1875 / 277 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Wed, 24 Nov 1875 18:00:01 GMT) scan diff

Stimmen nicht das Resultat der Wahl alteriren würde; doch müsse der Reichstag durch die Ungültigkeitserklärung dieser Wahl, welche er beantrage, einmal ein Exempel statuiren, daß er derlei Beeinflussungen nicht dulden wolle, welche sich bereits über die Grenzen Preußens hinaus zu erstrecken begännen. Der Abg. Windthorst (Meppen) glaubte nicht, daß hinlängliche Gründe vor⸗ gebracht seien, die Wahl zu beanstanden; doch habe die Wahl den Anschein einer offiziellen Kandidatur. Der Abg. Elben trat den Ausführungen beider Vorredner entgegen, vertheidigte die Wahl Hölders und die württembergische Preßfreiheit, welche der Abg. Sonnemann in Zweifel zog. Die Wahl des Abg. Hölder wurde für gültig erklärt, und auch der weitere Antrag der Abtheilung genehmigt.

Es folgte in dritter Berathung die Annahme des von dem Abg. Stenglein vorgelegten Gesetzentwurfs, betr. die Um⸗ wandlung der 843 in Reichswährung, nach den Beschlüssen der zweiten Berathung, jedoch mit dem von dem Abg. Dr. Bamberger beantragten redaktionellen Amendement, statt „Thaler“ „Thalerwährung“ und statt „Reichsmark“ „Mark“

u setzen. 8 trat das Haus in die Berathung des Antrages des Abg. v. Bernuth und Genossen ein, welche die §§. 3 bis 5 inkl. der Geschästsordnung durch Einschaltung der §§. 5a. und 5 b. dahin ändern wollen, daß man 1) wenn eine recht⸗ zeitig erfolgte Wahlanfechtung oder Einsprache vorliegt, oder 2) die Abtheilungein für die Gültigkeit der Wahl erhebliches Bedenken findet, die Wahlverhandlungen von den Abtheilungen an eine beson⸗ dere Wahlprüfungskommission abgegeben werden sollen. Der Abg. v. Bernuth motivirte diesen Antrag mit dem Bedürfniß, daß die Grundsätze über die Gültigkeits⸗ resp. Ungül⸗ tigkeitserklärung angefochtener Wahlen festgestellt werden müssen. Die Vorschläge, die Wahlprüfungen einem Aus⸗ schusse oder einer selbständigen Behörde zu übertragen, sei mit der Verfassung unvereinbar. In der Spezial⸗ diskussion über §§. 5 und 5a. erklärte sich der Abg. Reichen⸗ sperger zwar mit dem Grundgedanken des vorliegenden An⸗ trages einverstanden, doch wollte er auch, wie bisher die Ge⸗ schäftsordnung vorschrieb, daß Wahlen, bei denen ein Zweifel über die Gültigkeit der Wahl nicht entsteht, zur Kognition des Reichstages kommen, während der jetzige Antrag nur dem Reichstage von denjenigen Fällen Kenntniß geben will, bei denen die einzusetzende Kommission ein erhebliches Bedenken über die Gültigkeit der Wahl selbst findet. Ferner führte der Redner aus, daß der Begriff „erheblich“ ein relativer sei, es müsse also ein Modus festgestellt werden, wie die Erheblichkeit des Bedenkens festgestellt werde, etwa durch den Antrag von zehn Mitgliedern. Redner beantragte dann die Verweisung der Vorlage an die Geschäftsordnungs⸗Kommission. des Blattes hatte der Abg. Baron v. Minnigerode as Wort.

Es sind bei Auslegung des Quartierleistungs⸗ gesetzes vom 25. Juni 1868 Zweifel darüber vorgekommen: ob die Gemeinden, die nach ihren Beschlüssen etwa an Stelle der prinzipalen Natural⸗Quartierleistung innerhalb der Gemeinde aufzubringenden Geldleistungen, einschließlich der etwaigen Servis⸗ zuschüsse und sonstiger Geldausgleichungen (§. 7, Alin. 4, 5 loc. cit.), nur nach Maßgabe der im Sinne des §. 4 des Ge⸗ fetzes entbehrlichen, der Quartierlast unterworfenen Räume repar⸗ tiren dürfen, oder ob ihnen auf Grund des §. 7 cit. Alin. 4 und 5 die unbeschränkte Befugniß zusteht, mittelst Ortsstatuts jene Leistungen auch nach einem anderen Maßstabe sei es im Wege der ordentlichen Gemeindebesteuerung, sei es nach einem sonstigen Fuße, umzulegen.

Der Reichskanzler, mit welchem der Minister des Innern dieser⸗ halb in Benehmen getreten ist, hat sich, wie der Letztere den Behörden seines Ressorts durch Cirkularverfügung vom 8. Sep⸗ tember d. J. mittheilt, für die zweite Alternative ausgesprochen, und gleichzeitig bemerkt, daß die Vorschriften in §. 6 Alin. 3 des EE“ vom 13. Juni 1873, beziehungsweise in H. 7 Alin. 4 des Gesetzes über die Naturalleistungen für die bewaffnete Macht im Frieden vom 13. Februar 1875, durch welche den Gemeinden die Berechtigung ertheilt wird, gewisse Naturalleistungen für eigene Rechnung zu übernehmen und die erwachsenden Kosten auf die hierdurch von unmittel⸗ barer Leistung befreiten Pflichtigen nach Ver⸗ hältniß ihrer Verpflichtung zur Naturalleistung umzulegen keineswegs den einzigen Maßstab bezeichnen sollen, nach welchem der gedachte Aufwand aufzubringen ist, sondern daß der Zweck jener Vorschriften nur dahin gehe, die Berechtigung der Gemeinden sicher zu stellen, neben oder anstatt der Aufbringung der Kosten nach Art der Gemeinde⸗ lasten auch den bezeichneten Maßstab anzuwenden.

Die durch Erlaß vom 11. d. M. berufene außer⸗ ordentliche General⸗Synode ist heute Vormittag um 11 Uhr im Sitzungs⸗Saale des Herrenhauses durch den Präsi⸗ denten des Evangelischen Ober⸗Kirchen⸗Rathes Dr. Herrmann eröffnet worden.

Die Mitglieder derselben waren zahlreich erschienen, die Zu⸗ hörertribünen vollständig besetzt.

Nachdem der Präsident den General⸗Superintendenten Dr. Brückner (Berlin), den Ober⸗Konsistorial Rath Dr. Hermes (Berlin), den Konsistorial⸗Rath Schott (Barby) und den Militär⸗Ober⸗Pfarrer Kretschmar (Königsberg) zur provisorischen Hülfeleistung an seine Seite gerufen, sprach der General⸗Super⸗ intendent Dr. Moll (Königsberg) das Eröffnungsgebet.

Der Präsident Dr. Herrmann richtete hierauf an die Synode folgende Ansprache:

Hochwürdige, Hochgeehrte Herren! 8

Die kirchenregimentliche Fürsorge Seiner Majestät des Königs hat

Sie versammelt, damit unter Ihrem Beirath das in die Verfas⸗

sung der Landeskirche einzufügende Synodalinstitut seinem Abschlusse zugeführt werde.

Nicht zum ersten Male sieht diese Stadt in ihrer Mitte eine evangelische Generalsynode tagen. Es sind nahezu dreißig Jahre ver⸗ flossen, seit der hechselige König eine ähnliche Versammlung berief, um die seinem Herzen so nahe liegenden zahlreichen Bedürfnisse der Revision und Neubildung in den Einrichtungen der evangelischen Kirche auf richtige Wege der Abhülfe zu leiten. Bei den ausgezeichneten Kräften, welche diese Generalsynode von 1846 in sich schloß, durfte man einen reichen praktischen Errrag erwarten und in der That ragen ihre Arbeiten durch kiefe Erfassung der Aufgaben wie durch Heeehrisc⸗ Gedanken über die Leistungen anderer synodaler Ver⸗ ammlungen hinaus, und bilden noch immer eine Fundgrube der Erkenntniß in Fragen der evangelisch⸗kirchlichen Ordnung. Dennoch sind sie für ihren nächsten Zweck unfruchtbar geblieben und zwar nicht am wenigsten wegen der großen Menge und Mannigfaltigkeit der auf einmal in Angriff genommenen Aufgaben. Namentlich der Versuch, Bestimmungen über , von un⸗ mittelbar dogmatischer Bedeutung herbeizuführen, für welche die Ver⸗

fassung der Landeskirche ein geeignetes Organ nicht besaß, hat zur

Vereitelung des Ertrages mitgewirkt, welchen die Kirche damals wohl hätte heimbringen können. 1 Diese Erfahrung ist unserer Landeskirche unverloren geblieben: es darf nicht wieder dazu kommen, daß edle Kräfte, indem sie zu Vieles oder das Einzelne nicht in der gehörigen Aufeinanderfolge wollen, nichts er⸗ reichen. Deshalb hält das Kirchenregiment an dem Grundsatze fest, daß gegenwärtig nur das Synodalinstitut durch eine Generalsynodal⸗ ordnung zu vervollständigen und dadurch der Zustand wirklicher Handlungsfähigkeit für die Landeskirche herbeizuführen ist. Hinter dieser unentbehrlichen Ergänzung ihrer Verfassung müssen alle anderen noch so wichtigen organisatorischen Aufgaben zurücktreten. Diese kommen an die Reihe, sobald der die Lösung aller gleichmäßig bedingende ver⸗ vollständigte Verfassungsapparat aufrecht stehen wird; jetzt ist ihre Vertagung, auch für diese Aufgaben selbst, nicht Zeitverlust, 1a. e⸗ Zeit⸗ gewinn. Je strenger sich daher diese hochwürdige Versammlung in

den Gränzen des Mandats halten wird welches derselben durch die

Allerhöchsfte Verordnung vom 10. September 1873 ertheilt ist, um so sicherer und größer wird die Frucht des Dienstes sein, welchen sie der Kirche leistet. Auf die Innehaltung dieser Gränzen legt, wie ich hier auszusprechen beauftragt bin, vornehmlich des Königs Majestät hohen Werth und erblickt in ihr eine Bedingung des Gelingens. 1

Das Werk selbst, zu welchem das Kirchenregiment Seiner Majestät Ihre Mitarbeit begehrt, besitzt vom Standpunkte der höchsten Güter der Kirche aus betrachtet nur eine secundäre Bedeutung und einen bedingten Werth: es kommt ihm aber deshalb nicht weniger ein hohes Gewicht und eine für die Zukunft der Kirche folgenreiche Bedeutung zu. 8

Die evangelische Kirche legt ihren Verfassungseinrichtungen keinen Heilswerth bei; sie glaubt nicht an eine Kirchenverfassung, sondern rechnet sie zu den freigebildeten menschlichen Ordnunzen der Kirche, welche nach den Anlagen, geschichtlichen Verhältnissen, geistigen Anschauungen der christlichen Völker einem Wechsel unterliegen und eine individuelle Mannichfaltigkeit zulassen, ja fordern. Die bestehenden Einrichtungen finden ihre Rechtfertigung und den Grund ihres Werthes darin, daß sie unter den gegebenen Verhältnissen für die geeigneten Mittel und Wege sorgen, um den christlichen Glauben mit seinem Licht und Trost zu pflanzen, zu pflegen und zu mehren, um die hierin ruhenden Kräfte des sittlichen Einzel- und Gemeinlebens zu wecken und zu stärken, um eine selbstlose und an Werken fruchtbare Nächstenliebe zu er⸗ zeugen, kurz um dem Herrn ein frommes, Ihm sich heiligendes und zu allem Guten geschicktes Volk darzustellen. Hierzu soll die Verfas⸗ . förderliche Werkzeuge und Hülfsmittel liefern, und hiermit ge⸗ langt auch der an diese hochwürdige Versammlung ergangene Auf⸗ trag, an der Gestaltung eines Verfassungsinstitutes mitzuarbeiten, zu seiner richtigen Schätzung. Man kann diesen Beruf zugleich als einen sehr bescheidenen und einen sehr hohen bezeichnen.

Er ist bescheiden, sofern es sich nur darum handelt, unserer Landeskirche zum Besitz eines einzelnen Organs zu verhelfen, dessen Mangel seit längerer Zeit eine fühlbare Lücke ihrer Ver⸗ fassung gebildet hat. Diese Aufgabe ist einerseits von mäßigem Umfang und schließt andererseits keine Noth⸗ wendigkeit ein, in die bekannten und wenigstens jetzt unlösbaren kirchlichen Fragen einzutreten, an welchen die tiefsten Par⸗ teigegensätze haften. Das Eine wie das Andere erleichtert Ihre Arbeit. Diese ist gethan, wenn mit Ihrer Hülfe das Synodal⸗ institut zum Abschluß gebracht und damit die vorhandene Kirchen⸗ verfassung dergestalt vervollständigt ist, daß dem weiteren, fast alle Gebiete der kirchlichen Ordnung umfassenden Bedürfniß einer Revision demnächst näher getreten werden kann. Erst diese spätere, durch das Vorhandensein der Synodalverfassung bedingte Arbeit wird auch zu dem Verjuch führen müssen, solche Theile der Kirchenordnung zu regeln, welche unmittelbar mit dem Bekennt⸗ nisse und dessen rechtlicher Autorität zusammenhängen. Die gegen⸗ wärtige Versammlung ist nur berufen, um zu einer bestimmten Aenderung der Verfassung mitzuwirken. Eine solche läßt aber den Be⸗ kenntnißstand wie die Union völlig intakt, da beide lediglich eine Voraus⸗ setzung, keinen Gegenstand der Verfassung bilden, Diesen Zusammenhang der Dinge hat denn auch der Königliche Erlaß vom 10. September 1873 bei Einführung der Ordnung der Kirchengemeinden und der Kreis⸗ und Provinzialsynoden auf das Bestimmteste anerkannt in den Worten: „Die herbeigeführten Aenderungen beschränken sich auf die kirchliche Verfassung; der Bekenntnißstand und die Union in den genannten Provinzen und den dazu gehörenden Gemeinden werden daher, wie Ich ausdrücklich erkläre, durch die neue Ordnung in keiner Weise berührt.“ In diesem daher liegt ein Grund⸗ satz eingeschlossen, der auch die jetzt ihrem Abschlusse zuzuführende oberste Stufe der Synodalverfassung umfaßt. Es hat aber auch des Königs Majestät mich beauftragt, als die Allerhöchste Willensmeinung hier auszusprechen, daß auch durch die jetzt zu be⸗ rathende General⸗Synodalordnung der Bekenntnißstand und die Union unberührt bleiben.

Ist auf diese Weise der Generalsynode das Gelingen ihrer Arbeit mehrfach erleichtert, so wird dadurch doch die Wichtigkeit der Lei⸗ stung, die die Kirche von ihr erwartet, nicht beeinträchtigt. Denn wie die Bedürfnisse des inneren Lebens der Kirche, so drängen auch die äußeren geschichtlichen Bedingungen, unter denen sie ihre Mission auszurichten hat, auf einen baldigsten Abschluß der Synodalverfassung. Was das innere Leben betrifft, so ist es eine feststehende That⸗ sache, daß dem isolirten, nur durch seine Behörden handelnden Kirchenregimente des Landesherrn eine Last auf die Schultern gelegt ist, die es schon seit längerer Zeit nicht mehr tragen kann, ja die ihm nach evangelischen Grundsätzen vielleicht niemals hätte aufgelegt werden sollen. Ohne Synoden entbehren alle, wenn auch noch so nothwendigen, tiefer eingreifenden organi⸗ schen Anordnungen des Kirchenregiments jetzt der Bürgschaft ihres Erfolges. Einseitig erlassen und nicht erwachsen aus dem Zu⸗ sammenarbeiten mit kirchlichen Vertretungskörpern, begegnen sie un⸗ ausbleiblich einem Mißtrauen, welches auch das dargebotene Gute nicht zur Anerkennung kommen läßt, sondern es mit den bereiten Mitteln der Agitation bekämpft; das Kirchenregiment aber sieht sich, im Hinblick auf diese Hindernisse seines Strebens, nur zu oft vor die traurige Wahl gestellt, ob es durch Stagnation oder durch handelndes Vorgehen das Unbefriedigende der Lage steigern will. So hat Niemand mehr, als das Kirchenregiment, Ursache, nach der Theilung seiner Arbeit mit der Synode zu verlangen, ja sie in der gegebenen Lage als eine kirchliche Lebensbedingung anzusehen. So lange freilich in dem weitaus größten Theile der Landeskirche der dazu unentbehrliche Grundbau der Gemeindeverfassung und damit die praktische Schule der Gemeindethätigkeit fehlte, mußte das Kirchenregiment seines dornemeichen Berufes allein warten; aber seit dieser Grundbau aufrecht steht, sieht es der Fertigstellung des Synodalinstituts verlangend entgegen und betrachtet die Herbeifüh⸗ rung dieses Momentes als Feine vornehmste Aufgabe.

Und zu diesem Abschluß der Synodalverfassung drängt auch die

e. Lage der Kirche unter den veränderten politischen Verhält⸗ nissen. Wohl konnte in einer früheren Zeit der konfessionell exklusi⸗ ven Territorien oder doch der landesherrlichen Absolutie eine Ver⸗ schmelzung mit dem Staate bestehen, bei welcher die Kirche, von ihrem Lehrstande abgesehen, keine durch rein kirchliche Organe aus⸗

geübte Selbstbestimmung in ihren Angelegenheiten besaß. Die neuere Geschichte hat die Voraussetzungen eines solchen rein territorialistischen Kirchenthums zerstört. Sie hat die Kirche genöthigt, sich die ihrem Wesen entsprechenden zu suchen, mittels deren sie ihr eigenes Leben zu leben und ihren anerkannten Wirkungskreis auszufüllen vermag, nicht ge⸗ trennt vom Staate, sondern in dessen Rechtsordnung eingefügt. Da⸗ durch wird die Kirche zwar keineswegs vor die große Gefahr gestellt, auf das ihr so wohlthätige, ja unentbehrliche landesherrliche Kirchen⸗ regiment verzichten zu müssen; wohl aber ist es unabweislich gewor⸗ den, dasselbe als eine wahrhaft kirchliche Institution zu er⸗ fassen und festzuhalten, seine Verschmelzung mit der Staatsgewalt auch im Bereiche der Organe seiner Ausübung zu beseitigen und es

geben; es

[Aktion gelangt. So lange eine abgeschlossene Synodalverfassung noch nicht vorliegt, ist dieses Ziel noch unerreicht und von einer Ver⸗ wirklichung der nicht blos aus kirchlichem, sondern auch aus staat⸗ lichem Grunde nothwendigen Selbständigkeit der Kirche nicht die Rede.

Und so treten Sie denn, hochwürdige, hochgeehrte Herren, an Ihre der Abschließung unserer Synodalverfassung gewidmete Arbeit. Nehmen Sie den Entwurf, an welchem viel Liebe zur Sache gear⸗ beitet hat, mit den günstigen Voraussetzungen auf, welche den Ernst und die Schärfe Ihrer Prüfung nicht ausschließen, wohl aber die Zuversicht auf die Erreichung des Zieles und damit die Freudigkeit zur Arbeit erhalten. 1

Ich erkläre die außerordentliche Generalsynode für eröffnet.

tretern der Königlichen Staatsregierung bei den Verhandlungen der Generalsynode ernannt sind: der Unter⸗Staatssekretär Dr. Sydow, der Ministerial⸗Direktor Dr. Förster und der Geheime Regierungs⸗Rath Dr. Hübler.

Außerdem wohnten der Sitzung Seitens des Ministeriums der geistlichen ꝛc. Angelegenheiten der Geheime Ober⸗Regierungs⸗ Rath Dr. Lucanus, Seitens des Evangelischen Ober⸗Kirchenrathes der Geheime Regierungs⸗Rath Wilken, der Ober⸗Konsistorial⸗ Rath Stahn, der Ober⸗Konsistorial⸗Rath Kundler und der Kon⸗ sistorial⸗Rath Nosl bei.

Nachdem der Präsident zur Kenntniß gebracht, daß der feierliche Eröffnungsgottesdienst der Generalsynode morgen Vor⸗ mittag 10 Uhr im Dome stattfinden wird, erhielt der Ober⸗ Konfistorial⸗Rath Dr. Hermes das Wort zur Berichterstattung über die vorläufig bewirkte Prüfung der Legitimationen der Sy⸗ nodalen. Es war keine einzige derselben beanstandet worden. Der Synodale, Geheime Justiz⸗Rath Dr. Blume ist gestorben, und muß eine Neuwahl für ihn ausgeschrieben werden. Der Minister a. D. v. Bethmann⸗Hollweg hat die Wahl abgelehnt, und ist statt seiner der Kommerzien⸗Rath Schniewind (Elberfeld) gewählt worden. Der frühere Landrath v. Oven ist zum Kreishauptmann in Duderstadt, Landkreis Hildesheim, ernannt worden; die Synode wird darüber zu be⸗ finden haben, ob das Mandat als erloschen anzusehen ist eder nicht.

Während dieses Berichtes war der Minister der geist⸗ lichen ꝛc. Angelegenheiten Dr. Falk eingetreten.

Der Präfident forderte hierauf die Mitglieder auf, das Synodalgelöbniß zu leisten, welcher Aufforderung die Anwesen⸗ den in feierlicher Weise genügten.

Die Generalsynode schritt demnächst zur Wahl ihrer Präsi⸗ denten und des Bureaus. Der Namensaufruf ergab eine An⸗ wesenheit von 199 Mitgliedern, die absolute Majorität beträgt mithin 96. (Schluß des Blattes.)

Durch Allerhöchse Ordre vom 11. November d. J. sind die unterm 26. Januar 1826 genehmigten Bestimmungen über die Prüfung zur Aufnahme in die Kriegsakademie abge⸗ ändert worden.

Bei entstehender Vakanz, in Abwesenheit oder anderen Behinderungsfällen wird nach einer Allerhöchsten Bestimmung der General⸗Inspecteur des Militär⸗Erziehungs⸗ und Bildungswesens durch den ältesten der in Berlin anwesen⸗ den, der General⸗Insbektion des Militär⸗Erziehungs⸗ und Bil⸗ dungswesens unterstellten Generale oder Stabsoffiziere vertreten.

Im Eingange unseres Berichtes (Nr. 274 d. Bl.) über die erste Sizung des Kommunallandtages der Kurmark hat sich durch den Ausfall zweier Zeilen eine Unrichtigkeit er⸗ muß daselbst heißen: „Am 15. d. M. trat mit Rücksicht auf den im Januar künftigen Jahres zu versam⸗ melnden neuen Provinziallandtag der 48. Kommunallandtag der Kurmark im Ständehause zu Berlin zusammen.“

S. M. S. „Victoria“ hat am 9. d. Mts., Vor⸗ mittags, auf Funchal Rhede (Madeira) geankert und beabsich⸗ tigte am 11. nach Einnahme von Kohlen die Reise nach St. Thomas fortzusetzen. An Bord Alles wohl.

Stettin, 23. November. Wie aus Swinemünde der „Ostsee⸗Ztg.“ telegraphirt wird, ist die Panzerfregatte „Preußen“ in der Swine, in der engen Fahrt bei den Medeln festgerathen, obgleich der Wasserstand 17 Fuß 2 Zoll beträgt, also unge⸗ wöhnlich hoch ist. Uebrigens wird von Swinemünde gleichzeitig „Strom eingehend“ gemeldet, wonach also der Wasserstand noch im Steigen ist.

Cöln, 23. November. (W. T. B.) Bei den heute statt⸗ gehabten Stadtverordnetenwahlen der 2. Abtheilung war die Betheiligung namentlich Seitens der liberalen Partei eine äußerst zahlreiche. Von 1740 Wahlberechtigten nahmen nahezu 1400 an der Wahl Theil, bei der die Liberalen einen glän⸗ zenden Sieg errangen, indem 6 Kandidaten derselben weit über die absolute Majorität erhielten.

Baden. Karlsruhe, 22. November. Die „Karls⸗ ruher Ztg.“ meldet: Se. Königliche Hoheit der Erb⸗ großherzog wird am Dienstag, den 23. d., eine Reise nach Italien unternehmen und den größten Theil des Winters besonders in Rom zubringen, um anschließend an seine bisherigen Studien dieselben dort unter sorgfältiger Leitung fortzusetzen. Der Erbgroßherzog sollte schon am 1. November von hier abreisen; durch ein längeres Unwohlsein Ihrer Königlichen Hoheit der Großherzogin wurde er hier zurückgehalten. Ihre König⸗ liche Hoheit hat sich vor ungefähr drei Wochen einer Operation unterziehen müssen, welche glücklich und mit günstigem Erfolg bestanden wurde, in deren Folge aber eine völlige Ruhe erfor⸗ derlich war, welche der Genesung großen Vorschub leistete. Sonntag, den 21., durfte die Großherzogin zum ersten Mal für mehrere Stunden das Bett verlassen, wird indessen noch für einige Zeit größerer Schonung bedürfen, um die bisher so glück⸗ lich fortgeschrittene Heilung in ungestörtem Gang zu erhalten. Das ärztliche Urtheil über das Befinden der Großherzogin ist gottlob so günstig, daß der Erbgroßherzog seine geliebte Mutter beruhigt glaubt verlassen zu dürfen. Se. Königliche Hoheit reist über den Brenner nach Verona, besucht einige Städte Ober⸗ italiens, verweilt dann einige Zeit in Florenz und begiebt sich von da zu längerem Aufenthalt nach Rom. Se. Königliche Hoheit wird während dieser längeren Abwesenheit von dem Ober⸗Hofmarschall Freiherrn von Gemmingen und dem Ordo⸗ nanz⸗Offizier Hauptmann Fritsch begleitet sein. Die Stände⸗ versammlung wurde heut gegen 12 Uhr nach vorher⸗ gegangenem Gottesdienst in der Schloßkirche durch den Groß⸗ 280g in üblicher Weise mit folgender Thronrede feierlich eröffnet:

Edle Herren und liebe Freunde! ng. Sie zum Beginne Ihrer Arbeiten meinen freund⸗ ichen Gruß. . Mit erhöhter Freunde sehe Ich heute die Vertreter Meines Vol⸗ kes um Mich versammelt, da zum ersten Mal Mein Sohn, der Erb⸗

als die Spitze eines rein kirchlichen Organismus hinzustellen, in welchem die Kirche als ein eigenes Gemeinwesen zur Erscheinung und

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großherzog, nach erreichter Volljährigkeit berufen ist, in dem Kreise derselben zu erscheinen. Die herzliche Theilnahme, mit welcher das

Der Präsident machte hierauf die Mittheilung, daß zu Ver⸗

anze Land die Frreichung des bedeutungsvollen Abschnittes in dem eben Meines Sohnes begleitete, hat Mich auf das Freudigste be⸗ rührt. Mit aufrichtiger Genugthuung erkannte Ich darin aufs Neue das Gefühl inniger Zusammengehörizkeit, welches Mich und Mein

aus mit Meinem Volke verbindet, und dankbar erwidere Ich die in so zahlreichen Beweisen Mir ausgesprochene Treue und Hingebung mit den gleichen Empfindungen.

Der Ausbau des Reiches schreitet zu unserer Aller Freude kraft⸗ voll voran. Dieses große Werk vollzieht sich unter allseitiger Hin⸗ gebung an das Gesammtinteresse Deutschlands, für dessen Ehre und Macht Ich und Mein Volk nöthige Opfer freudig bringen. Solch' erhebendes 1 ö läßt Mich mit um so größerer Sorgfalt be⸗ müht sein, den Interessen Meines Landes eine gerechte Würdigung gewährt zu sehen.

Die innere Entwickelung des Landes vollzieht sich sicher und stetig in den Bahnen, welche eine den Anforderungen und Bedürf⸗ nissen des heutigen Lebens entsprechende Gesetzgebung ihr vorgezeichnet hat. Wenn dabei zu Meinem Bedauern immer noch Beunruhigungen hervortreten, als sei Gefahr für die Freiheit der religiösen Ueber⸗ zeugungen vorhanden, so hoffe Ich, daß es mit der Zeit gelingen wird, diese Beunruhigungen in Vertrauen zu verwandeln.

Die auf dem vorigen Landtage angeregt⸗ Frage einer Aufbesserung des ungerügenden Einkommens zahlreicher Pfarrer der beiden christ⸗ lichen Kischen habe Ich einer sorgfaltigen Prüfung unterziehen lassen und es gereicht Mir zur besonderen Freude, Itznen mittheilen zu können, daß Meine Regierung im Stande ist, Ihnen die Mittel und Wege zu bezeichnen, wie dem von allen Seiten anerkanaten Mißstande sofort durchgreifende Abhilfe verschafft werden kann.

Die Vorschläge, welche Meine Regierung Ihnen machen wird, um die vorhandenen Bildungsanstalten auf würdiger Höhe zu er⸗ halten und den öffentlichen Unterricht nach verschiedenen Seiten hin zu erweitern, sind Ihrer wohlwollenden Theilnahme gewiß. Dem vielseitig bekannt gegebenen Wunsche, die jetzt nach Konfessionen ge⸗ trennten Volksschulen zu vereinigen, wird, soweit ein Bedürfniß be⸗ steht, durch einen Ihnen vorzulegenden Ges tzentwurf entgegengekommen. Die vorgeschlagenen Gesetzesänderungen werden in einer Weise durch⸗

eführt werden können, welche die Ertheilung des konfessionellen eligionsunterrichts vollkommen sicher stellt.

In Handel und Industrie ist auf den außerordentlichen Auf⸗ schwung, welchen sie nach dem Kriege genommen hatten, ein ernster Rückschlag gefolgt, welcher zwar auch in unserem Lande empfunden wird, seinem wirthschaftlichen Leben aber doch keine zu schwere Schä⸗ digung zugefügt hat und, wie bei der gesunden Grundlage desselben erwartet werden darf, ohne weitere zu empfindliche Opfer uͤberwunden werden wird. 1 1

Für die öffentlichen Bauten ist von dem reichen Kredit, welcher auf dem letzten Landtage bewilligt wurde, trotz vielfacher Hemmnisse ein beträchtlicher Theil zur Verwendung gelangt. Meine Regierung wird mit Ibnen die Maßnahmen berathen, um die Ausführung be⸗ schlossener Bauten, sowie die weitere Vervollständigung unseres Eisen⸗ bahn⸗ und Landstraßennetzes zu sichern. Je mehr unser Bahnnetz jetzt schon in seiner Entfaltung vorgeschritten und eine Hauptgrundlage der materiellen Wohlfahrt des Landes geworden ist, um so mehr wird es Meine Regierung als ihre Pflicht erkennen, die Förderung dieser wichtigen Interessen als eine der wesentlichsten Aufgaben des Staates zu betrachten. 8 1 1

Durch die Vorlage eines Gesetzentwurfes über die Benutzung und Instandhaltung der Gewässer soll einem schon lange gefühlten Bedürfnisse abgeholfen und wiederholt von Ihnen befürworteten Wünschen entsprochen werden. .

Der Entwurf des Staatsbudgets, an welches sowohl die Be⸗ dürfnisse des Reiches, als die Befriedigung wichtiger Landesinteressen erböhte Anforderungen stellen, während die augenblickliche Stockung des Verkehrs auch bei den Staatseinnahmen sich fühlbar macht, nimmt eine besondere Aufmerksamkeit in Anspruch. 8

Die am vorigen Landtag begonnene Reform der Steuergesetz⸗ gebung wird auch diesmal einen wichtigen Gegenstand Ihrer Be⸗ rathungen bilden. Von der Anwendung des neuen Grund⸗ und Häusersteuer⸗Katasters, welche erstmals für das Jahr 1877 eintreten soll, ist eine gerechtere Vertheilung der Grund⸗ und Häusersteuer zu erwarten.

Der Entwurf eines Erwerbsteuergesetzes bezweckt, die seitherige Gewerbsteuer in einer den veränderten gewerblichen Verhältnissen entsprechenden Weise umzugestalten und gleichzeitig die jetzige Klassen⸗ steuer in sich aufzunehmen. F 3 1

Ich wünsche und vertraue, daß es Meiner Regierung gelingen wird, mit Ihnen über diese schwierige, aber für die fortschreitende Verbesserung unserer Staatseinrichtungen bedeutsame Aufgabe zu einem Einverständniß zu gelangen. 8

Ein Gesetzentwurf über die Einrichtung und die Befugnisse der Ober⸗Rechnungskammer ist bestimmt, die Verfassung des Landes in der Richtung einer selbständigeren Kontrole der Staatsverwaltung

durch eine oberste Rechnungsbehörde auszubilden.

Die Beamten des Landes, deren Diensteinkommen durch die von Ihnen wiederholt bewilligten Mittel erheblich aufgebessert werden konnte, leiden jetzt noch empfindlich unter der völlig ungenügenden Versorgung ihrer Hinterbliebenen. Meine Regierung wird Ibnen einige Aenderungen des Statuts der Wittwenkasse vorschlagen, durch welche wesentlich auf dem Wege der Selbsthülfe eine ausgiebigtre Wittwenversorgung erzielt werden wird. 1

Der großen Zahl von Angestelltern, welche nicht mit Staats⸗ diener⸗Eigenschaft bekleidet sind, soll durch ein Gesetz eine gesicherte Dienststellung und, soweit es die Rücksicht auf die Belastung der Staatsfinanzen zuläßt, eine nicht unbeträchtliche Verbesserung bezüglich ihrer Pensionsverhältnisse zu Theil werden

Die zahlreichen und wichtigen Aufgzaben, welche Ihrer harren, berühren alle Gebiete des innnrn Staatslebens; vertrauesvoll erwarte Ich von Ihrer stets bewährten Einsicht und Vaterlandsliebe eine glückliche Lösung derselben. 1

Der Segen des Himmels begleite Ihre Arbeiten.

Hierauf erfolgte die Beeidigung der neu eingetretenen Mit⸗ glieder beider Kammern durch den Staats⸗Minister Dr. Jolly.

Nachmittags 2 Uhr wurden die Mitglieder beider Kammern von Sr. Königlichen Hoheit im Residenzschlosse empfangen und später zur Großherzoglichen Tafel gezogen.

24. November. (W. T. B.) Bei der von der Zweiten Kammer heuten vorgenommenen Präsidentenwahl wurden Kersner zum Präsidenten, Prof. Dr. Bluntschli und Kiefer zu

Vize⸗Präsidenten gewählt.

Hessen. Darmstadt, 23. November. Der Finanz⸗ Ausschuß der Zweiten Kammer hielt gestern mit der Re⸗ gierung eine gemeinschaftliche Sitzung, in welcher diejenigen An⸗ gelegenheiten zur Besprechung kamen, die als eilende der in Kürze zusammentretenden Kammer vorgelegt werden sollen, nämlich das Gesetz über die Prorogation des laufenden Finanz⸗ gesetzes auf sechs Monate, die Vorlage wegen Bestimmung des Präklusivtermins für eingezogenes Papiergeld und die Vorlage wegen der hessischen Portofreiheiten.

Mecklenburg. Schwerin, 23. November. Wilhelm ist mit Prinzessin Tochter gestern Abend 8 ¼ Uhr hier eingetroffen und hat im Großherzoglichen Schlosse Wohnung genommen.

Sachsen⸗Weimar⸗Eisenach. Weimar, 22. November. Die Großherzogin ist in Begleitung der Erbgroßherzogin und der Prtnzessinnen Marie und Elisabeth heute Abend nach 7 Uhr mittels Extrazugs von wieder hier eingetroffen und vom Großherzoge am Bahnhofe empfangen worden.

Sachsen⸗Meiningen⸗Hildburghausen. Meiningen, 21. November. Vorgestern Abend kehrte der regierende Herzog

Georg mit Gemahlin aus Wien hierher zurück. Der Land⸗ tag ist bis jetzt vorzugsweise durch seine Kommissionen thätig. Der Gemeindegesetzentwurf ist abermals vorgelegt worden, es ist indessen zweifelhaft, ob derselbe Annahme finden wird, da die Regierung in keinem Punkte nachgegeben hat.

Sachsen⸗Coburg⸗Gotha. Gotha, 23. November. Der Herzog, welcher vorgestern von Gotha wieder eintraf, ist zu einem Besuche des Fürsten Leiningen nach Waldleiningen ab⸗ gereist. Der hiesige Landtag hat heute zu den Aufwen⸗ für die verschiedenen Schulbauten seine Zustimmung er⸗ theilt.

Hamburg, 23. November. Der Entwurf zum Hambur⸗ gischen Staatsbudget für 1876 ist jetzt im Druck vertheilt. Die Ausgaben sind auf 25,770,060 ℳ, die Einnahmen auf 24,123,230 ℳ, das Destzit ist auf 1,646,830 veranschlagt.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 23. November. Auf Allerhöchste Anordnung wird für weiland Erzherzog Franz, Herzog pon Modena, die Hoftrauer Mittwoch, den 24. d. M., angezogen und durch vierzehn Tage mit einer Abwechselung ge⸗ tragen werden. Mittwoch den 24. November, 4 Uhr Nachmit⸗ tags, findet das feierliche Begräbniß weiland Sr. Königlichen Hoheit statt. Donnerstag, den 25. November, Vormittags um 11 Uhr, wird das Seelenamt in der Hofburg⸗Pfarrkirche abge⸗ halten werden.

Der hiesige Gemeinderath hat beschlossen, an die bei⸗ den Häuser des Reichsrathes eine Petition zu richten, in welcher dieselben aufgefordert werden, mit allen ihnen zu Gebote stehen⸗

des Staates entsprechende Reduktion des Heeres im Interesse des Staates und der Gemeinde erzielt werde.

Prag, 22. November. Das „Prager Abendblatt“ meldet, daß vorgestern die letzte Militärabtheilung aus der Zbirower Gegend abberufen wurde.

Niederlande. Haag, 23. November. (W. T. B.) Die Regierung hat bei den Generalstaaten mehrere Finanzvorlagen eingebracht und in denselben insbesondere eine Erhöhung der Steuer auf Spirituosen um 4 Gulden per Hektoliter, eine Erhöhung des Eingangszolls auf Thee, sowie die Auflegung einer Steuer auf Tabak, und zwar von 22 Gul⸗ den per 100 Kilogramm, vorgeschlagen. Dagegen soll der Ein⸗ gangszoll auf Tabak, Getreide und Bauhölzer, sowie der Aus⸗ gangszoll auf Lumpen aufgehoben werden.

Belgien. Gent, 23. November. (W. T. B.) Bei der heute hier stattgehabten Ersatzwahl eines Abgeordneten zur Repräsentantenkammer an Stelle des verstorbenen klerikalen Abgeordneten Debaedts wurde der Kandidat der libe⸗ ralen Partei, Bürgermeister Dekerckhove hierselbst, mit einer Majorität von 200 Stimmen gewählt.

Großbritannien und Irland. London, 22. No⸗ vember. Der Geburtstag der Kronprinzessin des Deutschen Reiches (Princess Royal of Great Britain) wurde gestern in Windsor durch allgemeines Glockengeläute festlich begangen. Die üblichen Salutschüsse u. s. w. wurden des Sonn⸗ tags wegen bis heute verschoben. Die dänischen Maje⸗ stäten wohnten gestern in Begleitung der Prinzessin von Wales sowie der Prinzessin Thyra dem Gottesdienst in der Westminster⸗ Abtei an. Am Abend trat der König in Begleitung seines Adjutanten, Kapitän Hedemann, von Dover und Calais die Rückreise nach Kopenhagen an. In Folge der Lage der Dinge auf der mal ayischen Halbinsel hat dem Vernehmen nach das in Malta stationirte 28. Regiment Befehl erhalten, sofort nach China abzugehen.

Die „A. A. C.“ meldet über den Aufenthalt des Prinzen von Wales in Indien Folgendes:

„Der Prinz von Wales wohnte am Sonnabend in Baroda einer ihm zu Ehren veranstalteten großen Hetzjagd mit Cheetahs oder Jagd⸗Leoparden an. Die Jagdaesellschaft bestand aus mehreren bun⸗ dert angesehenen und reichen Eingeborenen, die auf Pferden, Ele⸗ phanten und reich geschmückten, von Ochsen gezogenen Wagen sich ein⸗ fanden. Nach beendeter Jagd wurde im Jagdschlosse des Guikwars das Dejeuner eingenommen. Am Abend gab der Guikwar dem Prinzen im Moti⸗Bagh⸗Palaste ein Banket. Ueber dieses Fest er⸗ stattet Dr. Russell, der Spezialkorrespondent der „Times“, folgenden Bericht: Die Straßen, welche der Prinz aaf seinem Wege vom ens⸗ lischen Gesandtschaftsgebäude nach dem Palast passirte, waren alle erleuchtet. An Bamdusgerüsten und Gittern hingen in doppelten Reihen chinesische Laternen und Oellampen. Jedes Haus war illuminirt, und deren Jnsassen bildeten mit blauen Lichtern und Feuertöpfen Spalier auf den Straßen. In Zwischenräumen waren Truppen zu Pferde und zu Fuß postiꝛt. Auf den Brücken standen mehrere in höchst phantastische Kostüme gekleidete Figuren. Die Gesichter derselben waren kreideweiß bemalt; sie trugen scharlachrothe, mit Gold durch⸗ wirkte Perrücken und Brokatroben; ihr Haar war entweder gepudert und phantastisch frifirt oder fiel uͤber blasse Gesichter mit durchboh⸗ renden schwarzen Augen herab. Diese Figuren standen auf Sockeln auch längs des Weges gruppirt und waren glänzend erleuchtet. allgemeine Effekt war aber kein angenehmer. Die ganze Bewohner⸗ schaft der Stadt war in Bewegung. „An den Stufen des

alastes wurde der Prinz von dem Guikwar empfangen. Sir Pilathene Rao und die Sirdars geleiteten ihn die Treppe her⸗ auf nach der Veranda, wo Mrs. Melville, Mrs. Barton und meh⸗ rere englische Damen versammelt waren. Die Juwelen des Guik⸗ wars waren in einem Saale auf drei langen Tafeln zur Schau ge⸗ stellt. Nachdem der Guikwar und das Ministerium sich zurückgezo⸗ gen, führte der Prinz Mrs. Melville zum Diner, das in einem Pa⸗ villon des 100 Ellen vom Palast entfernten Gartens servirt wurde. Sämmtliche Bäume waren glänzend illuminirt und auf der Avenue bildeten Truppen des Guikwars Spalier. Das Diner war europäisch. Nach dem Desert führte Sir Madhava Rao den Guik⸗ war herein. Der Prinz nahm ihn an die Hand und geleitete ihn nach einem Stuhse zu seiner Linken. Sir Madhada brachte im Namen des Maharajah und der Maharani Toaste auf die Gesundheit der Kö⸗ nigin und der Prinzessin von Wales aus. Der Prinz dankte und trank dann auf das Wohl des Maharajah und der Maharani. In Erwiderung darauf hielt Sir Madhava eine Rede, in welcher er be⸗ merkte, daß der Maharajah und die Maharani ihn ersucht hätten, ihren Dank für die Weise, in welcher auf ihr Wohl getrunken wurde, in englischer Sprache Ausdruck zu geben. Sie betrachteten diesen Augenblick als den glücklichsten ihres Lebens. Lange hätten sie die Photographien der englischen Königsfamilie betrachtet. Jetzt seien sie so glücklich, jenen Prinzen zu sehen, welcher Erbe eines Szepters sei, dessen wohlthätige Macht und Einfluß in jedem Welttheile verspürt würde, 8 eu die 820⸗ des Tyrannen lähme, die Fesseln der Sklaven breche, die Grenzen der Freiheit ausdehne, ‚die Glückseligkeit der mensch⸗ lichen Rage fördere und deren Würde hebe. (Beifall.) Sein Besuch in Baroda könnte niemals vergessen werden, niemals in ihrer Erinnerung verschwinden. Die Gelegenheit würde durch die Ge⸗ schichte verewigt und stets mit der erneuten Stärke und Stabilität des Staates in Verbindung gebracht werden ꝛc. Dann erhob sich die Tischgesellschaft. Der Prinz, der Guikwar, die Herren und Damen

begaben sich nach der Veranda, wo Kaffee servirt wurde und musikalische

den Mitteln dahin zu wirken, daß eine den finanziellen Kräften

Der

welches Dunkelheit zerstreue, Licht ver⸗

Vorträge stattfanden. Dann wurde ein prachtvolles Feuerwerk abge⸗ brannt. Um 10 ½ Uhr verließ der Prinz mit seinem Gefolge den Palast und begab sich nach Ahmedabad, wo Wachteln geschofsen werden sollen. Am Montag wird der Prinz einer großen Eberjagd beiwohnen. 1 8

24. November. Wie die „Morning Post“ erfährt, würde der erste Lord der Admiralität, George Ward Hunt, demnächst seine Entlassung nehmen und wahrscheinlich Lord Henry Lennogx an seine Stelle treten.

Frankreich. Versailles, 23. November. (W. T. B.) Nationalversammlung. In der heute fortgesetzten Berathung des Wahlgesetzes wurdeder zweite Artikel desselben angenommen. Anläßlich einer Anfrage Picards über die offiziellen Kandidaturen berief sich Buffet auf die von Thiers und Jules Simon über diese Frage früher geäußerten Ansichten, wonach dieselben das Recht der Regierung, eigene Kandidaten zu bezeichnen, ausdrück⸗ lich anerkennen. Jules Simon erklärte dem gegenüber, daß er auch jetzt noch dieser Ansicht sei, daß es sich dabei aber nur um persönliche Anschauungen handle, welche von seiner Partei nicht getheilt würden. Im weiteren Verlauf der Sitzung richtete der Deputirte Tolain gegen das Ministerium den Vorwurf, daß dasselbe solche Kandidaten be⸗ günstige, welche der Republik feindlich gesinnt seien und die republikanische Partei bei jeder Gelegenheit bekämpften. Der Justiz⸗Minister Dufaure unterbrach den Redner, indem er her⸗ vorhob, daß die Ausführungen desselben sowohl für ihn wie für das ganze Ministerium in hohem Grade verletzend seien. Tolain erklärte hierauf, daß er von dieser Erklärung des Ministers ausdrücklich Akt nehme. Nachdem noch Art. 3 des Wahlgesetzes angenommen war, wurde die Sitzung vertagt.

Spanien. Madrid, 23. November. (W. T. B.) General Quesada hat seine Absicht, sich hierher zu begeben, in Folge der Nachricht von einer Bewegung der Carlisten gegen das östliche Navarra aufgegeben. Der General hat die Operationen gegen die Carlisten wieder aufgenommen und die⸗ selben in ihren Positionen bei San Cristobal, in der Nähe von Pampelona, angegriffen. Die Artillerie von Pampelona unterstützte den Angriff durch ihre Batterien. Die Division des Generals Espagna hat die Carlisten bei Alzuza zurück⸗ geworfen und den Ort nach einem hartnäckigen Kampf ge⸗ nommen.

Italien. Rom, 20. November. Die Deputirten⸗ kammer genehmigte nach kurzer Debatte den Voranschlag der Ausgaben des Marine⸗Ministeriums im Betrage von 41,161,263 Frs. Auf einige Bemerkungen der Abgg. Marselli, Perrone, d'Aste und Maldini über die Marineschulen und auf andere der Abgg. San Donato, Nicotera und Malonchini über die Nothwendigkeit der Unter⸗ stützung der Marine⸗Industrie antworteten der Marine⸗Minister und der Minister⸗Präsident. Der Abg. della Rocca hatte eine Interrogation des Ministeriums über die Revision der Han- delsverträge angekündigt. Da aber der Minister⸗Präsident dagegen einwendete, daß, während darauf bezügliche Unterhand⸗ lungen mit den fremden Regierungen stattfinden, Kammerver⸗ handlungen darüber nicht räthlich seien, wohl aber, wenn die neuen Verträge dem Parlamente zur Genehmigung vorgelegt würden, so erklärte Hr. della Rocca, daß ers dem Minister⸗ Präsidenten durch seine Interrogation nur die nationalen Han⸗ delsinteressen habe ans Herz legen wollen. 8

23. November. (W. T. B.) Die von einigen Provinzial⸗ blättern erwähnten Gerüchte von bevorstehenden Aenderungen in der Zusammensetzung des Kabinets werden von der „Agenzia Stefani“ als jeder Begründung entbehrend bezeichnet. In dem am 20. k. M. stattfindenden Konsistorium sollen mehrere vakante Bischofssitze besetzt und Nina und Serafini zu Kardinälen ernannt werden. Der Nuntius Simeoni in Madrid hat der Kurie angezeigt, daß der Justiz⸗Minister Cal⸗ deron Coblantes beauftragt sei, wegen der Konkordats⸗ Angelegenheit mit ihm zu unterhandeln, und daß sodann ein Botschafter zur Vertretung Spaniens bei der päpstlichen Kurie ernannt werden solle. Wie hier verlautet, wünscht die spanische Regierung den Abschluß eines neuen Konkordats, während die Kurie nur auf eine theilweise Modifikation des bis jetzt be⸗ standenen Konkordats eingehen will.

Türkei. Konstantinopel, 23. November. (W. T. B Der Kriegs⸗Minister Riza Pascha ist wieder zum Marine⸗ Minister, der seitherige Marine⸗Minister Namyk Pascha zum Kriegs⸗Minister ernannt worden. Sadyk Pascha ist zur Uebernahme seines Botschafterpostens nach Paris abgereist der bisherige, durch Raschid Pascha ersetzte Minister des Aus⸗ wärtigen Aarify Pascha ist vom Sultan in Audienz empfangen worden.

Vereinswesen. . Der Verein für das Wohl der aus der Schule ent.- lassenen Jugend hielt am Dienstag Abend seine diesjährige zweite Generalversammlung ab. Bei der Unterbringung der Lehrlinge war diesmal zu Michaelis ein anderer Weg als sonst einge⸗ schlagen worden. Während man früher eine Liste derjenigen die Schule verlassenden Schüler aufstellte, die noch keinen Lehrherrn ge⸗ funden hatten, und diese Liste bei Nachfrage vorlezte, hatte man diee mal Eltern, die für ihre Söhne einen Lehrherrn suchten, aufgefordert, sich persönlich mit ihrem Gesuche an den Schriftführer des Vetkeins zu wenden, wodurch es möglich wurde, eine größere Kontrole über die Thätigkeit des Vereins auszuüben. Von den erwa 250 jungen Leu⸗ ten, die Michaelis d. J. die Schule verließen, haben gegen 50 durch den Verein einen Lehrherrn gefunden. Ebenso haben die von dem Zerein veranstalteten Sonntagsunterhaltungen auch währind des Sommers erfreulichen Fortgang gefunden. In der innerea Einrich⸗ tung derselben ist insofern eine Aenderung eingetreten, als man in letzter Zeitneben der streng wissensch aftlichen und belehrenden Unterbaltung auch Gesellschaftsspielepflegte. Im September erschien anch die erste Num⸗ mer des unter Redaktion des Schulvorstehers d⸗Harzues stehenden Vereins organes. Die Herstellungskosten haben sich indeß als so hohe heraus⸗ gestellt, daß der Vorstand die Versammlung ersuchen mußte, den Minimalbeitrag der Mitglieder von 15 Sgr. auf 1 Thlr. jährlich zu erhöhen. Das Blatt, dessen hohe Bedeutung für den Verein bereits in der kurzen Zeit seines Bestehens sich erwiesen hat, wieder fallen zu lassen, hielt der Vorstand gerade jetzt, wo die Lehrlingsfraage weite Kreise bewegt, für unthunlich. Beschlossen wurde, den Beitrag allerdings auf einen Thaler zu erhöhen, den bisherigen Mitgliedern aber zu ge⸗ statten, auch fernerhin nur 15 Sgr. zu zahlen. Das Vereinsorgan wird nichtsdestoweniger allen Mitgliedern zugehen. Kunst, Wissenschaft und Literatur. In Göttingen starb in der Nacht vom 18. zum 19. der Hofrath Bartling, ein verdienter Botaniker, im 77. Jahre seines ebens. 3 2 An Stelle des im Frühjahr nach Graz überstedelnden Pro⸗ fessors Keller in Eesenn ist Dr Otto Heuse, Privatdozent an der Universität Halle und Lehrer am dortigen Waisenhaus⸗Gymnastum, zum ordentlichen Professor der klassischen Philologie an der Universität

Freiburg und zum Mitdirektor des dortigen philologischen Seminars ernannt woren. 1““