1875 / 255 p. 10 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 30 Oct 1875 18:00:01 GMT) scan diff

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zu betonen. Wir leben in einer Zeit, wo Bildung sehr oft eine

Lebensfrage und eine Bedingung der Existenz ausmache und wo

nicht sehr oft mehr Jemand ein gesichertes Fortkommen habe,

dder in seinem Fache nicht selbständig zu denken fähig sei. Eben deshalb sei das Streben unserer Regierungen zunächst darauf

gerichtet gewesen, den gedankenlosen Mechanismus aus der Schule ganz zu bannen und richtiges Denken, so wie überhaupt öhere Bildung allgemeiner zu verbreiten. Gute Lehrer dienen also den Zwecken des Staates und den Bedürfnissen des Volkes

in gleicher Weise. Zu diesem erhabenen Dienste haben sich die

neueren Wissenschaften mit der Philologie vereinigt; ihr gemein⸗

sames Feld seien eben die Gymnasien und die höheren Real⸗

schulen, wo sie beide zusammen wirken im schönsten Bunde. Eine

ganze Menge von neuen Anstalten dieser Art seien ins Leben getreten und bemüht, den großen Schatz einer höheren Geistes⸗

bildung dem Volke mitzutheilen.

Hierauf hielt Redner den einseitigen Lobrednern der älteren

Philologie die Schattenseiten derselben vor, z. B. den früheren

heftigen Streit der philologischen Schulen in Deutschland, ferner die herbe Polemik unter sich und besonders gegen ausländische Gelehrte u. s. w. Dagegen sei jetzt der Schulstreit verstummt, die Philologen wie überhaupt die deutschen Gelehrten bedienen

sich eines humanen Tones, und ihre Polemik sei eine objektive.

So können jetzt die Werke von deutschen Gelehrten im Auslande

den jetzt zu wenige streng wissenschaftliche Werke von den Phi⸗ ologen geschrieben: so hält ihnen der Redner ganze Klassen dcht wissenschaftlicher Bücher entgegen, deren Verfasser Phi⸗

lologen aus allen Theilen Deutschlands, Professoren, Schul⸗

männer und Privatgelehrte sind.

Wiederholt wies der Redner darauf hin, daß die Ver⸗ sammlung die Pflicht habe, stets eingedenk zu bleiben, wie sie itarbeiten müsse an der Weckung und Stärkung des natio⸗ nalen Bewußtseins. So sagte er an einer Stelle: „Ueberhaupt möchte ich das Eine immer wieder betonen: jeder Deutsche ist nur ein Glied des Deutschen Reiches, für welches auch er mit⸗ zuwirken hat. Seinem Fürsten und dem engeren Vaterlande, welchem seine Thätigkeit zunächst gebührt, bleibt er ja auch von Herzen zugethan.“ Und in gleichem Sinne bezeichnete er gegen den Schluß der Rede die Aufgabe des deutschen Lehrers mit den Worten: „Die Liebe zu Kaiser und Reich wollen wir allen unsern Schülern tief in das Herz hineinschreiben“, mit denen wir die Skizze seiner Rede

chichte der ehemals freien Reichsstadt Mühlhausen in Thüringen.*)

UMUnter allen Städten des nordwestlichen Deutschlands, die sich zu einer vollständigen Territorialhoheit herausgehildet haben, st keine, deren Entwickelung so folgerecht vor sich gegangen ist, wie die Mühlhausens. Die erste sichere Erwähnung des Ortes fällt in das Jahr 974. Durch eine hier am 29. April aus⸗ gestellte Urkunde schenkt Kaiser Otto II. seiner Gemahlin Theo⸗ phanu unter anderen Ortschaften und Gütern auch Mulenhusa zu freiem Eigenthum. Freilich schon zur Zeit Karls des Großen wird ein Ort Mühlhausen genannt, aber es ist als ziemlich sicher anzunehmen, daß dies ein anderes Mühlhausen ist. Früher als Mühlhausens geschieht des in kurzer Entfernung davon ge⸗ legenen Dorfes Kermar oder Germar (Görmar) Erwähnung, nach dem die ganze Gegend in alter Zeit „Germarmark“ ge⸗ nannt wurde. In diesem Dorfe befand sich auch der erzpriester⸗ liche Stuhl. Ueberhaupt werden alle um Mühlhausen gelegenen Dörfer, wie Ammern, eine Besitzung des Klosters Fulda, Boll⸗ stedt, Felchte, Höngeda, Dachrieden u. s. w., weit früher er⸗ wähnt, als dieses. Ganz in der Nähe besaß Mainz Dorle, den Hauptort der nachmaligen „Vogtei“, die später 300 Jahre lang im Pfandbesitze des Rathes von Mühlhausen war. Die beiden letzten sächsischen und die fränkischen Kaiser berührten zu wiederholten Malen die Stadt, auch Lothar urkundet hier im Jahre 1132 und am Michaelistage 1135 hielt derselbe hier einen Hoftag ab wo sich Konrad von Schwaben ihm unterwarf.

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*) Geschichtsguellen der Provinz Sachsen und angrenzender Ge⸗ riete. Dritter Band. Urkundenbuch der ehemals freien Reichsstadt Mühlhausen in Thüringen (umfassend die Geschichte der Stadt bis zum Jahre 1350). Bearbeitet von Karl Herquet unter Mit⸗ wirkung von Dr. juris W. Schweineberg, Stadtrath zu Mühlhausen. Herausgegeben vom Magistrafe der Stadt Mühlhausen. Mit 10 Siegeltafeln. Verla, der Buchkhandlung des Waisenha

uses.

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Aus dem Königlichen Hofgute hatte si gst stattliche Burg herausgebildet, die zur Zeit ihres höchsten Glanzes im 13. Jahrhundert sechs Morgen Land umfaßte. An diese Burg lehnte sich eine nicht unbedeutende Stadt, die schon im 12. Jahrhundert eine solche Erweiterung erhielt, daß man zwischen einer Alt⸗ und Neustadt unterschied, erstere ge⸗ wöhnlich, namentlich in dem an der Burg zunächst liegenden Theile, Altmühlhausen genannt. Es scheint, daß das rasche Wachsthum der Stadt vorzüglich durch flämische resp. wallonische Einwanderung bewirkt wurde, deren Andenken noch jetzt in der „Wahlgasse“ (platea gallica) erhalten ist. Ohne Zweifel verdankt man diesen Einwanderern die aus ihrer Heimath mitgebrachte Kunst des Nivellirens zum Zwecke kunstreicher Wasserleitungen, und so wird schon damals die starke, im „Breitenholze“ nahe der Stadt entspringende Quelle, jetzt Breitsülze genannt, von denselben in verschlungenen Windungen so geleitet worden sein, daß sie, bei dem höchstgelegenen Thor der Stadt eintretend, alle Straßen derselben durchfloß. Diese Einrichtung mußte zum Wohlstand derselben unendlich viel beitragen, da sie gerade dem ersten Handwerk des Mittelalters, den Wollenwebern, sowie auch den Gerbern zu Gute kam und dadurch eine Industrie hervor⸗ rief, die auch heute noch in diesen Artikeln sich bewegt.

Leider sind wir gerade über das für Mühlhausen so wich⸗ tige 12. Jahrhundert fast ohne alle geschichtliche Nachricht. Erst gegen Ende desselben beleuchtet ein blutiger Schein die Stadt. Heinrich der Löwe erobert sie auf seinem Zuge gegen den Land⸗ grafen Ludwig von Thüringen und giebt sie den Flammen preis (Anfang 1180). Doch scheint sie sich von diesem Unglück bald wieder erholt zu haben.

Kaiser Friedrich I. urkundete im November 1188 in ihrer Nähe; seinen Sohn Heinrich VI. finden wir im Novem⸗ ber 1192 hier, wo auch die Anerkennung Philipps von Schwa⸗ ben als römischen Königs Seitens der deutschen Fürsten und Bischöfe im März 1198 stattfand. Als der anfänglich welfisch gesinnte Landgraf Hermann von Thüringen zu der staufischen Partei überging, wurden ihm von Philipp im August 1199 Nordhausen und Mühlhausen als Lehen zugesichert. Dieses Lehensverhältniß schlug aber keine Wurzeln, denn als nach Phi⸗ lipps Tode Landgraf Hermann, durch Frankreichs Einfluß be⸗ wogen, gegen den Kaiser Otto IV. intriguirte, war Mühlhausen die feste Burg, von wo Gungelin von Wolfenbüttel, Otto'g Truchseß, die landgräflichen Besitzungen in empfindlichster Weise schädigte (1211).

Die Stadt wurde vor wie nach von den Kaiserlichen Ministerialen regiert. Der oberste Vertreter des Königs war der Präfekt oder Reichshofmann, von denen wir drei namhaft machen können, nämlich Swicker II. von Mühlhausen (1231), Ernst von Mühlhausen (1238) und Heinrich Graf von Gleichen⸗ stein (1250). Dann traten noch als Beamte auf der Schult⸗ heiß, der Kämmerer, der Münzer und der Zöllner.

Die Anfänge zum Rath können wir bereits zum Jahre 1231 nachweisen, wo derselbe unter der Benennung „honesti viri“ erwähnt wird, während der Name „consules* uns erst im Jahre 1251 begegnet. Das noch jetzt vorhandene Stadtsiegmel, das bis zum Bauernkriege in Gebrauch war und die Umschrift führt: Sigillvm . Mulehusensis civitatis inperii, erscheint nachweislich zuerst im Jahre 1231 ist aber entschieden noch älter. Es zeigt die sitzend

Königs über einer von zwei Thürmen flankirten und mit einem

Thor versehenen Stadtmauer. Neben den Thürmen befindet sich rechts und links das Hauszeichen der Burg, das Wappen einiger Kaiserlichen Ministerialen erscheint.

Dem Reichthum der Bürgerschaft gelang es bald, eine Gerecht⸗

same nach der andern den Ministerialen zu entwinden. So erhielt sie

gegen eine jährliche Geldleistung von Friedrich II. in der Zeit von 1235 1245 Zoll und Münze, später auch das Schultheißen⸗ amt, was alles Konrad IV. gegen die „hergebrachte Geldleistung“

im August 1251 der Stadt auf weitere fünf Jahre überließ, in⸗ dem er ihr zugleich die Versicherung gab, daß sie nicht vom

Reiche durch Belehnung gebracht werden sollte (jus de non

alienando) unt als Zeichen besonderer Schwäche die Mauer

„acceptirte“, die sie zwischen sich und der Kaiserlichen Burg auf⸗ gerichtet hatte. In diese Zeit mag die letzte Redaktion des bekannten Mühlhäuser Stadtrechts fallen, das der Herausgeber

des Urkundenbuches nach den Handschriften zum ersten Male .

in korrekter Weise edirt hat. Mit dem Beginn des Interregnums (im Frühjahr 1256) erfolgte die Niederlegung der Kaiserlichen Burg, wobei auch die

dortige Kapelle nicht geschont wurde. 1310 erhielt das Kloster

Volkenrode auf seine Bitte von König Heinrich VII. den Ort („Burgstadel“) zum Geschenke, wo die Burg gestanden hatte; auch die noch vorhandenen Steine und Mauerreste durfte es für

das auch als

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seine Zwecke verwenden. Mit den einzelnen, bei Zerstörung der

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Burg geschädigten Ministerialen aing der Rath Vergleiche ein, in Folge deren ein gewisser modus vivendi zwischen beiden Theilen herge⸗ stellt wurde. Während des Interregnums befestigte sich der seit 1256 eingetretene Zustand mehr und mehr. Erst mit der Wahl des neuen Königs Rudolf am 29. September 1273 war für die Bürgerschaft eine Störung zu befürchten, derselbe scheint

aber von dem Rath bald gewonnen worden zu sein, denn durch die Urkunden vom 20. und 21. März 1274 ließ er gegen die

herkömmliche Zahlung die bisherigen Vexhältnisse bestehen. Einige Zeit darauf, am 27. September 1277, übertrug er den

Herzögen von Sachsen und Braunschweig die Regierung über

Lübeck, Goslar, Nordhausen und Mühlhausen, welches letztere wieder im Auftrage des Königs von diesem um 2600 Mark an den

Landgrafen Albert von Thüringen, um ihn zur Hülfe gegen

den Böhmenkönig zu gewinnen, verpfändet wurde. Der Land⸗ graf begnügte sich aber unterm 20. August 1278 gegen eine Rente von 130 Mark S. die Stadt ihrem eigenen Regimente zu überlassen. In dieser Zeit war es, daß dieselbe von König Rudolf (29. Juni 1279) das wichtige Privileg erhielt, daß nur Bürger derselben Güter in ihrem Gerichtsbann besitzen dürften, und ein Königlicher Beamter nur dann, wenn er erst das Bürgerrecht erworben habe. Und fast elf Jahre später (30. Januar 1290) erklärte er, allen Groll wegen Zerstörung der Reichsburg schwinden zu lassen, bestätigte alle früheren Pri⸗ vilegien und wenige Monate darauf ertheilte er der Stadt das Privilegium de non evocando.

Den mancherlei Gefahren, die der Selbständigkeit der Stadt unter den Nachfolgern Rudolfs drohten, wußte diese glücklich auszuweichen; mit Kaiser Ludwig stellte sich schließlich ein gutes Verhältniß her: er verlieh ihr unterm 28. April und 10. No⸗ vember 1337 alle in ihrem Gebiete befindlichen Reichsgüter und das Schultheißenamt daselbst; auch dehnte er durch Urkunde vom 15. September 1341 das Reichsgesetz auf sie aus, wonach sie Unfreie und Dienstleute zu Bürgern aufnehmen konnte.

In Bezug auf die innere Verfassung ist zu bemerken, daß der Rath, dessen Amtsantritt am 11. November erfolgte, zuerst aus 14 Mitgliedern bestand, wovon zwei Rathsmeister (magistri consulum) waren, eine Benennung, die wir von dem Jahre 1292 ab konstatiren können. Nach 1311 finden wir die Zahl der Mitglieder auf 24 erhöht, wovon 14 den Geschlechtern, die übrigen den Zünften angehörten.

Die geistliche Gerichtsbarkeit in Mühlhausen befand sich in den Händen Mainzischer Offiziale, die meist Ka⸗ noniker der Stifter Dorla, Jechaburg und St. Marien zu Erfurt waren. Die Pfarrgeistlichkeit gehörte dem Deutsch⸗ orden an, seit ihm König Heinrich VII. (Friedrichs II. Sohn) 1227 das Patronat der St. Blasienkirche (Pfarrei Altstadt) und Konrad IV. 1243 das der St. Marienkirche (Pfarrei Neustadt) verliehen hatte. Die erste geistliche Korporation, die in Mühlhausen (um 1225) Fuß faßte, war der Orden der büßenden Schwestern St. Marien Magdalenen und wurde der dortige Convent nach seiner Lage gewöhnlich das Brückenkloster genannt. Dann folgten durch die Gunst der Ministerialen im Jahre 1231 die Minoriten, zuletzt im Jahre 1289 die Predigermönche oder Dominikaner. Einzelne benach⸗ barte Klöster, wie Volkenrode, Reifenstein und Beuren, besaßen in der Stadt ihre eigenen Höfe, doch gab der Rath im Jahre 1292 eine Verordnung, daß keiner der genannten Orden inner⸗ halb der Grenzen des eigentlichen Stadtgebiets liegende Güter erwerben dürfe und die schon erworbenen binnen Jahr und Tag veräußern müsse, wenn er nicht wolle, daß sie ihm zwangsweise verkauft würden. Die eigentlichen Kloster⸗ gebäude in der Stadt wurden freilich ausgenommen, aber dieselben durften nicht mehr erweitert werden. Kaiser Albrecht genehmigte auch unterm 17. Mai 1302, daß gegen den Willen des Raths keine Mönchsorden im Stadtgebiete aufge⸗ nommen werden dürften und daß alle geistlichen Güter zur Be⸗ steuerung herangezogen werden könnten.

Das Denkmal des Freiherrn vom Stein in 1 Das von dem verstorbenen Schievelbein modellirte, im

Bronzeguß schon seit längerer Zeit vollendete Denkmal des Reichsfreiherrn vom und zum Stein, das, seit dem Jahre 1857 geplant, seit 1864 den Grundzügen nach in seiner Form fest⸗ gestellt, auf dem Dönhofsplatz am einhundertundachtzehnten Geburtstage des großen Staatsmannes, am 26. Oktober d. 2. ³ enthüllt wurde, reiht sich nicht nur seiner historischen Bedeutung, sondern zugleich auch seinem künstlerischen Werthe nach ine wür⸗ igter Weise den monumentalen Schöpfungen an, die bisher

en Straßen und Plätzen Berlins zur Zierde gereichten.

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Wie es in seinem gesammten Charakter, in der Auffassung und Formengebung, das charakteristische Gepräge der von Gott⸗ fried Schadow begründeten, von seinem Schüler Rauch weiter entwickelten und von zahlreichen jüngeren Meistern treu gepflegten Berliner Bildhauerschule an sich traͤgt, so schließt das Denkmal auch in seinem, auf drei Granitstufen ruhenden, im Uebrigen völlig in Bronze ausgeführten architektonischen Aufbau sich einer bereits von Rauch in dem Piedestal der bekannten Statue Thaers gewählten Form an, die indeß, um eine reichere plastische Ausstattung zu ermöglichen, in geeigneter Weise erweitert wurde. Der obere Theil des Postaments, der an jeder seiner vier Seiten ein quadratisches Feld zur Aufnahme je eines allegorischen Reliefs gewährt, folgt in der Wahl dieses Schmuckes wie in der Gestalt und ihrer Gliederung ziemlich genau dem erwähnten Vorbilde, während der breitere Unterbau, aus dem er in entsprechender Verjüngung emporsteigt, nicht denselben einfach geradlinigen Grundriß beibehält, sondern an jeder der vier Ecken einen Bogen von reichlich drei Viertheilen eines Kreises ausspringen läßt und so die Postamente für vier freistehende, etwa lebensgroße Ge⸗ stalten entwickelt, in einem unterhalb der letzteren den Körper des Sockels umschließenden, fortlaufenden Friesstreifen aber den nöthigen Raum gewinnt, die Hauptmomente aus dem Leben und Wirken des Gefeierten in figurenreicher, realistisch behandel⸗ ter Komposition zu schildern.

Auf diesem Piedestal, das durch die von den senkrechten Linien des architektonischen Kerns in voller Rundung sich ab⸗ lösenden Eckfiguren eine glückliche Belebung des strengen und schlichten Aufbaues erzielt, erhebt sich, durch ihre dominirende Größe die Gliederung des gesammten Denkmals einheitlich zusammenfassend, die Kolossalfigur des Freiherrn vom Stein. In den langen Ueberrock der Zeit gekleidet, auf einen knorrigen Eichenstab gestützt, die nur wenig erhobene Rechte mit entschie⸗ dener, nachdrucksvoller Rednergeberde ausstreckend, steht die Ge⸗ stalt hoch erhobenen Hauptes da, leicht gegen eine Säule gelehnt, über die eine Decke in vollem, schwerem Faltenwurf niederhängt und in ihrer breiten Masse nach unten hin die erwünschte Wucht und Fülle der Formen erzielt. Durch eine Aenderung einzelner, durch die Haltung keineswegs nothwendig be⸗ dingter, nur zufälliger Faltenmotive, durch eine weniger aus dem Gesammtumriß heraustretende Stellung des vielleicht au zu starken, weit vorgeschobenen linken Beines,

Steigerung in der Erhebung der rechten Hand,

Profilansicht die Figur nicht sehr wohlthuend durchschneidet, würde diese in ihren Linien wohl noch gewonnen haben. Trotz dieser geringen Bedenken, die gegenüber der bedeutenden Gesammt⸗ wirkung verschwinden müssen, erscheint die Gestalt jedoch in ihrer

erwerk marki 1 hältnissen und

der Bewegung der ganzen Figur, ohne die monumentale Würde der Erscheinung abzuschwächen, doch der individuellen Art des Dargestellten in hohem Grade gerecht wird und ein imponirendes und überzeugend echtes, überdies namentlich in der Vorderansicht

aus) auch in den b2:-, Konturen vortrefflich geschlossenes Bild des Mannes arbietet.

Eine nicht geringere Kunst bewies Schievelbein in der Modellirung der vier freistehenden weiblichen Eckfiguren des Postaments, die allegorisch die hervorragendsten Tugenden des in dem Denkmal Gefeierten, an der vorderen Seite die Vater⸗ landsliebe und die Frömmigkeit, an der hinteren di energische Kraft und die Wahrheit repräsentiren. Indem sie sich dem ernst und würdig gehaltenen, keineswegs auf malerischen Effekt hin gruppirten architektonischen Aufbau, wie es ihre Stellung inner⸗ halb desselben erforderte, ruhig und anspruchslos unterord en, find sie doch vor starrer Unfreiheit oder erkältender Monotonie in jeder Hinsicht bewahrt geblieben. Innerhalb der ihnen durch den Charakter des Ganzen gestatteten knappen Grenzen entfalten sie eine reiche, durch die geschickte Abwechselung der idealen Ge⸗ wandung noch lebendiger betonte Mannichfaltigkeit durchweg klarer und natürlicher Bewegungsmotive. Dabei entgeht die „Wahrheit“, die, mit der Linken den Schleier emporhebend, in den mit der Rechten gehaltenen Spiegel blickt, allerdings nicht ganz der hier in der Natur der hergebrachten Allegorie begrün⸗ deten Gefahr, als eine nur genreartig aufgefaßte, in der äußeren Handlung ihren Inhalt erschöpfende Figur zu erscheinen. Mit der „Vaterlandsliebe“, die, freudig aufschauend, das lockige Haupt mit der Kaiserkrone geschmückt, im linken Arme die von Stein begrün⸗ deten Monumenta Germaniae, in der rechten, auf dem Buche ruhenden Hand einen vollen Kranz darüber hält, und mit der „Frömmig⸗ keit“, die, das mit dem Schleier bedeckte Haupt demüthig senkend, das Kreuz in der Rechten trägt, die linke Hand aber, das falten⸗

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