Grundfatz fei auch in mehrfachen Entscheidungen des Königlichen
Ober⸗Tribunals, namentlichk, in den Erkenntnissen vom 1. Juni 870 (Justiz⸗M. Bl. S. 207), 4. November 1870 (ib. S. 350) und 8. Januar 1871 (b. S. 114), anerkannt worden. Hiernach erscheine
es auch nach Emanation der Gewerbe⸗Ordnung vom 21. Juni 1869 gerechtfertigt, wenn Gewerbetreibenden, welche einen Legi⸗ imationsschein zu mimischen Darstellungen besitzen, die Auf⸗ ührung solcher Darstellungen untersagt wird, welche aus poli⸗ eilichen Rücksichten unzulässig erscheinen. Für unzulässig aber müssen vom polizeilichen Standpunkte öffentliche Darstellungen us der biblischen Geschichte des alten und neuen Testaments, namentlich aus Jesu Christi Lebens⸗ und Leidensgeschichte, mögen die Darsteller sich als lebende Bilder oder in scenisch sich be⸗ wegender Handlung zeigen, um deshalb erachtet werden, weil solche Darstellungen in einem großen Theile der Bevölkerung Anstoß erregen und die religiösen Gefühle Vieler verletzen würden.
Deshalb seien dergleichen Aufführungen schon durch die Cirkular⸗ Erlasse des Ministeriums des Innern vom 29. Juli und 8. September 1817 (Annalen Bd. 1 S. 175) allgemein untersagt, und sei
auch durch den an die Regierungen der Rheinprovinz und der
Provinz Westfalen ergangenen und durch das Ministerial⸗Blatt
der inneren Verwaltung (Jahrgang 1867 S. 22) veröffentlichten
Erlaß der Ministerien der Finanzen und des Innern vom 31.
Dezember 1866 die Ertheilung und Verlängerung von Gewerbe⸗ cheinen zu Passionsspielen, resp. die Ertheilung der polizeilichen Erlaubniß zu solchen Aufführungen verboten worden. Die Be⸗ irksregierungen sind veranlaßt worden, künftig bei Ertheilung on Legitimationsscheinen nach diesen Grundsätzen zu verfahren.
— S. M. S. „Luise“ ist am 29. d. Mts. in Plymouth ngekommen. An Bord Alles wohl.
Rendsburg, 29. Oktober. In der heutigen (15.) Sitzung des Provinzial⸗Landtags fand zunächst die Vorberathung über den Entwurf einer landesherrlichen Verordnung zur Aus⸗ führung des §. 22 des Fischereigesetzes vom 30. Mai 1874 für die Provinz Schleswig⸗Holstein statt. Der Ausschuß hatte vor⸗ geschlagen, sich mit dem Entwurfe, mit einigen Modifikationen, welche eine Erhöhung des Minimalmaßes verschiedener fangbarer Fische, sowie eine Beschränkung der Schonzeiten bezwecken, ein⸗ verstanden zu erklären. Hierauf folgte die Vorberathung über die Vorlage, betr. die Ausgleichung der Kriegsfuhren vom Jahre 1864. Der Minister des Innern hatte dem Provinziallandtage vorgeschlagen, die erforderliche Baar⸗ summe zum Belauf von circa 500,000 ℳ aus Pro⸗ vinzialmittln zu gewähren. Der Ausschuß beantragte Ablehnung. Der Regierungs⸗Kommissar legte nun die Sachlage
und die Vorgänge in dieser Angelegenheit näher dar. Er hob hervor, daß die Kriegsfuhrleistungen des Jahres 1864 keine Staatslast, sondern nach den in Betracht kommenden gesetzlichen Bestimmungen eine Last der Kommunen oder der Einzelnen sei; daß nicht unerhebliche Gründe dagegen sprächen, diejenigen Kommunen, welche an Kriegsfuhren verhältnißmäßig zu wenig geleistet hätten, jetzt nach Ablauf von 11 Jahren zu Baarzahlungen heran⸗ zuziehen, zumal dieselben mehrentheils sonst erhebliche Lasten hätten tragen müssen und jetzt bedeutende Kommunallasten ab⸗ halten müßten. Dagegen habe die Provinz jetzt erhebliche Geld⸗ mittel, sei wohl im Stande, jene 500,000 ℳ zu übernehmen. Da die Provinz ein Interesse daran habe, daß die Kriegsfuhrfrage zur definitiven Erledi⸗ gung komme, werde nicht in Zweifel zu ziehen sein. Bei der darauf folgenden Vorberathung über den Ausschuß⸗
bericht, betr. die Verwendung der durch das Gesetz vom 9. Juni d. J. dem Provinzialnerbande von Schleswig⸗Holeetu sur die durch die Kriegsereignisse nan 1848—51 Belasteten überwiesenen
Summe von 4 ½ Millionen, erklärte sich der Abg. Wiggers als Berichterstatter mit einem von 28 Mitgliedern gestellten Antrage, welcher den Zweck verfolgt, daß alle in den Jahren 1848 —51 gestifteten Anleihen bei der Vertheilung obiger Summe, wenn auch nach verschiedenen Prozentsätzen, berücksichtigt werden, ein⸗ verstanden. Schließlich wurde zum Provinzial⸗Syndikus mit 42 Stimmen von 51 gewählt der Vize⸗Landtagsmarschall Abg. Stadt⸗Präsident Graber aus Glückstadt.
Bayern. München, 30. Oktober. Die Ankunft des Königs wird heute Nachts erfolgen und Se. Majestät acht bis zehn Tage in der Residenzstadt verweilen; das Königliche Hoflager wird dann nach Hohenschwangau verlegt werden. — Die beiden mit den Kammern vereinbarten Gesetze, betreffend die Umrechnung der süddeutschen in die Reichswährung, sind nun auch im Staatsrath erledigt, und werden dieselben nach erlangter Königlicher Genehmigung alsbald publizirt werden. — Der König hat mittelst Allerhöchster Verordnung auf Grund des Gesetzes vom 15. April 1875, die bagyerische Hypotheken⸗ und Wechselbank betreffend, als den Tag, an welchem das vorbezeichnete Gesetz in Wirksamkeit tritt, den 3. November d. Is. bestimmt. — Die Dankadresse an den König ist gestern Nachmittag vom ersten Bürgermeister an Se. Majestät abgesandt worden. Die Adresse erhielt nahezu 10,000 Unterschriften von Personen aus allen Ständen. — Der frühere bayerische Landtags⸗Abgeordnete Appellgerichts⸗Rath Dingler (Zweibrücken) ist, laut Nachricht aus Kaisers⸗ lautern, 29. Oktober, gestorben.
Württemberg. Stuttgart, 30. Oktober. Am nächsten Dienstag, den 2. November, Vormittags 11 Uhr, findet die feierliche Grundsteinlegung zur neuen ervangelischen Garnisonkirche in Gegenwart des Königs und der Königin statt.
Baden. Karlsruhe, 29. Oktober. An Erneue⸗ rungs⸗ und Ersatzwaäahlen für die Zweite Kammer stehen noch 7 Wahlen aus; ebenso für die Erste Kammer die Wahl der Freiburger Universität und die Ernennung der vom Großherzog zu berufenden 8 Mitglieder. — Nach einer Bekanntmachung des Handels⸗Ministeriums vom 21. d. sind die Einrüstungsarbeiten für den Bau der festen Rheinbrücke bei Germersheim soweit vorgeschritten, daß vom 20. d. an alle Fahrzeuge und Flöße, welche die Bau⸗ stelle bei Germersheim passiren wollen, mit einem Dampsschiffe unentgeltlich geleitet werden. Zugleich werden die zu diesem Zwecke getroffenen Anordnungen und Einrichtungen bekannt gemacht. — Das Projekt eines Kanals von Straßburg über Karls⸗ ruhe nach Mannheim ist in ein neues Stadium getreten. Das Handels⸗Ministerium hat dem hiesigen Stadtrath ein des⸗ fallsiges Gutachten der Großherzoglichen Wasser⸗ und Straßen⸗ bau⸗Direktion zur Aeußerung vorgeregt. Darnach sollte der Kanal in zwei Abtheilungen: auf der linkee Rheinseite Straßburg⸗ Mastatt, auf der rechten von Rastatt über Kareruhe und Leopolds⸗ hafen geführt werden. Der Kostenanschlag ist etwe. 12 ½ Mill. Mark. — In der Sitzung des Stadtraths von Heidelbeca am 27. d.
lheilte der Ober⸗Bürgermeister ein Schreiben des General⸗ Lieutenants v. Pritzelwitz d. d. Carlsruhe 22. Oktober mit,
workn derselbe in Bettretung des Generals v. Werder und
NRamens der am 18. d. in Heidelberg versammelt gewesenen Generale und Stabsoffiziere der füddeutschen Garnisonen für die den Offizieren Seitens der Gemeindevertretung erwiesene Aufmerksamkeit dankt und die Versicherung ausspricht, daß so⸗ wohl die Begrüßung der Angekommenen am Bahnhofe, als auch die festliche Beflaggung der Stadt nicht allein Seitens der, der Zusammenkunft anwohnenden Offiziere als ein Ausdruck artigster Gastfreundschaft aufgenommen worden sei, sondern auch in weiteren Kreisen der Offizier⸗Corps die Ueber⸗ zeugung befestigen werde, daß dem in großer Zeit angebahnten engeren Anschluß aller einzelnen Glieder der deutschen Armee aneinander auch Seitens des deutschen Volkes und seiner Ver⸗ treter die wärmsten Sympathien entgegengetragen werden. — Die altkatholische Gemeinde in Singen hat die staat⸗ liche Genehmigung und die Kaplaneipfründe erhalten.
Mecklenburg. Schwerin, 30. Oktober. Gestern Vor⸗ mittags 10 Uhr sind die kom missarisch⸗deputatischen Ver⸗ handlungen wegen Ablösung der Stolgebühren im Kollegiengebäude eröffnet worden.
Sachsen⸗Meiningen⸗Hildburghausen. Meiningen. (Dorfztg.) Der Landtag des Herzogthums ist zu einer außerordentlichen Session auf den 17. November ein⸗ berufen. Veranlassung dazu giebt die Feststellung der Synodal⸗ ordnung, die Einrichtung und Ueberwachung der Standesämter, Entschädigung für Wegfall der Stolgebühren an die Geistlichen, die Sonneberger Gewerbeschule und einige dringendere kleine Finanzvorlagen. Die Dauer dürfte daher nur kurz zu bemessen sein. Die Geschäftslokale werden auch diesmal noch in beson⸗ ders gemietheten Räumen sich befinden.
Bremen, 28. Oktober. Die Bürgerschaft beschäftigte sich gestern von Neuem mit ihrem Wahlgesetz, das eine Depu⸗ tation auf Grund der gefaßten Hauptbeschlüsse schleunigst aber⸗ mals durchgearbeitet hatte, und beschloß, bei den Wahlen zum Bürgeramt und zu den Deputationen auch ferner nach Klassen gesondert abzustimmen.
Elsaß⸗Lothringen. Straßburg, 26. Oktober. Der König Albert von Sachsen hat für das Fort Kronprinz von Sachsen ein Portrait von sich geschenkt, welches nach Anordnung des Festungs⸗Gouverneurs seinen Platz in dem Zim⸗ mer des Forts⸗Wachtkommandanten erhalten hat.
Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 29. Oktober. Der Erz⸗ herzog Kronprinz Rudolf wird sich am 4. oder 5. November von Gödöllo über Wien nach München begeben.
— Der Hoftafel in Gödöllö am 26. d. M. hat auch der Minister⸗Präsident Koloman Tisza beigewohnt. Derselbe wurde bei dieser Gelegenheit der Kaiserin vorgestellt.
— Die „W. Abendztg.“ enthält an ihrer Spitze folgende Notiz: Es ist in einzelnen Blättern, darunter auch in einem heute, den 29. d. M., erschienenen, die Nachricht gebracht worden, daß das Heer an einem gänzlichen Mangel an Offiziersnachwuchs leide. Diese Mittheilung ist vollständig unrichtig. Schon aus den Delega⸗ tionsverhandlungen konnte entnommen werden, daß ungefähr seit Jahresfrist eine sehr erfreuliche, in den letzten Monaten über⸗ raschende Zunahme der Aspiranten für Kadettenschulen und Militär⸗Bildungsanstalten eingetreten ist. Die Thatsache, daß ein bedeutender Theil der Aspiranten wegen Mangels an Naum keine Aufnahme finden konnte, muß wohl diesfalls jeden Zweifel ausschließen. zwenn auch Manche in den Soovoseinrichtungen noch der Verbesserung bedarf und nach Maß der zu Gebote stehenden Mittel der Durchführung harrt, so kann doch nicht zu⸗ gegeben werden, daß bei Vochandensein unzweideutiger und er⸗ freulicher Zeichen gebesserter Verhältnisse gegentheilige, unrichtige Behauptungen ausgesprochen werden.
— In Pest starb am 28. d. M. der Königlich ungarische Staats⸗Sekretär und Reichstags⸗Abgeordnete Eduard Horn.
— 30. Oktober. (W. T. B.) Die Vorverhandlungen über den neuen Handelsvertrag zwischen Oesterreich und Italien sind, wie die „Neue freie Presse“ meldet, heute geschlossen wor⸗ den. Der italienische Bevollmächtigte Luzzati begiebt sich morgen nach Rom zurück, um der Regierung die österreichischen Vor⸗ schläge bezuͤglich des Handelsvertrages zu überbringen. Die definitiven Verhandlungen sollen in Rom stattfinden.
— Der Budgetausschuß begann die Berathung des Budgets. Die direkten Steuern wurden konform dem Re⸗ gierungsantrage mit 87,785,000 fl. eingestellt. Drei Ausschuß⸗ mitglieder brachten harte Steuereintreibungen zur Sprache. Der Finanz⸗Minister erklärte, es sei keine Weisung wegen schärferer Steuereintreibung an die Steuerbehörden ergangen. Bezüglich eines speziell angeführten Falles werde er sich informiren. Auf die Anfrage Wanka's, warum die Gebäudesteuer für 1876 höher präliminirt sei, als sie wahrscheinlich ergeben werde, antwortete Sektionschef Distler, daß das Präliminare nach dem bisherigen Resultate der Einnahmen von 1875 nach fünfprozentigem Ab⸗ striche aufgestellt worden sei. Das Kapitel „Verzehruangssteuer“ wurde in allen Theilen nach dem Antrag des Referenten ohne Debatte angenommen.
Prag, 30. Oktober. Zur Hintanhaltung von eventuellen Exzessen in der Zbirover Gegend anläßlich des Strousberg⸗ schen Falliments wurde von Pilsen eine entsprechende Militär⸗ Abtheilung dahin dirigirt.
Agram, 30. Oktober. Der Landtag hat den Gesetz⸗ entwurf über die Ablöͤsung der quast⸗ urbarialen Rechte in der Generaldebatte angenommen.
Großbritannien und Irland. London, 30. Oktober. (A. A. C.) Mr. Disraeli, sowie mehrere seiner Kollegen im Kabi⸗ net sind von ihrer Villegiatur nach der Hauptstadt zurückgekehrt. — Aus Bombay wird unterm 28. ds. gemeldet! Ein heute promulgirter amtlicher Befehl weist jedes Fort und Kantonne⸗ ment in Indien an, unverzüglich nach dem Empfange der telegra⸗ phischen Anzeige von der Ankunft des Prinzen von Wales in Bombay zwanzig Kanonenschüsse (a royal salute) abzufeuern. — Es ist bekannt, daß das letzte Kabinet fast sämmtliche britische Truppen aus den Kolonien zurückgezogen und den eingeborenen Milizen und Freiwilligen⸗Regimentern den Schutz ihrer betreffenden Länder fast ausschließlich in die Hand gegeben hat, so daß nur noch die strategischen Punkte von allergrößter Bedeutung mit heimischen Truppen besetzt sind. Auch nachdem das konservative Ministerium Disraeli wieder ans Ruder kam, wurde mit der Ausführung dieser Maßregel fort⸗ gefahren, und eine soeben ausgegebene offizielle Zusammen⸗ stellung zeigt, wie weit man in Wirklichkeit in dieser Beziehung gegangen ist. Die ganzen englischen Kolonien — Indien aus⸗ genomamen — mit einem Flächeninhalt von annähernd 11,200,000 Qu.⸗Kslometer und einer Bevölkerung von ungefähr 121 ½ Mil⸗
Mann In ganz Australien steht nicht ein einziges Linien⸗Regiment,
und das Gleiche gilt von Neuseeland, während Canada sich eben⸗
falls so gut es geht mit lokalen Milizen und Freiwilligen⸗Corps
zu behelfen hat. In Neuschottland dagegen stehen noch britische
Soldaten, und zwar 2 Linien⸗Regimenter und 3 Batterien
Das benachbarte Bermuda hat ebenfalls eine starke meist Artillerie und Genie⸗
Artlllerie. Besatzung von 2000 Mann, truppen. Die stärksten Garnisonen haben Gibraltar und Malta, jedes 5000 Mann, nämlich Regimenter und 7 Batterien. Am Kap und in Natal stehen
2500 Mann; doch soll hier, wie es heißt, eine Verstärkung von Die Besatzung von
mindestens 2 Linien⸗Regimentern eintreten. St. Helena besteht aus nur 200 Mann, und an der Goldküste ist die frühere bedeutende Kriegsmacht auf zwei westindische Compagnien reduzirt worden. Vier weitere Compagnien des nämlichen Regiments nebst dem Hauptquartier stehen in Sierra Leone, während das zweite westindische Regiment die Besatzung von Jamaika und den westindischen Be⸗ sitzungen bildet. Letztere haben außerdem ein Linien⸗Regiment und 2 Batterien. Auf Mauritius kommen 4 Compagnien Infanterie und eine Batterie, und in China bestehen die Truppen trotz der jüngsten diplomatischen Verwickelungen aus nur einem Regiment Infanterie und einer Batterie, während allerdings der Festungs⸗ dienst von zwei weiteren Bataillonen Laskarischer Artillerie ver⸗ sehen wird. Von den letzteren hat Ceylon ebenfalls eine Compagnie nebst 2 Batterien europäischer Artillerie und 1 Linien⸗ Regiment, und die Besatzung des Straits⸗Settlement, aus einem Regiment und 1 Batterie bestehend, beziffert sich auf höchstens 1000 Mann. Fidschi endlich, die jüngste der britischen Be⸗ sitzungen, ist von einer Compagnie Genietruppen garnisonirt,
welche indessen mehr als Geometer⸗, Telegraphisten⸗ ꝛc. Dienste
thun. Im Ganzen übersteigt sonach die Zahl der regulären Truppen in dem britischen Kolonialreiche nicht die Höhe von 24,000 Mann.
Frankreich. Paris, 31. Oktober. (W. T. B.) Das „Journal officiel“ veröffentlicht die Taxen für die Franka⸗ tur von Briefen aus Frankreich nach dem Auslande gemäß den Bestimmungen der Berner Konvention. — Verschie⸗ dene Parteigruppen der am nächsten Donnerstag wieder zusammentretenden Nationalversamm⸗ lung haben Vorbesprechungen gehalten. Die äußerste auf den Rath Gambetta's einstimmig beschlossen, der Aufforderung des Ministers des Innern, Buffet, zu entsprechen und unter Vertagung einer Interpellirung der Regierung auf die Berathung des Wahlgesetzes einzugehen. Die eigentliche Linke hat sich in einer Parteir rsammlung in dem nämlichen Sinne wie die äußerste Linke au sprochen, auf den Vorschlag Jules Simons aber ihre — utschließung von einer vor⸗ herigen Besprechung m⸗ nntrum abhängig gemacht. Delegirte aller drei 9 ersten Linken, der Linken und des linken Centytk 1 zu einer gemeinsamen Besprechung zusam⸗ in Bastia eine Rede gehalten 8 rühmend “ 8 haltene Rede⸗ B er nicht an den Err
— Die Rede, Unterrichts⸗Minister Wallon bei Eröffnung der-8 sdes Ober⸗Unterrichtsrathes hielt, lautet in ihren Hauptpunkten vie folgt:
Meine Herren! Ich danke Ihnen für die Pänktlichkeit, mit welcher Sie der etwas beschleunigten Zusammenberufung des Unter⸗ richtsrathes Folge geleistet. Wenn ich dieses Jahr die Herbstsession früher anheraumte, so haben Sie meine Beweggründe wohl erkannt. Das Votum über die Freiheit des Universitäts⸗Unterrichts stellt uns zwei großen Interessen gegenüber, welche auf gleiche Weise befriedigt werden müssen; ich will von dem Staats⸗ und dem freien Unterrichte sprechen. Das Gesetz wurde mit einem Eifer aufgenommen, daß man nicht die von demselben vorgelegten und verlangten Reglements abwartete. Meinerseits suchte ich in dieser Lage keinen Grund zu einer Verweigerung. Die Deklarationen wurden gemacht und angenommen. Diese Reglements müssen aber ver⸗ öffentlicht werden, und sie können es nur, wenn sie Ihren Berathungen unterbreitet worden sind. Ich lege also auf Ihren Tisch drei Gesetzentwürfe: den ersten, die verschiedenen Einzelheiten betreffs
er Ausführung des Gesetzes betreffend; den zweiten über die Formen und Termine der Einschreibungen für die isolirten Vorlesungen; den dritten über die Bedingungen, unter denen ein Student ven einer zu der anderen Fakultät übergehen kann. Der Minister sagt nun einige Worte über die Verleihunzen der Universitätsgrade und die gemischte Imy, über welche der Ober⸗Unterrichtsrath ebenfalls sein Gutachten abzugeben hat, wobei er bemerkt, daß die große Mehrzahl der Fakultäten sich für die Aufrechterhaltung des jetzigen Regimes ausgesprochen hat, und fährt dann fort: Wenn der freie Unterricht für die Ausführung des Geifetzes Reglements nöthig macht, so erheischt der Staats⸗Unterricht Maß⸗ regeln, welche ihs gestatten, auf würdige Weise seinen Rang in der neuen ihm geschaffenen Lage zu behaupten. Das Gesetz selbst legt der Regierung die Verbindlichkeit auf, binnen einem Jahre einen Gefetz⸗ entwurf über die in dem Staats⸗Universitäts⸗Unterricht nothwendig ge⸗ wordenen Reformen vorzulegen. Das Erste, was geschehen muß, be⸗ steht jedenfalls darin, die Universitätsgruppen in den wichtigsten Mittel⸗ punkten zu vermehren. Städte, welche dabei ihr Interesse finden, zeigen einen lobenswerthen Eifer, um dabei mitzuhelfen. Schon am 12. Juni 1873 drückten Sie den Wunsch aus, daß in Lyon eine Rechts⸗Fakultät errichtet werde. Der Gemeinderath dieser Stadt setzt die Verwaltung in den Stand, Ihren Wunsch zu erfüllen, da er sich dazu verpflichtet, die Kosten für die Einrichtung, das Personal und das Mgterial auf⸗ zubringen. Das Dekret ist bereit, der Finanz⸗Minister billigt es und unterbreitete dasselbe nur noch dem Präsidenten der Republik, damit Sie demselben in Anbetracht der gegenwärtigen Verhältnisse eine feierlichere Bekräftigung geben. Die Stadt Lille verlangte ihrerseits eine medizinische Fakultät. Sie zeigten sich den Wuͤlschen derselben nicht weniger günstig. Da die Gemeindeverwaltung nicht hinreichend die Ausdebnung ihrer Mithülfe festgesetzt hatte, so mußten Sie sich darauf beschränken, ihr Gesuch in Betracht zu ziehen. Die Gründung dieser Fakultät, welche die Nationalversammlung einen Tag lang in Folge eines schlecht verstandenen Votums angenommen hatte, wurde am nächsten Tage vertagt. Die Stadt Lille wollte nun aber die Kosten für die Vorbereitungsschule nicht mehr tragen. Sie zeg es vor, große Opfer zu bringen, um eine wirkliche Fakultät zu haben. Sie haben also die Wahl zwischen zwei Beschlüssen: entweder müssen Sie die Schule aufrecht erhalten, von welcher die Stadt nichts mehr wissen will, oder eine regelmäßige Fakultät gründen, welche durch die Stadt reichlichst unterstützt wird. Sie können nicht zögern. Auf diese Weise werden Sie die Universitätsgruppe im Nor⸗ den gegründet haben, wie Sie die von Lyon und Bordeaux gründeten. Ehre auch den Städten, welche dazu beigetragen haben, im Norden, Osten und Westen Frankreichs jene großen Unterrichtsheerde gegründet zu haben, welche mit unserer großen Central⸗ Anstalt in Paris wetteifern. Wenn die Gemeindeverwaltun⸗ gen dem Unterricht solche Opfer bringen, so kann man das Vertrauen haben, daß der Staat nichts vernächlässigen wird, um seinerseits den⸗ selben auf seiner Höhe zu erhalten und um ihn noch zu erhöhen. Die Nationalversammlung wird nicht wollen, daß die ihren Verpflich⸗ tungen treu bleibenden Professoren durch die Konkurrenz der freien Schulen leiden. Bis Gesetzentwürfe der Nationalversammlung unter⸗
jüngste von Thiers ge⸗ urte unter Anderem, daß bBlaube.
lionen aller Racen, hat eine britische Besatzung von nur 24,000 breitet werden und der Unterricht die nothwendigen Verbesserungen
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bereits Linke hat
u“ oolitik des Kaiserreichs
en wird, kann man Bestimmungen unserer früheren Ge⸗ setzgebung wieder ins Leben rufen und entwickeln. Institution der „Azrogation.“ Die Fakultät erheischt für die freien Universitäten nur Dokioren; wir wollen aber für unsere Fakultäten Asrégés, das heißt die Elite der Dok⸗ toren; aber dieser Vorschlag gewährt den Doktoren ebenfalls einen Platz, bis sie zur Agrézation erhoben worden sind. ihnen das Recht, in Folge eines Gatachtens ihrer respektiven Fakul⸗ täten unentgeltliche oder bezahlte Vorlesungen zu halten. Es wird in unseren Anstalten der erste Versuch gemacht mit den „Privat⸗
man so sehr belobt. Je mehr nun der Universitäts⸗Uaterricht in
Frage gestellt wird, desto nothwendiger ist es, alle zerstreuten Kräfte Hussein Avni Pascha nach dem Beiramfeste zum Groß⸗
zu sammeln und Nutzen aus ihnen zu ziehen, um den Glanz der Vor⸗ lesungen zu vermehren. Ihre Session, meine Herren, wird also zu gleicher Zeit für die Maßregeln Sorge zu tragen haben, welche der freie Unterricht und der Staatsunterricht erheischt. Ihre gerechte Für⸗ sorge wird, so hoffe ich, die Gemüther beruhigen. Daß sie in der gegenwärtigen Periode verwirrt sind, dieses begreift sich. Um die Fa⸗ milien zu den Unterrichtsanstalten hinzuziehen, welche man gründen
will, beschränkt man sich nicht darauf, für sich gute Gründe anzuge⸗
ben; man ist versucht, Gründe gegen die andern aufzusuchen. Man spricht nicht allein davon, gut zu handeln; man spricht auch vom Verfall, vom Uebel, von Hülfsmitteln. Man stellt Vergleiche an. Man wird uns das Recht geben, dieses ebenfalls zu thun. Aber ehe wir einen Vergleich zwischen dem freien und dem Staatsunterricht anstellen, müssen wir dem ersteren die Zeit lassen, sich zu zeigen. Es wäre Unrecht, zu behaupten, daß er eines Tages nicht ebenfalls
seinen großen Namen haben, und zum Fortischritt des mensch⸗
lichen Geistes beitragen könnte. Für diesen Augenblick müffen wir wünschen, daß die beiden Arten des Unterrichts sich die eine neben der andern friedlich entwickeln. Durch große Aufreizung bei denen, welche über ihre Geschicke zu wachen haben, könnte er in die jungen Gemüther und selbst unter die Professoren den Keim einer für die Studien höchst bedauernswerthen Zwietracht werfen. Auf der Höhe, auf der Sie, meine Herren, stehen, können Sie nur diesen Ge⸗ danken der Eintracht theilen. Geben wir dem freien Unterrichte alle berechtigten Erteichterungen, die er zu seiner Entwickelung verlangt. Gewahren wir dem Staatsunterricht alle Unterstützung, die ihm noth⸗ wendig ist, um sich auszubreiten und zu verbessern Wir werden dann der doppelten Verbindlichkeit nachsekommen sein, welche das Gesetz uns auferlegt, und werden mit Sicherheit, aber mit Wach⸗ samkeit die Erfolge abwarten, welche der Gesetzgeber sich ver⸗ sprochen hat. 8
Spanien. Der „Agence Havas“ geht die Nachricht zu, daß die Regierungstruppen am 30. Oktober 600 Carlisten genöthigt hätten, auf französischen Boden überzutreten.
Italien. Rom, 27. Oktober. Die „Italie“ schreibt: Am 15. November nimmt das Parlament nach langen Fe⸗ rien seine Arbeiten wieder auf, und es sind begründete Aus⸗ sichten vorhanden, daß alle schwebenden Fragen rasch gelöst werden. Vor allen Dingen muß das Budget für das Jahr 1876 berathen werden, damit es vor Ablauf dieses Jahres ge⸗ nehmigt wird, und keine provisorische Zustände eintreten. Um den Gang der Budgetverhandlungen zu beschleunigen, hat der Finanz⸗Minister den verschiedenen Berichterstade für 1 Verzeichniß aller Budgetabänderungen zugeschickt, damit ofern di Relationen den Kommissionen recht bald vorlegen können. von diesen an die General⸗Budgetkommission gelangen s[—— vie möglich. Die Budgets befinden sich im Ganzen in ei „viel günstigeren Lage, als man bei dem Entwurfe des Votanschlags hatte er⸗ warten können. Hauptursache davon sind die stetig steigenden Staatseinnahmen, und man darf sich der Hoffnung hingeben, daß die Kammer und das Ministerium sich bald über die Budget⸗ fragen einigen, und die Verhandlungen darüber nicht so viel Zeit wegnehmen werden, wie in früheren Jahren. — Der ehemalige Herzog von Modena Franz VW. ist schwer erkrankt. — Garibaldi ist gestern Nachmittags, auf der Eisenbahn von Civita⸗Vecchia kommend, in Rom wieder angelangt. Der Bür⸗ germeister nahm den General am Bahnhof in Empfang und be⸗ gleitete ihn nach der Villa Casalini vor Porta Pia, die eigens für Garibaldi's Winteraufenthalt eingerichtet worden ist, nachdem er sie gleich nach Vertagung des Parlaments verlassen hatte. — Die mit der Prüfung der sicilianischen Zustände beauf⸗ tragte Kommission gedenkt am 3. November von Neapel nach Sicilien abzufahren. Sie wird aber wahrscheinlich vor 3 bis 4 Monaten nicht im Stande sein, über die Resultate ihrer Untersuchungen Bericht abzustatten. — Bekanntlich sind im Monte di Pieta von Palermo vermittelst unterirdischen Einbruches mehrere und bedeutende Diebstähle ver⸗ übt worden, und als gegen die Verdächtigen die schwurgericht⸗ lichen Verhandlungen eröffnet werden sollten, wurden sie durch die Drohungen der Maffia, welche die Straßen zu dem Assisen⸗ hof besetzt hielt, vereitelt, so daß sich die Regierung entschließen mußte, die Verhandlungen des Geschworenengerichts fern von der Insel Sizilien vornehmen zu lassen. Vorgestern (am 25.) wur⸗ den dieselben in Mailand eröffnet. Die Anklageakte hat nicht weniger als 14 Verbrechen zum Gegenstaund, und die Zahl der Angeklagten beläuft sich auf 25 Indioiduen.
Verona, 31. Oktober. (W. T. B.) Der Minister⸗ Präsident Minghetti hielt bei einem Wahlbanket in Bo⸗ logna eine Rede, in welcher derselbe bezüglich der Finanz⸗ lage des Landes konstatirte, daß das Defizit im Jahre 1876, welches ursprünglich mit 24 Mill. berechnet gewesen sei, trotz der noch hinzugekommenen verschiedenen größeren Auslagen in Folge der Vermehrung der Einnahmen und der Durchführung der bereits votirten Finanzmaßnahmen nur 16 Mill. betragen
erde. Wenn aber die Deputirtenkammer die Aufbringung eines Kapitals von 27 Millionen, welche für den Bau von neuen ahnen eingestellt sind, beschließen und hierfür im Budget nur die Zinsen einstellen würde, so würde das Gleichgewicht des Budgets pro 1876 hergestellt sein. Die in Folge der neuen Handelsverträge zu erwartende Vermehrung der Einnahmen aus öllen und die natürlichen Einnahmezunahmen würden zur Deckung der künftigen Bedürfnisse dienen. Trotzdem werde die finanzielle Lage wegen der schwebenden Schuld und des Zwangskurses immerhin noch eine schwierige sein. Am Schluß seiner Rede wies der Minister den Vorwurf zurück, daß er bei dem Abschluß er neuen Handelsverträge schutzzöllnerische Tendenzen verfolge, nd bemerkte, daß die statistische Steuer abgeschafft, der Tarif ür die Seegebühren modifizirt werden würde. Auch hoffe er, ie Aufhebung des Getreideeinfuhrzolls und des Weinausfuhr⸗ olls beantragen zu können. Die Rede des Ministers wurde an nehreren Stellen mit Beifall aufgenommen.
Griechenland. Athen, 30. Oktober. (W. T. B.) In er heutigen Sitzung der Deputirtenkammer enttwickelte Kinister⸗Präsident Comunduros das Programm des neuen abinets und kündigte Gesetzvorlagen über eine Reform es Steuersystems, uͤber Kreirung von landwirthschaftlichen anken unter Benutzung des Klostervermögens, über Errichtung
er Landwehr, Aufhebung der Militärgerichtsbarkeit für gemeine
Berbrechen der Militärpersonen, über Verantwortlichkeit der Mi⸗ ister, über die Qualifikation zum Staatsdienst sowie eine
Er überträgt
Dozenten“, deren glücklichen Einfluß auf die deutschen Universitäten al pari zurückgezahit werden sollen.
Re orm des Wa lgeset es an. Zai 6 1 im Prã 8 “ f hlgesetz Zaimis ist zum Präsidenten der
Kammer gewählt worden und hat in seiner Antrittsrede die aufrichtige Unterstützung der Regierung zugesichert.
Türkei. Konstantinopel, 31. Oktober. (W. T. B.) Ein unter dem gestrigen Tage erlassenes Gesetz ordnet die Ausgabe von Obligationen im Gesammtbetrage von 35 Millionen Pfd. Sterl. an, die mit 5 pCt verzinst und mittelst jährlicher Amortisation von 1 pCt. vom 31. Januar 1887 ab 1 Dieselben sollen zur Ein⸗ lösung der in Papier zahlbaren Hälfte der Coupons der Staats⸗ schuld verwendet werden. — Gutem Vernehmen nach wird
vezir ernannt werden.
— Der „Agence Havas“ wird unter dem 31. Oktober aus Ragusa gemeldet, 1800 Türken hätten von Beran aus einen Angriff auf die Insurgenten gemacht, wären aber mit einem Verlust von 150 Mann wieder nach Beran zurückgekehrt. Unter den auf Seiten der Aufständischen Verwundeten befinde sich der bekannte Montenegriner Milutin Bogowitsch.
Belgrad, 31. Oktober. (W. T. B.) Das Amtsblatt veröffentlicht ein Dekret des Fürsten, durch welches die Wieder⸗ eröffnung der Skupschtina auf den 30. November d. J. festgesetzt wird. Als nächste Berathungsgegenstände sollen der⸗ de die Budgets für die Jahre 18è75 und 1876 vorgelegt werden.
Rußland und Polen. St. Petersburg, 29. Oktober. Der Minister des Innern hat am 14./26. Oktober nachstehen⸗ des Cirkular erlassen: Aus Nachrichten, die im Ministe⸗ rium des Innern eingerroffen, ist ersichtlich, daß einige Land⸗ scheftsversammlungen und Stadtdumen Familien aus einer außerhals der Grenzen der betreffenden Gouvernements und Städte ansässigen Bevölkerung Unterstützungen an⸗ weisen. Nach dem Statut über die Landschafts⸗Institutionen (Art. 3) ist das Thätigkeitsgebiet der Gouvernements⸗ und Kreis⸗ landschafts⸗Versammlungen durch die Grenzen der Gouverne⸗ ments und Kreise beschränkt, welche der Kompetenz dieser Institutionen unterliegen. In gleicher Weise können auch die Stadtgemeinde⸗Verwaltungen auf Grundlage der Städte⸗ ordnung (Art. 140) nach Deckung der obligatorischen Aus⸗ gaben städtische Summen nach ihrer Einsicht nur auf solche, den Gesetzen nicht zuwiderlaufende Gegenstände verwenden, die sich speziell auf den Nutzen der Stäote selbst und ihrer Be⸗ wohner beziehen. In Anbetracht dessen können die Beschlüsse der Landschaftsversammlungen und Stadtdumen in Betreffs der Hülfsbewilligungen an die erwähnten Familien, als aus der Reihe der durch das Gesetz den Landschafts⸗ und Stadt⸗ Institutionen auferlegten Angelegenheiten heraustretend, nicht als rechtmäßig anerkannt werden, und ihre Ausführung ist nicht anders als mit Allerhöchster Erlaubniß möglich. — Weiter meldet die „St. Pet. Ztg.“: In Bezug auf die Samm⸗ lung zum Besten der Slaven in der Türkei ist durch den Verwaltenden des Ministeriums des Innern verfügt worden, daß alle irgendwo im Reich zu diesem Zweck eingehen⸗ den Gaben an die St. Petersburger Abtheilung des Slavischen Wohlthätigkeits⸗Comités zu senden und in keinem Falle zum Besten der Aufständischen, sondern lediglich zum Besten der durch den Aufstand betroffenen orthodoxen Christen zu ver⸗ wenden sind. — Geheimrath A. von Beger, außerordentlicher Gesandter und bevollmächtigter Mmister Rußlands am persischen Hofe, ist heute hier angekommen und im Hotel Demuth ab⸗ gestiegen.
Schweden und Norwegen. Stockholm, 27. Ok⸗ tober. Der Chef des Finanz⸗Departements hat angeordnet, daß ein Bericht über die ökonomische Entwickelung des Landes wäh⸗ rend der letzten 15 Jahre ausgearbeitet wird, um beurtheilen zu können, ob die Steuerfähigkeit des Landes den gesteigerten Ausgaben, welche die neue Heeres ordnung zur Folge hat, Genüge zu leisten in der Lage ist, so wie auch, um die jetzige Bedeutung der verschiedenen Produktions⸗Klassen kennen zu lernen, was behufs richtiger Vertheilung der Steuerlasten ge⸗ legentlich der anzustrebenden Aufhebung der Grundsteuern er⸗ forderlich ist. — Das im Februar 1873 zur Ausarbeitung eines Vorschlages über die vorzunehmende Veränderung der Civil⸗Verwaltung Schwedens niedergesetzte Comité hat am 13. Oktober sein Gutachten abgegeben, welches darauf aus⸗ geht, daß die Amts⸗Verwaltungen unverändert bleiben sollen, nur daß noch ein Registrator und ein Amtsbuchhalter angestellt wird; aber daß die Amtsmänner als solche eingehen und ihre Aemter mit denen der Kronvögte vereint werden. Die Zahl der Kronenvögte soll von 118 auf 256 gebracht werden und die neuen Bogteien, soweit möglich, mit den Gerichtskreisen zu⸗ sammenfallen, wenigstens so, daß eine Voigtei nicht in mehreren Gerichtskreisen zu liegen kommt. Die Kronvögte sollen öffent⸗ liche Ankläger sein. Das Comité glaubt nicht, daß sein Vor⸗ schlag größere Ausgaben, als die der jetzt bestehenden Ordnung veranlassen wird. — Simbrishamns⸗Hafen erlitt während der letzten Stürme ganz bedeutenden Schaden, der Wiederaufbau des nördlichen Theiles erfordert allein einen Kostenaufwand von 30,000 Kr. Die an den Stränden wohnhaften Fischer erlitten auch große Verluste. Es sollen für mehrere 1000 Kronen Fischerei⸗Geräthschaften verloren gegangen sein. — In der letzten Zeit sind von einer Menge polnischer Juden Anträge wegen Ertheilung des Bürgerrechts in Schweden eingegangen, und da man in Betreff des größten Theiles dieser Anträge jeder Auf⸗ klärung über den bei Aufnahme dieser Unterthanen für das Land entstehenden Nutzen entbehrt, hat man den Hardesvögten die Weisung ertheilt, vor Einreichung ihrer Erklärungen, welche in ähnlichen Fällen ihnen abgefordert werden, die zur Beurtheilung der genannten Frage geeigneten Aufklärungen einzuholen.
Amerika. Präsident Grant empfing am 29. Oktober den neuernannten russischen Gesandten, Herrn von Schichbin. — Der durch den Brand in Virginia City, Nevada, verursachte Schaden wird auf 7,500,000 Dollars geschätzt, von welchem Betrage nur ein Drittel versichert ist. Ein Bergwerks⸗ schacht verbrannte. Die Andesmine warf am Mittwoch Abend eine 150 Fuß hohe Flammensäule aus. Die Bergwerke können nicht vor zwei Monaten in Betriebsordnung gebracht werden. Die Schachten sind mit bösen Gasen gefüllt, und die Bergleute können nicht hinabsteigen. Fünftausend Personen sind beschäf⸗ tigungslos und müssen sich wo anders nach Arbeit umsehen. Von allen Seiten ftiegen reichliche Unterstützungen zu.
— Aus den südamerikanischen Republiken liegen, der „A. A. C.“ zufolge, per Postdampfer „Tasmania“ folgende Nachrichten vor: In Chili nimmt nach bis zum 25. Sep⸗ tember reichenden Berichten aus Valparaiso die bevorstehende Präsidentenwahl die öffentliche Aufmerksamkeit noch immer am meisten in Anspruch. Man erwartet, der Wahl⸗ kampf werde der heißeste sein, der in Chili je statt⸗
gefunden. Die Anhänger von Don Benjamin Vicuaa Makanna entfalten die größte Thätegkeit. Aus Lima wird unterm NM. September gemeldet, daß die kommende Präsidenten⸗ wahl für Peru daselbst Tag und Nacht zu Straßen⸗ kämpfen, zwischen den Parteigängern von General Prado Wund Admiral Montero Anlaß giebt. Ecuador hat ebenfalls an Stelle des ermordeten Garcia Moreno einen Präsidenten zu wählen, und es sind für diesen Posten drei Kandidaten aufgestellt. Sennor Salazar, der Regierungs⸗ kandidat, genießt die Unterstützung seines Bruders, des Kriegs⸗ Ministers. Die anderen zwei Kandidaten sind Antonio Flores der ehemalige Gesandte Ecunadors bei den Vereinigten Staaten, und Antonio Borravo, der Kandidat der liberalen Partei.
Afrika. Aegypten. Kairo, 30. Oktober. (W. T. B.) Die aegyptischen Truppen sind in Abyssinien eingerückt. Die Truppen des Königs Johann haben sich, ohne Widerstand zu leisten, zurückgezogen.
— (A. A. C.) Vom Cap der guten Hoffnung liegen per Dampfer „African“ bis zum 5. Drtoben 1 Noch⸗ richten vor. Mr. Froude ist von seiner Rundreise in den östlichen Provinzen nach der Capstadt zurückgekehrt, nachdem er es abgelehnt hatte, einem öffentlichen Meeting in Uitenhage an zuwohnen. Er ist der Ansicht, daß die Capregierung im Allge meinen nicht das Vertrauen des Volkes besitzt. In den östlichen Distrikten hat sich die Volksstimmung zu Gunsten des Zusam⸗ mentritts der projektirten Konferenz ausgesprochen. Das Mi⸗ nisterium beobachtet noch immer Schweigen über den Gegenstand. — In Wellington zerstörte am 2. Oktober eine Feuersbrunst Eigenthum im Werthe von 15,000 Pfd. Sterl.
— Aus Cape Coast Castle wird dem Reuterscher Bureau in London unterm 2. Oktober gemeldet: „Die Aschantis und Djuabins liegen dem Vernehmen nach mit einander im Kriege. Botschafter von beiden Stämmen sind hier eingetroffen und warten auf den Gouverneur, der in Acere weilt. M. Bonnat, der französische Unterthan, der von der Djuabins festgenommen wurde, ist unter Escorte hier ang kommen.“ 1““ J 1“ 1
Die Nr. 22 des Centralblatts der Abgaben.⸗, Ge werbe⸗ und Handels⸗Gesetzgebung und Verwaltung irn den vFöniglich preußischen Staaten hat folgenden Inhalt Cirkular⸗Verfügung des Königlichen Finanz⸗Ministeriums, die Außer⸗ kur⸗setzung verschirdener Landesmünzen betreffend, vom 8. Oktobe 1875. — Cirkular⸗Verfügung des Königlichen Finanz⸗Ministeriums die Außerkurssetzung der Dreipfennigstücke betreffend, vom 25. Ok tober 1875. — Bekanntmachung, die Außerkurssetzung der Drei pfennigstücke deutschen Gepräges. Vom 17. Oktober 1875. — fügungen des Königlichen Finanz⸗Ministeriums, Veränderungen in dem Stande und in den Befugnissen der Zoll. und Steuerstellen be⸗ treffend. — Verfügung des Königlichen Finanz⸗Ministeriums, die Ta rifirung von Aus hängeschildern, bestehend in Lithograpraphien oder
Farbendruck auf Papier, betreffend, vom 26. August 1875. — Per⸗ sonal Chronik. 8 W — ¹
Statistische Nachrichten.
Unter den der evangelischen Landeskirche mehr oder weniger verwandten oder von ihr abgezweigten hier bestehenden Gemeinden nimmt, nach dem soeben erschienenen Berl. städt. Jahrbuch, die französischsreformirte Kolonie den ersten Platz ein. Dieselbe umfaßt jetzt etwa 6000 Seelen. Es bestehen bei ihr 21 Stiftungen für Armenzwecke und 6 Anstalten zur Pflege und Erziehung, in denen 297 Personen dauernd untergebracht sind. — Die freireligiöse Gemeinde hat eine Seelenzahl von mindestens 3000, sie besitzt eine Religionsschale mit ca. 150 Kindern, einen Fortbildungsverein, einen Frauenverein für praktische Humanitätspflege und einen eigenen Fried⸗ hof in der Pappelallee. Der Zuwachs der Gemeinde betruz im vorigen Jahre 37 Mitglieder. Der eiserne Hüfsfonds der Gemeinde beziffert sich auf 20,000 Thlr. — Die freie evangelisch⸗lutherische Jesus⸗Gemeinde, welche gegenwärtig aus 5000 Seelen besteht, hat ziemlich reiche Einnahmen und wird demnächst mit dem Bau einer neuen Kirche beginnen. — Die bald anderthalb Jahrhunderte alte herren⸗ hutische oder böhmisch⸗mährische Brüdergemeinde zählt uur 218 engere und 18 weitere Mitglieder, besitzt aber eine Knaben⸗ und Mädchenschule, einen eigenen Gottesacker vor dem Halleschen Thor und einen eigenen Versammlunzssaal. — Die 1837 gestiftete Bap⸗ tisten⸗Gemeinde hatte im vorigen Jahre 893 Abendmahlsgenossen. Die Zahl der hier ansässigen Baptisten nebst Familiengliedern beträgt jetzt etwa 1300. — Die Zahl der in der apostolischen Gemeinde (Irvingianer) 1874 vollzogenen Taufen befrägt 55, die Zahl der Trauungen 13. Die Gemeinde hat keine Korporationsrechte, besitzt dagegen ein eigenes Gotteshaus in der Stallschreiberstraße und seit 2 Jahren eine Filialkapelle in der Zionskirchstraße. Die Zahl der Kommunikanten beträgt etwa 1350. — Was endlich die angli⸗ kanische Gemeinde betrifft, so ist ihre Mitgliederzahl nicht fest⸗ stehend. Dieselbe besteht aus den sich hier aufhaltenden Engländer und Amerikanern. 8
Kunst, Wissenschaft und Literatur.
Die „Kölnische Ztg.“ schreibt aus Cöln, 29. Oktober: Nachgrabungen auf dem hiesigen Rathhausplatze haben inter⸗ essante Ergebnisse geliefert. An der sfüdwestlichen Seite des Platzes zwar st man einem dort aufgegra enen römischen Gewölbe nicht weiter natgegangen, weil sich ergeben, daß das fragliche Gewölbe von den Bürgern oder Juden, die im Mittelalter ihre Häuser aus den römischen Resten errichtet haben, in seiner Krone durchgestoßen worden. Es hatte kein Interesse, dem Gaage eines zerstörten Ge⸗ wölbes weiter nachzuforschen; man konnte sich mit einer genauen Ab⸗ lothung und einer geometrischen Aufnahme begnügen. Anders stellt sich die Sache auf der nordwestlichen Seite des Platzes. Hier stieß man in einer Tiefe von etwa 2 ½ Fuß auf einen aus römischem Material erbauten Gang, der sich allmählich nach Westen hin s'nkt und in einer Tiefe von etwa 10 Fuß in ein gewalt ges römisches Tonnengewölbe einmündet. Dieses Gewölbe, dessen Baumaterial aus gewaltigen Tuffquadern, aus Grauwacke und aus römischen Ziegeln besteht, ist bis zu einem Drittel mit römischen Bauschutt augefüllt. Wenn der Schutt entfernt ist, wird sich eine Höhe von 12 Fuß ergeben. Bis jetzt hat man nach Westen, Norden und Osten das Eade dieser prächtigen Arkadenstellungen noch nicht gefunden.
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Es scheint, daß sich die Gewölbbogen nach Westen ganz unter dem
jetzigen Archivgebäude hinziehen. Es wird nicht bezweifelt werden können, daß die füdlich neben dem Portal noch sichtbaren gewaltigen Bogen mit unserm Gewölbe in direktem Zusammenhang standen, und daß das Thürchen, welches man 1563 neben dem Rathhausthurm entdeckt hatte, in da; genannte Gewölbe führte.
— Aus Offenbach, 21. Oktober, schreibt man dem „Fr. J“: „Gestern wurde in unserer Nähe bei Hof Gravenbruch, nicht weit von Hensenstanam, ein interessanter antiquarischer Fund gemacht. Es befindet sich dort mitten im Walde eine ansehnliche Gruppe von heidnischen Hügelgräbern, deren eines sich durch hervorragende Größe auszeichnet und deshalb bereits im Mai dieses Jahres von Seiten der Forstbehörde ausgegraben wurde. Die damalige Ausbeute ergah einige wohlerhaltene Gefäße, einen Reibstein u. A. Nun war durch die sehr anerkennenswerthe Muntficenz des Besitzers jener Waldungen, des Hrn. Grafen v. Schönborn, ein welterer Kredit zu Ausgrabungen an diesem Hügel zur Verfügung gestellt werden. Man hatte einen Tag bereits daran gearbeitet; einige weitene schöne Gefäße waren