Betrage abschließt, wurde die Niedersetzung einer aus 5 Mit⸗ gliedern bestehenden Kommission beschlossen, welche auch den Etat für die ständische Versicherungsanstalt pro 1876 prüfen und begutachten soll.
Bayern. München, 6. Oktober. Der Minister von Pfretzschner ist am vergangenen Sonnabend von einem Hals⸗ leiden befallen worden, doch befindet sich derselbe bereits wieder auf dem Wege der Besserung.
— 7. Oktober. (W. T. B.) In der heute Vormittag statt⸗
des Adreßausschusses, welcher die Mi⸗ nister beiwohnten, gelangte die vom Abg. Jörg entworfene Adresse zur Verlesung. Vor der Verlesung erklärte Jörg, das ganze Ministerium müsse abdanken, weil es sich selbst für solidarisch erklärt habe und weil es einen seiner Mitglieder (den Justiz⸗ Minister v. Fäustle) von der liberalen Partei habe in die Kam⸗ mer wählen lassen. Der Adreßentmwurf enthält die sten Angriffe auf die Regierung, namentlich wegen der Eintheilung der Wahlkreise und wegen der von der Re⸗ gierung befolgten deutschen Politik, und schließt mit der Aufforderung an den König, er möge, wie der ver⸗ storbene König Max sagen: „FIch will Frieden haben mit meinem Volke“ und möge demgemäß das Ministerium entlassen. Eine Diskussion über den Entwurf fand nicht statt, sondern nur eine Debatte über Anberaumung der nächsten Ausschußsitzung, welche Jörg auf heute Nachmittag anberaumt wissen wollte, während Hauck (gleichfalls klerikal) dieselbe auf morgen Nachmittag 4 Uhr anzusetzen beantragte. Nach heftigen Debatten, besonders zwi⸗ schen Jörg und Stauffenberg, wurde der Haucksche Antrag mit 13 Stimmen gegen die 2 Stimmen von Jörg und Ratzinger
angenommen. Einer Aeußerung des Abgeordneten Schauß gegen⸗ über bemerkte Jörg noch, er allein, nicht aber seine Partei, habe bisher von dem Adreßentwurf Kenntniß gehabt.
Sachsen. Dresden, 7. Oktober. Der König ist heute Vormittag von Wien in der Königlichen Villa zu Strehlen eingetroffen. 1
Hessen. Darmstadt, 6. Oktober. Heute fand in dem Saale der Ersten Kammer die Einweisung der letzteren durch die von der Regierung ernannte Einweisungs⸗Kommission statt. Als erster Präsident ist von Seiten des Großherzogs der frühere erste Präsident Graf Carl von Schlitz, gen. von Görtz, wieder ernannt worden. Bei der auf die Einweisung folgenden Wahl eines zweiten Präsidenten wurde der frühere zweite Präsident, Frhr. Schenck zu Schweinsberg, wiedergewählt. Als Schrift⸗ führer gingen Fürst zu Isenburg und Büdingen und Geheime Rath Willich, gen. von Pöllnitz, aus der Urne hervor. Hierauf wurden die Ausschüsse gewählt.
— 7. Oktober. (W. T. B.) Bei der Eröffnung des Landtags durch den Minister Hofmann kündigte derselbe in seiner Eröffnungsrede die Vorlegung eines Gesetzentwurfs, betreffend die Einführung einer Kapitalsteuer und die Heran⸗ ziehung der Aktiengesellschaften zur Einkommensteuer, an. Auch solle ein Gesetzentwurf, betreffend die Besteuerung des Weines, eingebracht werden. Das vorgelegte Budget für das Jahr 1876 schließt mit einem Ueberschuß von 6,018,664 ℳ ab. Innerhalb der nächsten Finanzperiode ist die Errichtung einer landwirth⸗ schaftlichen Mittelschule, einer⸗ Baugewerbeschule und eine Er⸗ höhung der Gehalte der Volksschullehrer in Aussicht genommen, und sind die bezüglichen Gesetzentwürfe bereits ausgearbeitet.
8 Anhalt. Dessau, 6. Oktober. Die Herzogliche Fa⸗ milie weilt noch auf Schloß Ballenstedt am Harze und gedenkt auch vor dem 20. d. M. nicht nach Dessau zurückzukehren. Die Herzogin von Altenburg, der Erbprinz und die Erbprinzessin von Sondershausen haben sich ebenfalls nach Ballenstedt begeben. — Nachdem der Herzog „als eine Anerkennung und Belohnung ausgezeichneter und besonderer Leistungen im Gebiete 353 30. Juli 1873 schaft und Kunst“ laut Beschlußnahme vom 19 Sepibr 1875 „einen besonderen Verdienst⸗Orden gestiftet und denselben dem Herzoglich anhaltischen Haus⸗Orden Albrecht des Bären affiliirt“, auch den hiernach abgeänderten Ordensstatuten die Höchste Genehmi⸗ gung ertheilt hat, werden diese „Erneueten Statuten des Herzoglich anhaltischen Haus⸗Ordens Albrecht des Bären“ durch die „Ges. Samml.“ zur öffentlichen Kenntniß gebracht.
Der Orden besteht aus drei Graden, nämlich aus Groß⸗ kreuzen, Commandeurs erster und zweiter Klasse und Rittern erster und zweiter Klasse, aus der mit demselben in Verbindung gebrachten goldenen und silbernen Verdienst⸗Medaille, sowie aus dem erwähnten Verdienst⸗Orden für Wissenschaft und Kunst.
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 6. Oktober. Die Kaiserin ist heute früh nach einer beinahe neunwöchentlichen Abwesenheit von Wien und Oesterreich im erfreulichsten Wohlergehen in Wien angekommen. Die Ankunft Ihrer Majestät erfolgte mit dem Courierzuge der Westbahn in Penzing, wo Allerhoͤchstdie⸗ selbe von dem Kaiser und dem Kronprinzen Rudolf erwartet
wurde. Mit demselben Zuge traf auch der Prinz Ludwig von Bayern ein.
— Der König von Sachsen hat heute den Minister⸗ Präsidenten Prinzen Adolf Auersperg empfangen, und bessich⸗ tigte dann die Ausstellung der kunstgewerblichen Fachschule, die Schulausstellung der Kunstgewerbeschule, sowie die Ausstellun⸗ gen des österreichischen Kunstvereines und im Künstlerhause.
— Die Königin⸗Wittwe von Sachsen ist am 4. d. M. von Meran in Innsbruck angekommen und am 5. d. M. von dort nach München abgereist.
— Der Herzog von Sachsen⸗Altenburg ist am 4. d. M. in Innsbruck angekommen und am 5. d. M. über Salzburg nach Dresden weiter gereist.
— Das artilleristische Probeschießen aus den neuen Geschützen vor den Delegationen fand gestern um 8 Uhr früh vor 90 Delegirten bei Felixdorf statt. Das Vergleichsschießen erfolgte zuerst mit 20 Schüssen (blind adjustirte Hohlgeschosse); hierauf wurden je 10 scharf adjustirte, doppel⸗ wandige Hohlgeschosse und scharf adjustirte Ringhohlgeschosse verfeuert. Die Besichtigung der Scheiben ergab, wie die „Wien, Z.“ mittheilt, ein höchst befriedigendes Resultat zu Gunsten der Stahl⸗ bronzekanonen. Die Distanz war 2000 Schritte. Bei 60 Rotten auf je einer Planke erwies die erste Planke 46 Rotten und 340 Treffer; die zweite Planke 47 Rotten und 132 Treffer; die dritte Planke 38 Rotten und 68 Treffer. Das Endresultat ergab bei der Stahlbronzekanone 10, bei der Kruppschen Kanone 9 Haupt⸗ treffer, wonach sich also eine größere Präzision bei der Uchatius⸗Kanone herausstellte. Nach einem in Zelten ser⸗ virten Dejeuner wurden die Versuche auf 3000 Schritte fort⸗ gesetzt. Es konnte schon bei der dritten Planke kon ttatirt wer⸗ den, daß das Verhältniß der Trefferanzahl der Uchatius⸗Kanonen
heftig⸗
gegen die Kruppschen Kanonen sich wie 5:2 stellt. Unendlich größer war der Unterschied bei dem hierauf stattgefundenen Ver⸗ gleichsschießen zwischen den neuen Stahlbronzerohren und den bisherigen normalen Bronzerohren, was die Wirkung ihrer Schüsse betrifft. Es wurden auf 3000 Schritt Distanz mit 40 Ringhohlgeschossen und 40 normalen Hohlgeschossen zur Dar⸗ stellung des Unterschiedes in der Trefffähigkeit und Wirkung beider Geschützgattungen auf andere drei, je 20. Meter hintereinander befindliche Scheibenplanken eben so viel Schüsse gemacht. Die Ringgeschosse machten auf der ersten Planke in 55 Rotten 1016, in der zweiten Planke in 56 Rotten 1006 und in der dritten Planke in 57 Rotten 644, im Ganzen 2666 Treffer, was per Schuß 76 Treffern entspricht, während die normalen Bronzekanonen auf der ersten Planke in 12 Rotten 12 Treffer, in der zweiten Planke in 29 Rotten 72 Treffer, in der dritten Planke in 33 Rotten 84, im Ganzen 168 Treffer machten, was per Schuß 6 Treffern entspricht. Es hätte hierauf noch auf 5000 Schritt Distanz mit der nämlichen Ge⸗ schützzahl und Gattung ein Vergleichsschießen stattfinden sollen, es wurden indessen nur einzelne Schüsse aus den neuen Ge⸗ schützen abgegeben, um deren Trefffähigkeit auch auf diese weite Distanz zu beweisen.
— 7. Oktober. (W. T. B.) Die Reichsrathsdelega⸗ tion hat das Budget für das Auswärtige Amt unverändert angenommen, nachdem Graf Andrassy auf an ihn gerichtete An⸗ fragen sowohl betreffs der Vorlage eines Rothbuchs, wie be⸗ züglich der auswärtigen Politik Erklärungen abgegeben hatte, welche im Wesenlichen mit seinen Erklärungen in den Aus⸗ schüssen übereinstimmen. Der Minister des Auswärtigen verlieh bei dieser Veranlassung seiner Ueberzeugung Ausdruck, daß die zwischen den beiden Theilen der Monarchie schwebende handels⸗ Frage eine für alle Faktoren befriedigende Lösung fin⸗
en werde.
Niederlande. Der Papst hat unter dem Datum des 25. August wiederum ein neues EFxkommunikationsdekret gegen die jansenistischen Bischöfe, namentlich gegen den Erzbischof Heykamp von Utrecht und den Zischof Rinkel von Harlem, erlassen, worin dieselben in gewohnter Weise ver⸗ dammt werden. Die ultramontane „Tyd“ veröffentlicht dasselbe. Die Bischöfe der sogenannten jansenistischen Kirche in den Niederlanden haben nämlich von Alters her den Brauch, ihre Wahl dem heiligen Vater zu melden, worauf ihnen dann ein Bannfluch zur Antwort wird. So ist es denn auch dem vor einiger Zeit erwählten Erzbischof Heykamp ergangen.
Großbritannien und Irland. London, 6. Oktober. Der Prinz von Wales tritt am 11. d. seine Reise nach Indien an. Zunächst begiebt er sich über Dover und Calais nach Paris, wo er bis zum 13. Abends verweilt. Dann geht er über Macon und Modena weiter nach Turin und von da nach Brindisi, woselbst am 16. ds. die Einschiffung an Bord des Dampfers „Serapis“ erfolgt. Am 18. trifft der Prinz in Athen zu einem Besuche des Königs von Griechenland, seines Schwa⸗ gers, ein, und am 20. schifft er sich wieder ein, um durch den Suezkanal über Port Said und Aden nach Bombay zu segeln. Gegen Ende März kehrt Se. Königliche Hoheit nach England zurück. Die Prinzessin von Wales wird während der Ab⸗ wesenheit ihres Gemahls ihre Eltern in Kopenhagen besuchen.
— Das Parlamentsmitglied für Huddersfield, Leatham, drückte gestern in einer vor seinen Wählern gehaltenen Rede die Meinung aus, daß Gladstone in Kurzem wieder aus sei⸗ nem Stillleben heraustreten werde, um das politische Werk einer Trennung von Kirche und Staat zu vollenden.
— 7. Oktober. (W. T. B.) Wie das „Reutersche Bureau“ meldet, hat die birmanische Regierung bedingungslos darein gewilligt, daß, falls eine neue Expedition nach Jün⸗ Nan nothwendig werden sollte, britische Truppen derselben auf dem Durchmarsche durch Birma das Geleite geben dürfen.
— 8. Oktober. (W. T. B.) Die „Times“ bespricht den Beschluß der türkischen Regierung, betreffend die Coupon⸗ einlösung, und hebt hervor, daß dieser Schritt der Türkei Zeit zur Regulirung ihrer Finanzen gewähre. Der Erfolg dieser Maßregel hänge von einer Verminderung der Ausgaben und einer Entwickelung der Hülfsquellen der Türkei ab.
Liverpool, 8. Oktober. (W. T. B.) Bei dem gestrigen Lordmayors⸗Banket hielt der Staatssekretär des Aeußern, Earl of Derby, eine Rede, in welcher er die gegenwärtige politische Lage erörterte. Der Redner hob hervor, daß das Hauptinteresse Englands in der Aufrechterhaltung des Friedens bestehe, und daß die in dieser Hinsicht gegebenen Rathschläge Englands als aufrichtig gemeinte überall gern entgegen genom⸗ men würden. Was die Herzegowina⸗Angelegenheit angehe, so würden die in dieser Beziehung herrschenden Schwierigkeiten sehr übertrieben. Keine der Mächte denke daran, die Insurgenten zu unterstützen; es würde sehr wenig politisch sein, wollte man der Herzegowina vollkommene Autonomie zugestehen; eine radikale Heilung der vorhandenen Uebelstände sei wenig wahrscheinlich, doch könne man die gegenwärtige Mißstimmung mildern, wenn die Pforte sich zu zweckmäßigen Reformen verstehe. Aus China lägen keine weiteren Nachrichten vor, aber Jedermann müsse sich gegen einen Krieg mit China erklären, so lange der⸗ selbe mit Ehren vermieden werden könne, da England nicht wünschen könne, noch „einen weiteren kranken Mann“ unter⸗ stützen zu müssen. Man müsse aber auf der Erfüllung gerech⸗ ter und maßvoller Forderungen bestehen und dürfe eine Pflicht nicht umgehen, weil sie unangenehm sei. Der einzige Zweck der Verbindungen mit China sei die Entwickelung des Handels; wenn augenblickliche Mißverständnisse Beunruhigungen hervor⸗ gerufen hätten, so sei dies nicht die Schuld Englands. Derbyj theilte am Schluß der Rede mit, daß der Erlaß der Admi⸗ ralität, betreffend die Auslieferung flüchtiger auf briti⸗ schen Kriegsschissen befindlicher Sklaven, aufgehoben worden sei, da man die öffentliche Meinung über eine Frage, die eine so sorgfältige Behandlung verlange, nicht aufregen wolle.
Frankreich. Paris, 6. Oktober. (Köln. Ztg.) Im nächsten Ministerrathe wird über die Instruktionen berathen werden, welche die Präfekten betrefgs der Senats⸗ und Kammer⸗ wahlen erhalten sollen. Auch soll darin die Haltung zur Sprache kommen, welche die Regierung bei der Diskussion über das Gemeindegesetz einhalten will. Buffet ist dafür, daß die Ernennung der Maires vor der Hand in den Händen der Regierung bleibt, weil er dies für unumgänglich nothwendig erachtet, damit die Wahlen nicht in anti⸗klerikalem Sinne ausfallen. —
— Die Präfekten erhielten von Buffet Befehl, bei den landwirthschaftlichen Festen keine Reden mehr zu halten.
— Heute begannen im erzbischöflichen Palast von Paris Versammlungen der Erzbischöfe und Bischöfe, unter
deren Leitung die katholische Universität von Paris ge⸗
bildet werden soll. Die Arbeiten im ehemaligen Karmeliten⸗ kloster, wohin die Universität kommen soll, sind beinahe beendet.
Spanien. Madrid, 3. Oktober. Bei der am 1. Oktober erfolgten Eröffnung der Madrider Universität hat König Alfons eine Rede gehalten, in welcher er u. A. sagte: „Ich erkenne an, daß die gegenwärtigen Verhältnisse schwierige sind; ich wünsche lebhaft, die Entwickelung des Unterrichts zu begünstigen und für große Unternehmungen thätig zu sein, von denen die schönste ist, das Volk sittlich zu heben und zu bilden. Es ist schmerzlich für mich, der ich weder direkt noch indirekt zu dem Bürgerkriege Veranlassung gegeben habe, zu sehen, daß der⸗ selbe trotz meiner Anstrengungen noch nicht beendigt ist. Mein schönster Traum würde der sein, daß die Geschichte eines Tages niederschriebe, wenn das gegenwärtige Spanien auch nicht den Gipfel seiner früheren Größe erreichte, so hat es sich wenigstens unter den civilisirten Nationen Europas einen wohlverdienten Platz zu erobern gewußt.“
— 6. Oktober. (W. T. B.) Wie der „Tiempo“ meldet, hätten die Carlisten einige Bomben nach Pampelona .“ Das Bombardement sei indessen erfolglos ge⸗
ieben.
— 7. Oktober. (W. T. B.) Das zur Untersuchung der Vorgänge bei der Niederlage von Lacar (am 3. Fe⸗ bruar d. J.) niedergesetzte Kriegsgericht hat von den unter An⸗ klage gestellten Offizieren den Brigade⸗General Barges freige⸗ sprochen, den General Viergeol dagegen zum Verluste seines Grades und eine Anzahl anderer Offiziere zu Festungsstrafen von verschiedener Dauer verurtheilt. — General Valmaseda, Ober⸗Kommandant auf Cuba, hat, dem Vernehmen nach, seine Demission nachgesucht.
Italien. Rom, 7. Oktober. (W. T. B.) Der Papst hat heute den General Agar Pascha, einen Abgesandten des Schahs von Persien, in feierlicher Audienz empfan⸗ gen. Derselbe überreichte dem Papst ein eigenhändiges Schrei⸗ ben des Schahs und theilte gleichzeitig mit, daß der Schah die Geschenke des Papstes gern entgegengenommen hätte und seinen Behörden anbefohlen habe, den Katholiken in Persien die freie Ausübung ihrer Religion zu gestatten.
Mailand, 8. Oktober. (W. T. B.) Der hiesige Ge⸗ meinderath hat einstimmig folgende Tagesordnung angenom⸗ men: „Der Gemeinderath schätzt sich glücklich, daß der erste Deutsche Kaiser nach Mailand kommt, um dort dem ersten Könige Italiens, Victor Emanuel, die Hand zu drücken, und ö den Syndikus, diesen Gefühlen Ausdruck zu ver⸗ leihen.
Türkei. Konstantinopel, 8. Oktober. Das Journal „Bassiret“ veröffentlicht folgende Note: Es ist bekannt, Defizit von über 5 Millionen aufweist. Zur regelmäßigen Couponszahlung pflegte die Regierung neue Anfehen aufzunehmen und so eine Schuld durch Kontrahirung neuer zu tilgen. Dieses Auskunftsmittel ergab eine Zunahme des Defizits und eine Abnahme des Vertrauens bei den Besitzern der türkischen Schuldtitel; Beweis hierfür ist die täglich konstante Entwerthung der Schuldtitel. Die Regierung hat da⸗ her beschlossen, von heute (6. Oktober) ab folgende Maß⸗ nahmen durchzuführen: Die Einnahmen aus dem Verkauf von Tabak und Salz, aus den Tributen und, wenn nöthig, ein Theil der Einnahmen aus der Hammelsteuer sind, ohne daß die von der Kaiserlichen Bank er⸗ worbenen Rechte beeinträchtigt werden, Kassen einzuzahlen; ferner werden 5 Jahre hindurch die Zinsen der ottomanischen Schuldtitel zur Hälfte in Baar, zur Hälfte in Obligationen bezahlt werden, welche in 5 Jahren rückzahlbar sind und zu 5 pCt. verzinst werden. Nach Ablauf von 5 Jahren werden die Coupons wieder regelmäßig, wie früher, eingelöst werden.
Ragusa, 7. Oktober. (W. T. B.) Nach hier vorliegenden Nachrichten ist es den Türken gelungen, Zubzi ohne weiteren Kampf zu verproviantiren.
Mostar, 6. Oktober. (W. T. B.) Server⸗ Pascha hat auf Grund des jüngst in Konstantinopel publizirten Kai⸗ serlichen Irade eine Proklamation erlassen, in welcher die Herabsetzung des Zehnten um t versprochen wird und andere Reformen in Aussicht gestellt werden.
— 7. Oktober. (W. T. B.) Server Pascha hat im Anschluß an seine jüngste Proklamation, beueffend die Ein⸗ führung von Reformen, eine weitere Verfügung erlassen, in welcher er die Zulassung der slavischen neben der türkischen als Amtssprache, sowie die Einführung einer behörde verheißt.
(W. T. B.) offizielle
Amerika. Quito, 26. August. (Köln. Ztg.) Nach der durch die Ermordung des Präsidenten hervorgerufenen gewaltigen
Aufregung ist wieder eine vollständige Ruhe eingetreten. Der Vize⸗Präsident Leon hat die Republik in Belagerungszusta nd
erklärt und einen Aufruf an die Bevölkerung und das Heer ins⸗
besondere erlassen, kräftig zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung beizutragen. Am 12. August ward der Kongreß er⸗ öffnet; die Botschaft befaßt sich größtentheils mit dem Ende Gar⸗ cia Moreno's und schließt mit der Mittheilung, daß in möglichst kurzer Frist Neuwahlen sollen angeordnet werden. Bereits wer⸗ den vier Bewerber um die Präsidentschaft genannt: Antonio Flores, Gesandter in Wasvington, Gomez de la Torre in Quito, Bondero in Cuenca und Piedrahita, Gesandter in Lima.
Nr. 38 des Justiz⸗Ministerial⸗Blatts für im Bureau des Justiz⸗Ministeriums, enthält folgendes Erkenntniß des Königlichen Ober⸗Tribunals vom 4. Mai 1875: Die approbatio pro cura enthält die bedingt genehmigte Uebertragung eines geistlichen Amts, und ist deshalb nach Maßgabe des Gesetzes vom 11. Mai 1873 §. 22 strafbar.
Statistische Nachrichten.
Die am 1. Dezember d. J. stattfindende Volkszählung wird 98 300,000 Zählern ausgeführt werden. Davon kommen auf Berlin allein 9000. 3
8 Kunst, Wissenschaft und Literatur. 8 Ueber die aus Nordenskjölds Entdeckungsreise zur Küste von Sibirien hervorgegangenen wichtigen Resultate be⸗ richtet die „Wes.⸗Ztg.“ vorläufig Folgendes: Während im vorigen Herbst die zurückkehrende österreichische Expedition uns die Kunde von der Entdeckung eines neuen Polarlandes brachte, sind die jüngst vom
Nordcap eingegangenen Nachrichten über den Verlauf der diesjährigen
daß der Staatsvoranschlag ein
in besonders bezeichnete
geheimen Kontrol⸗
die Preußische Gesetzgebung und Rechtepflege, herausgegeben
hwedischen Expedition kaum minder interessant. Dem Professor Ferrdenstiöld, welcher schon fünf Expeditionen in die Polarregion nternahm, ist es geglückt, von Norwegen aus zu Schiffe durch das Wismeer bis zur Mündung eines der großen sibirischen Ströme, des sey, vorzudringen. Das kleine, am 8. Juni von Tromsöe aus⸗ schwedische Fahrzeug war also glücklicher, als der „Tegett⸗
ffe, welcher das Eismeer im Norden von Sibirien durchdringen cäte jedoch wegen der schwierigen Eisverhältnisse Novaja⸗Semlia socht passiren konnte. Die Versuche, von einem europäischen Hafen 1 wenigstens die noch etwas weiter östlich gelegene Mündung des Ob zu meichen, sind neuerdings von einem Engländer gemacht. Jetzt hat der shwedische Gelehrie sogar den Jenesey in einem Fahrzeuge wirklich erreicht. Zu gleicher Zeit ist durch die Fahrt Nordenstjölds die von etermann, zuerst russischen Geographen gegenüber behauptete Schiff⸗ barkeit des karischen Meeres von Neuem bestätigt worden, nachdem sie durch die Kreuzer norwegischer Walroßjäger in den Jahren 1870 und 1871 zuerst praktisch erwiesen worden war. Es liegt im Bereich der Möglichkeit, daß die Entdeckungsfahrt Nordenskfölds auch für den Handelsverkehr zwischen Europa und Sibirien wichtig wird, in⸗ sofern als man wirklich, während der allerdings kurzen Zeit des Som⸗ mers und Frühherbstes, eine Schiffahrt nach den Mündungen der beiden sibirischen Flüsse versuchen könnte, deren Schiffbarkeit bis tief ins Inuere senes an Produkten reichen Landes sich erstreckt. Die Kosten der tzigen Expedition Nordenskjölds sind im Wesentlichen wiederum hürch jenen hochherzigen Rheder Gothenburgs, Oskar Dickson, gedeckt, durch dessen Bemühungen bereits einzelne frühere Expeditionen ge⸗ sichett wurden oder in ihrem Plane noch ausgedehnt werden konnten. Ueber den Verlauf der Expedition selbst berichten nun folgende Tele⸗ gramme: Zunächst ein solches von Prof. Nordenskjöld, welches am J6. August an der Mündung des Jenesey von Prof. Norder skföld ge⸗ schrieben und bei der Rückkehr des Fahrzeugs Ende September nach Hammerfest telegraphisch an Dickson t Die Weiterfahrt an Novaja⸗ Semlias Westküste, sowie Matotschkin⸗Schar (der Sund, welcher die kleinere südliche aäͤlfte von der größeren nördlichen Hälfte Novaja⸗Semlias abtheilt), adlich auch die karische Pforte (die Straße, welche zwischen der Südspitze Novaja⸗Semljas und der Waigatsinsel gelegen ist) waren durch Eis versperrt, ich ging deshalb durch die Yugorstraße Gwischen der Waigatsinsel und dem russischen Festlande) in das karische Mer, welches eisfrei war.“ Nordenskjöld drang nun in nordwestlicher Richtung den Mündungen des Ob und Jenesey vorüber bis 75 ½0 nörd⸗ licher Breite und dem 82. Längengrade vor. Es ist dies die kleinere Hälfie des Wegs von der Jeneseymündung nach Cap Taimyr. Dann eißt es in dem Telegramme weiter: „Das Eis zwang mich jedoch, ur Mündung des Jenesey zurückzukehren, woselbst am 15. August Unker ausgeworfen wurden. Mit Stuxberg, Lundström und drei Mann gehe ich über Sibirien zurück, das Kommando über die übrige Expedition wird von Kjelmann übernommen, und soll derselbe mit Pröfven“, wenn möglich, den Weg nördlich von Novaja⸗Semlia neh⸗ men“. Dr. Kjelmann, welcher mit dem Fahrzeuge nach Norwegen zurückkehrte, telegraphirte aus ammerfest am 26. September an Dicksen: „Wir verließen die Muͤndung des Jenesey am 16. August, nachdem Nordenskjöld einige Stunden vorher abgereist war. Der Weg nördlich um Novaja⸗Semlia war durch Eis versperrt, und kehr⸗ ien wir deshalb durch Matotschkin⸗Schar, von dessen westlicher Mün⸗ dung wir am 11. Septembec absegelten, zurück. Wir trafen heute
übermittelt wurde:
Abend 8 Uhr hier ein, die Ueberreise nach Norwegen ist schwer, von Tromsöe senden wir ausführlichen Rapport.“
— Die Buchhändlerfirma Gerold in Wien feiert am 9. d. M. ihr hundertjähriges Bestehen.
— Das soeben im Verlage von Ferd. Beyer vormals Th. Theiles Buchhandlung in Königsberg erschienene 5. und 6. Heft des 12. Bandes der „Altpreußischen Monatsschrift“ neue Folge, der „Neuen Preußischen Provinzial⸗Blätter“ vierte Folge, heraus⸗ gegeben von Rudolf Reicke und Ernst Wichert, enthält: Abhand⸗ lungen: Preußische bis zum Ausgange des 13. Jahrhunderts. Herausgegeben von Dr. M. Perlbach. (Fortsetzung). — Die Provyken. Von Adolf Rogge. — Kant über die ÜUnrechtmäßigkeit des Bücher⸗ nachdrucks. Von Dr. Wilhelm v. Brünneck.
— Nr. 40 der „Natur“, Zeitung zur Verbreitung naturwissen⸗ schaftlicher Kenntniß und Naturanschauung für Leser aller Stände, bat folgenden Inhalt: Seebilder, von Ernst Moßbach. — Die Er⸗ forschung des äquatorialen Afrika, von Otto Ule. Mit Abbildungen. — Literaturbericht: John Lubbock, Die Entstehung der Civilisation. — Wissenschaftliche Sammlungen: Erklärung. Die Conchylien⸗ sammlung des Freiherrn v. Maltzan. — Reisen und Reisende.
— Vom 1. Oktober d. J. ab wird im Verlage von E. W. Fritzsch in Leipzig unter dem Titel „Blätter für Hausmusik“, eine Zeitung für praktische Musik erscheinen, deren Zweck die Ver⸗ breitung neuer, wirklichen Kunstwerth besitzender Klavier⸗, sowie ein⸗ und zweistimmiger Gesangmusik zu sehr niedrig gestelltem Abonne⸗ mentspreis ist. — Außer Originalbeiträgen der hervorragendsten Kompon sten der Gegenwart werden die „Blätter für Haus⸗ musik“, um ihren Abonnenten ein eigenes Urtheil über den Charakter ihnen sonst schwer zugänglicher neuer musika⸗ lischer Druckwerke zu ermöglichen, auch Proben aus den ken⸗ nenswerthesten Erscheinungen des anderweitigen Musiknovitäten⸗ Marktes, sei es nun in der Originalgestalt oder im Klavierarrange⸗ ment, bringen. — Die „Blätter für Hausmusik“ erscheinen am 1 und 16. jeden Monats in je zwei, A. und B. klassifizirten, je drei Bogen starken Heften. Klasse A. wird ausschließlich Vokalmusik, Klasse B. nur Klavierwerke bringen. Das vierteljährliche Abonnement für jede dieser bei n Ausgaben beträgt 1 ℳ 60 ₰. Gewerbe und Handel.
In der vorgestrigen Generalversammlung der Aktien⸗Ge⸗ sellschaft für Wasserheizung und Wasserleitung (Gran⸗ ger & Hyan) wurde, nachdem die Revisions⸗Kommission ihren Bericht erstattet hatte, der Verwaltung Decharge ertheilt. Die Auf⸗
nahme einer 6 % igen Prioritäts⸗Anleihe, hypothezirt auf das Thon⸗
rohrwerk Dommitzsch, wurde einstimmig genehmigt, desgleichen die damit in Verbindung stehenden Aenderungen und Zusätze des Statuts.
München, 7. Oktober. (W. T. B.) Die Verhandlungen wegen Errichtung einer vom 1. Januar 1876 ab bier in Wirksamkeit tretenden Hauptfiliale der Deutschen Reichsbank sind gestern zum definttiven Abschluß gekeommen. Der mit den bezüglichen Ver⸗ handlungen betraut e Bankbeamte Dalchow aus Berlin hat sich nach Augsburg begeben, um dort ebenfalls eine Filiale der Reichsbank zu errichten. Der Bankpräsident v. Dechend aus Berlin wird morgen hier erwartet.
— Der Verwaltungsrath der Sächsischen Maschinenfa brik (Hartmann) hat beschlossen, der Generalversammlung die Vertheilung einer Dividende von 5 ½ % vorzuschlagen, während gleich⸗ zeitig umfangreichere Abschreibungen, z. B. auf Modelle und Zeich⸗ nungen in Höhe von 33 ½ % vergenommen werden und der Reserve⸗ fonds mit 10 % vom Reingewinn dotirt wird.
— Die „New⸗Yorker Handelszeitung“ schreibt in ihrem vom 24. September cr. datirten Wochenbericht: Die Gesammt⸗ Situation ist noch immer als wenig befriedigend zu bezeichnen. Zwar sind neue Suspensionen von Bedeutung in dieser Berichtswoche aus⸗ geblieben; doch ist im Allgemeinen trübe und unsichere Stimmung vorherrschend. Das Exportgeschäft leidet unter den Schwierigkeiten im Wechselmarkt, weshalb nur wenig belangreiche Umsätze gemacht wurden, während in der Importbranche das Geschäft, nachdem es einen recht ermuthigenden Anlanf genommen, im weiteren Verlaufe den Erwartungen Derjenigen, welche auf eine lebhafte Herbstsaison gerechnet haben, nicht entsprochen hat. Die Situation des Geld⸗ standes hat sich in dieser Berichtswoche wenig verändert. Für längere Termine zeigt sich weniger Geneigtheit, zu den jetzt üblichen Raten Fonds auszuleihen, während on call Geld so flüssig wie je zuvor ist. Die Banken fahren fort, nach dem Westen und Süden zu remittiren, weshalb die Bankausweise seit den letzten Wochen regelmäßig eine graduelle Abnahme der Surplus⸗Reserve ergaben; die Anforderungen des legitimen Geschäfts und theilweise auch der
Börse sind aber zu gering, um der Abundanz merklichen Abbruch zu
Im Diskonto⸗Geschäft herrschte etwas festere Stimmung, und Platzwechsel erster Klasse à 6 —7 % p. a. — Berichtswoche bildete die Knappheit Hauptfaktor für die Bewe⸗ normalen Zuständen müßte der Beginn der Baumwollverschiffungen, sowie die günstigen Konjunkturen für den Produktenexport einem Rückgange des Agios Vorschub leisten; der geringere Goldbestand läßt aber alle anderen Rücksichten in den Hintergrund treten, da man weiß, daß die Spekulation S Zeit in ihrer Macht hat, die Situation in sehr empfindlicher Weise auszubeuten. Abhülfe kann fürs Erste nur durch Goldimport aus England geschafft werden; wenn man nun auch ohne Zweifel einige Posten Gold nach hier verschiffen wird, so ist der mögliche Nutzen, der dem Unternehmen daraus erwachsen kann, so vielen Bedingungen unterworfen, daß auf eine belangreiche und, was die Hauptsache ist, schleunige Goldeinfuhr kaum zu rechnen ist. Das Agio, welches am letzten Sonnabend zu 16 ½ eröffnet hatte, avancirte graduell bis 17 ½, auf welcher Höhe es sich bis Dienstag behauptete; in der zweiten Hälfte der Woche fiel dasseibe, ohne daß eine Aenderung der Situation eingetreten wäre, bis 16 ¼, um heute zu 16 ⅜ zu schließen.
8
Verkehrs⸗Anstalten. 8
Triest, 7. Oktober. (W. T. B.) Der Lloyddampfer „Aurora’“ ist mit der ostindisch⸗chinesischen Ueberlandpost heut um 6 ½ Uhr Abends aus Alexandrien hier eingetroffen. 8
New⸗York, 8. Oktober. (W. T. B) Der Dampfer „Ham⸗ monia“ von der Hamburg⸗Amerikanischen Kompagnie ist heute früh um 7 Uhr hier eingetroffen.
thun. rangirten kurze Sicht Im Goldmarkte der beendeten an Material noch immer den gungen des Goldagios. Bei
8—
Berlin, den 8. Oktober.
Die gestrige, auf Vormittag 10 Uhr anberaumte, erste Hauptversammlung des Kongresses für innere Mis⸗ sion in der Frauenkirche zu Dresden wurde nach vorausgegangenem Gesange von dem Parochus dieser Kirche, Konsistorial⸗Rath Superintendent Dr. Meier gegen ½11 Uhr mit einem Gebet eröffnet. Die Versammlung hieß hierauf Ober⸗Konsistorial⸗Rath Dr. Kögel Berlin) im Namen des Centralausschusses willkommen und knüpfte hieran mit dem Bemerken, daß die Leiter der früheren Kongresse, Dr. Wichern und von Bethmann⸗Hollweg, diesmal Beide fehlten, den Vorschlag, für das Präsidium sechs Herren der⸗ gestalt zu wählen, daß dasselbe zur Hälfte aus Mitgliedern des Centralausschusses, zur Hälfte aus Mitgliedern des hiesigen Lokal⸗ comités sich zusammensetze. Diesem Vorschlage entsprechend, wurden die Hirn. Ober⸗Hofprediger Dr. Kohlschütter, Sup. F⸗anz, Geh. Re⸗ gierungs⸗Rath v. Charpentier, Ober⸗Konsistorial⸗Rath Dr. Dorner (Berlin), Geh. Regierungs⸗Rath Prof. Dr. Meitzen (Berlin) und Ober⸗Kirchenrath Dr. Mühlhäußer (Wilferdingen) zu Präsidenten, sowie ferner Geh. Schulrath Kockel (Dresden) und Prediger Olden⸗ denberg (Berlis) zu Schriftführern durch Akklamation sewählt.
Auf die Begrüßungsreden folgten dann die Verhandlungen über die Mitverantwortlichkeit der Gebildeten und Besitzenden für das Wehl der arbeitenden Klassen.
Das Festmahl fand im Waldschlößchen statt. Den ersten der Toaste brachte hierbei der Geh. Reg. Rath v. Miyeren auf die Vorbilder des Volkes in Treue bei der schwersten Arbeit, die im Kriege wie im Frieden dem Volke ein Beispiel eifrigster Pflichterfül⸗ lung geben, auf Kaiser Wilhelm und den gekrönten Feldherrn an seiner Seite, König Albert aus. 1
Nach Schluß des Festmahls fanden noch zwei Spezialkonferen⸗ zen, im Neustädter Gymnasium, sowie in der Diakonissenanstalt statt.
Die an ersterer Stätte abgehaltene Konferenz hatte die christliche
Kunst zum Gegenstande.
„Kleine Schriften von Gustav Friedrich Waagen.
Mit einer biographischen Skizze und dem Bildniß des Verfassers. Stuttgart, 1875. Verlag von Ebner und Seubert.“ (Verlegt von der Ed. Goetzschen Buchhandlung [Pickert und Winckler) in Berlin.) Neben seinen bekannten, im Anschluß an wissenschaftliche Reisen entstandenen größeren Werken von vorwiegend periegetischem Charakter, in denen ein reichhaltiges Materilal kunsthistorischer Forschung nieder⸗ gelegt ist, hat Waagen eine Anzahl kleinerer Schriften hinterlassen, die ein bestimmtes in sich abgeschlossenes Gebiet in mehr oder minder erschöpfender Weise behandeln und dabei mit wissenschaftlicher Gründ⸗ lichkeit eine allgemein verständliche, durchaus schlichte und prunklose, aber von wohlthuender Wärme der Empfindung erfüllte Darstellung werbinden. Es war ein dankenswertles Unternehmen, daß sich Alfred Woltmann, der Erbe von Waagens handschriftlichem Nachlaß, mit C. v. Lützow und Bruno Meyer zu einer neuen Ausgabe der bedeutendsten dieser Arbeiten verband, die ihrerzeit theils als Beiträge zu periodischen Publikationen, namentlich zu Raumers historischem Taschenbuch, theils als öffentlich gehaltene Vorträge oder aber als Texte zu photographischen Erscheinungen abgedruckt wurden, gegenwärtig aber zum Theil bereits ziemlich schwer zugänglich gewor⸗ den sind. Den vereinigten Bemühungen der genannten Herausgeber ist es gelungen, in dem vorliegenden stattlichen Bande dem verstor⸗ benen Meister ein seiner würdiges literarisches Denkmal zu widmen, das nicht blos bei den Fachgenossen, sondern auch in weiteren Kreisen des kunstliebenden Publikums einer beifälligen Aufnahme gewiß ein darf. 8 dem oben angeführten Titel erschienene Sammlung umfaßt im Ganzen acht jener hierhin und dorthin verstrenten Aufsätze, von denen der erste ein allgemeineres ästhetisches Thema in liebenswürdig einfacher Form behandelt und, wie Woltmann mit Recht bemerkt, ein chönes Zeugniß wahrhaft humanistischer Anschauung und reiner dealität der Gesinnung ablegt. Es ist der Vortrag „über die Stellung, welche der Baukunst, der Bildhauerei und der Malerei unter den Mitteln menschlicher Bildung zukommt“, eine Betrachtung, auf deren werthvolle Anregungen erst kürzlich wieder Bruno Meyer in seinem lesenswerthen Buche „Aus der ästhetischen Pädagogik“ von neuem hingewiesen hat. Die folgenden Arbeiten gehören dem eigent⸗ lichen Gebiet der Kunstgeschichte an. Dem Versuch über Andrea antegna und Luca Signorelli, die beiden großen Vorgänger der vollen Blüthe italienischer Kunst, der biographischen Skizze über Leonardo da Vinci und der vorzüglich inhaltreichen, meisterhaften Monographie über Peter Paul Rubens, dem Waagens Studien schon frühzeitig mit ausgesprochener Vorliebe zugewandt waren, gesellt sich
der Aufsatz „über den künstlerischen Bildungsgang Raphaels und seine vornehmsten Werke“, der in knapper Form das Wichtigste über den Künstler zusammenfaßt, und ihm stehen zwei kleinere, an feinsinnigen Bemerkungen reiche Abhandlungen über die „Cartons von Raphael“ und über „Raphaels Freskomalereien aus dem Mythus von, Amor und Psyche in der Farnesina zu Rom“ als willkommene Ergänzungen zur Seite. Von besonderem Interesse ist endlich noch der das Buch beschließende umfassende Aufsatz über „Schinkel als Mensch und Künstler“, eine gewissenhaft gearbeitete Biographie und zugleich eine mit liebevollstem Verständniß die künstlerische u d persönliche Eigen⸗ art Schinkels darlegende Charakteristik, zu der Waagen durch lang⸗ jährigen vertrauten Verkehr mit dem von ihm hochverehrten Meister vorzüglich berufen war. 8 .
Ueber das von den Herausgebern ihrem Stoff gegenüber beob⸗ achtete Verfahren giebt das Vorwort des Buches die erforderliche Auskunft. Danach ist die ursprüngliche Fassung der einzelnen Auf⸗ sätze im Wesentlichen unberührt geblieben. Nur an den Stellen, wo stilistische Unebenheiten zu glätten waren, oder wo durch eine bequem sich einfügende Aenderung eine Berichtigung vorhandener Angaben bergestellt werden konnte, hat der Text eine entsprechende diskrete Umgestaltung erfahren. Gelegentlich sind außerdem anderweitig vor⸗ liegende Ausführungen des Verfassers in die frühere Darstellung hineingearbeitet, während im Uebrigen die mit großer Sorgfalt be⸗ rücksichtigten Ergebnisse neuerer Forschungen sowie die wün⸗ schenswerthen literarischen Nachweise in die Anmerkungen ver⸗ wiesen und durch diese Ergänzungen die hier wieder ab⸗ gedruckien Aufsätze dem gegenwärtigen Standpunkt der Wissen⸗ schaft angepaßt wurden. Von Alfred Woltmann, dem der hervorragendste Antheil an dieser Durchsicht zufiel, ist auch die mit warmer Hingebung geschriebene Biographie Waagens verfaßt, die nebst dem von J. Klaus nach einer Photographie radirten, vorzüg⸗ lich getroffenen Portrait dem Buche vorangestellt wurde und durch die Schilderung der Verwaltungsthätigkeit Waagens und der sie beglei⸗ tenden Umstände, so wie durch die Mittheilung verschiedener hierauf bezüglicher Dokumente zugleich einen Beitrag an Materialien zur Geschichte der Gründung und Entwickelung des Museums liefert, dem Waagen seit seiner im Jahre 1823 erfolgten Berufung nach Berlin bis zu seinem Tode im Jahre 1868, und zwar seit 1830 als Vor⸗ stand der Gemäldegalerie, ununterbrochen angehörte.
Die Kunst in ihrer Beziehung zur Psychologie und — Naturwissenschaft. Eine philosophische Untersuchung von Dr. Eugen Dreher. Berlin 1875, Verlag von G. Hempel.
Ausgehend von der Aristotelischen Erklärung der Kunst als einer Nachahmung des Gegebenen, die einem dem Menschen angeborenen Nachahmungstriebe entspringe, führt der Verfasser der genannten Broschüre zunächst aus, daßehier nicht an eine unbewußte Nachahmung, deren Existenz er übrigens überhaupt in Frage stellt, sondern an ein bewußtes Verfahren zu denken sei. Ein olches aber könne entweder, um irgend eines Erkenntnißzweckes willen eintretend, aus dem Ver⸗ stande entspringen oder aber, die Erneuerung einer einmal empfundenen Stimmung beabsichtigend, aus dem Gefühl herfließen, und so sei es ersichtlich, daß die Nachahmung noch nicht die letzte Quelle der Kunst sei, sondern daß diese vielmehr auf allge⸗ meinere Seelenthätigkeiten zurückgeführt werden müsse. Aus einer Musterung der wesentlichsten in der Geschichte der Philosophie her⸗ vortretenden Auffassungen der Seele ergiebt sich nun für den Verfasser das Resultat, daß eine Trennung von Materie und Seele zu statuiren und der letzteren die beiden im Bewußtsein verlaufenden Thätigkeiten eines unmittelbaren, durch die Außenwelt angeregten Empfindens und eines mittelbaren, jenem mit Nothwendigkeit direkt folgenden Den⸗ kens, zuzuschreiben sei. In der Empfindung des Angenehmen in Ver⸗ bindung mit der durch das Denken bewirkten Erkenntniß eines be⸗ tiimmten Gegenstandes als Ursache dieser Empfindung findet der Ver⸗ siühmn hierauf den ersten Ausgangspunkt der künstlerischen Leistung, — den Trieb, das Angenehme zu verewigen. Der Begriff des „Ange⸗ nehmen“ ist dabei als der individuellere im Gegensatz zu dem allge⸗ meineren des „Schönen“ gefaßt, der sich erft allmählich ausbilde, dem dafür aber ausschließlich eine dauernde und allgemeine Geltung zu vindiciren sei. Die hier bereits eintretende unlösliche Wechsel⸗ beziehung zwischen Denken und Empfinden aber nimmt der Verfasser ugleich als durchgehends vorhanden an und bezeichnet dieses Zu⸗ sammenwirken bei der Kunstbetrachtung späterhin als „Gefühlsver⸗ ständniß.“ Als wesentlichste Materialien der Kunst erkennt der Ver⸗ fasser Licht und Ton, deren Vorstellung als eine der Seele angeborene Empfindungsform zu betrachten sei, und er führt dies in gesonderter
Betrachtung der einzelnen Künste, bei welcher kaum etwas Neues vor⸗
gebracht wird, des Weiteren aus, um demnächst zu zeigen, wie wir die Einwirkung von Ton und Licht mittels einer konstruktiven un⸗ bewußten Seelenthätigkeit, deren Resultate allein uns zum Be⸗ wußtsein kommen, in die Außenwelt verlegen. Die ausführliche Be⸗ trachtung von Ton und Licht, in deren Verlauf sich auch dieser Satz ergiebt, berührt außerdem noch verschiedene andere physiologisch und psychologisch interessante Punkte, auf die im Einzelnen hier nicht eingegangen werden kann. Der Mehrzahl der Leser wird dieser Theil der Abhandlung der interessanteste sein, während die folgenden ästhetischen, durch historische Hinweise exemplificirten Ausführungen über die in dem Kunstwerk enthaltene Idee, über das Geistigschö das Charaktervolle, ferner über das künstlerische Schaffen und seine beiden wesentlichen Faktoren, das „Idealisationsvermögen“ und die Phantasie, wenig in die Tiefe gehen und daher auch seitens der Leser den meisten Widerspruch erfahren dürften. Immerhin wird die Lektüre der Schrift, auch ohne die durch ihren Titel erweckten Erwartungen vollauf zu befriedigen, nicht verfehlen, zu eigenem Nachdenken über die in ihr behandelten Verhältnisse anzuregen, die zum Theil ein erst in jüngster Zeit durch geniale Untersuchungen angebautes Gebiet 3 naturwissenschaftlicher Forschung berühren. 8
Der Statistiker Dr. E. Laspeyres veröffentlicht in der soehen ausgegebenen Nummer des „Deutschen Handelsblattes“ vom 7. Ok tober einen Artikel, in welchem er sich gegen die Ansicht ausspricht daß die Kluft zwischen Reich und Arm sich in den letzten Jahren unverhältnißmäßig erweitert habe. Die Hauptschuld, die derxartise falsche Meinungen hervorgerufen hat, glaubt Laspeyres der bisher meist üblichen Erörterungsweise beimessen zu müssen, die nur die ab⸗ solute Vermehrung der Steuerpflichtigen in jeder Steuerklasse oder mehrerer Steuerklassen zusammen berücksichtigt und dann allerdings zu dem Resultat kommt, daß die Anzahl der Leute mit geringem Ein⸗ kommen sich stärker vermehrt hat, als die mit größerem, aus dem einfachen Grunde, weil ihrer schon vorher vielmehr waren. 8
In absoluten Zahlen ergiebt sich, wenn man alle Steuerklassen in 4 Gruppen: I. unter 400 Thlr., II. 400 — 1000 Thlr., III 1000 bis 12,000 Thlr. und IV. über 12,000 Thlr. theilt, im Vergleich der Jahre 1852 und 1873 Folgendes: Es vermehrten sich die Steuer⸗ 8 öflichtigen 4 pfrlätis unter 400 Tblr. . um 1,116,788,
von 400 — 1000 Thlr. . 89,364, „ 1000 — 12,000 Thlr. 53,021, ö11“*“ 1,640. 3 u den geradezu umgekehrten Resultaten gelangt man jedoch, sobald die Vermehrung der einzelnen Gruppen in Prozenten aus⸗ gedrückt wird. Es zeigen dann die Steuerpflichtigen “ unter 400 Thlr. eine Vermehrung von 23 %, von 400 — 1000 Thlr. 1“ v“ „ 1000 — 12,000 Thlr. „ 122 über 12,000 Thlr. “ 1 „ 401 %.
Man wird aber auch hier auf den ersten Blick erkennen, dieses Resultat noch weniger einen richtigen Einblick in die thatsäch⸗ lichen Verhältnisse abgiebt, und so sind denn Laspeyres Bemühun gen vor Allem dahin gerichtet gewesen, eine zutreffendere Fragestellun ausfindig zu machen. Laspeyres fragt nun: Wie viel Prozen der gesammten steuerpflichtigen Bevölkerung betrugen 1852 jede der 4 genannten Gruppen und wie viel Pro⸗ zente 21 Jahre später im Jahre 1873 und gelangt so zu dem Resultate, gr. F der Gruppe
852: 3:
1 96,807 %ℳ 95,163 % aller Steuerpflichtigen ausmache
2,334 % 3,282 % „ 11ö— „
0,851 % 1,523 % „ „ „
0,006 %ℳ 0,032 % „ 5 1 „ Hiernach nimmt die unterste Steuergruppe 1873 eine bedeutend ge⸗ ringere Stellung ein, als vor 21 Jahren, statt 96/8 im Jahre 1852 bildet sie jetzt nur noch 95,2 „% aller Steuerzahler. 1
Wenn also die unterste Steuerstufe, fährt Laspeyres fort, eine relativ geringere geworden ist, so müssen alle anderen zusammen größer geworden sein. Das trifft namentlich die Einkommenklassen von 400 bis 1000 Thaler. Statt daß dieselben, wie früher, nur 2,8 % aus⸗ machen, betragen sie jetzt rund 3,3 9%2, also rund ein ganzes Prozent aller Steuerzahler mehr. Auch die Einkommen von 1000 bis 12,000 Thaler, welche namentlich mehr nach der Grenze von 1000 Thlr. zu gewiß noch nicht „zu große“ Einkommen sind, betragen, statt früher rund ¼/%, jetzt 1 ½ *, also rund „% aller Steuerzahler mehr. End⸗ lich die ganz großen Einkommen betragen statt, rund 1½1ο % aller
Steuerzahler, jetzt ⁄i0 8 derselben.