn sie nicht ein größeres chemisches Laboratorium besitzen. Dem höchsten Beischlage (1 Pro⸗ zent der Versicherungssumme) unterliegen: chemische Fabriken, wenn entzündliche Stoffe (Phosphor, Schwefel, Kohlenstoff) darin bereitet werden; Destillationen von Gas, Sprit (Ligroin und ähnlichen leicht entzündlichen Stoffen) und von Theer; Leinölbrennereien und Kienrußhütten; Kunstwollfabriken, Lack⸗ und Firnißfabriken, Mineralölfabriken (Photogen, Solaröl, Pa⸗ raffin), Pechhütten, Klempanstalten mit erwärmter Luftheizung, Torffabriken, Torfmagazine an Eisenbahnen; öffentliche ständige Schauspielhäuser mit Schnürböden und Versenkungen; endlich Zündholz⸗ und Streichholzfabriken.

Se. Majestät der König hat die Errichtung eines forst⸗ lichen Versuchsbureaus und den Beitritt desselben zu dem Vereine der forstlichen Versuchsanstalten Deutschlands genehmigt. Unter Mitwirkung der Professoren des Fachs und anderer Männer der Wissenschaft, sowie unter Verwendung tüchtiger Kräfte des äußeren Dienstes sollen die Arbeiten des forstlichen Versuchswesens und der forstlichen Statistik zum Zweck der gründlichen Lösung wissenschaftlicher und praktischer Fragen zur folgerichtigen Durchführung gebracht werden. Die oberste Lei⸗ tung des gesammten forstlichen Versuchswesens verbleibt dem Staats⸗Ministerium der Finanzen, von welchem alle allge meinen Anordnungen und Verfügungen erlassen werden.

8. Mai. (W. T. B.) Die Prinzessin Alexandra von Bayern, geboren 26. August 1826, ist in Folge eines Gehirnschlages heute Vormittag plötzlich verschieden.

Sachsen. Dresden, 7. Mai. Se. Majfestät der König empfing vorgestern (Mittwoch) in der Königlichen Villa zu Streh⸗ len eine Deputation des Allerhöchstdemselben von Sr. Ma⸗ jestät dem König von Bayern verliehenen Königlich bayerischen Infanterie⸗Regiments Nr. 15. Die Deputation, bestehend aus dem Regiments⸗Commandeur, Obersten Kohlermann, dem Bataillons⸗Commandeur, Major Emonts, dem Compagnie⸗Chef, Hauptmann Albert, und dem Regiments⸗Adjutanten, Premier⸗ Lieutenant v. Gosen, wurde darauf zur Königl. Tafel gezogen, 8. der Königlich bayerische Gesandte, Frhr. v. Gasser, an⸗ wohnte.

Hessen. Darmstadt, 5. Mai. Die Zweite Kammer ist auf den 10. d. M. einberufen. Auf der Tagesordnung stehen, abgesehen von Wahlprüfungen, die Regierungsvorlagen wegen Subvention zu Straßenbauten, der Gesetzentwurf wegen Ausführung des Reichs⸗Impfgesetzes, der Antrag Dumont wegen Aufhebung der von Notaren, Anwälten, Gerichtsschreibern und Gerichtsvollziehern in Rheinhessen zu hinterlegenden Dienstkau⸗ tionen, endlich die Ausloosung der Hälfte der Abgeordneten zu⸗ folge des Art. 48 des Wahlgesetzes. Am nächsten Sonn⸗ abend wird der Finanzausschuß der Zweiten Kammer zu⸗ sammentreten, um über die Rekommunikation der Ersten Kam⸗ mer, betreffend die Erhöhung der Pensionen der bis zum Jahre 1874 in Ruhestand getretenen Civilpensionäre, zu beschließen.

Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 5. Mai. Am Großherzoglichen Hofe wird gegen Ende Juni der Besuch Sr. Majestät des Kaisers von Rüßland erwartet. Im Be⸗ finden des seit mehreren Wochen schwer erkrankten Chef des Kultusdepartements, Geh. Raths Dr. Stichling, ist zwar eine Besserung eingetreten, die jedoch nur sehr langsame Fortschritte macht. Seiner umfangreichen Amtsthätigkeit wird Geh. Rath Stichling sich erst in geraumer Zeit wieder zuwenden können.

Mecklenburg. Schwerin, 7. Mai. Se. Königliche Hoheit der Großherzog hat sich gestern Abend von hier nach Berlin begeben und wird mit Ihrer Königlichen Hoheit der Großherzogin, Höchstwelche am Sonntag, den 9. d., eben⸗ falls dorthin reisen wird, am Donnerstag, den 13. d., hierher wieder zurückkehren. Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin⸗ Mutter reist morgen Nachmittag nach Berlin und begiebt sich von dort am 13. d. über Altenburg nach Marienbad zu einem

etwa vierwöchigen Kuraufenthalt.

Wien, 6. Mai. (Prag. Ztg.)

5 Desterreich⸗Ungarn. Der, Besuch des Kaisers in Dalmatien nähert sich seinem Ab⸗ schlusse, und binnen wenigen Tagen wird der Kaiser nach ein⸗ gehender Besichtigung der südlichsten Punkte der Monarchie, wobei Se. Majestät von der Unbill des Wetters von Neuem zu

leiden hatte, die Rückreise antreten. Dieselbe wird durchgehends zu Schiffe stattfinden, und werden bei derselben die größeren dalmatinischen Inseln wie die Inseln des Quarnero des Kaiser⸗ lichen Besuches theilhaftig werden.

Graz, 7. Mai. (W. T. B.) Die akademische Dis⸗ ziplinarkommission hat wegen der kürzlich stattgehabten Vorgänge einen Studenten für immer, einen anderen für ein Semester relegirt. Gegen eine größere Anzahl von Studirenden wurde auf Ertheilung eines Verweises erkannt.

Risano, 8. Mai. (W. T. B.) Der Kaiser Franz Josef machte gestern einen Ausflug nach dem Fort Dragalj in der Crivoscie. Unterwegs wurde derselbe allenthalben von den lebhaftesten Ovationen der Bevölkerung empfangen. Auf der Hochebene von Dragalj brachten ihm die Ortsältesten ihre Huldigung dar, in welcher sie der Versicherung Ausdruck gaben, daß die Bevölkerung dem Kaiser in treuester Ergeben⸗ heit anhänge. Der Statthalter von Dalmatien, Feldzeug⸗ meister Frhr. v. Rodich, beantwortete im Namen des Kaisers die Ansprache der Ortsvorsteher, denen er erklärte, daß der Kaiser die kundgegebenen Versicherungen der Anhänglichkeit mit großer Freude entgegengenommen habe. Der Kaiser habe die Verirrungen der Vergangenheit vergessen und hoffe, daß die Bocchesen ihren Versprechungen stets eingedenk bleiben würden. Der Kaiser kehrte nach dem Besuch des Forts alsdann hier⸗ her zurück.

Schweiz. Bern, 7. Mai. (W. T. B.) Die Lands⸗ gemeinde des Kantons Glarus hat nach lebhaften Debatten die revidirte Kantonsverfassung abgelehnt und an den Landrath zurückgewiesen.

Niederlande. Haag, 7. Mai. (W. T. B.) Nach Meldungen aus Atchin vom 30. v. M. haben die Niederländer die Befestigungs⸗ werke der Atchinesen bei Lohong (zwischen Mandarsapoeti und Longbatta) erobert. Soengeiraya an der Ostküste hatte sich der niederländischen Herrschaft unterworfen.

Belgien. Brüssel, 7. Mai. (W. T. B.) In der De⸗ putirtenkammer standen heute die Aktenstücke in der

11“ 1 8

deutsch⸗belgischen Angelegenheit zur Diskussion. Der Deputirte Frère Orban erklärte sich mit der Haltung der Regie⸗ rung und der Sprache, welche sie dem Auslande gegenüber ge⸗ führt habe, einverstanden und sprach die Ansicht aus, daß alle Befürchtungen für die Unabhängigkeit Belgiens, für seine staat⸗ lichen Institutionen und die Freiheit der belgischen Presse jetzt verschwunden seien. Die Situation des Ministeriums sei indessen bedenklich und schwierig, da gerade die politische Partei, welcher dasselbe angehöre, nach Innen das Land an den Abgrund des Bürgerkrieges bringe und nach Außen Belgien Verwickelungen mit dem Auslande bereite. Der Redner sprach darauf über die An⸗ griffe der katholischen Presse gegen den Liberalismus und über die gegen denselben gerichteten Fastenbriefe der Bischöfe seinen ent⸗ schiedenen Tadel aus. Frère Orban verlas sodann mehrere be⸗ zügliche Artikel aus katholischen Blättern und einzelne Stellen aus den Fastenbriefen und betonte besonders, daß das Kabinet sich von dem Einflusse seiner Partei freimachen müsse. Dasselbe hätte in der Angelegenheit Duchesne seinen Verpflichtungen gegen Deutschland nachkommen können, ohne sich dem Vorwurf der Schwäche auszusetzen, da die liberale Presse dasselbe gegen die

ournale der eigenen Partei unterstützt haben würde. Zu bil⸗ ligen sei, daß die Regierung die Verpflichtung übernommen habe, diejenigen Aenderungen der Gesetzgebung zu prüfen, welche Deutschland und andere Staaten vorzunehmen gesonnen seien. Mehr als je habe Belgien Ursache, mit den Garantiemächten, be⸗ sonders aber mit seinen Nachbarn in guten Beziehungen zu leben. Die Neutralität sei keine Festung, in die man sich einschließen könne, um sich seinen Verpflichtungen zu entziehen. Nachdem Thonissen von der Rechten hervorgehoben hatte, daß das belgische Volk seit 40 Jahren mehrfache Modifikationen seiner heimischen Gesetz⸗ gebung vorgenommen habe, um seinen internationalen Verpflich⸗ tungen genügen zu können, führte der Justiz⸗Minister aus, daß der seinem Departement bezüglich der Angelegenheit Duchesne gemachte Vorwurf der Unthätigkeit nicht zutreffe. Belgischerseits habe man den Ersuchen der deutschen Behörden bereitwilligst entsprochen, der Eifer der belgischen Behörden sei von dem deut⸗ schen Gesandten lobend anerkannt worden. Das Untersuchungs⸗ verfahren gegen Duchesne sei auch noch nicht beendet. Hierauf wurde die Sitzung vertagt.

Großbritannien und Irland. London, 6. Mai. Ihre Majestät die Königin wird am nächsten Montag Aldershot besuchen, um eine Revue über die daselbst stationirten Truppen abzuhalten. Der Herzog und die Herzogin von Edin⸗ burgh sind von Eastwell⸗Park für die Saison nach Clarence⸗ House, ihrer Residenz in London, zurückgekehrt. Die Königin hat, wie die offizielle „London Gazette“ meldet, den Prinzen Tewfik Pascha, ältesten Sohn des Khedive von Aegypten, zu einem Ehren⸗Großcomthurritter -des Ordens des Sterns von Indien ernannt. Laut einer Depesche aus Bombay ist Major Euan Smith zum General⸗Konsul und politischen Agenten in Zanzibar ernannt worden und begiebt sich unverzüglich auf seinen Posten.

7. Mai. (W. T. B.) Sitzung des Unterhauses. Nachdem Disraeli angezeigt hatte, daß des Pfingstfestes wegen die Sitzungen vom 13. bis 20. Mai cr. ausfallen würden, begann die Budgetberathung. Gladstone griff das vorgelegte Budget heftig an und wies darauf hin, daß das abgelaufene Rechnungsjahr anstatt des angekündigten Ueberschusses in Wirk⸗ lichkeit ein Defizit von 6000 Pfd. Sterl. aufweise, auch das lau⸗ fende Rechnungsjahr werde wieder ein Defizit ergeben. Die weiteren Angriffe Gladstone's richteten sich gegen die Vermehrung der Ausgaben, gegen die Fortdauer der Einkommen steuer und hauptsächlich gegen die Art der Verminde⸗ rung der Staatsschuld, die auf einem Prinzipe be⸗ ruhe, das stets fehlerhaft gewesen sei. Der Schatz⸗ kanzler Sir S. H. Northcote erklärte in seiner Antwort, es sei allerdings richtig, daß voraussichtlich Supplementar⸗Kredite er⸗ forderlich sein würden, welche den Ueberschuß vielleicht über⸗ schreiten könnten, andererseits sei aber auch eine Vermehrung der Einnahmen zu erwarten. Der Schatzkanzler vertheidigte alsdann die Reduktion der Staatsschuld. Hierauf sprach sich Lowe gegen die Finanzvorlagen des Schatzkanzlers aus, welche wenig Vertrauen einflößten, tadelte überhaupt das Verfahren des Ministers und bezeichnete ein Defizit in Friedenszeiten als eine nationale Kalamität.

Im Oberhause stellte Viscount Cardwell den Antrag, den Gesetzentwurf abzulehnen, wonach den Offizieren gestattet wird, ihre Regimenter zu wechseln. Nach einer langen Debatte wurde beschlossen, die zweite Lesung vorzunehmen.

Italien. Rom, 7. Mai. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Deputirtenkammer wurde die Debatte über den Antrag Mancini'’'s, betreffend das Verhalten der Re⸗ gierung gegenüber dem Klerus, fortgesetzt. Nachdem der Deputirte Lioy die dem Ministerium gemachten Vorwürfe als ungerechtfertigt bezeichnet, der Deputirte Tojani aber wieder⸗ holt hatte, daß die Gesetze dem Klerus gegenüber nicht in der erforderlichen Weise angewendet würden, suͤchte Minister⸗Präsident Minghetti nachzuweisen, daß die Regierung von den ihr durch das Garantiegesetz gewährten Vollmachten guten Gebrauch ge⸗ macht habe. Die Interpretation, welche die Regierung dem Ge⸗ setze gegeben, sei gesetzlich und opportun gewesen, bei der Er⸗ theilung des Exequatur sei die Regierung mit großer Vorsicht zu Werke gegangen und habe sich bemüht, der öffentlichen Meinung Rechnung zu tragen. Dies ergebe sich aus den vom Justiz⸗ und Kultus⸗Minister erlassenen Instruktionen, aus den bezüglichen Artikeln des neuen Strafgesetzbuchs und aus verschiedenen in Bezug auf den öffent⸗ lichen Unterricht vom Ministerium gemachten Vorschlägen. Das von der Regierung verheißene Gesetz über Regelung des kirch⸗ lichen Eigenthums werde trotz aller Schwierigkeiten, welche die Natur eines solchen Gesetzes mit sich bringe, vorgelegt werden, und zwar in dem Sinne, daß sowohl der Geistlichkeit wie den Laien die Theilnahme an der Verwaltung des kirchlichen Ver⸗ mögens zu gestatten sei. Was die Politik des Ministeriums ge⸗ genüber der Kirche betreffe, so müsse er an die seiner Zeit vom Minister⸗Präsidenten Cavour gemachten Versprechungen und an die darauf bezüglichen Kammerdebatten erinnern. Nachdem später die weltliche Macht des Papstes ein Ende genommen, habe sich eine größere Beruhigung der Geister eingestellt und Italien liefere den Beweis, daß der Papst und die Kirche die Unab⸗ hängigkeit und die Freiheit der Kirche bewahrt erhielten. Diese Thatsache werde von Jedermann anerkannt und die bezügliche Politik der italienischen Regierung werde von Europa gebilligt. Dieselbe dürfe deshalb auch nicht geändert werden, wenn man sich nicht den Gefahren aussetzen wolle, die eine der seitherigen entgegengesetzte Politik mit sich führe. Er erwarte deshalb mit Zuversicht, daß der Beschluß der Deputirtenkammer eine aber⸗ malige Bestätigung der liberalen Traditionen Italiens sein werde. Nach der beifällig aufgenommenen Rede des Minister⸗Präsidenten wurde die Generaldebatte geschlossen. Die Abstimmung über die

mit der ggenanntem Blatt sehen wir zwei Abdrucksverschiedenheiten, die uns

anderte und verbesserte. dert zu gleichem Studium heraus. Der barmherzige Sama⸗

treffenderes Bild des wie Rembrandt.

die Leinwand fixirt;

verschiedenen, von den einzelnen Rednern gestellten Anträge und Tagesordnungen erfolgt voraussichtlich erst morgen.

Schweden und Norwegen. Stockholm, 3. Mai. (H. N.) Der König hielt heute Staatsrath, um für die Dauer seiner Abwesenheit von hier eine stellvertretende Regie⸗ rung einzusetzen. Als Wortführender derselben wird Staats⸗ rath Berg, als Mitglieder die Staatsräthe Wennerberg, Weiden⸗ hielm und Lovén fungiren.

Amerika. Eine in Paris eingegangene Meldung der französi⸗ schen Gesandtschaft in Haiti bestätigt, daß am 2. d. in Port au Prince ein Versuch zum Umsturz der Regierung gemacht wurde. Am 3. d. war aber die Ruhe wieder hergestellt; die Generale Monplaisir, Pierre und Brice, welche an der Spitze der Bewe⸗ gung standen, haben beim Aufstande das Leben eingebüßt.

„— Nach einer in Buenos Ayres erscheinenden deutschen Zeitung fand aus Anlaß des Geburtstages Sr. Majestät des Deutschen Kaisers auch dieses Jahr am 22. März wieder in den Räumen der dortigen Minister⸗Residentur ein Festmahl statt, zu welchem der Präsident der Republik, Avellaneda, der Gouverneur der Provinz Buenos Ayres, der Minister der auswärtigen An⸗ gelegenheiten und alle Chefs der dortigen fremden Gesandtschaf⸗ ten Einladungen erhalten hatten. Gegen Ende des Mahles er⸗ hob sich der Präsident und brachte den Toast auf Se. Majestät den Kaiser aus, auf welchen der deutsche Minister⸗Resident dan⸗ kend erwiderte.

Der in Caracas erscheinenden „La Opinion Nacional“ vom 22. März d. J. zufolge ist daselbst der diesjährige Ge⸗ burtstag Sr. Majestaät des Deutschen Kaisers durch ein Bankett, zu welchem der Minister⸗Resident Dr. Erwin Stammann verschiedene seiner Landsleute geladen hatte, festlich begangen worden. Die deutsche Flagge wehte den Tag über auf dem

Hause der deutschen Gesandtschaft und auf denen sämmtlicher Unterthanen des Kaisers in Caracas. Die Flagge von Venezuela flatterte vom Regierungspalast, die fremden Gesandtschaften und Konsulate hatten ebenfalls die Flaggen ihrer resp. Nationen ge⸗ hißt, um den Deutschen Kaiser an seinem Geburtstage zu ehren.

Asien. Shanghai, 7. Mai. (W. T. B.) Die Kapelle der amerikanischen Methodisten in Quikang ist von der Bevölke⸗ rung zerstört worden. Die chinesischen Behörden haben Genug⸗ thuung angeboten.

Der König von Birma hat einer Depesche der „Times“ aus Rangoon zufolge eine friedfertige Proklamation erlassen, in welcher er bemerkt, daß er den Frieden wünsche. In Baroda ist alles ruhig. Die Cholera herrscht daselbst, ist aber noch nicht in dem Truppenlager zum Vorschein gekommen.

8 Vereinswesen. 8

Zu der am 1. Mai in Schwerin abgehaltenen General⸗ versammlung des mecklenburgischen Landes⸗Vereins der Kaiser Wilhelms⸗Stiftung für deutsche Invaliden hatten Deputirte entsandt: Die Lokalvereine zu Boizenburg, Hage⸗ now, Wittenburg, Wismar, Bützow, Rostock, Güstrow, Stavenhagen, Teterow, Dargun und Schwerin. Nach dem erstatteten Jahresbericht hat sich die Zahl der Mitglieder sämmtlicher Lokalvereine wieder um 518 vermindert. Unterftützt wurden 1874 a. Invaliden vom Feld⸗ webel abwärts 100 durch 7861 83 ₰, b. Hinterbliebene zu a. 59 durch 2798 ℳ, c. Offiziere, 1 durch 225 ℳ, in Summa 160 Personen durch 10,884 83 ₰, gegen 1873 32 Invaliden, + 10 Hinterbliebene durch im Ganzen 1196 34 ₰. Die vorhandenen Mittel des Vereins bestehen: 1a. in dem Kapitalfonds des Landes⸗ Ausschusses von 16,980 ℳ, b. in demjenigen der Zweigvereine von 24,770 17 ₰, c. in dem Kassenbestand in Abtheilung 1 der Zweig⸗ vereine von 58 10 ₰, 2a. in dem Kassenvorrath in Abtheilung 2 des Landes⸗Ausschussgs von 6645 34 ₰, b. demjenigen der Zweig⸗

vereine von 3044 60 und c. in belegten Kapitalien der letzte⸗ ren von 4739 7 ₰. Das Gesammtvermögen 56,237 28 hat sich gegen das Vorjahr vermehrt um 1154 73 ₰.

Statistische Nachrichten.

Ueber die Entwickelung des Zeitungswesens in JFapan

wird der „N. A. Z.“ Folgendes mitgetheilt: Die Zahl der im Jahre 1874 daselbst durch die japanische Poft beförderten Zeitungen he⸗ über 2,564,000 Stück betragen. Einzelne dieser Zeitungen haben einen recht ausgedehnten Leserkreis; an der Spitze steht in dieser Be⸗ ziehung das Regierungsorgan „Nichi— Nichi —Shimbun“, von wel⸗ chem allein 977,643 Exemplare befördert wurden. Die demnächst verbreitetste Zeitung heißt „‚Hochi Shimbun“ und wurde in 756,290 Exemplaren im verflossenen Jahre befördert. Von der Zeitung „Koji Shimpo⸗“ dagegen wurden nur 19 Exemplare der japanischen Po

zur Beförderung übergeben. Im Ganzen existiren in Japan bereits 34 8 1

Nach den Statistiken des Bureau Veritas sind während des Monats März 131. Segelschiffe zu Grunde gegangen, dar⸗ unter 72 englische, 14 amerikanische, 13 französische, 9 niederlän⸗ dische, 7 italienische, 4 norwegische, 3 dänische, 3 griechische, 2 schwe⸗ dische, 1 deutsches, 1 brastlianisches, 1 portugiesisches, und eines dessen Nationalität unbekannt ist. In dieser Anzahl sind 18 Segelschiffe inbegriffen, die als vermißt gelten. Gleichzeitig gingen 15 Dampfer zu Grunde, nämlich 9 englische und 6 amerikanische.

. Gewerbe und Handel.

Paris, 8. Mai. (W. T. B.) Die „Semaine financidère“ ver⸗ sichert, daß von dem Finanz⸗Minister Lbéon Say in einem Finanz⸗ bericht der Vorschlag gemacht sei, die Morgan⸗Anleihe in eine dreiprozentige Rente zu konvertiren und den Vertrag zwischen dem Staagte und der Banvon Krankreich dahin abzuändern, daß der für 1876 an die Bank zurückzuzahlende Betrag um 80 Millionen herabgesetzt und der Betrag für 1877 um eine gleiche Summe erhöht werde. Der Abschluß einer neuen An⸗ leihe solle bis zum Jahre 1877 aufgeschoben und der Zwangscours abgeschafft werden, nachdem die Rückzahlung an die Bank vollständig

erfolgt sei.

Rembrandt⸗Ausstellung im Königlichen Kupferstich⸗ Kabinet.

In den schönen Räumen des Kupferstich⸗Kabinets wurden in neuerer Zeit bereits öfters Ausstellungen veranlaßt, welche meisten⸗ theils den Zweck hatten, große neue Acquisitionen dem Auge des kunstliebenden Publikums vorzuführen. Mit der nun eröffneten Rembrandt⸗Ausstellung beabsichtigt die Direktion des genannten Ka⸗ binets eine neue Art von Ausstellungen zu inauguriren. Wie in der genannten Ausstellung das Schönste und Kostbarste, was das Ka⸗ binet an Werken des genialsten holländischen Maler⸗Radirers besitzt, dem Publikum vorgeführt wird, ume’gleichsam mit einem Blicke das unerschöpfliche Talent des Künstlers leuchten zu lassen, so sollen sich an diese Ausstellung andere anschließen, welche in gleicher Weise berühmte Künstler anderer Schulen vorführen werden. Zwar sind nicht alle Blätter Rembrandts, die das Kabinet besitzt, zur Ausstel⸗ lung gelangt, viele eignen sich ihres Gegenstandes wegen nicht, für alle ist kein Raum vorhanden, aber wir begegnen doch einer reichen Auswahl, die uns das vielseitige Talent des Künstlers in vortheil⸗ haftestem Lichte zeigt. Da sehen wir zuerst verschiedene Selbstbild⸗ nisse des Meisters, der sich in verschiedenem Lebensalter, in diversen Stimmungen selbst abgebildet hat. Eine prächtige Erscheinung ist z. B. sein Bild mit dem Baret (B. 21. B. bedeutet Bartsch, der den Meister beschrieben hat). Auf B. 19 kommt er mit seiner Frau vor. Daneben sehen wir einen anderen Abdruck desselben Blattes, aber die Stelle seiner Frau nimmt die Mutter ein, der Künstler hatte durch eigene Manipulationen beim Druck von zwei Platten einen Abdruck gemacht. Rembrandt zeichnend (B. 22) ist ein Meisterstück von Clair- obscur, zugleich eine Seltenheit in dieser Abdrucksgattung, wo man durch das offene Fenster noch keine Landschaft sieht. Auch die beiden Bildnisse mit dem Schwert und mit dem Falken sind vorzüglich und selten. In den Darstellungen, deren Stoff der Künstler der Bibel entlehnt, müssen wir die genaue Bibelkenntniß bewundern, mit welcher die Gegenstände komponirt und durchgeführt sind. So Abrahams Gast⸗ freundschaft (B. 29), die Opferung Isaacs (B. 35). Großartig ist der Triumph des Mardochai aufgefaßt (B. 40). Mit wie wenig Mitteln ist hier Großes geleistet! An dem Blatte B. 44, welches die Verkündigung an die Hirten darstellt, wissen wir nicht, was wir mehr bewundern sollen, die bis ins kleinste Detail ausgeführte Land⸗ schaft oder die Thiergruppe, in welche das ungewohnte Himmelslicht den größten Schrecken gejagt hat. Die Anbetung der Hirten (B. 46) hat der Künstler in seiner naiven Art in irgend eine arme hollän⸗ dische Hütte versetzt, vielleicht mit gleichem, wenn nicht mit mehr Recht, als wenn italienische Künstler uns diese Scene mit allem theatralischen Pompe vorführen. Die Landschaft mit der Flucht nach Aegypten B. 56 ist darum interessant, weil sie Rembrandt auf einer Platte von Herc. Zeghers radirte; man sieht von der ursprünglichen Darstellung einer Opferung Isaacs noch den Flügel des Engels im Dunkel der Baumgruppe rechts. Christi Predigt B. 67 ist ein köstlicher Abdruck auf japanischem Papier. Das alte japanische Papier brachten die Holländer aus Japan, es ist zum Kunstdruck noch geeigneter wie Pergament. Heolländische Künstler verwendeten es nur

m Abdruck der kostbarsten Blätter, welche bereits bei Lebzeiten der⸗ elben sehr hoch bezahlt wurden. Auch das sogenannte Hundert⸗ guldenblatt, CEhristus heilt die Kranken (B. 74), ein Hauptwerk des Künstlers, ist auf japanischem Papier abgedruckt; es ist ein Pracht⸗ druck mit breitem Rande, sein Preis nicht zu bestimmen. Es heißt das „Hundertguldenblatt“, weil der Künstler für ein Exemplar derselben von einem italienischen Kunsthändler Kupferstiche im Werthe von 100 Gulden (damals eine hohe Summe) eintauschte. Auch die Samariterin am Brunnen ist ein kostberes Blatt, ein I. Abdruck auf japanischem Papier, mit der lichten Fläche oben. Später ist die Platte oben bis zur Darstellung verkleinert worden. Die beiden Blätter B. 86 und 87 zeigen uns, daß der Meister die Radirnadel in den verschiedensten Formen ganz frei zu behandeln wußte, weshalb es auch ganz unzweck⸗ mäß erscheint, von einer Manier Rembrandts zu sprechen. Ein flüch⸗ tiger Blick auf die Ausstellung zeigt uns eine Mannigfaltigkeit der Darstellungsweise, wie sie sonst kein Radirer und kein Stecher auf⸗ Eeilen hat. Man vergleiche in dieser Hinsicht nur die großen

lätter, zwei Darstellungen Christi durch Pilatus (B. 76 und 77) reuzigung (B. 78) und Kreuzabnahme (B. 81). Von erst⸗ zeigen, wie der Künstler mit seinem Werk nie zufrieden, stets daran Ein dreifacher Abdruck von B. 78 for⸗

riter, der den Verwundeten im Gasthaus unterbringt (B. 90) ist

8 eine tiefdurchdachte Komposition, wie uns kein Künstler diese Scene

sonst gemalt hat. Das ausgestellte Blatt ist zugleich ein seltener und kostbarer erster Abdruck mit weißem Schweif des Pferdes, der später überarbeitet wurde. Wie die biblischen, so auch die Begebenheiten der Legende hat sich der Künstler nach seiner Weise zurechtgelegt, bei den zwei Heiligen der Einsamkeit, dem h. Franciscus und Hiero⸗ nymus hat der Künstler mit feinem Gefühl einen besonderen Nach⸗ druck auf die Landschaft gelegt.

Eigentlich historische Darstellungen besitzen wir im radirten Werke

des Meisters nicht; das ausgestellte Blatt mit der Hochzeit des Zason (B. 112) ist eigentlich nur eine Illustration zum gleichnamigen

Theaterstück seines Freundes, des Amsterdamer Bürgermeisters Six. Bekanntlich besitzt die holländische Malerschule die meisten

und geschätztesten Genremaler; wir wollen nur an Ostade, Teniers,

Bega, Brauwer u. s. w. erinnern. Aber keiner hat uns ein holländischen Straßenlebens hinterlassen, Was wir hier betonen wollen, ist, daß er über seine Figuren und Gruppen der Armuth und der Niedrigkeit einen Lichtstrahl der Poesie fallen läßt. Brauwers Bauern sund rohe Erscheinungen, mit aller Virtuosität in ihrer Verkommenheit auf Rembrandts Bettler in ihren zerrissenen Män⸗

teln erwecken Mitleid. Man betrachte den blinden Bettler mit seinem Hund (B. 175), die wandernden Mufikanten (B. 119), das Weib, welches Zwiebeln feil bietet (B. 139) und man wird uns Recht geben. Das Bättchen mit dem Stern der Weisen (B. 113) erinnert uns an die Sitte, wie sie sich in einzelnen Gegenden bis auf den heutigen Tag erhalten hat. Das Innere einer Synagoge hat uns der Künstler auf einem kleinen Blatte (B. 126) mit aller Wahrheit gezeichnet. Auch den Erzählungen der Sage war des Künstlers Ohr nicht verschlossen, wie uns sein groß aufgefaßtes Bild mit dem studi⸗ renden Dr. Faust (B. 270) und das Blatt mit der spanischen Zigeu⸗ nerin (B. 120), eine Illustration zu „Pretiosa“ beweisen. Die beiden Blätter, welche, wie der Kunstsprachgebrauch sagt, akademische Figu⸗ ren darstellen (B. 197, 202) sind Meisterstücke des Helldunkels.

Die größte Virtuosität entwickelte Rembrandt als Porträtmaler, mag er nun eine Persönlichkeit mit Farben auf die Leinwand oder mit der Radirnadel auf die Platte gemalt haben. Auch giebt er uns in jedem seiner Bildnisse so zu sagen ein historisches Bild: den Arzt Ephraim Bonus läßt er über die Treppe bedächtig herabsteigen, offenbar kommt er in Nachdenken versunken von einem Krankenbette und der schwere Fall giebt ihm zu denken. In gleicher Weise ist der Schreibmeister Coppenol (zweimal, B. 282. 283), der Prediger C. Anslo (B. 271), der Maler Jan Asselyn (B. 277), der Goldwieger Uytenbogaert (B. 281), die beiden Haaring, Vater und Sohn (B. 274. 275), der Goldarbeiter Lutma (B. 276) aufgefaßt. Der Preis unter den ausgestellten Bildnissen gebührt aber dem Porträt des Bürgermeisters Six (B. 285), es ist ein Meisterstück der feinsten Radirung, des vollendeten Helldunkels nicht minder, wie der eminenten Charakterisirung der Individualität des Dargestellten. Das Exemplar ist auf japanisches Papier gedruckt, hat breiten Rand und ist ein erster kostbarer, wie es heißt aus des Darzgestellten Besitz stammender Ab⸗ druck, vom Künstler stellenweise mit Weiß gehöht und in Wirkung gesetzt. Das weibliche Bildniß (B. 340), früher gewöhnlich die Juden⸗ stellt eigentlich des Künstlers erste Frau Saskia Uylen⸗

urg dar.

Auch als Landschafter macht Rembrandt keinen geringeren An⸗ spruch auf Anerkennung. Die ausgestellten Blätter dieser Richtung enthalten nur Vorzügliches; in jedem derselben erscheint der Künstler originell, der keine Wiederholung, selbst in der Form der Behandlung, leiden kann.

Endlich sind noch 25 Original aad.eneg des Künst⸗ lers ausgestellt. Das interessanteste Blatt dürfte die Silberstift⸗ zeichnung auf Pergament sein; es stellt die erste Frau des Künstlers in nachdenkender Stellung als Braut vor, wie die eigen⸗ händige Schrift des Künstlers unter der Zeichnung beweist. Her⸗ vorzuheben ist ferner eine Kopie nach dem letzten Abendmahle des L. da Vinci; hier zeigt uns der Künstler, wie er in seinem nie ruhenden Geiste eine fremde Idee zu verarbeiten und zu seinem geistigen Eigenthum umzuwandeln wußte Auch der männliche Kopf mit Hut, in schwarzer Kreide ausgeführt, und der Mönch in der Zelle sind hervorzuheben, so wie die große Landschaft mit der Stadtansicht, von welcher letzterer sich eine ähnliche, aber mehr ausgeführte Zeich⸗ nung in der Sammlung des Erzherzogs Albrecht in Wien befindet. Zehn Blätter dieser Zeichnungen stammen aus Hausmanns Nachlaß, der bekanntlich in jüngster Zeit für das Kabinet erworben wurde.

Am 5. d. M. hat in Erlangen die feierliche Enthüllung des Herzdenkmals stattgefunden. In dem stattlichen Festzuge befanden sich als Vertreter der Staatsregierung Ministerial⸗Rath Völk, als Vertreter der Kreisregierung Medizinal⸗Rath Dr. Martius, Deputationen der Gemeindekörperschaften von Bamberg, Bayreuth, Fürth, Nürnberg, Vertreter der Universitäten München, Würzburg, Erlangen, die hiesigen Militär⸗ und Civilbehörden, die Studenten⸗ schaft ꝛc. Die Straßen, durch welche der stattliche Zug sich bewegte, waren festlich geschmückt und eine große Menschenmenge bildete Spalier. Das Monument zeigt Herz in einfachem Gehrocke; in dem portrait⸗ ähnlichen Antlitze sind die Haupt⸗Charakterzüge des Gefeierten: Milde und Herzensgüte vollendet ausgedrückt. Die Vorderseite trägt die Inschrift: Professor Dr. Jakob Herz, geboren 2. Februar 1816, ge⸗ storben 27. September 1871. Die Rückseite giebt den Enthüllungstag an.

Am 6. d. M. ist in Bremen die neue Brücke über die Weser, die Kaiserbrücke, welche im Anschluß an die Kaiserstraße nach der greßen Allee in der Neustadt hinüberführt, eröffnet worden. Der „Neustädter Verein“ hatte eine entsprechende Festlichkeit veranstaltet, an welcher sich die Bevölkerung rege betheiligte. Ein einfacher Schmuck von Laubgewinden und Flaggen, Ehrenpforten mit den Büsten Sr. Majestät des Kaisers, Sr. Kaiserlichen Hoheit des Kronprinzen und des Reichskanzlers Fürsten von Bismarck an beiden Enden der Brücke, an Stelle der im Laufe des Sommers aufzuführenden Portale, war durch den genannten Verein hergestellt.

Am 3. d. M. hat in Wien die feierliche Eröffnung des orientalischen Museums in den Räumen des Palais Windisch⸗ grätz in der Renngasse stattgefunden. Die reichen Sammlungen, welche einst die Zierde der orientalischen Abtheilung im Industrie⸗ palast der Weltausstellung von 1873 bildeten, sind nun im ersten Stockwerk des genannten Gebäudes untergebracht; im zweiten Stock⸗ werk befinden sich die Bureaus und Lesezimmer des Museums, ausge⸗ stattet mit Möbeln und Teppichen aus den verschiedenen orientalischen Pavillons der Ausstellung. Der Protektor des Museums Erzherzog Karl Ludwig und mehrere Minister waren erschienen; der Präsident des Direktionsraths, Sektionschef Baron Hofmann, hielt eine Ansprache, in welcher er die Hoffnung ausdrückte, daß es dem Institute gelingen werde, das ihm vorgezeichnete Ziel, die Förderung der Handels⸗ beziehungen der österreichisch⸗ungarischen Monarchie mit den Ländern des Orients und Ostasiens zu erreichen. Es sei zu hoffen, daß die reiche Sammlung den Anstoß zu einem regen Interesse der öster⸗

885 8

Bechtischen Industriellen für den Export nach den fernen Ländern des

8 u“ 8 88

Se. Köͤnigliche Hoheit der Großherzog von Mecklen⸗ burg⸗Schwerin besuchte 11“; Gest spiel des Her⸗ zoglich Meiningenschen Hoftheaters in der Friedrich⸗ Wilhelmsstadt und wohnte daselbst der Vorstellung bis zum Schlusse bei.

Ihre Königliche Hoheit die Prinzessin Friedrich Carl beehrte am Freitag die Vorstellung „Ehrliche Arbeit’ im Wallner⸗ Theater mit Höchstihrem Besuch und wohnte derselben bis zum Schlusse bei.

Im Woltersdorff⸗Theater, auf welchem si rau Lotte Mende zuerst dem Berliner Publikum vorgestellt sch Föan dieselbe jetzt ein Gastspiel begonnen, zuerst als Fru Klähn in der vom Residenz⸗Theater her bekannten gemüthvollen plattdeutschen Komödie gde lütt, Heckenros“, welche auch Frl. Spann als Grete und Hr. Timm als Grotknecht, Gelegenheit gaben, ihre Gewandtheit im platt⸗ deutschen Dialekt zu beweisen. Heute tritt Fr. Mende in der „Nach⸗ tigall aus dem Bäckergang“ auf. In der neu einstudirten beliebten Gesangsposse „Der Postillon von Müncheberg“, welche in diesen Tagen einige Male aufgeführt wurde, debütirte Frl. Marie Moritz als „Fanny“ mit Erfolg. Sie verbindet mit einer an⸗ muthigen Erscheinung ein gewandtes Spiel und eine wohlklingende geschulte Stimme. Auch der Gast aus Detmold, Hr. Carl Fritze (Lerche) besitzt ein schönes wohlgebildetes Organ und griff auch durch sein Spiel trefflich in das muntere Ensemble ein, dessen Träger be⸗ sonders Hr. Köhler (Bitterling, Theaterdirektor) und Frl. Spann (Kammermädchen) sind.

1 Im Residenz⸗Theater bewährt das Lustspiel „Onkel Braesig“ nach Fritz Reuters „Ut mine Stromtied“ fortdauernde Anziehungskraft. Das elegante Theater ist allabendlich ansehnlich gefüllt und Theodor Schelper, der vortreffliche Darsteller der Titelrolle versteht es mit „Fixigkeit“ das Publikum nicht aus dem Lachen herauskommen zu lassen. Dem Anschein nach wird die in 2. Theilen interessante Vorstellung noch zahlreiche Wiederholungen erleben.

8 8 8 8 5

Der zweite Tag des diesjährigen Frühjahrsrennens, Sonntag, 9. Mai, weist sowohl eine größere Anzahl von Rennen wie besser besetzte Felder als der erste Tag auf; wenigstens sind die Nennungen reichhaltiger ausgefallen. Es werden 6 Rennen gelaufen und zwar „Jungfernrennen“ Preis 1200 (12 Nennungen); „Staats⸗ preis 4. Kl.“ 1500 (9 Nennungen), „Distriktspreis 1. Ki.“ 1500 (2 Nennungen), „Staatsgestütspreis’“ 3000 (8 Nennungen), „Flibustier⸗Handicap“ 1200 (16 Nennungen) und „Wagehals⸗ Steeple⸗Chase“ 1200 (8 Nennungen).

Der Zoologische Garten erfreut sich seit Eintritt des besseren Wetters eines zahlreichen Besuchs. Am letzten Sonntag (2. Mai) sind über 21,000 Billets an der Kasse gelöft worden. Heute findet das erste Militärkonzert statt.

Wie der Nordd. Allg. Ztg.“ aus Cassel telegraphirt wird, brach daselbst am 7. d. Mts. früh 5 ½ Uhr in dem großen, auf dem Rattenburgplatze errichteten Carréschen Circus Feuer aus. Der Brand griff mit solcher Heftigkeit um sich, daß an eine Rettung des Riesenbaucs nicht zu denken war. Der ganze Circus, sammt Gaseinrichtung und Restauration, selbst die im Circus aufgestellte Spritze und die Löschapparate sind verbrannt. Um 6 Uhr reiste der Direktor Carré, welcher am Tage vorher die Abschiedevorstellung gab, mittelst Extrazuges, bestehend aus 26 Wagen und 2 Maschinen, von Cassel nach dem Haag. 8

Bei dem stets wachsenden Interesse, welches der Erlernung und Verwendung der Stolze'schen Stenographie gegenwärtig in allen Krei⸗ sen der Gesellschaft entgegebracht wird, dürfte die Mittheilung am Platze sein, daß eine größere Anzahl stenographirender Damen Ber⸗ lins zu einem „Stenographischen Damen⸗Verein nach Stolze“ zusammengetreten ist, welch er die Verbreitung der Stolze⸗ schen Stenographie in Damenkreisen, sowie die Fortbildung seiner Mitglieder in der Verwendung der Schrift bezweckt. Die Sitzungen und Uebungen des Vereins werden jeden Freitag Abends von 7—9 Uhr in dem vom Magistrate bewilligten Lehrer Konferenzzimmer der 24. Gemeindeschule, Neue Friedrichsstraße 32, abgehalten. Als Vorstands⸗Damen sind gewählt worden: Frau L. Kaeding, Büschings⸗ straße 30, Frl. E. Boehn, Andreasstraße 41, Frl. Reimann, Schützen⸗ strah 30, Frl. Sauer, Enke⸗Platz 7, Frau Kaselitz, Grüner Weg Nr. 37. Ueber demnächst einzulegende theoretische Unterrichtskurse, welche speziell für Damen bestimmt sind und von Damen geleitet werden, wird weitere Mittheilung erfolgen.

Der Hamburger Postdampfer „Schiller“ ist nach einem an den Verein der Hamburger Assecuradeure aus Scilly in Hamburg eingetroffenen Telegramm, von Ney⸗York kommend, gestern Abend um 10 Uhr auf den Klippen beim Bishoprock gescheitert und total ver⸗ loren. Eine große Anzahl von Personen ist bei dem Schiffbruch umgekommen.

Nach weiteren telegraphischen Meldungen sind von dem Dampfer „Schiller“ einige Personen, aber nur sehr wenige, gerettet. Am Bord des gescheiterten Schiffes befand sich auch die via San Franzisko eingelangte Post von Australien und Neu⸗Seeland.

Die Nr. 18 der „Besonderen Beilage“ am Montag, 10. d. M., ausgegeben.

8

wird erst