1875 / 217 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Thu, 16 Sep 1875 18:00:01 GMT) scan diff

Deutsches Neich.

Preußen. Berlin, 16. September. Se. Majestät der Kaiser und König begaben Sich in Begleitung der Höchsten Herrschaften und des Gefolges, wie bereits telegraphisch gemeldet, vorgestern früh um 9 Uhr mittelst Extrazuges von Liegnitz nach Haynau, um dem dort in unmittelbarer Nähe der Stadt stattfindenden Gefechtsexerciren des V. Armee⸗Corps mit markirtem Feind beizuwohnen. Dasselbe begann gegen 10 Uhr in dem Terrainabschnitt, welcher westlich von der Schnellen Deichsel, östlich von der Haynau⸗Goldberger Chaussee begrenzt wird. Der allgemeine Charakter, den das Gelände hier trägt, ist der einer von Osten nach Westen allmählich aus einer flachen Ebene zu leicht markirten Hügeln ansteigenden Landschaft, die auf der Strecke zwischen Neu⸗Woitsdorf und Modelsdorf mit scharf hervortretender Böschung zur Schnellen Deichsel, einem

aus dem Gebirge kommenden, von Wiesen umgebenen Bache,

abfällt.

In der Mitte dieses Raumes ungefähr liegt das Dorf Woitsdorf. Eine schluchtartige Vertiefung durchzieht den eben beschriebenen Abschnitt in nordöstlicher Richtung nach dem Flusse, und theilt ihn in zwei Hälften; mehrere Wald⸗ und Gebüschpar⸗ zellen bedecken die zerstreut liegenden Kuppen und Abhänge.

Die strategische Lage, welche für das Manöver am 14. angenommen worden war, beruhte auf der Annahme, daß eine West⸗Armee vor einer überlegenen Ost⸗Armee von Liegnitz auf das linke Ufer der Schnellen Deichsel zurückgewichen sei, und sich dort mit der Absicht aufgestellt habe, von Neuem die Offen⸗ sive nach Osten zu ergreifen. Der in der Stärke von 18 Ba⸗ taillonen, 15 Escadrons, 15 Batterien gedachte Feind, wurde durch einzelne Abtheilungen und durch Flaggen markirt; er sollte den linken Flügel der Ost⸗Armee bezeichnen, während das V. Armee⸗Corps die Rolle des rechten Flügel⸗Corps der angreifenden West⸗Armee übernahm.

Der Angriff des West⸗Corps sollte ein von Süden her um⸗ fassender sein, um auf diese Weise den Gegner zum Aufgeben seiner Position und zum Zurückgehen zu nöthigen.

Die Durchführung dieser Idee bot eine Reihenfolge von Gefechtsbildern, in welcher jeder Waffe der ihrer eigenthümlichen Kampfesweise entsprechende Spielraum gelassen war.

Die Einleitung bildete der Angriff auf die Uebergänge der Schnellen Deichsel bei St. Hedwigsdorf und Modelsdorf und die Entwickelung der 9. Division, auf dem rechten Ufer zum

Vorgehen in der Front gegen Woitsdorf und in der Flanke gegen

Neu⸗Woitsdorf, um so schnell als möglich die Höhen zwischen beiden Dörfern zu ersteigen. Die 10. Division rückte mit der Corps⸗ Artillerie von Steinsdorf heran, ihre Aufgabe bestand darin, zunächst durch Massen⸗Artilleriefeuer von den Höhen des linken Thalherzes, den rechts von ihr erfolgenden Vorstoß der 9. Di⸗ vifion zu unterstützen, um dann in der allgemeinen Angriffs⸗ richtung Terrain zu gewinnen.

Nachdem der von Süden her unternommene flankirende Angriff Luft für das frontale Vorgehen geschaffen, und die Ab⸗ theilungen des Ost⸗Corps bis in die Höhe des Dorfes Neu⸗ Woitsdorf zurückgedrängt worden waren, passirte die Corps⸗ Artillerie des West⸗Corps auf einer zwischen den Mühlenüber⸗ gängen schnell geschlagenen Kolonnenbrücke den Bach, und ent⸗ faltete ihre Linien zum Schnellfeuer gegen das vor⸗ liegende Waldterrain. Die Ost⸗Armee räumte nunmehr auch Woitsdorf und zog ihre dort fechtenden Ab⸗ theilungen in nördlicher Richtung zurück. Dadurch verengte sich der Gefechtsraum immer mehr, und wurde der Kampf auf die Waldhöhen östlich von Neu⸗Woitsdorf beschränkt. Der Angriff des ganzen V. Corps auf diese Position, zwang endlich die Ost⸗Armee zum Abzug in östlicher Richtung nach Ueberschär und Bandmannsdorf zu. Um denselben möglichst aufzuhalten und zu erschweren, wurde die Kavallerie zu der Verfolgung des Gegners verwendet.

Das Manöver war gegen 12 ½ Uhr beendet, und hatte bei dem im Ganzen übersichtlichen Terrain, und namentlich bei dem concentrischen Gange der Bewegungen sowohl bei dem An⸗ greifer, wie bei dem Vertheidiger, ein im hohen Grade fesselndes, 882g in taktischer Beziehung lehrreiches Bild der Wirklichkeit ge⸗ oten.

Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Kronprinzessin, SA demselben wiederum zu Pferde gefolgt war, hatte Sich bei der am Schluß erfolgten Attacke des Leib⸗Husaren⸗ Regiments an die Spitze desselben gesetzt und dieselbe mit⸗ geritten.

Nach Beendigung der Uebung befahlen Se. Majestät noch einen Vorbeimarsch der Kavallerie und Artillerie in Escadrons⸗ resp. in Batteriefronten im Trabe, und begaben Sich dann, in hohem Grade von den Leistungen der Truppen befriedigt, mit Gefolge nach Liegnitz zurück, woselbst um 5 Uhr ein Diner zu ca. 150 Gedecken stattfand. Zu demselben hatten Einladungen erhal⸗ ten die Fürstlichkeiten, die Hofstaaten, der Feldmarschall v. Steinmetz, der Kriegs⸗Minister von Kameke, die General⸗Lieutenants von Wittich, von Podbielskyn, von Wrangel, von Hausmann, von Biehler, General⸗Major von Stiehle, die Generale Graf Kotzebue, von Schmidt, Hamilton, Balegno, der Herzog von Manchester, der Ober⸗ und der Regierungs⸗Präsident, die Präsidenten der Gerichtsbehörden, Mitglieder der Königlichen und städtischen Be⸗ hörden, die Bürgermeister von Liegnitz, Glogau, Jauer, Haynau, einzelne der in Liegnitz wohnenden höheren verabschiedeten Mi⸗ litärs, der Schloßhauptmann von Zedlitz, der Kommerzien⸗Rath von Ruffer u. A. Abends besuchten Se. Majestät und die Höchsten Herrschaften nebst Gefolge die Vorstellung im festlich 2. Stadttheater und verweilten dort bis gegen Schluß derselben.

Gestern früh um 8 ½ Uhr begaben Sich Se. Majestät mittelst Extrazuges über Frankenstein nach Camenz zum Besuch Ihrer Königlichen Hoheiten des Prinzen und der Prinzessin Albrecht. In der Begleitung Sr. Majestät folgten dahin: Se. Kaiserliche Hoheit der Erzherzog Albrecht, Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz, Ihre Königlichen Hoheiten der Prinz Carl, der Prinz Friedrich Carl, der Prinz Georg von Sachsen, der Herzog von Connaught, der Herzog von Coimbra und der Erb⸗Großherzog von Sachsen⸗Weimar, die General⸗Feldmarschälle Graf v. Moltke, v. Steinmetz, der Kriegs⸗ Minister v. Kameke, der General der Kavallerie v. Podbielski, der General Graf Kotzebue, der General v. Tümpling, der Ge⸗ neral v. Kirchbach, der General⸗Adjutant Graf Goltz, der Hof⸗ marschall Graf Perponcher, der Ober⸗Präsident Graf Arnim und die zum Ehrendienste bei den genannten Fürstlichkeiten komman⸗ dirten Offiziere sowie die persoöͤnlichen Adjutanten.

Nach Begruͤßung der bei Camenz aufgestellten Krieger⸗ vereitne fand ein Dejeuner bei den Hohen Wirthen statt, an welches sich eine Besichtigung der Terrassen und eine Spazier⸗ ahrt anschlossrn. 1““ 1“

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F 1““ CEEb11“*“ 8 8 ““ E1““ 8 8F 1 Gegen 8 ½ Uhr trafen die Allerhöchsten und Hoͤchsten Herr⸗

schaften wieder per Extrazug in Liegnitz ein.

Ihre Kaiserliche und Königliche Hoheit die Kronprinzessin hatte Vormittags das Offizier⸗Corps des 2. (Leib⸗) Husaren⸗ Regiments zum Dejeuner in den Räumen des Königlichen Schlosses befohlen und verabschiedete Sich nach dem Früh⸗ stück in huldvollster Weise von demselben.

Auf dem Bahnhofe hatten sich bei der Abreise Ihrer Kaiser⸗ lichen und Königlichen Hoheit, außer dem eben genannten Offi⸗ zier⸗Corps, auch die in Liegnitz anwesenden englischen Offiziere eingefunden. Um 11 Uhr 27 Minuten verließ der Ihre Kaiser⸗ liche und Königliche Hoheit nach Berlin führende Zug den Bahnhof. In der Begleitung Höchstderselben befanden sich die Hofdame Gräfin Bernstorff, der Hofmarschall Graf zu Eulen⸗ burg und der Kammerherr Graf Seckendorf.

Abends 9 Uhr 32 Minuten trafen Se. Majestät der König von 8 begleitet von dem General Krug von Nidda und dem Major v. Minkwitz, in Liegnitz ein.

Zum Empfang hatten Sich auf dem Bahnhofe Se. Maje⸗ stät der Kaiser sowie die anwesenden Prinzen und Fürstlichkeiten eingefunden.

Die Begrüßung war eine sehr herzliche. Se. Majestät der Kaiser und König geleiteten des Königs von Sachsen Majestät nach derselben in das für Allerhöchstdenselben hergerichtete Quartier im Hause des Stadtraths Prager, dessen Vestibule ein weit geöffne⸗ tes Zelt in den sächsischen Farben darstellte, und das auch sonst im reichsten Blumen⸗ und Lichterschmuck glänzte.

Zur Feier der Ankunft vereinigte demnächst ein Souper von 30 Couverts die Allerhöchsten und Höchsten Herrschaften bei Sr. Majestät dem Könige von Sachsen.

Heute fand das erste gemeinsame Feldmanöver des V. und VI. Armee⸗Corps bei Rothkirch statt.

Die Worte, welche Se. Majestät der Kaiser und König am 10. d. Mts. nach dem Diner in Breslau an die an⸗ wesenden Ritter des Malteser⸗Ordens richteten, lauteten nach der „Post“ ungefähr folgendermaßen:

„Ich freue Mich, Sie begrüßen zu können, Meine Herren. Sie haben in schweren Zeiten der Prüfung treu zu Mir gestanden; denn Sie wissen, daß es Mir fern liegt, Ihre Religion zu verfolgen. Ge⸗ horsam den Gesetzen aber werde Ich und muß Ich überall aufrecht erhalten. Ich wünsche, daß Sie um Ihres Auftretens willen keine Verfolgungen und Anfeindungen zu bestehen haben. Meines Dankes

können Sie immer sicher sein.“

Die Uebersicht der ordentlichen A. sgaben und nahmen des Deutschen Reiches für 1874 ꝛc. giebt auch eine Berechnung der Matrikularbeiträge, welche nach dem Ergebnisse des Reichsbudgets des gedachten Jahres zur Deckung

des Bedarfs desselben aufzubringen gewesen sein würden, sowie der Antheile Jahres 1874. Danach betrug die Bevölkerung des ehemaligen Norddeutschen Bundes 30,742,254 Einwohner und der matrikular⸗ mäßige Antheil dieser Staatengruppe an den Ausgaben für

an dem Ueberschuß aus dem Haushalt des

1874 in Summa 13,023,839 Thlr. Darauf kommen in An⸗ rechnung: der Antheil an den Postüberschüssen 2,095,993 Thlr., der Nachlaß an den Militärausgaben 63,860 Thlr., der Nach⸗ laß an den Gesandtschaftskosten 1940 Thlr., der Antheil an dem Ueberschuß des Jahres 1872 9,949,958 Thlr., im Ganzen 12,111,751 Thlr. Mithin würde für 1874 ein Matri⸗ kularbeitrag zu leisten gewesen sein von 912,088 Thlrn. Etats⸗ mäßig sind erhoben 13,396,328 Thlr., es hat sich also ein Ueber⸗ schuß für 1874 ergeben von 12,484,240 Thlr.

Nach einer Zusammenstellung der Antheile sämmtlicher

Bundesstaaten an dem Ueberschusse des Haushaltes aus dem Jahre 1874 betrug die Summe dieser Antheile 16,200,076 Thlr. gleich 48,600,228 Jahres 1875 übertragen 16,527,862 ℳ, und es bleiben in den Reichshaushaltsetat des Jahrecs 1876 einzustellen 32,072,366

Hiervon werden in die Rechnung des

Die Reichstags⸗Kommission zur Vorberathung

der Entwürfe eines Gerichtsverfassungs⸗Gesetzes, einer Strafprozeß⸗Ordnung und einer Civilprozeß⸗ Ordnung nebst Sitzung vom 14. September mit der Berathung über die Rechts⸗ mittel der Berufung fort. einen Paragraph des Inhalts einzuschalten, daß die Berufung der Staatsanwaltschaft nur aus den Gründen, aus welchen nach dem Entwurfe eine Revision zulässig sei, zustehen solle, außerdem aber die Anschließung, falls der Angeklagte Berufung erhebt. Nach lebhafter Erörterung beschloß die Kommission mit schwacher Mehrheit, der Staatsanwaltschaft weder die Berufung noch die Anschließung zu gewähren. der Einlegung der Berufung, sowie von der Hemmung der Rechtskraft des angefochtenen Urtheils handelnden §§. b d des Antrags Struckmann und Genossen fanden sodann unveränderte Annahme. Beschwerdeführer hat bei Einlegung der Berufung oder spätestens innerhalb rechnet, die Beschwerdepunkte zu Protokoll des Gerichtsschreibers oder in einer Beschwerdeschrift bestimmt zu bezeichnen. eine solche Bezeichnung nicht, so gilt der ganze Inhalt des Ur⸗ theils als angefochten. muß von einem Vertheidiger unterzeichnet sein.“ wurden die beiden ersten Sätze desselben unverändert behalten und nur der dritte Satz gestrichen. teren Geschäftsgang vor der Hauptverhandlung sich beziehenden 88. f und g fanden mit einer nicht wesentlichen Aenderung An⸗ nahme. Vorbereitung der Hauptverhandlung finden die Vorschriften der 88 177, 179 188 Anwendung. Die Vorladung der in erster

Einführungsgesetzen fuhr in ihrer

Abg. Reichensperger beantragte,

Die von der Frist und der Form

Längere Diskussion rief dagegen H§. e hervor: „Der

einer Woche, von diesem Zeitpunkte an ge⸗

Erfolgt Die Beschwerdeschrift des Angeklagten Schließlich

1r bei⸗ Die auf den wei⸗

Eine lebhafte Debatte entstand über §. h: „Behufs

nstanz vernommenen Zeugen und Sachverständigen kann nur

dann unterbleiben, wenn deren wiederholte Vernehmung zur Aufklärung der Sache nicht erforderlich erscheint. mittel sind zulässig. Bei der Auswahl der zu ladenden Zeugen und Sachverständigen haben die Staatsanwaltschaft und der Vorsitzende auf die in der Beschwerde des Angeklagten benannten Personen Rücksicht zu nehmen.“ gegen 12 Stimmen unverändert angenommen.

Neue Beweis⸗

Derselbe wurde indeß mit 14

Die Reichsschulkommission, in welcher die Regie⸗

rungen von Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden und Sachsen⸗Weimar vertreten waren, war für die Tage vom 13. bis 15. September zu einer Konferenz in Weimar zu⸗ sammengetreten. Preußen die Herren Geh. Ober⸗Regierungs⸗Rath Dr. Wiese und Geh. Regierungs⸗Rath Dr. Bonitz, für Bayern Gymnastial⸗ Direktor Dr. Heerwagen aus Nürnberg, für Sachsen Geh. Rath Dr. Gilbert aus Dresden, für Württemberg Ministerial⸗Direktor

An den Berathungen nahmen Theil für

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Binder aus Stuttgart, für Baden Gymmnafial⸗Direktor

Dr. Windt aus Carlsruhe, für Sachsen⸗Weimar Gymnasich Direktor Dr. Rassow aus Weimar.

Der §. 361 des Seutschen Strafgesetzbuchs bestimm aub Nr. 3 ganz allgemein daß mit Haft bestraft werden sol wer als Landstreicher umherzieht. Welche Voraussetzunga und Thatsachen vorliegen müssen, um den Thatbestand des Land streichens zu konstatiren, ist nirgends angegeben. Aus dem, den Minister des Innern vorliegenden Material ist jedoch, wie dee selbe den Bezirksregierungen in einem Cirkular⸗Erlaß vom v. M. mittheilt, zu entnehmen, daß von den in solchen Fällen erkennenden Gerichtsbehörden mehrfach angenommen worden in allen Fällen, in denen eine Person strafrechtlich wegen Land⸗ streichens verfolgt werden soll, müsse der Nachweis geführ werden, daß der Verfolgte längere Zeit hindurch geschäfts⸗ und arbeitslos umhergezogen sei, resp. dasß er eine Gelegenheit zur Gewinnung des ehrlichen Erwerbes u benutzt gelassen habe. Bei einer so beschränkten Interpretatio des bezeichneten Paragraphen wird es, worauf der Minister j dem erwähnten Erlaß aufmerksam macht, schwierig und nur in seltenen Fällen möglich sein, Personen, gegen welche ein Mehreres unmittelbar nicht vorliegt, als daß sie arbeits⸗ und erwerblos umherziehend betroffen find und durch ihr Auftreten überhaupt, namentlich durch Legitimationslosigkeit, Verdacht er⸗ regen, als Landstreicher zur gerichtlichen Verfolgung und Be⸗ strafung zu ziehen, und es würde eine solche Wirkung um so bedauerlicher erscheinen, als die sonstigen Mittel, der überhand nehmenden Vagabondage der fluktuirenden Bevölkerung entgegen zu treten, nach dem gegenwärtigen Stande der Gesetzgebung sehr be⸗ schränkt sind. Es ist nun aber, nach Ansicht des Ministers, nicht anzuerkennen, daß eine weniger enge Interpretetation des §. 361 Nr. 3 unzulässig sein sollte, vielmehr ist eine weitere Auslegung dem Wortlaute und den Absichten der Strafgesetzgebung wohl entsprechend zu erachten. Wenn ein Unbekannter durch sein Auftreten und sein Verhalten an sich Verdacht erregt, wenn er ferner bei der Aufforderung der Behörden, diesen Verdacht durch einen Ausweis über seine Persönlichkeit, seine Unbescholten⸗ heit und seine ehrlichen Absichten zu beseitigen, die Führung die⸗ ses Nachweises unterläßt oder gar verweigert, und wenn hierzu die Konstatirung der Mittel⸗ und Erwerbslosigkeit des Betroffe⸗ nen hinzutritt, so ist nicht abzusehen, warum diese Momente zu⸗ sammen nicht genügen sollten, um auf Grund derselben die betreffende Person als Landstreicher strafrechtlich zu verfolgen. Jedenfalls wird der müssen, der strafrechtlichen Verfolgung der Landstreicherei von diesem Gesichtscunkte aus eine ausgedehntere Wir⸗ kung zu verschaffen. Der damit zu erzielende Erfolg würde nicht allein um der Bestrafung selbst willen und der dadurch leichter zu erreichenden, auf anderem Wege schwer zu erlangen⸗ den Konstatirung der Person und ihrer Vergangenheit, sondern auch und hauptsächlich wegen der daran nach §. 362 des Strafgesetzbuchs sich knüpfenden Befugniß der Landespolizeibe⸗ hörden zur korrektiven Detention der Bestraften, resp. zur Aus⸗ weisung der ausländischen Kondemnaten, nicht gering zu veran⸗ schlagen sein. Die nöthige Fürsorge für die allgemeine Sicher⸗ heit führt demnach darauf hin, daß die polizeilichen Behör⸗ den und Beamten angewiesen werden, unbekannte fremde Per⸗ sonen, welche durch ihr Auftreten und Verhalten den Verdacht des zwecklosen Umhertreibens erregen, dennoch aber weder ge⸗ nügende Subsistenzmittel resp. die stattgehabte Bemühung um Erlangung eines redlichen Erwerbs nachzuweisen vermögen, noch⸗ auch nur den im §H. 3 des Paßgesetzes vom 12. Oktober 1867 vor⸗ gesehenen Ausweis über ihre Person führen können oder wollen, auf Grund des §. 361 Nr. 3 des Strafgesetzbuches der straf⸗ gerichtlichen Verfolgung wegen Landstreicherei zu überweisen.

Die Regierungen sind veranlaßt worden, in diesem Sinne das Geeignete zu verfügen und die betreffenden Polizeibehörden mit entsprechender Weisung zu versehen. Für den Fall, daß Entscheidungen oder Verfügungen der Gerichtsbehörden resp. der Anwaltschaften, welche mit der vorbezeichneten Auffassung prin⸗ zipiell im Widerspruche stehen, zur Kenntniß der Regierungen gelangen sollten, sind dieselben veranlaßt worden, dem Minister Anzeige hierüber zu erstatten.

Im Ressort der Bauverwaltung besteht bis jetzt allgemein das Verfahren, daß diejenigen Beträge, welche aus den Provinzial⸗Hauptkassen an die Spezial⸗Baukassen zur Be⸗

eitung der den letzteren obliegenden Zahlungen für Bauzwecke überwiesen werden, von den Hauptkassen sofort ihrem vollen Be⸗ trage nach bei den bezüglichen Fonds definitiv in Ausgabe ver⸗ rechnet werden. Dies hat die Folge, daß alljährlich in den Rech⸗ nungen der Regierungs⸗ ꝛc. Hauptkassen und demgemäß auch in der Centralrechnung von der Handels⸗, Gewerbe⸗ und Bau⸗ verwaltung, sowie in der allgemeinen Rechnung über den Staats⸗ haushalt auch diejenigen Summen als bereits definitiv ver⸗ ausgabt nachgewiesen werden, welche sich am Jahresschlusse noch unverwendet bei den Spezial⸗Baukassen befanden und entweder erst später verwendet werden oder für die Zwecke, zu welchen sie überwiesen sind, überhaupt nicht zur Verwendung gelangen, viel⸗ mehr als im Bestande verbliebene Beträge den Hauptkassen wieder abgeliefert und bei diesen dann zu Gunsten der allge⸗ meinen Staatsfonds vereinnahmt werden müssen. 8

Da die Jahresrechnungen hiernach einen richtigen Nachweis der zu Bauzwecken wirklich verwendeten Beträge nicht geben, so haben der Finanz⸗ und der Handels⸗Minister es im Einverständnisse mit der Königlichen Ober⸗Rechnungskammer für nothwendig gehalten, zur Beseitigung dieses Mißstandes unterm 25. Juli cr. Nachstehendes zu bestimmen:

a. Wird eine Spezial⸗Baukasse errichtet, so erfolgt die Ueber⸗ weisung der erforderlichen Mittel an den Rendanten derselben nach Mahgabe des Bedürfnisses, wie dies im §. 3 der Instruktion vom 8. Juni 1871 Ministerialblatt für die innere Verwaltung Seite 255 258 vorgeschrieben ist. b

Die Hauptkasse erhält sonach die Anweisung, der Spezial⸗Bau⸗ kasse die erforderlichen Beträge zu zahlen und bei dem bezüglichen Kapitel und Titel des Kassen⸗ bezw. des Staatshaushalts⸗Etats in Ausgabe zu verrechnen. . 8

b. Der Spezial⸗Baukafsenrendant hat die Beträge nach 85öv. der Bestimmungen vorgenannter Instruktion bei sich in Einnahme zu stellen und über die Einnahme und Ausgabe dem⸗ nächst vorschriftsmäßig Buch zu führen. .

Für diejenigen Kassen, welche gleichzeitig Einnahmen und Aus⸗ gaben für mehrere Bauten nachzuweisen haben wird hiermit aus⸗ drücklich bestimmt, daß für jeden einzelnen Bau genau gesondert Buch geführt werden muß und die Fonds für die einzeluen Bauten nicht vermischt werden dürfen. b

0. Sobald ein Bau beendet ist, für denselben sämmtliche Aus⸗ gaben Eiühe und eigene von der Spezial⸗Baukasse direkt zu ver⸗ geeee innahmen nicht mehr zu erwarten sind, hat der Spezial⸗ Baukassenrendant den bei dem Baufonds etwa verbliebenen Bestand ; und jedenfalls bis zum 15. Januar des folgenden Jahres unter

eifügung eines Abschlusses an die Hauptkasse zurückzuliefern.

Wiese Rücklieferung wird in der Spezial⸗Baurechnung durch Ab⸗

setzung von den aus der Hauptkasse empfangenen und vere mnahmten

Betr en verausgabt, von der Mabsetzung von der Ausgabe einnahmt.

Versuch gemacht werden

b ralität, Staats⸗Minister General

Regierungs⸗ ꝛc. Hauptkasse dagegen ei dem bezüglichen Fonds ver⸗ d. Bei denjenigen Bauten, welche am Schlusse des Rechnungs⸗ ahres noch nicht beendigt sind, hat der Spezial⸗Baukassenrendant eine Bücher in Einnahme und Ausgabe am 10. Januar des folgen⸗ den Jahres abzuschließen und den nicht zur Verwendung gekommenen Betrag bei jedem Baufonds in die Bücher des folgenden Jahres als einen von Neuem überwiesenen Betrag zu übernehmen. Er hat ferner sofort, nachdem die Revision des Finalabschlusses von dem Kafsen⸗Kurator erfolgt ist, der Hauptkasse für jeden einzelnen Bau einen Abschluß einzusenden. 8 e. Die 18 d. erwähnten Abschlüsse sind nach folgendem ma aufzustellen: hüh Zur Puftecltung der Ausgaben des näher zu bezeichnenden Baues sind der Spezial⸗Baukasse aus der ꝛc. Hauptkasse überwiesen: 5 1) der am Schlusse des Vorjahres nicht verwendet gewesene Betrag der Ueberweisungen des Vorjahres mit ₰., 2) laut Verfügung der ꝛc. vom. . .. 8) laut Verfüguns deglltarl. 1 zusammen II. Die eigenen beim Baufonds zu verrechnenden Ein⸗ nahmen der Spezial⸗Baukasse im Jahre (—) haben betragen: a. für veräußerte alte Materialien de. (deren Er⸗ löse in dem Bauanschlage vorgesehen sein 8 müssen) . 2 * 2 . * *⁴ . . 5. für aus den Bau⸗ *fonds vorher neu beschaffte Ge⸗ e4“

8

zusammen

Gesammt Einnahme III. An Ausgaben für den Bau im Laufe des Jahres sind bei der Spezial⸗Baukasse gezahlt worden.. I1v. Von den nachgewiesenen Einnahmen sind mithin nicht verwendet woren. . . „„ℳ ₰. f. In dem Falle zu d. sind der Regierungs⸗ ꝛc. Hauptkasse von der Spezial⸗Baukasse mit dem Jahresabschlusse zugleich zwei Quit⸗ tungen einzusenden: die eine über denjenigen Betrag der zuletzt er⸗ folgten Ueberweisung, welcher in dem Jahre, auf welches der Abschluß sich bezieht, bereits zu den Baukosten verwendet ist, die andere über denjenigen Betrag, welcher disponibel geblieben und nun als neue Ueberweisung in die Bücher des folgenden Jahres übertragen ist.

g. Die Hauptkasse hat auf Grund des Abschlusses zu d. den als nicht verwendet nachgewiesenen Betrag bei dem bezüglichen Fonds von der Ausgabe abzusetzen, diesen Betrag aber gleichzeitig als neue Ueberweisung für das folgende Jahr zu buchen. 1

Die Abschlüsse . 11.“ sind nebst den Quittungen

echnungsbelägen beizufügen. 1 2 hn Aäbschluß zu c. und d. muß vor der Einsendung an die Hauptkasse von dem Kassenkurator dahin bescheinigt werden:

„daß die in vorstehendem Abschlusse aufgeführten Ausgaben für den parin bezeichneten Bau in den Kassenbüchern (Manualen) der Spezial⸗Baukassen gehörig nachgewiesen und die Anweisungen und Ouittungen über die einzelnen Ausgabebeträge bei den stattgehabten regelmäßigen und außerordentlichen Kassenrevisionen richtig und voll⸗ ständig vorgezeigt worden sind; ferner, daß nach den geführten Kontrolen weitere Einnahmen, als in diesem Abschlusse nachge⸗ wiesen worden, nicht in Rechnung zu stellen gewesen sindd.

Bei denjenigen Spezial⸗Baukassen, welche sich in den Händen von Rendanten bereits dauernd bestehender Spezial⸗Unterkassen be⸗ finden (Kreissteuer⸗, Steuer⸗, Forstkassen und dergl.), ist der Kurator dieser Spezialkassen selbstverständlich auch Kurator der dem Ren⸗ danten übertragenen Bankasse. Diesem Kurator ist, soweit dies bisher etwa nicht geschehen, von der Uebertragung einer Spezial⸗ Baukasse an den Rendanten, sowie von denjenigen Beträgen, welche ihm zur Bestreitung der Ausgaben ans der Hauptkasse überwiesen werden, sowie von den sonstigen, bei der Spezial⸗Baukasse zu

ereinnahmenden Beträgen in jedem Falle Mittheilung zu machen. Auch ist diesen Kuratoren ausdrücklich zur Pflicht zu machen, die Kassen⸗ und Buchführung der Spezial⸗Baukassen, insbesondere auch durch die vorschriftsmäßigen Revisionen ebenso zu überwachen, wie ihnen dies 8 düch auf die sonstigen von der Kasse zu ver⸗ waltenden Fonds oblieg 8

In 88 Fällen, wo Spezial⸗Baukassen solchen Personen über⸗

tragen werden müssen, welche nicht Rendanten bereits bestehender Unterkassen sind, muß, von der Königlichen Regierung ein für die Spezial⸗Baukasse, unter Berücksichtigung mög⸗

rsparniß, jedesmal besonders bestimmt werden, dieser schriftsmäßiger Ausübung seiner Funktionen, insbeson⸗

dere auch wegen Vornahme der regelmäßigen und außerordentlichen Kassenrevistonen mit Anweisung versehen werden.

i. Gleichzeitig bei Einreichung der Abschlüsse zu c. und d. an

ie Regierungs⸗ ꝛc. Hauptkasse ist eine zweite, ebenfalls vom Kassen⸗

Kurator gehörig bescheinigte Ausfertigung derselben an die den Bau eitende Behörde (Regierung ꝛc.) einzureichen.

Diese hat den Abschluß zu prüfen und, im Fall sich etwa eine

Differenz herausstellen sollte, deren schleunigste Beseitigung bezw. die

Berichtigung der Hauptkasse noch vor dem Jahresrechnungs⸗ 1 veranlassen. . 4

8 1a za ist von der Königlichen Regierung darüber zu wachen, daß

die Spezial⸗Baukassen in Bezug auf sämmtliche Spezial⸗Baufonds

die vorgeschriebenen Abschlüsse rechtzeitig einreichen.

k. Hinsichtlich des Kauntionswesens der Spezial⸗ Baukassen⸗

Rendanten findet die Allerhöchste Verordnung vom 8. August 1874

G. S. S. 288) resp. die §§. 2 und 5 der Verordnung vom 10. Juli 1874 (G. S. S. 260), soweit es sich um unmittelbare, im eigent⸗ ichen Staatsdienst stehende Beamte handelt, Anwendung.

Hinsichtlich der nicht zu den Staatsbeamten gehörigen Personen, auf welche das Kautionsgesetz vom 25. März 1873 (G. S. S. 125) und die zu denselben ergangenen Allerhöchsten Verordnungen keine Anwendung finden, sind dagegen bezüglich der Kautionsbestellung für

die Spezial⸗Baukassen besondere Bestimmungen nothwendig, und wird

die Königliche Regierung daher ermächtigt, den Betrag der desfallsigen Kaution Anasogie des §. 2 der Allerhöchsten Feoebenn vom 10. Juli 1874, auf das Doppelte der Vergütung, welche der Rendant

voranssicilich beziehen wird, festzusetzen.

Die Kaution muß eh v. 150 betragen, und höhere Beträge müssen durch 150 theilbar sein. 8

Fede einer Spezial⸗Baukasse muß mit einer bei der Abnahme von der Königlichen Regierung hinsichtlich der Richtigkeit bescheinigten Anzeige darüber versehen werden, in welcher Art von dem Rendanten der Spezial⸗Baukasse Kaution bestellt worden ist.

Der Minister des Innern hat unterm 7. d. Mts. ver⸗

fügt, daß die vorstehenden Bestimmungen au bei den im Be⸗

reiche seines Ressorts vorkommenden Bauausführungen in An⸗ wendung zu bringen sind.

Der Kreisthierarzt Herrmann zu Nimptsch ist aus dem Kreise Nimptsch in den Kreis Rybnik versetzt worden.

S. M. S. „Augusta“ ist am 16. August cr. früh in Barbados angekommen und beabsichtigte am 17. dess. Mts., Mittags die Reise nach Sabanilla fortzusetzen. An Bord Alles wohl.

iel, 15. S heber Kieler Ztg.) Der Chef der Admi⸗ KieI, a8. Rchi der Fifankeren Se eute Nacht hier eingetroffen und im Hotel „Germania“ abge⸗ 8— Fen Morgen gegen 8 Uhr begab ssich Se. Excellenz an Bord der Segelfregatte „Niobe“ zur Inspizirung. Nach beendigter Besichtigung ging die „Niobe“ unter Segel, ihrem

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Beispiele folgten die Briggs „Undine“, öö und

erste übernahm die ührung, während die beiden letztgenannten Fahrzeuge sich der „Niobe“ anschlossen. Bei dem herrlichsten Wetter schwellte eine leichte Brise die Segel dieses Schulschiffs⸗Geschwaders, und die günstige Windrichtung, etwa aus Südost, gestattete die direkte Ausfahrt aus dem Hafen. Die Fahrt wird sich jedoch nicht weiter als bis Bülk erstrecken, und steht dann die Rückkehr der Schiffe bevor. Heute wird die Korvette „Vineta“, welche zur Ueberführung in Dienst gestellt, war wieder außer Dienst gestellt. Der Stapellauf der Panzerfregatte „Großer Kur⸗ fürst“ wird bestimmt am 17. d. M., Nachmittags zwischen 1— 3 Uhr, in Wilhelmshaven stattfinden. Das Kanonenboot „Drache“ ist am 11. d. Mts. von Cuxhaven fort und nach Bremerhaven gegangen. Daselbst ist auch bis auf Weiteres die Poststation.

Bayern. München, 14. September. Am 20. findet zu Wien beziehungsweise Ebenthal die Vermählung Sr. König⸗ lichen Hoheit des Herzogs Max Emanuel in Bayern mit der Prinzessin von Sachsen⸗Coburg⸗Gotha statt. Es werden dazu auch Ihre Majestäten der König und die Königin von Portugal, sowie der regierende Herzog von Sachsen⸗Coburg erwartet. Se. Königliche Hoheit der Herzog Karl Theodor in Bayern hat die Oberleitung der Ver⸗ waltung von Tegernsee und Kreuth, welche ihm durch Erbschaft von dem verewigten Prinzen Karl zugefallen sind, dem Obersthofmeister seiner Mutter, der Frau Her⸗ zogin Max, Frhrn. v. Wulffen übertragen. Der Kriegsminister General⸗Lieutenant v. Maillinger, der auch den Schlußmanövern des II. Armee⸗Corps in Mittelfranken bei⸗ wohnte, hat sich von dort nach der Pfalz begeben, um den bis 15. d. bei Dahn stattfindenden Detachements⸗Uebungen einer kombinirten Brigade beizuwohnen. Am 11. d. M. veranstal⸗ teten die beiden städtischen Gemeinde⸗Kollegien von Bam⸗ berg im Verein mit den beiden dortigen Gesangvereinen vor dem Palaste des Herrn Erzbischofs von Schreiber als Ovation eine große Serenade. Al.

16. September. (W. T. B.) Se. Majestät der Kaiser von Oesterreich wird am Sonnabend, den 18. d. M., Mit⸗ tags, zum Besuche seiner Tochter, der Prinzessin Gisela, hier eintreffen und mehrere Tage hierselbst verweilen .. LwSachsen. Dresden⸗ 15. Sepsenbet. Die sächsische Gewerbe⸗ und Industrieausstellung ist heute durch den Vorsitzenden der Ausstellungskommission, Herrn Kauf⸗ mann Walter, geschlossen worden. Der Schlußfeierlichkeit wohnte der Staats⸗Minister v. Nostitz⸗Wallwitz bei, welcher eine Ansprache an die Versammlung richtete. Das heutige „Dr. J.“ veröffentlicht das vollständige Verzeichniß der zuerkannten

reise.

8 15. September. (W. T. B.) Nach den bis jetzt hier bekannt gewordenen Resultaten der Abgeordneten⸗ wahlen zum Landtage sind 6 Kandidaten der national⸗ liberalen, 6 der fortschrittlichen und einer der konservativen Partei gewählt worden. Die Konservativen verloren 2 ihrer bisherigen Wahlsitze, die National⸗liberalen verloren 2 Wahlsitze und gewannen 2 neue, die Fortschrittspartei verlor einen Wahlsitz und gewann 2 neue. Im 18. städtischen Wahlkreise Zschopau wurde der Fabrikbesitzer Stauß in Glauchau (national⸗liberal) gewählt. Im 22. städtischen Wahlkreise Lengenfeld siegte Advokat Koerner in Lengenfeld (national⸗liberal).

16. September. (W. T. B.) Das Resultat aus den städtischen Wahlkreisen für die Abgeordnetenwahlen zum Landtage liegt nunmehr pollständig vor. Es sind gewählt worden 7 Kandidaten der national⸗liberalen, 7 der Fortschritts⸗ partei und einer der konservativen Partei. Im 6. städtischen Wahlkreis Freiberg siegte Stadtrath Blüher in Freiberg (nat.⸗ lib.); im 7. städtischen Wahlkreis Meißen wurde Fabrik⸗ besitzer Scheller in Dresden (nat.⸗lib.) gewählt; im 17. städti⸗ schen Wahlkreis Stollberg Advokat Dr. Minckwitz in Dresden fortschrittl.); im 8. städtischen Wahlkreis Wurzen Advokat Meischner in Penig (fortschrittl.); im 13. städtischen Wahl⸗ kreis Burgstädt Gewerbe⸗Bankdirektor Frühner in Dres⸗ den (fortschrittl.). Aus den ländlichen Wahl⸗ kreisen sind weiter folgende Wahlen bekannt gewor⸗ den: Im ländlichen Wahlkreis Ostritz siegte Ritter⸗ gutsbesitzer Dr. Pfeiffer in Burkersdorf (nat.⸗lib.); im 37. länd⸗ lichen Wahlkreis Lichtenstein Gutsbesitzer Kaestner in Zwickau (nat. lib.); im 43. ländlichen Wahlkreis Auerbach Fabrikant Kramer jun. in Kirchberg (nat.⸗lib.); im 34. ländlichen Wahl⸗ kreise Marienberg Advokat Böhme in Annaberg (fortschrittl.). Die Konservativen verloren 2 ihrer bisherigen ländlichen Wahl⸗ kreise und gewannen einen neuen.

Baden. Karlsruhe, 14. September. Die „Karlsruher Ztg.“ meldet: Se. Königliche Hoheit der Großherzog empfing am Morgen seines Geburtstages die Spitzen der Staats⸗ und Gemeindebehörden, welche aus Constanz auf Schloß Mainau eingetroffen waren, um Se. Königliche Hoheit zu beglückwün⸗ schen. Auch die Bürgermeister und Gemeinderäthe der umliegen⸗ den Dörfer wurden vom Großherzog zur Gratulation empfangen.

Um Mittag unternahm die ganze Großherzogliche Familie auf dem Dampfschiff „Kaiser Wilhelm“ einen Ausflug nach Bre⸗ genz, welchem sich Se. Großherzogliche Hoheit der Markgraf Max in Unteruhldingen und Ihre Kaiserliche Hoheit die Prin⸗ zessin Wilhelm in Hagnau⸗ anschlossen. Nach Besteigung des Gebhartsberges, dessen herrliche Fernsicht vom schönsten Wetter begünstigt war, kehrten die Höchsten Herrschaften mit ihren zahl⸗ reichen Gästen nach Schloß Mainau zurück.

Den 11., Nachmittags, reisten Se. Königliche Hoheit der Großherzog, von Sr. Königlichen Hoheit dem Erbgroßherzog bis Oos begleitet, nach Baden ab, während der Erbgroßherzog sich nach Karlsrube begab, um am 12. früh im Auftrag des Großherzogs dem General der Infanterie von Werder das Großkreuz an der Kette mit Stern in Brillanten des Zähringer Löwen⸗Ordens, nebst IHüchfedessen ö(dgen zum 5 C⸗ ährigen Dienstjubiläum zu überbringen.

vhn 12. Pdngs empfingen Se. Königliche Hoheit der Großherzog den General der Infanterie von Werder auf Schloß Baden und beglückwünschten ihn in herzlichster Weise in Gegen⸗ wart der zahlreich zur Tafel geladenen Offiziere des XIV. Armec⸗ Corps. An dieser Tafel von über 150 Gedecken nahmen außer dem Jubilar unter Anderm Theil, Se. Köͤnig⸗ liche Hoheit der Erbgroßherzog, Se. Großherzogliche Ho⸗ heit der Prinz Wilhelm, der kommandirende General des XV. Corps, General der Infanterie von Fransecky, der Gouverneur von Coblenz General der Infanterie von Beyer, der General der Infanterie General⸗Adjutant Freiherr von Neubronn, die General⸗Lieutenants von Pritzelwitz, von Woyna, von Gayl,

„Rover“; die

die General⸗Majore Wirth, von Helden, von Bonin, von Falken⸗

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hausen und mehrere in der Armee dienende Verwandte des Ju⸗ bilars, sämmtliche Regiments⸗Commandeure des Armee⸗Corps und Offiziere, Aerzte und Militärbeamte aller Grade und Ab⸗ theilungen. Den ersten Trinkspruch brachte der Großherzog auf das Wohl des Generals von Werder; darauf folgte ein Trink⸗ spruch des Jubilars auf Se. Königliche Hoheit den Großherzog, und endlich erhob sich der Erbgroßherzog und forderte in war⸗ men Worten auf, dem Deutschen Kaiser ein dreifach begeistertes Hoch zu bringen. Es war der erste Trinkspruch, den der Erbe: großherzog in so großer Versammlung gesprochen, und er sprach ihn sicher, fest und laut zur Freude aller Anwesenden. Nach der Tafel führte der Großherzog seine Gäste in die Gärten, wo bei den Klängen einer Militärmusik Se. Königliche Hoheit sich noch längere Zeit mit den zahlreichen Offizieren unterhielt. Abends spät kehrte Se. Großherzogliche Hoheit * Prinz Wilhelm nach Karlsruhe zurück, während Se. Königliche Hoheit der Erbgroßherzog sich nach Steinbach begab, um di Nacht mit dem 1. Bataillon des 1. Badischen Leib⸗Grenadier⸗ Regiments im Bivouak zuzubringen, von wo am folgenden Tag die Detachementsübuugen ihren Anfang nahmen. 1

Se. Königliche Hoheit der Großherzog hat sich am 12. früh zu Ihrer Majestät der Kaiserin begeben, Allerhöchstwelche am 11 Abends aus Coblenz in Baden eingetroffen ist, und hat mi Ihrer Majestät das Frühstück eingenommen. . 3

Abends erschien Se. Königliche Hoheit zum'Thee bei Ihrer Großherzoglichen Hoheit der Prinzessin Marie von Baden, Her⸗ zogin von Hamilton, und empfing vorher den Besuch Sr. Großherzoglichen Hoheit des Prinzen Gustav von Sachsen⸗ Weimar.

Am 13. früh begab sich Se. Königliche Hoheit der Groß herzog in die Gegend zwischen Steinbach und Bühl, wohnte, dort zu Pferde gestiegen, den Detachementsübungen an, und kehrte nach Beendigung derselben nach Schloß Baden zurück.

Abends 5 Uhr speiste Se. Königliche Hoheit an der Tafel Ihrer Majestät der Kaiserin. 1z

Den 14. früh wird der Großherzog bei Achern der Fort⸗ setzung der Detachementsübungen anwohnen, und Nachmittags die Rückreise nach Mainau antreten.

Mecklenburg. Schwerin, 15. September. Ihre König⸗ liche Hoheit die Großherzogin⸗Mutter ist gestern von Heiligen Damm hier eingetroffen und wird heute wieder dorthin zurückkehren. Heute, am Geburtstage des hochseligen Groß⸗ herzogs Paul Friedrich, ist die Ruhestätte des Verewigten in der Heiligen Bluts⸗Kapelle mit Blumen und Kränzen reich geschmückt. Ihre Königliche Hoheit die Großherzogin Alexandrine erschien früh 7 Uhr in der Domkirche und verweilte in stiller Andacht an dem Sarge ihres Gemahls. 8

Neustrelitz, 14. September. Wie der „Köln. Ztg.“ aus Paris telegraphirt wird, ist Se. Königliche Hoheit der Groß⸗ herzog gestern daselbst angekommen. 8

Elsaß⸗Lothringen. Straßburg, 14. September. Gestern Vormittag wurde die ordentliche Session des Bezirks⸗ tages des Unter⸗Elsaß hier eröffnet. Aus der nach Er⸗ ledigung der einleitenden Formalitäten vorgenommenen Wahl des Bureaus ging Hr. Julius Klein als Präsident, Hr. Flurer als Vize⸗Präsident hervor. Mit den heutigen Morgenzügen langte bereits eine erhebliche Anzahl von Gästen zur XX. Wanderversammlung deutscher und österreichi⸗ scher Bienenwirthe hier ein. Heute Abend 8. Uhr findet zum Zwecke der gegenseitigen Begrüßung eine Zusammenkunft in der Réunion⸗des⸗Arts statt, bei welcher die Stadt Straß⸗ burg durch den Bürgermeistereiverwalter Hrn. Back pertreten sein wird.

Metz, 13. September. Heute Mittag um 12 Uhr wurde der Bezirkstag von Lothringen durch den Bezirks⸗Prä⸗ sidenten Hrn. von Puttkamer eröffnet. Anwesend waren 25 Mit⸗ glieder, während 4 weitere Mitglieder sich entschuldigt hatten. Nach Verlesung der Allerhöchsten Verordnung fand die Wahl der Präsidenten des Bezirkstages statt und wurde Hr. Adam zum ersten Präsidenten, Hr. Thomas zum Vize⸗Präsidenten ge⸗ wählt. Es wurde darauf zur Wahl der Kommissionen ge⸗ schritten, welche sofort in Berathung der von der Regierung mitgetheilten Vorlagen, deren Zahl ungefähr 65 beträgt, ein⸗ traten. 8 1..“

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Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 15. September. (W. T. B.) seer Telegramm der „Wiener Abendpost“ aus Sassetot von gestern Abend lautet: „Das Gefühl des Wohlbefindens hat bei der Kaiserin den ganzen Tag angehalten; es war Appetit vorhanden; die Kopfschmerzen haben sich bei fortgesetzter An⸗ wendung von Eisumschlägen und bei völliger Ruhe im Bette tetig vermindert.“

16. September. Zufolge Nachrichten, welche der „Amts⸗ zeitung“ von gestern früh aus Sassetot zugegangen sind, zeigte die Kaiserin nach erquickendem Schlafe eine sehr geringe Kopfeingenommenheit. Das Gesammtbefinden und die Stim⸗ mung der Kaiserin sind recht zufriedenstellend. Die Hautab⸗ schürsungen sind verschwunden. Die Kaiserin gedachte eine kurze Zeit im Garten zuzubringen.

Pest, 15. September. Nach Vornahme der Wahlen in die Delegation, wobei sämmtliche von der liberalen Partei vorge⸗ chlagene Abgeordnete gewählt wurden, begann im Unterhaus e 0” Adroßdebatte. Von dem Abgeordneten Miletics wurde ein besonderer Adreßentwurf überreicht, der u. A. auch sehr um⸗ ständlich auf spezifisch österreichische Verhältnisse eingeht. Nach Verlesung des letzteren wies der Präsident darauf hin, daß in diesem Adreßentwurfe gegen die vom ungarischen Reichstag ver⸗ folgte Politik Verwahrung eingelegt werde, und fügte hinzu, daß er, wenn einer der Abgeordneten in einer Rede Ausdrücke ge⸗ brauchen sollte, wie sie in dem Mileticsschen Adreßentwurfe ent⸗ halten seien, demselben unfehlbar das Wort entziehen würde. Das Haus beschloß darauf, den Adreßentwurf des Abgeordneten Miletics gar nicht durch den Druck vervielfältigen zu lassen. Wie dem „Pester Lloyd“ mitgetheilt wird, beabsichtigt der Finanz⸗Minister in keiner Weise eine Verpachtung des Tabakmonopols.

Schweiz. Bern, 13. September. Laut soeben in Ueber⸗ 2 dem Nationalrathe vom Ständerathe gefaßten Beschlusse, betreffend das eidgenössische Banknotengesetz, haben die schon bestehenden Emissionsbanken längstens sechs Monate nach seinem Inkrafttreten beim Bundesrathe um die vorgeschriebene Ermächtigung zur Notenausgabe nachzusuchen. Sechs Monate, nachdem eine Bank die Formulare für die neuen Noten entgegengenommen hat, dürfen weder von ihr noch von den übrigen Emissionsbanken deren alte Noten weiter in Cirkulation gesetzt werden, und es hat alsdann die betreffende Bank die in Cirkulation befindlichen ohne

1Verzug zurückzurufen.

Diejenigen der schon bestehenden

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