1875 / 262 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Mon, 08 Nov 1875 18:00:01 GMT) scan diff

Ehrenwache stellte das genannte Husaren⸗Regiment. Am Morgen des 5. November fand eine Musikaufführung der ver⸗ einigten Mufikcorps des 2. Schlesischen⸗Grenadier⸗Regiments Nr. 11, 4. Niederschlesischen Infanterie⸗Regiments Nr. 51, des Leib⸗ Kürassier⸗Regiments (Schlesisches) Nr. 1, des 1. Schlesischen Husaren⸗Regiments Nr. 4, des 2. Schlesischen Dragoner⸗Regi⸗ ments Nr. 8 und des Schlesischen Feld⸗Artillerie⸗Regiments Nr. 6 statt. Um 9 Uhr setzte sich der Jagdzug vom Ständehause aus in Bewegung, die Equipagen waren von den Gutsbesitzern des Kreises gestellt. An der Jagd nahmen Theil der Kronprinz, Adjutant Major v. Liebenau, Prinz Carl, Adjutant Major von Ballussek, Prinz August von Württemberg, der Oberst⸗Jägermeister Fürst v. Pleß, der Hofjägermeister Freiherr v. Heintze, welch Letztere die Jagd leiteten; ferner der Hof⸗Marschall Graf Per⸗ poncher, der russische Militärbevollmächte General v. Reutern, die Flügel⸗Adjutanten Obersten Graf Lehndorff und Fürst Radziwill, der Fürst Carolath, Graf Maltzan, der kommandirende General des VI. Armee⸗Corps General der Kavallerie v. Tümpling, der Vize⸗Oberjägermeister v. Meyerinck, der Ober⸗Forstmeister Tramnitz, der Rittmeister v. Eicke, der Landrath v. Eicke und der Landesälteste v. Prittwitz.

Am Rendez-vous-Platz, der nach kurzer Fahrt erreicht wurde, tönte den Höchsten Herrschaften der von sämmtlichen Hornisten des zur Hofjagd kommandirten Detachements des 2. Schlesischen Jäger⸗Bataillons Nr. 6 ausgeführte „Fürstengruß“ entgegen. Die Jagd selbst war im Wesentlichen nach dem Vorbild der vorjährigen arrangirt. Vor dem Dejeuner im Walde fanden drei Waldtreiben statt, es folgte noch ein Waldtreiben und drei Fasanentriebe. Gegen 10 Uhr wurde das erste Treiben ange⸗ blasen, kurz vor 4 Uhr erschallte das letzte Hallali. Die Strecke ergab 9 Rehböcke, 209 Fasanen, 94 Hasen und 1 Fuchs, zusammen 310 Stücke Wild.

Die Betheiligung des Publikums war eine sehr bedeutende, mehr als 800 Eintrittskarten in den Oderwald waren ausge⸗ geben worden. Wo Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz Sich blicken ließ, wurde Höchstderselbe mit lautem Hurrahrufen begrüßt. Das Wetter begünstigte die Jagd außer⸗ ordentlich.

In der fünften Stunde kehrte der Jagdzug nach der Stadt, überall durch geschmackvoll dekorirte Straßen fahrend, zurück. Um 9 Uhr fand im Ständehause Diner bei Sr. Kaiserlichen und Königlichen Hoheit dem Kronprinzen statt. Während des Diners nahm der Kronprinz eine ihm vom Ohlauer Männer⸗ gesangverein dargebrachte Serenade entgegen. Die Stadt war Ab nds glänzend erleuchtet.

Bei der Hofjagd am 6. November ergab die Strecke 29 Rehe, 75 Fasanen, 319 Hasen und 3 Rebhühner. 1

Um 3 Uhr kehrten Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit der Kronprinz nach Ohlau zurück, um unverzüglich mit den Höchsten Herrschaften sammt Gefolge die Rückkehr nach Berlin anzutreten. Die Ankunft in Breslau er⸗ folgte um 3 Uhr 56 Minuten. Auf Wunsch Sr. Kaiser⸗ lichen und Königlichen Hoheit fand daselbst kein offizieller

Empfang statt. Während des kurzen, nur 5 Minuten dauern⸗ den Aufenthaltes erschien Se. Kaiserliche und Königliche Hoheit am Fenster des Salonwagens und verabschiedete Sich nochmals in freundlichster Weise.

Der Bundesrath hielt gestern die 30. Plenarsitzung

unter Vorsitz des Staats⸗Ministers Dr. Delbrück.

Vorgelegt wurde ein Schreiben des Präsidenten des Reichs⸗ tags, betreffend die vom Reichstage beschlossene Zustimmung zu dem Freundschafts⸗, Handels⸗ ꝛc. Vertrage mit Costa⸗Rica, und der Entwurf eines Gesetzes wegen der Anzeigepflicht bei dem

Auftreten gemeingefährlicher Krankheiten.

Hierauf wurden Mittheilungen gemacht, betreffend die Aus⸗ arbeitung des Entwurfs eines deutschen hürgerlic en Gesetzbuchs und die Verifikation der Arbeiten am Gotthard⸗Tunnel.

Ein Antrag, betreffend die Zollabfertigung des internatio⸗ nalen Verkehrs auf den Eisenbahnen zwischen Deutschland und der Schweiz, wurde dem betreffenden Ausschusse überwiesen.

Demnächst wurde Beschluß gefaßt über die bei der Pensio⸗ nirung einiger Beamten in Anrechnung zu bringende ständische und Gemeindedienstzeit.

Ausschußberichte wurden erstattet über: a. die Aufstellung der monatlichen Nachweisungen über die Einnahmen an Zöllen ꝛc., b. den Etat der Verwalt ng des Reichsheeres, c. den Etat des Reichskanzler⸗Amts.

Es folgte die Ernennung von Kommissarien für die Be⸗ rathung von Gesetzentwürfen im Reichstage.

Endlich wurden mehrere Eingaben vorgelegt.

In der hierauf folgenden Sitzung für elsaß⸗lothringische Angelegenheiten kamen zur Vorlage mehrere Schreiben des Präsidenten des Reichstags, betreffend die vom Reichstage

beschlossene Zustimmung: a. zu dem Gesetzentwurfe über die Er⸗

richtung von Marksteinen; b. zu dem Gesetzentwurfe wegen Ab⸗ änderung des Dekrets vom 29. Dezember 1851 über Schank⸗ wirthschaften; c. zu dem Gesetzentwurfe über die Gebühren der Advokaten u. s. w.; d. zu dem Gesetzentwurfe, betreffend die Kosten der Unterbringung verurtheilter Personen in ein Arbeits⸗ haus; e. zu dem Gesetzentwurfe, betreffend die Ausführung des Impfgesetzes; f. zu der Verordnung, betreffend die Stempel⸗ gebühren von den Steuer⸗ und Oktroibezettelungen und Quit⸗ tungen ꝛc.

Hierauf wurde ein Antrag eingebracht, Pensionirung der aus dem Luxemburgischen in den Elsaß⸗ Lothringischen Zollverwaltungsdienst übernommenen Beamten.

Ausschußberichte wurden erstattet über a. den Entwurf eines Gesetzes wegen Feststellung des Landeshaushalts⸗Etats von Elsaß⸗Lothringen für 1876; b. die Uebersicht der Einnahmen und Ausgaben der Landesverwaltung für 1873.

Endlich wurden Kommissare ernannt für die Berathung von Gesetzentwürfen im Reichstage.

Die vereinigten Ausschüsse des Bundesraths für Rechnungswesen und für Handel und Verkehr, sowie die ver⸗ einigten Ausschüsse für Zoll⸗ und Steuerwesen und für Rech⸗ nungswesen hielten gestern Sitzungen.

Der Bundesrath hat in seiner Sitzung vom 24. v. Mts. beschlossen: das amtliche Waarenverzeichniß in nach⸗ stehender Weise zu ergänzen beziehungsweise abzuändern:

1) Auf Seite 32 ist hinter dem Artikel „Boules colorantes“ aufzunehmen: Boulinikon (Deckenstoff von zerkleinerten Haaren, Wollabfällen, Lederabfällen und dergleichen und Kautschuck oder Guttapercha); siehe Decken, (Fußdecken).

2) Auf Seite 49 ist der Artikel: Decken (Fußdecken) aus

geraspeltem Kork ꝛc. zu fassen: (Fußdecken) aus zerkleinerten

animalischen oder vegetabilischen Stoffen und Kautschuck, Gutta⸗

percha oder oxydirtem Leinöl (Boulinikon, Kamptulikon, Linoleum), .“ 8

8 8

betreffend die

auch mit Unterlagen von grobem Zeugstoff: 1) ungefärbte, un⸗ bedruckte 13 d. (zollfrei), 2) gefärbte oder bedruckte 13 e.

3) Auf Seite 146 ist hinter dem Artikel liniirtes Papier“ aufzunehmen: Linoleum (Deckenstoff von zerkleinertem Kork und oxydirtem Leinöl); siehe Decken (Fußdecken).

Auf Seite 43 hinter dem Artikel „Cigarrenmaschinen“ auf⸗ zunehmen: Cigarrenspitzen von Holz oder anderen vegetabilischen oder animalischen Schnitzstoffen (mit Ausnahme von Schildpatt) 13 f. —, andere nach Beschaffenheit des Materials.

Auf Grund des Beschlusses des Reichstags hat der Bundesrath beschlossen, die aus den allgemeinen Rechnungen über den Haushalt des Norddeutschen Bundes für das II. Se⸗ mester des Jahres 1867 und für die Jahre 1868 und 1869 er⸗ sichtlichen Etatsüberschreitungen und außeretatsmäßigen Ausga⸗ ben zu genehmigen, und dem Reichskanzler in Bezug auf diese Rechnung, sowie in Bezug auf die allgemeine Rechnung über den Haushalt des Norddeutschen Bundes für das Jahr 1870 auf Grund des Artikels 72 der Verfassung die Ent⸗ lastung zu ertheilen. Dem Reichstage ist hiervon Mittheilung gemacht.

Der Reichstag hatte in seiner Sitzung vom 17. De⸗ zember v. J. bekanntlich beschlossen: behufs Aufrechterhaltung der Würde des Reichstags ist es nothwendig, im Wege der De⸗ klaration resp. Abänderung der Verfassung die Möglichkeit aus⸗ zuschließen, daß ein Abgeordneter während der Dauer der Sitzungsperiode ohne Genehmigung des Reichstags verhaftet werde.

Der Bundesrath hat, wie derselbe dem Reichstag mit⸗ theilt, in Erwägung, 1) daß der Artikel 31 der Reichsverfassung, wie aus einer Vergleichung des Inhaltes seines dritten Absatzes mit dem der beiden vorangegangenen hervorgeht, dem Reichstage eine Einwirkung auf Abwehr einer Verhaftung seiner Mitglieder nur bei der Untersuchungs⸗ oder Schuldhaft, nicht aber auch bei einer im Strafverfahren bereits rechtskräftig erkannten Haft ein⸗ geräumt hat; 2) daß ein Bedürfniß zur Abänderung dieser Verfassungsbestimmung dahin: daß auch die Vollstreckung einer im Strafverfahren bereits rechtskräftig erkannten Haft von der Zu⸗ stimmung des Reichstags abhängig sein solle, nicht anerkannt werden kann, da die deutsche Reichsverfassung sich durch eine solche Aenderung in Widerspruch mit dem gemeinen Staatsrechte aller großen konstitutionellen Staaten setzen würde, welches ein solches Recht der Landesvertretung nicht kennt, und zwar offen⸗ bar in Würdigung des Unterschiedes, welcher thatsächlich und rechtlich zwischen der Einleitung oder Fortführung einer straf⸗ rechtlichen Verfolgung und der Vollstreckung eines rechtskräftigen Erkenntnisses obwaltet, beschlossen, der Resolution des Reichs⸗ tags eine Folge nicht zu geben.

Das Staats⸗Ministerium trat gestern Mittag 1 Uhr zu einer Sitzung zusammen.

Die vereinigten Berliner Kreissynoden traten heute Vormittag 10 Uhr im Saale des Evangelischen Vereins⸗ hauses zu ihrer zweiten Sitzung zusammen. Anwesend waren 129 Mitglieder; den Vorfitz führte, wie bei der ersten Versamm⸗ lung, der General⸗Superintendent Dr. Brückner, der die Ver⸗ handlungen mit einem kurzen Gebet eröffnete. Das Bureau bestand wiederum aus den Herren Superintendent Berner, Pre⸗ iger Budtmann, Konsistorial⸗Räthen Nosl und Stahn, sbwie den Herren Rentier Kochhann, Direktor Runge, Stadt⸗ rath Hermes und Professor Hinschius. Den Verhandlun⸗ gen mohnte der Präsident des Konsistoriums Hegel bei.

Auf der Tagesordnung stand die Berathung der Anträge der in voriger Sitzung gewählten Kommission, betreffend die Bildung einer Gesammt⸗Kreis⸗ (Stadt⸗) Synode für Berlin und die Befugnisse derselben. Nachdem ein Antrag auf en bloc-Annahme des von der Kommission vorgeschlagenen Entwurfs mit Rücksicht auf die Wichtigkeit desselben und auf sechs vom Präsidenten Hegel eingelaufene Amende⸗ ments abgelehnt worden, referirte der Prof. Hinschius über die Berathungen der Kommission. Letztere sei darüber einig gewesen, daß die neue Institution, welche nach den Beschlüssen der letzten Synode Steuern ausgeschrieben habe, namentlich für den Ausfall der Stolgebühren, eo ipso eine ständige sein müsse. betrifft, so habe es die Kommission für wünschenswerth erachtet, so wenig wie möglich in die Kompetenz der Provinzialsynoden, Kreissynoden, Kirchenräthe und Kirchenorgane einzugreifen, andererseits habe die Kommission geglaubt, daß die Institution das Recht haben müsse, Berichte über die äußern kirchlichen Bedürfnisse der Bezirke einzufordern und allgemeine Grundsätze für die statutarischen Ordnungen der Gemeinden und Kreissynoden aufzustellen; die übrigen Kompetenzen seien begutachtender und befürwortender Natur, die beaufsichtigenden und disziplinarischen Befugnisse der Kreissynode würden durch den Entwurf nicht tangirt. Nach dieser Einleitung wurde sofort in die Spezial⸗ diskussion über den vorgeschlagenen Entwurf einer Ordnung für die Gesammt⸗Kreissynode von Berlin eingetreten.

Der §. 1 wurde nach längerer Debatte, wie folgt, formulirt:

„Die Gesammt⸗Kreis⸗ (Stadt⸗) Synode von Berlin besteht: 1) aus dem General⸗Superintendenten für die Stadt Berlin als Vorsitzenden, und 2) aus sämmtlichen stimmberechtigten Mitgliedern der vier Berliner Kreissynoden. Diejenigen Geistlichen, welche an den letzteren mit berathender Stimme theilzunehmen befugt sind, haben dasselbe Recht hinsichtlich der Gesammt⸗Kreis⸗ (Stadt⸗) Synode.“

§. 2 lautet nach den Beschlüssen der Kommission:

„Die Gesammt⸗Kreis⸗ (Stadt⸗) Synode tritt jährlich in der Regel im Monat Oktober zusammen. Außerordentliche Versamm⸗ lungen können mit Genehmigung oder auf Anordnung des Kon⸗ sistoriums stattfinden.“

Der Antrag wurde angenommen.

Der §. 3 der Kommissionsvorschläge, welcher von den Be⸗ fugnissen des Vorsitzenden handelt, ward ohne Debatte ange⸗ nommen. §. 4, der wichtigste des ganzen Entwurfes, lautet nach den Vorschlägen der Kommission:

„Der Wirkungskreis der Gesammt⸗Kreis⸗ faßt nachstehende Befuznisse und Obliegenheiten:

1) Die Erledigung der vom Konsistorium oder von der Pro⸗ vinzialsynode gemachten, gemeinsame kirchliche Angelegenheiten der Stadt betreffenden Vorlagen;

2) Die Erledigung der von den einzelnen Kreissynoden an sie verwiesenen, die ganze Stadt betreffenden Anträge;

3) Die Berathung von Anträgen an das Konsistorium und die Provinzialsynode, welche von Mitgliedern der Synode, von den Kreis⸗ synoden, den Gemeinde⸗Kirchenräthen, oder einzelnen Gemeinde⸗ mitgliedern des gesammten Bezirks ausgehen;

4) Die Einforderung von Berichten über die kirchlichen Bedürf⸗ nisse der Gemeinden⸗ und Kreissynodalbezirke Seitens der Gemeinde⸗ organe, der Kreissynoden und ihrer Vorstände, sowie die Befugniß und Pflicht, den gedachten Vertretungen die Abhülfe etwaiger Noth⸗ stände in Erwägung zu geben; 8 1

Was die Bestimmung der Kompetenz V der 2. Garde⸗Infanterie⸗Division, Freiherr von Steinäcker, General à la suite Sr. Majestät des Kaisers und Königs und

(Stadt⸗) Synode um⸗

5) Die Aufstellung allgemeiner Grundsätze für die statutarischen Ordnungen der Gemeinden und Kreissynoden; 1 1b

6) Die Ausschreibung und Auferlegung von Kirchensteuern, die Vertheilung der Erträge auf einzelne Gemeinden, sowie die Aufsicht und Rechenschaftseinforderung über die Verwendung derselben durch die Empfangsberechtigten. 1

Die Kirchensteuern dürfen nur zur Befriedisung dringender kirchlicher Bedürfnisse, zunächst als Ersatz für den Ausfall an Stolgebühren, auferlegt und verwendet werden. Die Auferlegung muß gleichzeitig in allen Gemeinden nach gleichem Maßstabe in Prozenten der Staats⸗ Einkommen⸗ und Klassensteuer erfolgen. Der Betrag der Kirchen⸗ steuer wird nach dem vorliegenden Bedürfniß, wie dasselbe von den gesetzlichen Organen der einzelnen Gemeinden aufgestellt ist, fest gesetzt, nachdem alle zur Prüfung erforderlich erachteten Unterlagen gewährt sind. Die Vertheilung oder Ueberweisung von Kirchensteuererträgen an die einzelnen Gemeinden erfolgt nach Maßgabe des anerkannten Bedürfnisses. 3

7) Die Aufsicht über die Verwaltung der Erträge der Kirchen⸗ steuern, die Genehmigung der Anstellung der für die Verwaltung erforderlichen besoldeten Beamten, der fuür ‚diese zu erlassenden Ge⸗ schäftsanweisungen und der Voranschläge für die Verwaltung, die Abnahme der vom Vorstande zu legenden Rechnungen, sowie die Ent⸗

lastung desselben 1 Dieser §. 4 wurde nach längerer Debatte unter Ablehnung

mehrerer Amendements des Präsidenten Hegel in seinen einzelnen Punkten angenommen.

Die Collecteure der preußischen Staatslot⸗ terie sind, nach einem Erkenntniß des Ober⸗Tribunals vom 7. Oktober d. J., nicht als Beamte im Sinne des Reichs⸗Strafgesetzbuches zu betrachten. „Das Reich oder der Staat“, führt das Ober⸗Tribunal in dem betreffen⸗ den Erkenntniß aus, ‚„kann und muß nicht für alle seine Zwecke sich nothwendig nur amtlicher Organe bedienen; vielmehr kann der Staat unbedenklich zur Erreichung bestimmter, namentlich solcher Staatszwecke, bei welchen es sich um einen Erwerb für den Staat handelt, die Mitwirkung der Privatindustrie ins Auge fassen, und es muß darum doch denjenigen, welche sich so den Zwecken des Staats dienstbar machen, für seine Zwecke thätig sein wollen, wenn sie deshalb auch, gleichviel in welcher Form, in eine nähere direkte Verbindung mit den verwaltenden Staatsbehörden treten, ein amtlicher Charakter nicht nothwendig beigelegt werden. Eine solche Nothwendigkeit würde überall in der Sache nur da be⸗ gründet sein, wo es sich zugleich um die Ausübung eines Theils der Staatsgewalt handelt, welche nur in die Hand eines durch die öffentliche Autorität mit einem amtlichen Charakter ausgestat⸗ teten Individuums gelegt werden kann. Inwieweit im Uebrigen der Staat seine sonstigen Organe durch den Inhalt ihrer Be⸗ stallung als Beamte anerkennen, ihnen mit den Rechten auch die Pflichten der Beamten beilegen will, muß auch unter der Herrschaft des Reichs⸗Strafgesetzbuchs den vom Staate zu treffen⸗ den, auch seine innere Organisation bezüglichen Bestimmungen überlassen bleiben. Sowohl nach §.2 des älteren Lotterie⸗Edikts vom 20. Juni 1794, als nach §. 7 des neueren Edikts vom 28. Mai 1810 sind die durch den Druck bekannt zu machenden Pläne, Instruk⸗ tionen für die Einnehmer und Publikanda die Gesetze, nach welchen die Rechte und Pflichten der General⸗Lotterie⸗Direktion und der unter ihrer Autorität und von ihr angenommenen Ein⸗ nehmer beurtheilt werden sollen. Da nun aber der §. 4 der Geschäftsanweisung für die Lotterie⸗Einnehmer und Untereinneh⸗ mer vom 1. Juni 1862 bestimmt: „Der Einnehmer steht zur General⸗Lotterie⸗Direktion lediglich im Verhältniß eines Bevoll⸗ mächtigten. Er ist nicht Staatsbeamter“, so ist es klar, daß in Preußen für die Collecteure der Staatslotterie der amtliche Cha⸗ rakter nicht vindizirt werden kann.

Der Königlich belgische Gesandte, Baron Nothomb, ist von seiner Urlaubsreise zurückgekehrt und hat die Geschäfte der Gesandtschaft wieder übernommen.

Der General⸗Lieutenant Baron de Tornauw vom Kaiserlich russischen Generalstabe ist auf der Durchreise hier eingetroffen.

Die General⸗Majors von Morozowicz, Chef der Landesaufnahme, Frhr. von Barneckow, Kommandant von Danzig, Frhr. von Medem, Kommandant von Mainz, von Werder, General à la suite Sr. Majestät des Kaisers und Königs und Militär⸗Bevollmächtigter in St. Petersburg, von Rauch, Remonte⸗Inspecteur, von Dannenberg, Commandeur

Commandeur der Schloßgarde⸗Compagnie, und von Stiehle, General à la suite Sr. Maäjestät des Kaisers und Königs und Commandeur der 7. Division sind zu General⸗Lieutenants, die Obersten von L' Estocq, Commandeur der 1. Garde⸗Infanterie⸗ Brigade, Wiebe, Commandeur der 4. Fuß⸗Artillerie⸗Brigade, und Berger, mit der Führung der 61. Infanterie⸗Brigade be⸗ auftragt, unter Ernennung zum Commandeur dieser Brigade zu General⸗Majors befördert worden.

Die Leiche des verstorbenen Reichstags⸗Abgeordnete 1 Robert v. Mohl ist gestern Abend mit dem Schnellzuge nach Karlsruhe befördert worden, woselbst heute Mittag 1 Uhr die Beisetzung in dem neu eingerichteten Familienbegräbni ist. Auf ausdrücklichen Wunsch der Hinterbliebenen ist hierselb 8 jede Leichenfeierlichkeit unterblieben; eine beabsichtigte Deputation zur Beerdigung ist dankend abgelehnt worden. Der Schließun des Sarges wohnte nur die Tochter und ein Sohn, der Kabinets Sekretär Ihrer Majestät der Kaiserin und Königin, der Schwieger sohn des Verstorbenen Professor Helmholtz, sowie die Professoren

Marquardsen und Zeller bei.

S. M. Schiffe „Victoria“ und „Luise“ sind am

V 3. d. Mts. von Plymouth nach Madeira in See gegangen.

Bayern. München, 6. November. Der Kronprin

Rudolf von Oesterreich ist, von Salzburg kommend, heute

Nachmittag hier eingetroffen und im Bahnhofe vom Prinze

und der Prinzessin Leopold herzlichst empfangen worden

Der Kronprinz wird zum Besuche seiner erlauchten Verwandten mehrere Tage hier verweilen. In einer an eine Kreisregierung ergangenen Entschließung des Kultus⸗Ministeriums vom 29. v. Mts. wird ausgesprochen, daß der Hülfslehrerin N. die dienstliche Bewilligung zur Verehelichung mit dem Schul⸗ lehrer N. zu versagen ist, „da die Verwenduug von verhei⸗

ratheten Lehrerinnen im öffentlichen Lehrfache aus pädagogischen Rücksichten prinzipiell nicht gestattet werden kann.“ Zum

Vollzuge des Reichsgesetzes über die Civilehe hat der Magi⸗ strat der Residenzstadt ein Gutachten über die Bildung der Standesamtsbezirke vorzulegen. Der Magistrat be⸗ schäftigte sich in gestriger Sitzung mit diesem Gegenstand, und erklärte sich der Referent, Bürgermeister Dr. Erhardt, im Hin⸗ blick auf die in preußischen Städten gemachten Erfahrungen und gestützt auf sehr emsig gesammeltes statistisches Material, für die Bildung eines einzigen, die ganze Stadt umfassenden Standes⸗

amtsbezirks. Die Bescheidung der Fragen: ob eigene Standes⸗ beamten aufzustellen seien, eb der eine Bezirk zur Vornahme des Registrirens in Abtheilungen zerfallen soll, solle der späteren Beschlußfassung vorbehalten bleiben. Das Kollegium ertheilte der Abgabe des Gutachtens in diesem Sinne seine Zustimmung. Dankadressen an den König find ferner abgesendet worden von einer Distriktsrathsversammlung in Erlangen, von den gemeindlichen Kollegien in Immenstadt, Günzburg, Krum⸗ bach, Neuötting, Rain am Lech, von den Gemeinden Diebach, Euerbach, Hürben, Buttenwiesen, Lauber, Küps, Marnheim, Babenhausen, Sendling, Brückenau, von einer Festversammlung in Deggendorf, von liberal gesinnten Männern in Berchtes⸗ gaden, von einer durch die Gemeindeverwaltung angeregten Volksversammlung in Dombühl, von Bürgern und Beamten in Wasserburg, von Einwohnern von Pfaffenhofen an der Ilm, von Urwählern in Starnberg.

Sachsen. Dresden, 6. November. Der König hat sich heute Vormittag mit dem ehemaligen Großherzog von Toskana und dem Prinzen Georg nach Moritzburg be⸗ geben, um im Thiergarten daselbst eine Jagd abzuhalten. Nach derselben findet im Schlosse zu Moritzburg Tafel statt, an welcher auch die Königin, die Großherzogin von Toskana und die Prinzessin Georg Theil nehmen. Morgen Abend wird der König sich mit dem Großherzog und dem Prinzen Georg zu einem mehrtägigen Aufenthalt nach dem Jagdschlosse Wermsdorf begeben, um in dortiger Gegend Jagden abzuhalten.

Württemberg. Stuttgart, 5. November. Der König hat heute Vormittag den neu ernannten Königlich spanischen außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister, Herrn Francisco Merry y Colom, behufs der Entgegen⸗ nahme seines Beglaubigungsschreibens, in Audienz empfangen.

6. November. (W. T. B.) In Bezug auf den von der evangelischen Landessynode angenommenen Antrag, betreffend die Verweigerung der Trauung wegen zu besorgen⸗ den Aergernisses veröffentlicht der Urheber jenes Antrags, Prälat, Kapff, im „Schwäb. Merkur“ eine Erklärung, worin gesagt wird, daß der Antrag mißdeutet worden sei, und daß man den „Antrag oder vielmehr Beschluß“ fallen gelassen habe.

Baden. Karlsruhe, 4. November. An Stelle des aus der Zweiten Kammer getretenen Ober⸗Bürgermeisters Herrn Lauter wurde heute Kreisgerichtsrath v. Blittersdorf mit 135 Stimmen gegen 28, welche auf Stadtrath Leichtlin fielen, gewählt. Am ßeste Allerheiligen hielt der Landwehr⸗ und Reservistenverein Belfort in Freiburg, wie seit einigen Jahren an diesem Tage üblich ist, auf dem alten Friedhofe in Anwesen⸗ heit einer sehr großen Menschenmenge die Gedenkfeier für die dort ruhenden deutschen Krieger ab, deren Gräber durch Kränze, Trauerflor ꝛc., die meist aus milden Gaben angeschafft worden, sinnig geschmückt waren. Nach Mittheilung aus Baden⸗Baden fand man heute Morgen den belgischen Konsul, Herrn Elie Lejeune (der seinen Sitz in Baden hatte) nahe beim Klubhause in der Lichtenthaler Allee todt auf der Erde liegen. Der hiesige Verwaltungsgerichtshof hat folgenden Fall entschieden: Der wegen Ungehorsams gegen Anordnungen der vorgesetzten Behörde (gelegentlich der Beerdi⸗ gung eines Altkatholiken) seines Amtes entsetzte Bürger⸗ meister Hug in Bühl, bei den letzten Wahlen von den Ultramontanen auch zum Abgeordneten gewählt, war von dem Gemeinderath auf die Liste der zu Gemeinde⸗ räthen Wählbaren gesetzt worden. Hiergegen hatten die Libe⸗ ralen Bühls Einsprache erhoben, welcher von dem Bezirksrathe stattgegeben wurde. Nach §. 26 der Gemeindeordnung kann nämlich ein seines Amtes entsetzter Beamter binnen sechs Jahren nicht wiedergewählt werden. Der Bezirksrath nahm an, daß der Grund des Gesetzes bezüglich der Nichtwählbarkeit des Bürger⸗ meisters und des Gemeinderathsmitgliedes der gleiche sei. Der Gemeinderath rief nun als Recursinstanz den Verwaltungsge⸗ richtshof an, vor dem sein Vertreter ausführte: Von einer Wie⸗ derwahl könne nur bezüglich eines Amtes die Rede sein, welches man bereits bekleidet habe. Die Dienstentlassung sei eine Strafe, und das Straferkennmiß dürfe nicht extensiv interpretirt werden; die Bestimmungen über die Nichtwählbarkeit seien Ausnahms⸗ bestimmungen, und Ausnahmsbestimmungen seien strictissimae interpretationis. Der Gerichtshof setzte nach mehrstündiger Be⸗ rathung die Urtheilsverkündigung auf acht Tage aus und hat nun die Entscheidung des Bezirksraths bestätigt.

Oldenburg. Olden burg, 5. November. Auf der heutigen Tagesordnung des Landtags stand u. A. der Bericht des Finanzausschusses, betreffend den Voranschlag der Ein⸗ nahmen des Herzogthums für die Finanzperiode 1876,78. Die Gesammteinnahme ist veranschlagt pro 1876 auf 6,638,000 Mk., pro 1877 auf 4,691,000 Mk. und pro 1878 auf 4,685,000 Mk., und setzt sich zusammen aus einer Einnahme vom Staatsgut im Betrage von 1,140,489 Mk. 21 Pf. für 1876, 1,151,774 Mk. 21 Pf. für 1877 und 1,125,619 Mk. 21 Pf. für 1877, einer Einnahme von Gewerbrekognitionen, Sporteln, Gebühren ꝛc. für den Gebrauch von Staatsanstalten im Betrag von 1,413,847 Mk. für 1876, 1,431,047 Mk. für 1877 und 1,456,547 für 1878; aus einer Einnahme von den Steuern im Betrag von 1,879,500 Mk. für 1876, 1,888,900 Mk. für 1877 und 1,898,400 Mk. für 1878; und aus vermischten Einnahmen im Betrage von 2,204,163 Mk. 79 Pf. für 1876, 219,278 Mk. 79 Pf. für 1877 und 204 433 Mk. 79 Pf. für 1878. Die vermischten Einnahmen für das Jahr 1876 sind aus dem Grunde so hoch, weil hierunter die Kosten⸗ überschüsse von 1875 und den vorhergehenden Jahren im Be⸗ trage von 1,825,000 Mk. mitbefaßt sind. Was die einzelnen Einnahmepositionen anbelangt, so hatte der Finanzausschuß die Ansicht ansgesprochen, daß die Einnahme aus den Forsten nicht im Verhältniß zu den Holzpreisen gestiegen sei; hierdurch fand sich der Regierungskommissär veranlaßt, die Gründe, aus denen die Erträgnisse der Forsten nicht in erheblichem Grade zugenommen hätten, näher zu entwickeln. Er hob unter Anderm hervor, daß die bedentenden Waldbrände der letzten Jahre die Ein⸗ nahmen nicht unwesentlich beeinträchtigt hätten; in den letzten 75 Jahren, von 1795 1870, hätten 34 größere Forstbrände stattgefun⸗ den, von denen auf die ersten 25 Jahre nur 4, auf die zweiten 25 Jahre schon 10, auf die letzten aber sogar 20 kämen. Bei der Position „Ertrag von den Chausseen“ der Wunsch zu erkennen gegeben, die Staatsregierung möge darauf Bedacht nehmen, für die Zukunft in Uebereinstimmung mit Preußen von der Erhebung von Chausseegeld abzusehen. Da von anderer Seite die Beibehaltung des Chausseegeldes ver⸗

theidigt wurde, so entspann sich über die Zweckmäßigkeit oder Un⸗

des Staatschausseegeldes eine ziemlich lebhafte ebatte.

die Umständlichkeit der Erhebung und die damit verbundene

theidiger desselben betonten, daß der durch die Abschaffung des

wurde von verschiedenen Seiten

Chausseegeldes entstehende Ausfall von ca. 70,000 Mk. jährlich sich nicht so leicht decken lasse, und es nur gerecht erscheine, daß die⸗ jenigen, welche die Staatsstraßen benutzten, dafür einen kleinen Beitrag zu den Reparaturkosten lieferten. Die sämmtlichen Ein⸗ nahmepositionen wurden vom Landtage angenommen.

Schwarzburg⸗Rudolstadt. Rudolstadt, 4. Novem⸗ ber. Der Landtag des Fürstenthums Rudolstadt wurde gestern durch den Staats⸗Minister v. Bertrab im Fürstlichen Schlosse eröffnet. Zu den Vorlagen gehören: 1) der Staatshaushalts⸗ Etat auf die Jahre 1876— 78, welcher in Einnahme und Aus⸗ gabe ohne Ueberschuß und ohne Defizit abschließt; 2) Gesetz⸗ entwürfe über Forterhebung der Grund⸗ und Gebäudesteuer und über weitere Regelung der Klassen⸗ und klassifizirten Einkommen⸗ steuer; 3) Gesetzentwürfe über Einführung von Fortbildungs⸗ schulen und Erhöhung der Schullehrerbesoldungen.

1 Lippe. Detmold, 6. November. In dem Befinden des Fürsten ist seit gestern keine Aenderung eingetreten.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 6. November. Im Ver⸗ lauf der juridischen Studien, denen der Kronprinz Erz⸗ herzog Rudolf seit Beginn dieses Jahres obliegt, gelangten nun auch die Vorträge über „römisches Recht, Rechtsgeschichte und Rechtsphilosophie“ zum Abschluß. Gemäß Allerhöchster Anordnung fand die Prüfung aus diesen Gegenständen am 3. d. M., Vormittags, im Schlosse zu Gödöllö, und zwar in Gegenwart Sr. Majestät statt. Der Kronprinz beantwortete, wie die „Wien. Ztg.“ mittheilt, die überwiegend an das juristi⸗ sche Denken, weniger an die Reproduktion des Gedächtnisses appellirenden Fragen durchaus mit Sicherheit, Selbständigkeit und Gewandtheit des Ausdruckes. Am Schlusse der Prüfung sprach der Kaiser dem Universitäts⸗Professor Dr. Adolf Exner, welcher dem Kronprinzen die Prüfungsfächer vorgetragen hatte, seine 9-8 Zufriedenheit und Anerkennung aus.

Der Kronprinz Erzherzog Rudolf hat si stern nach München begeben. 1“ ““

Das Abgeordnetenhaus überwies gestern eine Pe⸗ tition von 2300 Handels⸗ und Gewerbetreibenden Brünns um Kündigung der Handelsverträge und Vorlegung eines autonomen Zolltarifes dem Volkswirthschaftsausschusse; die Regierungs⸗ vorlage über die neuen Eisenbahnbauten wurden in erster Lesung dem Eisenbahnausschusse zugewiesen. Das Gens darmeriegesetz ward nach den Ausschußanträgen mit einigen Modifikationen an⸗ genommen. Der Incompatibilitätsausschuß beschloß, in die Spezialdebatte über den diesbezüglichen Gesetzentwurf einzugehen.

Pest, 5. November. In der heutigen Sitzung des Ab⸗ geordnetenhauses überreichte Ministerpräsident Tisza die Schlußrechnungen für das Jahr 1874 und die Aeußerungen des Staatsrechnungshofes über dieselben. Ferner überreichte Tisza fünf Gesetzentwürfe, und zwar: Ueber die Verwaltungsaus⸗ schüsse, über das Sanitätswesen, über die Modifikationen einiger Verordnungen des Gemeindegesetzes, über die Modifikation und Ergänzung des auf das Disziplinarverfahren bezüglichen Theiles des Munizipalgesetzes und über die Kostenbedeckung der Waisen⸗ und Vormundschaftsämter. Der Finanz⸗Minister Szell über⸗ reichte sodann folgende Gesetzentwürfe: Ueber die Ausdehnung einiger Bestimmungen des Branntweinsteuergesetzes auf die Militärgrenze, über die kroatischen Urbarial⸗ Ablösungs⸗ obligationen, über die Verlängerung der Geltung der bestehenden Steuergesetze und über die Steuermanipu⸗ lation. Der Handels⸗Minister Baron Simonyi überreichte Vorlagen über den mit Rumänien abzuschließenden Handels⸗ vertrag, über den mit dem Königreiche der Insel Hawai ab⸗ zuschließenden Handels⸗ und Schiffahrtsvertrag, über die mit Spanien abgeschlossene Nachtragskonvention und über das inter⸗ natisnale Telegraphenbündniß. Der Justiz⸗Minister Perczel über⸗ reichte Gesetzentwürfe über die Sicherstellung der Pfandbriefe, über die skalamäßigen Richtergehalte, über die formale Abfassung von Testamenten und Erbschaftsurkunden und über das Wechsel⸗ und Strafgesetzbuch. Von den vom Honved⸗Minister Szende überreichten Gesetzentwürfen über die Assentirung und über die Versorgung der Soldaten der Armee und der Honveds und über die Auflösung des affenlieferungsvertrages für 1876 wurden die zwei ersten dem Wehrausschusse, der letztere dem Finanzausschusse zugewiesen. G

Agram, 5. November. Der Gesetzentwurf über die Ablö⸗ sung der Urbarialrechte wurde vom Landtage in dritter Lesung angenommen. Hierauf wurde die Spezialdebatte über das Landes⸗ budget fortgesetzt und dasselbe nach den Anträgen des Aus⸗ schusses bis zum Titel 12 erledigt.

6. Rovember. Die Spezialdebatte über das Landesbudget wurde heute beendigt. An dem Elaborate des Ausschusses wur⸗ den keine Abänderungen vorgenommen. Morgen gelangt die Vorlage zur dritten Lesung, worauf sich der Landtag bis nach Weihnachten vertagen wird.

MNiiederlande. Haag, 6. November. (W. T. B.) Nach

einem Bulletin des „Staats Courant“ über das Befinden

der Königin haben sich die Fieberanfälle nur in geringerem

Grade wiederholt, dagegen haben die Brustschmerzen zugenom⸗

men. Die letzte Nacht verlief etwas günstiger, so daß die Gefahr ein wenig gemindert erscheint.

Frankreich. Paris, 7. November. (W. T. B.) Der Deputirte Guibal von der Linken ist gestorben, der De⸗ putirte Wolowski ist heftig erkrankt.

Versailles, 6. November. (W. T. B.) In der heutigen Sitzung der Nationalversammlung haben sich die Bureaus

Herzog von Audiffret⸗Pasquier sprach der Versammlung seinen Dank für seine Wiederwahl zum Präsidenten aus. Im weiteren Verlaufe seiner Rede wies der Herzog auf die Wichtig⸗ keit der bevorstehenden Debatten hin, indem er hervorhob, daß die Versammlung jetzt im Begriff stehe, die politische Organi⸗

sation des Landes zu vervollständigen und das Werk, welches

man ihrem Patriotismus anvertraut habe, zu vollenden. Schließ⸗ lich bat der Herzog die Versammlung, ihm ihr Vertrauen zu erhalten. Der Iustiz⸗Minister Dufaure erklärte auf eine Anfrage des Deputirten Franclieu, daß die Regierung am Anfange der nächsten Woche einen Preßgesetzentwurf einbringen werde, bei welchem die Frage der Aufhebung des Belagerungszustandes in Berücksichtigung gezogen

Die Gegner des Chausseegeldes machten insbesondere Un heute Belästigung des fahrenden Publikums geltend, während die Ver⸗ 1Sagasta erklärte,

ist. Die Verfammlung genehmigte betreffend die Militärpflicht in

Spanien. Madrid, 7. November. (W. T. B.) Die auf einberufene Versammlung der Konstitutionellen der Führung Sagasta's war sehr zahlreich besucht.

daß seine Partei das Königthum Don

Algerien.

unter

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Alfonso’'s acceptire und die Konstitution vom Jahre 1869 be⸗ gehre, die im Geiste der Septemberrevolution verbessert und

umgestaltet werden müsse. Die Versammlung beschloß, an den

1898 nicht theilzunehmen, wenn diese nicht vollständig ei find.

Portugal. Lissabon, 6. November. (W. T. B.) Nach hier vorliegenden amtlichen Meldungen über eine angebliche Verletzung des portugiesischen Gebietes am Kongoflusse durch die Engländer hat der englische Konsul in Loanda, bevor die englische Expedition gegen die Piraten an der Kongoköüste sich in Bewegung fetzte, die Erlaubniß des portugiesischen achgesucht,

1 ü g der ihm

8 go verlassen, ohne durch irgend eine

Handlung die Absicht darzuthun, daß den Rechten der portu⸗

giesischen Regierung auf die Besitzungen am Kongoflusse zu nahe getreten werden solle.

Griechenland. Aus Athen wird der „Pol. Corr.“ der Wortlaut der Ansprache mitgetheilt, mit welcher Kumun⸗ duros sein Amt als Präsident der Kammer eröffnet hat. Nach⸗ dem der Alterspräsident Christides die fast einstimmige Wahl Kumunduros (135 gegen 17 Stimmen) verkündigt hatte, sprach letzterer wie folgt:

„Ich danke Ihnen, meine Herren, für die Ehre, welche Sie mir durch Ihre Wahl erwiesen. An uns in erster Linie ist es, die poli⸗ tische Veränderung zu verstehen und zu würdigen, welche den Zweck verfolgte, der Kammer die ihr gesetzlich zustehenden Rechte und Ge⸗ walten zurückzugeben. Die frühere Regierung bestrebte sich, die Kammer zu einem einfachen Regierungstrabanten zu machen. Sie mußte deshalb willenlose und leicht lenksame Männer auf diese Bänke bringen. Sie hoffte, daß sie durch die Ernie⸗ drigung der Kammer ihre Zwecke werde erreichen können. Deshalb ist es unsere Pflicht, dieses Uebel von Grund aus zu heilen. Die Kammer muß eine gesetzliche, ernste und wuüͤrdevolle Haltung an⸗ nehmen. Ihr Präsidium, indem es sich von dieser Idee und diesen Gefühlen erfüllt, muß beweisen, daß es die feste, würdige und unab⸗ hängige Meinung der Kammer vertritt. Auf diese Werse wird die Stellung Ihres Präsidenten zu einer solchen gestaltet, die auch den Männern, welche die höchsten Stellen in der Gesellschaft innehaben, zur nicht geringen Ehre gereicht. Dies, meine Herren, sind die Ge⸗ fühle, welche mich bestimmten, als ich die Kandidatur für die Prã⸗ sidentschaft der Kammer annahm, welche die HH. Deputirnten mir an⸗ zutragen die Ehre erwiesen. In Zukunft, meine Herren, wird unsere

Betheiligung und Einflußnahme auf die Regierung und die Verwaltung des Landes eine thatsächliche und bestimmte sein. Aber so groß auch unsere An⸗ theilnahme fortan sein soll, so groß wird auch unsere Verantwortlichkeit sein.

Es handelt sich um die Lösung der Frage: ob das parlamentarische System uns eine gute Regierung und eine gute Verwaltung geben kann. Wir gelangten zu dieser Frage nach Bestrebungen und Kämpfen, welche sel bst über die Gränzen dieses Landes hinaus ihr Echo fanden. Die Frage ist nicht neu, sie ist eine Frage von Jahrhunderten, eine Frage des Menschengeschlechts. Sie hat ihre glückliche Lösung dort gefunden, wo das allgemeine Interesse über die persönlichen Interessen gestellt ist, und wo der Egoismus und die niedrigen Leidenschaften den all⸗ gemeinen Bedürfnissen des Vaterlandes weichen mußten. Ich hoffe, meine Herren, daß wir diese Frage siegreich lösen, und unsere Namen den Segnungen und nicht den Verwünschungen des Vo kes überliefern werden. Alles hängt von uns allein und von unserm Verhalten ab.“

Türkei. Konstantinopel, 7. November. (W. T. B.) etürkische Botschafter in Wien, Raschid Pascha Minister der auswärtigen Angelegenheite ernannt worden.

Rumänien. Bukarest, 5. November. (Wien. Ztg.) Der Fürst ist nach Bukarest zurückgekehrt. Die Herbst⸗ übungen der Truppen müssen wegen eingetretenen starken

Schneefalles eingestellt werden.

Rußland und Polen. (W. T. B.) General von Kaufmann wird in nächster Zeit aus Taschkend hier eintreffen.

Dänemark. Kopenhagen, 5. November. gestern erschienenen Bulletin war das Befinden des Kron⸗ prinzen besser; die Geschwulst und der Schmerz hatten ab⸗ genommen. Der Kronprinz hat seine Residenz von Charlotten⸗ lund nach Amalienborg verlegt.

Afrika. Der Khedive von Aegypten hat, wie den „Times“ 7

richtet, daß ihm behufs Uebernahme der ägyptischen Finanz⸗ verwaltung zwei des Finanzwesens kundige Beamte gesendet werden möchten. Vom Khedive ist zugesichert worden, daß den ge⸗ dachten Beamten jede wünschenswerthe Auskunft und die zur Bekleidung ihres Amts erforderliche öffentliche Gewalt ertheilt werden soll.

Statistische Nachrichten.

Nr. 41 der Statistischen Correspondenz (herausgegeben von Dr. E. Engel in Berlin) hat folgenden Inhalt: Statistisches Seminar. Die gemeinnützigen Ansta ten uUnd Gesellschaften in England. Die Seidenindustrie in den Vereinigten Staaten.

Nach einer dem Kommunalblatt beiliegenden Uebersicht sind (seit 1828) im Ganzen 186,224 Stück Berliner Stadtobli⸗ gationen resp. Anleihescheine über 96,567,000 ansgefertigt wor⸗ den. Davon sind bis Ende 1875 39,320 Stück =— 12,633,710 getilgt, so daß noch 46,904 Stück über 83,933,290 verbleiben.

„— Am I. Oktober cr. befanden sich im Arbeitshause 5 Fa⸗ milien mit 13 Personen. Am 1. November cr. war der Bestond 11 Familien mit 28 Personen. Das Asyl für Obdachlose benutzten im Laufe des Monats Oktober ca. 7846 Personen und zwar

konstituirt. Acht von den Vorsitzenden derselben gehören dem linken Centrum und der Linken an, sieben den Fraktionen der Rechten. Der

[(Leipzig, Erich Koschny),

darauf den Gesetzentwurf,

dozent an der Universität zu Leipzig Kretschmar, zum ordentlichen Pro⸗ sität zu Rostock ernannt worden.

7391 Männer, 362 Frauen, 17 Knaben, 61 Madchen, 15 Säuglinge. Von diesen Personen wurden 51 zur Charité befördert, 357 der Polizei vorgeführt.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

Das 9. Heft, XI. Bandes, der „Philosophischen Mo⸗ natshefte“, herausgegeben von Prof. Dr. E. Bratuscheck b enthält folgende Aufsätze: v. Leon⸗ hardi. Von Otto Busch in Dresden. Arthur Schopenhauer. Vortrag gehalten in Madrid von Dr. José del Perojo. Eine Untersuchung über die Wahrnehmbarkeit der Erscheinungen und die Unwahrnehmbarkeit der Wesen. Von Maximilian Droßbach. Zur Geschichte der Philosophie. Literatur der platonischen Briefe. Von Dr. Wigand, Gymnasialdirektor a. D. in Gießen.

—— Der chirurgische Chefarzt am städtischen Krankenhause hier⸗ selbst, Dr. med. Friedrich Trendelenburg ist zum ordentlichen Professor der Medizin an der Universität zu Rostock und zum ordentlichen Mitgliede der Medizinalkommission daselbst, der außer⸗ ordentliche Professor an der Universität Breslau, Dr. phil. Richard Förster, zum ordentlichen Professor der Philologie, und der Privat⸗ Advokat Dr. jur. Gustav essor der Rechte an der Univer⸗

In der Nacht vom 4. zum 5. starb an einem Schlagflusse plötzlich der Professor an der katholi ch⸗theologischen Fakultät Universität Tübingen, Dr. von velisch.ch

St. Petersburg, 6. November.

Nach dem

unterm 7. November aus Alexandrien gemeldet wird, das offizielle Ersuchen an die englische Regierung ge⸗

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