1875 / 280 p. 4 (Deutscher Reichsanzeiger, Sat, 27 Nov 1875 18:00:01 GMT) scan diff

rung auf, sie solle sich über die von ihr befolgte Politik äußern. Der Miister Buffet erklärte darauf, er halte die Einzelwahlen aufrecht, weil er wünsche, daß die Wahlen der offene und wahre Ausdruck der Gesinnungen des Landes und des Willens der Wähler sein sollten; das Listenskrutinium alterire die Unabhän⸗ gigkeit der Wähler. Der Minister betonte die Nothwendigkeit des Zusammenhaltens aller konservativen Kräfte, welche zwar augenblicklich noch getrennt seien, die sich aber auf einem legalen konstitutionellen Wege vereinigen könnten, um die konservative Politik und die gesellschaftlichen Prinzipien zu vertheidigen, die jetzt von denen angegriffen würden, die die Verfassung vom 25. Februar votirt hätten, dieselbe aber in einer Weise interpre⸗ tirten, der er entgegentreten müsse. Nachdem hierauf auch das Amendement Jozons mit 387 gegen 302 Stimmen abgelehnt war, wurde die Sitzung aufgehoben.

Rußland und Polen. St. Petersburg, 25. No⸗ vember. Ueber die Lage der Dinge an der Grenze von bringt der „R. J.“ die folgenden neueren Nach⸗ richten:

Das Detachement, welches in dem neuerdings von uns besetzten Gebiet von Namangan zurückgelassen worden war, mußte bald nach der Rückkehr des Ober⸗Befehlshabers der Truppen, welche im Chanat Kokand operirten, nach Chodshent zu den Waffen greifen, um die einheimische Bevölkerung zur Ruhe zu bringen, unter welcher schon in der ersten Hälfte des Oktober eine neue Gährung ausgebrochen war, die in der letzten Zeit beständig zunahm. Um eine Bande bewaffneter Kip schaken und Einwohner zu zersprengen, rückte der Chef des Detachements, General⸗Major der Suite Sr. Majestät Sskobelew, mit einem Tbeil desselben gegen Türa⸗kurgan, ein etwa 12 Werst westlich von Namangan an dem Wege nach Tuß gelegenes Städtchen, vor. General⸗Major Sskobelew schlug die Bande am 23. Oktober (a. St.) vor Türa⸗kurgan und setzte dann seinen Zug gegen Tuß fort. In⸗ zwischen waren die Kiptschaken in Namangan eingedrungen und hatten die Einwohner aufgewiegelt. Am 24. Oktober griffen sie die Citadelle der Stadt und das Lager unserer zurückgebliebenen Truppen an. Drei Tage lang wehrten sich unsere Leute heldenmüthig gegen die An⸗ greifer; diese wurden endlich zurückgeschlagen und konzentrirten sich in einem Theil der Stadt, den sie stark befestigten.

Von diesen Vorgängen unterrichtet, kehrte General⸗Major Sskobelew am 26. Oktober, Mittags (a. St.), mit der Hauptmacht des Detachements nach Namangan zurück und traf sogleich Vor⸗ bereitungen, um die Stadt zu stürmen. Am nächsten Tage eröffnete er das Feuer aus 16 Geschützen, zerstörte den von den Kiptschaken besetzten Stadttheil und ließ die Truppen zum Sturm vorrrücken. Die Stadt wurde jedoch ohne Kampf genommen, da der Feind floh. Das Feuer unserer Artillerie hatte ihm ungeheure Verluste beige⸗ bracht, die circa 3800 Mann betrugen. Wir hatten an allen fünf Kampftagen an Todten 6 Mann, an Verwundeten 4 Offiziere und 34 Mann. Nach dieser entscheidenden Niederlage der Aufrührer beruhigte sich die ganze Bevölkerung in Namangan und seiner Umgegend und unterwarf sich der russischen Gewalt. Unsere Truppen bezogen in den unversehrt gebliebenen massiven Gebäuden der Stadt Winter⸗

uartiere und richteten sich nach Möglichkeit bequem in denselben ein.

ie Verbindung mit Chodshent wird, wie bisher, durch gelegentliche Transporte unterhalten Gleichzeitig dauert auch in Kokand die Anarchie fort. Eine Bande von ca. 2000 Mann hatte sich einen Tagesmarsch von der von uns besetzten Festung Machram gesammelt, wurde aber von dem Kommandanten der Festung, Major Rodsjanko, geschlagen, der mit einem Theil der Garnison zur Offensive vorgegan⸗ gen war.

Amerika. Brasilien. Aus Rio de Janeiro wird unterm 24. d. telegraphirt: „Das „Diario Oficial“ erklärt mit Bezug⸗ nahme auf die jüngste Meldung aus Rom, daß der Bischof von Olinda dem Vatikan gewisse kirchliche Fragen zur Entschei⸗ dung unterbreitet hätte, daß der Bischof von der brasilianischen Regierung mit keiner Mission, selbst nicht einmal einer offiziöser Natur betraut sei.“

Afrika. Aegypten. Kairo, 26. November. (W. T. B.) Nach hier eingegangenen Nachrichten ist ein von einem Oberst befehligtes Detachement ägyptischer Truppen von den Abessiniern überfallen und nach einem an 12 Stunden dauernden Kampfe fast vollständig aufgerieben worden. Die Abessinier hatten gleichfalls sehr große Verluste. Der Kauf⸗ preis von 100 Millionen Fres., den der Khedive für die von ihm an die englische Regierung verkauften ca. 177,000 Stück Suezkanal⸗Aktien erhält, ist zur Bezahlung derjenigen Be⸗ träge der ägyptischen schwebenden Schuld bestimmt, die im nächsten Monat und im Januar k. J. rückzahlbar sind. Uebrigens ist, wie es heißt, eine nur 5 prozentige (nicht 7 pro⸗ zentige) Verzinsung garantirt; dieselbe soll jedoch 19 Jahre (nicht blos 11 Jahre) dauern.

Australien. Aus Sydney wird unterm 16. d. die da⸗

selbst am gedachten Tage erfolgte Eröffnung des Parlaments von Neu⸗Süd⸗Wales gemeldet.

Nr. 48 des „Central⸗Blatts für das Deutsche Reich“, herausgegeben im Reichskanzler⸗Amt, hat folgenden Inhalt: Allge⸗ meine Verwaltungssachen: Verweisung von Ausländern aus dem Reichsgebiet. Finanzwesen: Goldankauf der Preußischen Bank;

Nachweisung der Einnahmen an Zöllen und gemeinschaftlichen Steuern, sowie anderer Einnahmen im Deutschen Reiche für die Zeit vom 1. Januar bis zum Schlusse des Monats Oktober 1875. Münzwesen: Uebersichten der in den deutschen Münzstätten bis zum 13. und bis zum 20. November 1875 stattgehabten Ausprägungen von Reichsmünzen. Zoll⸗ und Steuerwesen: Bundesrathsbeschlüsse, betreffend Denaturirung des Salzes mit Schwefelsäure; Dena⸗ turirung des Salzes mit Kienöl; Minimalbetrag bei Erhebung von Zoll⸗ und Steuergefällen; Uebergangsabgabe und Ausfuhrver⸗ gütung von Branntwein in Hohenzollern; Kompetenz eines Zollamts. Marine und Schiffahrt: Instruktion zur Strandungsordnung. Postwesen: Bekanntmachungen, hetreffend: Versendung offener Karten: Eröffnung der Eisenbahn Chemnitz⸗Aue⸗Adorf in Sachsen; Eröffnung der Eisenbahn Grauhof⸗Lautenthal; Drucksachen, denen kleine Muster zur Erläuterung des Textes beigefügt sind. Tele⸗ graphenwesen: Worttarif für Telegramme nach Nord⸗Amerika. Konsulatwesen: Ernennungen ꝛc. Personalveränderungen ꝛc.: Ernennung.

Nr. 36 des „Amtsblatts der Deutschen Reichs⸗ Telegraphen⸗Verwaltung“ hat folgenden Inhalt: Bescheidung vom 20. November 1875. Verfügung der Kaiserlichen General⸗ Direktion der Telegraphen vom 20 November 1875 an sämmtliche

Kaiserliche Telegraphen⸗Direktionen, die Zerstörung des Poldrahtnietes an den Bleiplatten der Meidingerschen Elemente betreffend.

Statistische Nachrichten.

Die Sozialdemokratie hat in Deutschland ca. 20 Zei⸗ tungen, in Italien 2, in Portugal 1, in Frankreich und England eine größere Anzahl, in Serbien 1. Außerdem werden in der Schweiz 8 Zeitungen in russischer Sprache gedruckt, welche demselben Zweck

jenen.

Die Zahl der Feuersbrünste in Rußland im Okto⸗ ber beträgt nach dem „Reg.⸗Anz.“ in 72 Gouvernements 2964; der verursachte Schaden ist mit Ausnahme von 279 noch nicht taxirten Fällen auf 4,706,318 Rbl. berechnet worden.

Kunst, Wissenschaft und Literatur.

„Im Verlage von Julius Springer in Berlin erscheint gegen⸗ wärtig eine neue Ausgabe der „Erzählungen von Jeremias Gotthelf⸗ (A. Bitzius), von der uns, besorgt von dem bekannten Volksschriftsteller Ferdinand Schmidt, die ersten drei Bände, geschmackvoll gebunden, vorliegen. Dieselben enthalten 18 jener natur⸗ wüchsigen herzigen Erzählungen, welche dem Verfasser den Beinamen „Shakespeare des Volkslebens“ eingebracht haben. Die neue Ausgabe ist namentlich darum empfehlenswerth und wird daher dem Dichter auch in Kreisen Eingang verschaffen, denen er bisher fremd geblieben, weil sie jene Bemerkungen ausgeschieden hat, die vielfach der Politiker Bitzius seinen Erzählungen und Gemälden eingefügt hat und die sich auf zeitige Parteikämpfe bezogen. Jedenfalls hatten sie für Leser, die außerhalb des kleinen schweizerischen Staatswesens stehen, für welches sie berechnet waren, kein Interesse, ja, weniger noch als dies: sie erschwerten das Verständniß und trübten den Glanz der Ge⸗ mälde, sie führten eben zu dem Ergebniß, daß in den großen Kreisen 1e Gotthelf noch durchaus nicht nach Verdienst gewürdigt wurde.

Im Verlage der Luckhardtschen Buchhandlung (Fr. Luck⸗ hardt) Berlin und Leipzig ist berxeits im 6. Jahrgange der Deutsche Reichz⸗Post⸗ und Telegraphen⸗Kalender für das Jahr 1876 erschienen. Derselbe, bearbeitet von Gustav Lüde⸗ mann, Postmeister, enthält in seinem ersten als Notizbuch gebundenen und ausgestatteten Theile außer einem Uebersichtskalender Formulare zu Verzeichnissen der ankommenden und abgehenden Posten und Eisen⸗ bahnzüge, zu Reise⸗Aufzeichnungen, zu Aufzeichnungen über die bei der Ober⸗Postkasse hinterlegte Kaution u. s. w., zu Vermerken aus den General⸗ und Bezirksverfügungen, aus den Amtsblättern u. s. w., Verzeia nisse der Bezeichnungen, welche im postdienstlichen Verkehr an Stelle bisher gebräuchlicher Fremdwörter ꝛc. anzuwenden sind, so wie der zulässigen Abkürzungen der Ortsnamen im inneren Betriebe der Postanstalten, ferner Termintafeln für Postanstalten und Tele⸗ graphenstationen und den üblichen Termin⸗ und Merk⸗Kalender. Der zweite brochirte Theil bildet ein werthvolles postalisches Hülfs⸗ buch, das in gedrängter Kürze die wissenswerthesten und gebräuch⸗ lichsten dienstlichen Formulare und Bestimmungen enthält.

Das Archiv der Stadt Lüneburg enthält bekanntlich mit seinen mehr als 6000 Original⸗Urkunden eine der reichhaltigsten Urkundensammlungen in ganz Deutschland. Auf Grund desselben hat der historische Verein für Niedersachsen 2 Bände kines Lüne⸗ burger Urkundenbuches, die bis zum Jahre 1388 reichen, herausgegeben, und zwei weitere Bände sind von Dr. Volger zum Druck bereits vorbereitet. Die letzteren reichen bis zum 30 jährigen Kriege. Diese Lüneburger Urkunden haben keineswegs eine blos kom⸗ munale, sondern eine weit darüber hinausgehende allgemein historische Bedeutung und liefern dem Geschichtsforscher manches werthvolle Material. Die historische Bedeutung der Urkunden beruht einmal auf der unabhängigen Stellung, welche die Stadt Lüneburg einnahm, theils auf ihrer Angehörigkeit zum Hansabunde, in welchem sie ein angesehenes Glied bildete. B Die Nummern 90 94 der „Wissenschaftlichen Beilage der Leipziger Zeitung“ enthalten folgende größere Aufsätze: Zur Geschichte des Königlich sächsischen Kadetten⸗Corps. Musika⸗ lische Zustände in Leipzig. Das neueste Shakespeare⸗Jahrbuch. Eeg. Reformatoren. Zur Erinnerung an Friedrich Ludwig

midt.

Aus Düsseldorf, 25. November, wird der „Köln. Ztg.“ ge⸗ schrieben: Am 22. November entdeckte Hr. Direktor Palisa in Pola

wiederum im Sternbilde des Widders noch einen Planeten zwölfter Größe, dessen Ort so angegeben ist: mittlere Zeit Pola Rectascension nördliche Deklination 22. Nov. 12 Uhr 0 Min. 2 Uhr 54 Min. 20 S. + 19 Grad 37/— Durch diesen 10. in Oesterreich entdeckten Planeten wird die Anzahl der bekannten kleinen Planeten auf 156 gebracht, von welchen 16 im gegenwärtigen Jahre und 107 in Europa entdeckt sind.

Land⸗ und Forstwirthschaft.

Der deutsche Landwirthschaftsrath hat, da die Berathung der Arbeiterfrage im Plenum noch nicht genügend vorbereitet war, eine ständige Kommission gewählt, welche diese Frage bearbeiten und besprechen soll, um dem deutschen Landwirthschaftsrath möglichst in seiner nächsten Session die erforderlichen Materialien und Anträge zu Beschlüssen vorzulegen. Die Kommission besteht aus solchen Män⸗ nern, welche sich schon sonst mit der Arbeiterfrage beschäftigt haben. Es sind der Oekonomie⸗Rath Griepenkerl⸗Braunschweig, welcher den Vorsitz hat, v. Saucken Tarputschen, ScipioMannheim, Professor Richter⸗Tharand, Papst⸗Burgstall, Pogge⸗Roggow, Direktor Dr. v. Rau⸗Hohenheim, v. Wedell⸗Vehlingsdorff und v. Ow⸗Wachenderf. Zunächst ist die Kommission daran gegangen, einen bestimmten Plan für ihre Arbeiten zur besseren Förderung derselben aufzustellen.

Gewerbe und Handel.

„Die Bestrebungen, welche seit längerer Zeit für die Fusion dreier größerer hiesiger Bank⸗Institute (Deutsche Union⸗Bank, Ber⸗ liner Bankverein und Deutsche Bank) ins Werk gesetzt sind, haben insofern ein Resultat gehabt, als für den Berliner Bankverein eine außerordentliche Generalversammlung behufs Beschlußfassung über die Liquidation nach Maßgabe jener Absicht der Fuston bereits ein⸗ beruf⸗n ist. In den nächsten Tagen steht nunmehr auch einer Sitzung des Verwaltungsrathes der Deutschen Unionbank in Aussicht, um Beschlüsse in derselben Angelegenheit über Liquidation und Ein⸗ berufung einer außerordentlichen Generalversammlung zu fassen.

Posen, 26. November. (W. T. B.) In einer heute von De⸗ legirten aller landwirthschaftlichen Kreisvereine und aller Handels⸗ kammern der Regierungsbezirke Bromberg und Posen hier abgehal⸗ tenen Versammlung wurde eine Resolution des Inhalts ange⸗ nommen, daß die unveränderte Ausführung der Bestimmungen des Zolltarifgesetzes über Aufhebung der Eisen⸗ und Maschinen⸗ zölle im Interesse der allgemeinen Wohlfahrt des Vaterlandes un⸗ abweisbar sei. Zugleich wurde beschlossen, in diesem Sinne bei dem

Reichstage und bei dem preußischen Staats⸗Ministerium vorstellig zu werden.

Cöln, 26. November. (W. T. B.). In dem Gründungs⸗ prozesse gegen den Generalkonsul Philipp Overlack und Ge⸗ nossen wurde haute das Urtheil gesprochen. Overlack wurde zu einem Jahr Gefängniß und zum Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte auf 2 Jahre verurtheilt. Der Baumeister Gaenz wurde zu 3 Mo⸗ naten Gefängniß verurtheilt.

Die Bilanz der Norddeutschen Schiffbau⸗Aktien⸗ Gesellschaft zu Gaarden bei Kiel weist, nachdem ämmtliche angeliehene Kapitalien mit rot. 92,000 verzinst, für Entwerthung der Werft und Geräthe eine Abschreibung von rot. 34,000 vor⸗ genommen, außerdem zur Ausgleichung von Verlusten und schweben⸗ den Differenzen ferner 26,500 verwendet worden sind, einem Rein⸗ gewinn von 142,172 oder 12,4 % des Aktienkapitals auf. Eine Gewinnvertheilung hat nicht stattfinden können, da aus den Vorjahren noch ein Verlust von 789,227 in Rechnung besteht. Derselbe ist um den Gewinn von 142,141 vermindert worden, und beträgt der Verlust nun noch 647,055

Hamburg, 26. November. (W. T. B.) Die heutige außer⸗ ordentliche Generalversammlung der Aktionäre der Deutschen Transatlantischen Dampfschiffahrtsgesellschaft nahm einen sehr stürmischen Verlauf. Da viele Aktionäre vor Schluß der Versammlung das Sitzungslokal verließen, konnte bis fetzt noch nicht festgestellt werden, ob die Abstimmung über die Liquidation der Ge⸗ sellschaft und die Wahl einer Liquidationskommission perfekt gewor⸗ den ist. Voraussichtlich dürfte eine anderweite Generalversammlung anberaumt werden 8

In der Generalversammlung der Rybinsk⸗Bologoje⸗ Eisenbahn⸗Gesellschaft wurde nach Verlesung des Berichts der Verwaltung zur Abstimmung über die vrrliegenden Fragen und zur Wahl der Revisions⸗Kommission behufs Revision der Bücher, der Kasse und der Abrechnung über die Exploitation der Rybinsk⸗ Bologoje⸗Eisenbahn im Jahre 1875 geschritten. Das Budget der Einnahmen und Ausgaben für die Exploitation der Rybinsk⸗Bolegoje⸗ Eisenbahn im Jahre 1876 wurde bestätigt. Der Antrag der Ver⸗ waltung auf Anweisung einer Summe von 50,000 Rbl. S zu über⸗ etatsmäßigen Ausgaben in Jahre 1876 wurde angenommen. Nach Wahl der Revisions⸗Kommission sprach die Generalversammlung auf den Antrag eines der Aktionäre einstimmig den Wunsch aus, daß die Revisions⸗Kommission auf Grundlage des §. 36 des Statuts nicht nur eine Revision der Bücher, der Kasse und der Abrechnung, sondern eine materielle Reviston der ganzen Linie vornehmen möge.

Verkehrs⸗Anstalten.

Die Nr. 93 der „Z itung des Vereins Deutscher Eisenbahn⸗Verwaltungen“, Organ des Vereins, hat folgenden Inhalt: Verein Deutscher Eisenbahn⸗Verwaltungen: Chemnitz⸗Ane⸗ Adorfer Eisenbahn, Chemnitz⸗Aue und Schöneck Adorf eröffnet, Niederschlesisch⸗-Märkische Eisenbahn; Haltestelle Friedrichsberg der Berliner Verbindungsbahn. Zur Vereinfachung des Güter⸗Expedi⸗ tionsdienstes. Englische Korrespondenz. Verein Deutscher Eisenbahn⸗ Verwaltungen: Zum Frachtbrief⸗Formular; Magdeburg⸗Halberstädter Eisenbahn, Bahnbauten im November 1875; Pfalzische Eisenbahnen; Eröffnung der Landau⸗Zweibrücker Bahn. Berliner

riefe ꝛc.

Berlin, 27. November.

Am Dienstag fand in der Eisengießerei von Gladebeck in Gegenwart mehrerer Magistratsmitglieder der Guß der Bronze⸗ statue Sr. Majestät des Kaisers statt, welche, vom Bildhauer Keil modellirt, als Geschenk des Stadtverordneten Ebeling am Hauptportal des Rathhauses aufgestellt werden soll. Der Guß ist, wie es scheint, wohlgelungen. 111“

Vor 200 Jahren am 21. November 1675 „wie das „Liegn. Stadtblatt“ schreibt, der Herzog Georg Wilhelm, der letzte Piast, im Alter von 15 Jahren. In ihm erlosch ein Fürstengeschlecht, das 900 Jahre geblüht, Polen 24 Könige, Schlesten 123 Herzöge, der Kirche 6 Erzbischöfe und Bischöfe und einem großen Theile des öst⸗ lichen Europa Religion und Kultur gebracht hatte.

Aus Dömitz a. d. Elbe verlautet vom 22. d., daß drei Del⸗ phine bis dorthin aus der See heraufgekommen waren, von denen einer durch Kugeln erlegt wurde. Die beiden andern sind elbabwärts entkommen. *

Das Programm der Rennen zu Nizza im Januar wird ein Armee⸗Jagdrennen enthalten, welches auf erwenden von Offizieren der französischen Armee, in Erwiderung der zu Baden⸗Baden mit dem Armee⸗Steeple⸗Chase gebotenen Gast⸗ freundschaft im Sport, ganz ausdrücklich den Offizieren der deutschen Armee eröffnet wird, nachdem ein Repräsentant der Pariser Gar⸗ nison mit dem Redacteur des „Sporn“ über die Bedingungen dieses Rennens eine Unterredung gepflogen hatte. Der Preis für das Steeple⸗Chase ist auf 5000 Francs festgesetzt und offen für alle vom Staate (Remonte⸗ oder Ankaufs⸗ Kommission) angekauften Chargen⸗Pferde (Nicht⸗Vollblut), im aktiven Dienst oder als ausgedient im Besitz aktiver Offiziere des Heeres befindlich, zu reiten von Offizieren, die in der Rang⸗ und Quartierliste aufgeführt sind. Gewichtsbestimmungen sind

vorläufig noch nicht vereinbart, doch sollen frühere Sieger mit einem Extragewicht bedacht werden. Die Strecke mit den Hindernissen und

die Distanz wird von dem Rennvorstande zu Nizza bestimmt werden. Der Kriegs⸗Minister, General de Cissey, hat den an dem Rennen theilnehmenden französischen Offizieren es ausdrücklich gewährt, um den Geldpreis von 5000 Frcs. konkurriren zu dürfen.

Die „A. A. C.“ berichtet aus London vom 25. November: An der Küste von Fifeshire herrschte heute die größte Aufregung. In dem fürchterlichen Sturme, der daselbst vor einigen Tagen wüthete, haben 16 Fischer aus der Umgegend ihr Leben verloren. Zwei andere Boote, von denen jedes eine Mannschaft von 7 Personen hatte, werden vermißt und man glaubt, daß ste mit Mann und Maus untergegangen sind. 1“]

Nach über New⸗York, 26. November, eingegangenen Nach⸗ richten sollen bei den Magdaleneninseln (in Britisch⸗Nord⸗ Amerika) 6 Schiffe Schiffbruch erlitten haben und von den 62 auf 1eeg befindlich gewesenen Personen nur 17 gerettet wor⸗ den sein.

Bei dem Brande von Virginia City, Nevada, am 26. und 27. Oktober erlitten, der San Francisco „Abend⸗Post“ zufolge, auch 43 deutsche Bewohner oder Firmen einen sich auf 1,042,500 Dollars beziffernden Verlust, während die Versicherung derselben nur ca. 300,000 Dollar

Theater.

Fr. Mallinger wird am 1. Dezember ihren diesjährigen kontraktlichen Urlaub antreten und erst am 15. Januar ihre künst⸗ lerische Thätigkeit hier wieder aufnehmen. Aus diesem Grunde kann auch eine Aufführung der „Meistersinger im Königlichen Opern⸗ hause bis dahin nicht mehr stattfinden. Frl. Brandt wird in den ersten Tagen des Dezember dreimal in Frankfurt a. M. gastiren, am Tage vor ihrer Abreise aber noch in den „Makkabätrn“, und Tags nach ihrer Rückkehr schon wieder in „Aida“ auftreten. Die Oper „Das goldene Kreuz' soll zuerst von den Neuheiten der

Saison in Scene gehen, dann folgt „Tristan und Isolde“, und am Schlusse der Saison „Die bezähmte Widerspenstige“’.

Das Gastspiel der Hrn. Klein und Link vom Stadttheater zu Leipzig hat zum Engagement am Königlichen Schauspiel⸗ hause geführt. Hr. Klein wird am Sonntag noch einmal den Wallenstein, Hr. Link in nächster Woche den Badekommissär Sittig in „Bürgerlich und romantisch“ spielen.

he. Fel. v. Csepesanyi, von Wien zurückgekehrt und wieder in den Verband des Friedrich⸗Wilhelmstädtischen Theaters eingetreten, wurde bei ihrem ersten Auftreten freundlich begrüßt und errang sich in der „Fledermaus“ und „Mamsell Angot“ wieder den früheren Beifall.

Das mit außerordentlichem Erfolge begonnene Gastspiel der Kaiserlich Königlichen Hofschauspielerin Frl. Bog⸗ naͤr aus Wien bereichert das Repertoire des Residenztheaters morgen mit dem Lustspiel „Die Eine weint, die Andere lacht“. Eine weitere Glanzrolle der Künstlerin „Adrienne Le⸗ couvpreur“ ist für nächste Woche in Aussicht genommen.

Im Wallnertheater wird am nächsten Mittwoch das neue fünfaktige historische Lustspiel von Otto Girndt „Drei Buchstaben“ zum ersten Male in Scene geben. Die Hauptrollen befinden sich in Händen der Damen Carlsen, Bredow, Arndt nnd der Hrn. Lebrun, Kurz, Keller, Kadelburg, Blencke und Schmidt.

Zum Besten des Friedrich⸗Werderschen Bezirks⸗Kindergarten findet heute eine Wohlthätigkeitsvorstellung im Stadttheater statt und hat Hr. Direktor Müller hierzu die 3. daf des mit so großem Beifall aufgenommenen Lustspiels von Benedix, „Der Steckbrief oder die drei Staat verräther“, bestimmt.

Redacteur: F. Prehm. Verlag der Expedition (Kessel). Druck W. Elsner. b Fünf Beilagen 1 1“ (einschließlich Böürsen⸗Beilage).

Preußen. wähnte Denkschrift, welche der außerordentlichen Ge⸗

trennt und von einem Hineingreifen der Organe der sogenannten

8 gesetzgebung eingeleitet werden. Die Provinzialregierungen, welche die Aufsichtsinstanz für die kirchlichen Externa bilden, sind ausschließlich

munz nach evangelische Kirchenbehörden sind (Instruktion vom 1. Ok⸗ tober 1847 Einl.), finden in den unter staatlicher Sanktion erschiene⸗

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Form sehr werthvoll sein, indem sie die nothwendigen erkannt werden.

derlich zu sein, gehen wir durch die gegenwärtige Denkschrift in eine

ung 1847 S. 278. Hirsichtlich des Evangelischen Ober⸗Kirchenraths ssntion in Betracht kommenden Punkte im Einzelnen Folgendes:

sooweit nicht durch besondere Bestimmung einzelne Gegenstände und

8 Ueber die Frage,

en Reichs⸗Anzeiger und Königlich Preußischen Staa 8⸗Anzeiger.

Berlin, Sonnabend, den 27. November

Nichtamtliches. Dentsches Reich. Berlin, 27. November. Die bereits er⸗

neralsynode Seitens des Evangelischen Ober⸗Kirchenraths über⸗ reicht worden ist, hat folgenden Wortlaut:

des Evangelischen Ober⸗Kirchenraths, betreffend di Ressortverhältnisse der Kirchen⸗ und Staats⸗ behörden. (Zu §. 38 des Entwurfs der General⸗

Synodalordnung.)

In §. 38 des der außerordentlichen Generalsynode vorliegenden Entwurfs der General⸗Synodalordnung wird für die staatliche Anord⸗ nung der Vorbehalt ausgesprochen, mit dem Eintritt der vollstän⸗ digen Synodalordnung in kirchen⸗ und landesgesetzliche Wirksamkeit die bisherigen kirchlichen Ressorts der Staats⸗ und Kirchenbehörden neu zu regeln.

Daß zu dieser Regelung in dem angegebenen Zeitpunkt geschritten wird, erachten wir für unumgänglich geboten. Die bisherige Scheidung, wonach die kirchlichen Angelegenheiten, je nachdem sie als äußerlicher oder innerlicher Natur bezeichnet wurden, der allgemeinen Staatsver⸗ waltungsbhehörde oder der Kirchenbehörde zur Behandlung zustanden, hat schon seit längerer Zeit sowohl von den Provinzialkonsistorien als auch n den westlichen Provinzen von den dort bestehenden Provinzial⸗ Synoden lebhafte Beschwerden hervorgerufen. Sie ist an sich unhalt⸗

ar, weil die Organisation eines Gemeinwesens ihrem Wesen nach beide Kategorien von Angelegenhei ten umfaßt, also eine Scheidung beider das im lebendigen Zusammenhange Verbundene von einander

Externa in die Verwaltung der Interna nothwendig begleitet ist. Sie ist aber am wenigsten der Aufrechterhaltung fahig, wenn den cu organisirten Kreis⸗Provinzial⸗ und Generalsynoden in der Mit⸗ wirkung bei der kirchlichen Gesetzgebung, in der Einwirkung auf die irchliche Verwaltung eine Stellung gegeben wird, die als den anderen aktor der Gesetzgebung und als das Organ der kirchlichen Verwal⸗ tung die kirchlichen Regimentsbehörden und über ihnen den Landes⸗ errn als Träger des Kirchenregiments voraussetzt. Indessen eine Aenderung hierin kann nur von Seiten der Staats⸗

Staatsbehörden, und selbst die Konsistorien, obschon sie ihrer Bestim⸗

nen Ressortverordnungen die Grundlage ihrer Existenz und Abzren⸗ zung ihres Wirkungskreises, in den ihnen zufließenden Staatsfonds die äußeren Mittel ihres Bestehens. 1 In Folge dessen war es unausführbar, in die als Kirchengesetz entworfene General⸗Synodalordnung hierher Anordnungen oder auch nur Zusicherungen aufzunehmen. agegen scheint es dringend nahe gelegt, daß die außerordentliche Generalsynode diesen zum Abschluß des Verfassungswerks gehörigen Gegenstand nicht außer Acht läßt. Die Beschlüsse, welche aus ihren darüber zu pflegenden Verhandlungen hervorgehen, werden allerdings nur die Gestalt von Anträgen an die Staatsregierung behufs Durchführung des §. 38 der General⸗Synodalordnung annehmen können, aber auch in dieser zum Ausdruck bringen, welche Zielpunkte und welche Grenzen der Umgestaltung kirchlicherseits als

Um bhierbei der außerordentlichen Generalsynode unsererseits för⸗

nähere Erörterung der Frage ein,

welche Umgestaltung in dem bisherigen Verhältniß des kirchlichen Ressorts zwischen den Staats⸗ und Kirchenbehörden in Folge des

Inkrafttretens der General⸗Spnodalordnung erforderlich wird. Die zur Zeit bestehenden Ressortbestimmungen ergeben sich hin⸗ sichtlich der Provinzialkonsistorien aus der Dienstinstruktion vom 23. Oktober 1817, G. S. S. 237, der Allerhöchsten Kabinetsordre vom 31. Dezember 1825, betreffend eine Abänderung in der bisherigen Organisation der Provinzialverwaltungsbehörden sub Litt. B., G. S. 1826 S. 5, aus der Verordnung vom 27. Juni 1845, betreffend die Ressortverhältnisse der Provinzialbehörden für das evangelische Kirchen⸗ wesen, G. S. S. 440, und der dazu ergangenen ministeriellen In⸗ struktion vom 1. Oktober 1847, Minist.⸗Bl. für die innere Verwal⸗

ist das durch Allerhöchsten Erlaß vom 29. Juni 1850 publizirte Ressortreglement G. S. S. 343 maßgebend, welches mit den dazu ergangenen Nachtragsbestimmungen zusammengestellt als Anlage bei⸗ zefügt ist. 3 1“ Dies vorausgeschickt, bemerken wir über die für die Reorgani⸗

I. Verwaltung und Leitung der kirchlichen Angelegen⸗ heiten überhaupt. 1

Schon die vorgedachte Instruktion vom 1. Oktober 1847 spricht

den Grundsatz aus, daß der Aufsicht und Leitung der Konsistorien die Gesammtheit der evangelischen Kirchenangelegenheiten anvertraut wird,

Angelegenheiten s dem Geschäftskreise der Regierungen gewiesen sind. 7. auch künftig noch, freilich in viel beschränkterem Maße, kirchliche Angelegenheiten der Behandlung durch die Landesverwal⸗ tungsbehörden zuzuweisen sind, daß gewisse Angelegenheiten der ge⸗ meinschaftlichen Erledigung durch die Kirchen⸗ und Staatsbehörden anheimfallen müssen, daß endlich für eine Anzahl von Verwaltungs⸗ geschäften die Ford erung einer staatlichen Kognition in Gestalt der Vorschrift, daß eine staatliche Genehmigung dazu einzuholen ist, er⸗ wartet werden muß, dies Alles wird im Folgenden näher erörtert werden. An das jetzt zu erstrebende Staatsgesetz ist aber jedenfalls zunächst die Forderung zu stellen, daß es den Fundamentalgrundsatz ansspricht: 1

„Die Verwaltung und Leitung der Angelegenheiten der Evange⸗

lischen Landeskirche, soweit solche bisher von den Staatsbehörden

geübt ist, geht auf die kirchenregimentlichen Behörden über.“

II. Ferneres kirchliches Ressort der Staatsbehörden.

Fuür die dauernde Zuständigkeit der Staatsbehörden in den kirch⸗ lichen Angelegenheiten sind folsende Punkte herauszuheben:

1) Die Anordnung und Vollstreckung der zur Aufrechthaltung der äußeren kirchlichen Ordnung erforderlichen polizeilichen Vorschriften.

Die Instruktion vom 1. Oktober 1847 sub II. Nr. 4 bemerkt er⸗ läuternd, daß hiezu inebesondere die Erlasse gehören wegen Heilig⸗ haltung der Sonn⸗ und Festtage; es würden aber dahin die polizei⸗ lichen Funktionen zum Schntz der für die gottesdienstlichen Handlun⸗ gen erforderlichen äußeren Ordnung überhaupt zu rechnen sein.

2) Die Regmirung des Interimistikums in streitigen Kirchen⸗, Pfarr⸗ und Küsterbausachen, sowie die Vollstreckung der interimistischen Eatscheidung.

Die kirchliche Verwaltung kann in diesen Bausachen eine Ent⸗ scheidung, welcher die Vollstreckbarkeit im Zwangswege zur Seite steht, nicht treffen. Daß aber überhaupt im Verwaltungswege eine solche interimistische Entscheidung beschafft und zur Vollstreckung gebracht werden kann, liegt im dringendsten kirchlichen Interesse. ob und wie ein kirchlicher Bau vorzunehmen sei,

lichen Ober⸗Tribunals vom 24. Oktober 1862, Min. Bl. f. d. i. Verw. 1863 S. 65), dagegen steht derselbe über die Fragen, welche die Aufbringuag und Vertheilung der Baukosten betreffen, un⸗ eingeschränkt offen. Es liegt vor Augen, daß, wenn dem Rechts⸗ verfahren mit seinem entwickelten Instanzenzuge nicht eine vorläufig vollstreckbare Verwaltungsentscheidung vorangestellt werden kann, die ordnungsmäßige Durchführung kirchlicher Bauten in der äußersten Weise würde gefährdet werden. 3

3) Die Beitreibung kirchlicher Abgaben. Ein Exekutionsrecht bestßt die Kirche nicht, kann es auch nicht erwerben wollen. Sie be⸗ darf daher für die Einziehung der nicht gutwillig gezahlten kirchlichen Abgaben der vollstreckenden Hand des Staatzszs. 4) Die Aufsicht über die Kirchenbücher, soweit dieselben noch als Standesregister gelten. h

Bis zum 1. Oktober 1874 haben die Kirchenbücher die Getae als Standesregister behalten; die Aufsicht über dieselben (II. Nr. der Instruktion vom 1. Oktober 1847) wird daher für dieselbe Zeit den Regierungsbehörden zu konserviren sein. . In dem Gesetz vom 20. Juni 1875 über die Vermögensverwal⸗ tung in den katholischen Kirchengemeinden, G. S. S. 241, ist unter §. 51 auerkannt, daß der Kirchenvorstand zur Führung von Prozessen keiner Ermächtiigung bedarf, wie ein Sleiches für die vormundschaftliche Ver⸗ waltung aus dem Gesetz vom 5. Juli 1875, G. S. S. 431, sich ergiebt. Dagegen ist in erstgenanntem Gesetz den Staatsbehörden die Ausstellung von Attesten über die Legitimation kirchlicher Vertreter zur Besorgung von Rechtsangelegenheiten, desgleichen über das Vorhandensein der⸗ jenigen Thatsachen, welche die Kostenfreiheit begründen, ausdrücklich überwiesen. Daß für die Evangelische Kirche eine gleiche Bestim⸗ mung sich eignet, läßt sich bei Beachtung der Art uns Weise, wie in schwerlich be⸗

* 2. einschlagenden Rechtsverhältnisse geordnet sind, aupten. veees zunächst die Feststellung der Legitimation des Gemeinde⸗ kirchenraths zu einzelnen Geschäften anlangt, worüber namentlich bei Handlungen der freiwilligen Gerichtsbarkeit die Frage entstehen kann, so ergiebt §. 22 der Kirchengemeindeordnung, welcher durch das Staatsgesetz vom 25. Mai 1874 auch für das staatliche Rechtsgebiet in volle Wirksamkeit getreten ist, daß der Gemeindekirchenrath in ver⸗ mögensrechtlicher Beziehung die Gemeinde nach Außen vertritt, und daß seine schriftliche Wellenserklärung, versehen mit dem beigedruckten Kirchenstegel, sowie mit der Unterschrift des Vorsitzenden oder seines Stellvertreters und zweier Aeltesten die Gemeinde unbedingt ver⸗ pflichtet. Hienach kann die Legitimation des Gemeindekirchenraths zu vermögensrechtlichen Erklärungen für die Gemeinde nicht in Zweifel gezogen werden. Dagegen bleibt die Frage zuläfsig, ob diejenigen Personen, welche eine Urkunde vollzogen haben, die Eigenschaft des Vor sitzenden oder der Mitglieder des Gemeindekirchenraths besitzen und das beigedruckte Siegel das Kirchenstegel ist. Hierüber ein Attest auszustellen, sind aus eigener Information nur die vorgesetzten Kirchenhehörden im Stande; die staatliche Aufsichtsbehörde nimmt von der regelmäßigen Bildung der Gemeindeorgane keine Kenntniß und kann daher aus eigener amtlicher Wissenschaft nicht attestiren, ob gewisse Personen Vorsitzender oder Mitglied eines Gemeindekirchenraths sind; sie vermag es nur auf Grund der von den Kirchenbehörden zu liefernden Auskunft. Aehnlich steht es mit Attesten hinsichtlich der Kostenfreiheit. Das Gesetz vom 10. Mai 1851, G. S. S. 622, gewährt in § 4 Nr. 4 den Kirchen, Pfarreien, Vikarien und Küstereien die Befreiung von Zah⸗ lung der Gerichtskosten insoweit, als die Einnahmen derselben die etatsmäßige Ausgabe einschließlich der Besoldung oder des statt dieser überlassenen Nie⸗ßbrauchs nicht übersteigen und dieses durch ein Attest der denselben vorgesetzten Behörden oder Oberen bescheinigt wird. Es ist klar, daß die Ausstellung dieser Atteste den Regierungen gebührte, so lange diese die Aufsichtsinstanz für die kirchliche Vermögensverwal⸗ tung bildeten; wenn diese Stellung jetzt auf die Konsistorien übergeht und die Regierungen überhaupt nicht mehr als kirchliche Behörden fungiren, so scheint es nur dem Gesetze vom 10. Mai 1851 ent⸗ sprechend, daß jenen hinfort auch die Ausstellung der qu. Atteste zu⸗ stehen muß. b Es wird daher für ein Gesetz in Betreff der evangelischen Kirche hinsichtlich dieser beiden zuletzt besprochenen Punkte ein Vorschlag nicht aufzunehmen sein. III. Zusammenwirken der Kirchen⸗ und Staatsbehörden. Der gemeinschaftlichen Verfügung der Staats⸗ und der Kirchen⸗ behörden bedarf es für die Veränderung bestehender sowie die Bildung

neuer Pfarrbezirke. 82 Die hierauf Geschäfte waren schon durch Oktober 1847 dem gemeinschaftlichen

die Instruktion vom 1. ischaftl Geschäftskreise der Konsistorien und Regierungen überwiesen. Parochie als Korporation,

Die rechtliche Bedeutung der 8 die Ausdehnung der Wirkungen, welche von ihrer Begrün⸗ dung oder Abänderung in Bezug auf die Interessen des Staats, in Bezug auf die Organisation des kirchlichen Dienstes, wie in Bezug auf Rechte und Pflichten der Gemeindeglieder sich ergeben, machen es leicht erkennbar, daß der Staat auf eine Mitwirkung bei den hierher gehörigen Maßnahmen nicht verzichtm kann. Es würde ihm auch nicht genügen, sie den kirchlichen Behörden zu überweisen, und nur für das erzielte Endresultat seine Genehmigung vorzubehalten. Denn der Staat hat auch eigene Interessen bei der Bildung von Parochien wahrzunehmen, wie die Rücksicht uf bestehende Schulverhältnisse, auf Verhinderung einer übermäßigen Beanspruchung seiner Angehörigen für Parochialeinrichtungen und Anderes. Dazu kommt, daß die Ein⸗ richtung oder Veränderung der Pfanbezirke von einer Reihe von Er⸗ mittelungen und Verhandlungen mit den dadurch betroffenen Interes⸗ sentenkreisen abhängig ist; es würde daher schon aus dem praktischen Gesichtspunkt für die kirchliche Verwaltung nicht zweckmäßig sein, wenn diese sollte einseitig alle die ost sehr verwickelten Vorbereitungs⸗ verhandlungen durchführen, ohne daggen geschützt zu sein, daß schließ⸗ lich ein Veto der Staatsbehörde der Parochialbegründung überhaupt oder in der vorbereiteten Art hinderid entgegenträte. IV. Staatliche Genehmigung zu einzelnen Verwal⸗ tungsakten. u6“

Schon in der landrechtlichen Gesetzgebung ist für die rechtliche Verbindlichkeit einer Anzahl von Kechtshandlungen aus dem Kreise der kirchlichen Vermögensverwaltung außer der nach Umständen erfor⸗ derlichen Genehm gung der geistlichm Oberen, eine Genehmigung der Staatsbehörde vorgeschrieben, die ausder allgemeinen Aufsta t des Staats auf das Kirchenwesen sich ableitet. Nuerdings sind durch das Gesetz vom 20. Juni 1875 G. S. S. 241 die Geschäfte zusammengestellt, r denen der Staat dieses Recht der Cenehmigung der katholischen Kirche

egenüber in Anspruch nimmt. Di Generalsynode wird nicht umhin önnen, dies zu berücksichtigen und für das Staatsgesetz, dessen Er⸗ lassen erstrebt wird, diese Punkte nit aufzunehmen. Ein kirchliches Interesse waltet jedenfalls darin ol, daß dieselben zusammengestellt werden, und dadurch der Umfang gnau abgegrenzt wird, in welch m diese 712 Se.h des Staats nach dem Gesetz geltend gemacht werden soll. . 1n

Eine bestimmte hierher gehörize Vorschrift enthält hinsichtlich der evangelischen Kirche bereits das Geetz vom 25. Mai 1874, betreffend die Kirchengemeinde⸗ und Synodaladnung in Bezug auf zwei Punkte, Art. 3, Umlagen auf die Gemeindglieder; Art. 5, Feststellung von Gemeindestatuten. 1

Es würde daher etwa Folgends zu formuliren sein:

Die Genehmigung der Fecteebnede t. außer in den Fällen,

bezüglichen

fin

det allerdings der

Rechtsweg nicht statt (Präjudiz des König⸗

1 11“

wo eine solche bereits in d seee v Mai 1874 vorgesehen

1875

1) bei dem Erwerb, der Veräußerung oder der dinglichen Be⸗ lastung von Grundeigenthum; 3 .

28 bei der Veräußerung von Gegenständen, welche einen geschicht⸗ lichen, wissenschaftlichen oder Kunstwerth haben; 3) bei Anleihen im Sinne des §. 31 Nr. 3 der Kirchengemeinde Ordnung; ““

4) bei dem Bau neuer, für den Gottesdienst, die Geistlichen ode andere Kirchendiener bestimmter Gebäude;*)

8 5) bei der Anlegung oder veränderten Benutzung von Begräbniß⸗ plätzen; 8

89 bei der Einführung oder Veränderung von Stolgebührentaxen; 7) bei der Ausschreibung, Veranstaltung oder Abhaltung von Sammlungen außerhalb der Kirchengebäude;

8) bei einer Verwendung des kirchlichen Vermögens zu anderen als den bestimmungsmäßigen Zwecken, außerhalb der in §. 31 Nr. 10 der Kirchengemeinde⸗ und Synodalordnung vom 10. September 1873 zugelassenen Grenzen.**) 1

9) In Betreff der Schenkungen und letzwilligen Zuwendungen

bewendet es bei dem Gesetze vom 23. Februar 1870. G. S. S. 118.

V. Allgemeine Staatsaufsicht.

Das Allgemeine Landrecht stellt das Kirchenvermögen unter die

Aufsicht der geistlichen Oberen und verpflichtet diese, für die Uater⸗ haltung und zweckmäßige Verwendung desselben nach der Verfassung einer jeden Kirchengesellschaft zu sorgen (II. 11, 167, 68). Außerdem unterstellt es das Kirchenvermögen der Oberaufsicht und Direktion des Staats und erklärt diesen für berechtigt, darauf zu sehen, daß die Einkünfte der Kirchen zweckmäßig verwendet werden (das. §§. 161, 162). Diese Oberaufsicht, welche gleichmäßig bei allen öffentlichen milden Stiftungen vorgesehen ist (das. II. 19, 37— 39), begreift nicht die Ausübung einer regelmäßigen Funktion der Verwal⸗ tung, wie solche der Aufsicht Seitens der geistlichen Oberen eignet, wohl aber das Recht der Obacht darauf, daß das Vermögen in Ueber⸗ einstimmung mit den einschlagenden staatsgesetzlichen Vorschriften sowie seiner Zweckbestimmung gemäß und in ordnungmäßiger Form verwaltet werde. Es folgt daraus, daß der Staat befugt ist, nicht nur alle ihm zur Wahrnehmung dieser Obacht nothwendig scheinen⸗ den Informationen einzuziehen, sondern auch die Abstellung vorgefun⸗ dener Mißbräuche anzuordnen, nöthigenfalls zwangsweise durch⸗ zufuühren. In dem mehrgedachten Gesetze vom 20. Inni d. J. sind diese Rechte des Staats unter § 51 bis 55 zum Ausdruck gebracht, und sie werden auch in einem die evangelischen Kirche be⸗ treffenden Gesetze nicht zurückgestellt werden; denselben zu widerstreben, hat die evangelische Kirche nach ihrer prinzipiellen wie verfassungs⸗ mäßigen Stellung zum Staate keinen Grund, wenngleich die Gefähr⸗ dung öffentlicher Interessen, welche zur Aufstellung jener spezialisirten Bestimmungen hinführt, durch die Stellung der evangelischen Kirchen⸗ behörden als Mandatare des Kirchenregiments des Königs ausge⸗ schlossen erscheint. Es dürfte daher für das erwartete Staatsgesetz etwa folgende Formulirung in Aussicht zu nehmen sein: 4 Die staatliche Oberaufsichtsbehörde ist berechtigt, von der kirchlichen Vermögensverwaltung Einsicht zu nehmen, zu diesem Behufe die Etats und Rechnungen einzufordern, sowie außerordent⸗ liche Revisionen vorzunehmen und auf Abstellung der etwa vorgefundenen Gesetzwidrigkeiten, nöthigenfalls durch Anwendung der gesetzlichen Zwangsmittel zu dringen.

VvI. Das landesherrliche Patronat und die regimentlichen Aemter.

Die aus dem landesherrlichen Patronat sich ergebenden ver⸗ mögensrechtlichen Befugnisse werden durch die Staatsbehörden wahr⸗ genommen; ebenso werden die Verpflichtungen aus dem sogenannten fiskalischen Patronatsbaufond bestritten, einem Staatsfond, der durch den Staatshaushalts⸗Etat festgestellt und von der Staatsbehörde, unter deren verfassungsmäßiger Verantwortung, verwaltet wird. Hier⸗ bei wird es bewenden müssen. Die Besetzung der kirchlichen Aemter in landesherrlichem Patronat erfolgt durch die Kirchenbehörden; jedoch sind diese verpflichtet, vor der Kollation die Aeußerung derjenigen Re⸗ gierung, in deren Bezirk die vakante Stelle liegt, über die Person des in Aussicht genommenen Kandidaten einzuholen und deren Ein⸗ spruch zu beachten (Instr. vom 1. Oktober 1847 sub 1L5. Auch hierin wird, namentlich mit Rücksicht darauf, daß der Landes⸗ herr die Kirchenregimentsbehörden besetzt, eine Aenderung nicht noth⸗ wendig sein. t 8 b

Desgleichen ist bei der Besetzung der kirchenregimentlichen Aemter, für welche die kirchlichen Behörden die Initiative, die hinzuzuziehenden Staatsbehörden eine Mitwirkung ausüben, eine Aenderung der Ressort⸗ vorschriften für jetzt und auf so lange nicht ausführbar, als man nicht dazu übergehen kann, die in kirchenregimentlichen Aemtern fungirenden Männer ausschließlich als Kirchenbeamten hinzustellen; zur Zeit haben sie zugleich die Rechte der Staatsbeamten, und es stehen damit für Besoldung, Peusionsberechtigung, Rangstellung, Disziplinarver⸗ hältnisse derselben wichtige Folgen in Verbindung.

Es würde danach etwa zu formuliren sein: 1

Die auf dem landesherrlichen Patronat beruhenden vermögens⸗ rechtlichen Befugnisse und Obliegenheiten der Staatsbehörden werden durch gegenwärtiges Gesetz nicht berührt.

Desgleichen bewendet es in Betreff der Besetzung der kirch⸗ lichen Aemter landesherrlichen Patronats und der kirchenregiment⸗ lichen Aemter bei den bestehenden Bestimmungen. 1

VII. Staatsfonds für kirchliche Zwecke.

Die für die Bedürfnisse der evangelischen Landeskirche zur Ver⸗ fügnng stehenden Mittel sind mit wenig bedeutenden Ausnahmen Staatsfonds, die theils für diese Kirche allein bewilligt, theils allge⸗ mein für die Bedürfnisse der im Staat vorhandenen Kirchengesell⸗ schaften oder für Kirche und Schule gemeinsam bestimmt sind und dann nach Verhältniß des Umfanges und Bedürfnisses der evan⸗ gelischen Landeskirche mit zu Nutze kommen. Als für die letztere allein bestimmte Fonds sind in dem Staatshaushalts Etat für 1875 ausgeworfen 1,322,283 ℳ, eine Summe, welche sich aus den persönlichen und sächlichen Ausgaben für den Evangelischen Ober⸗ Kirchenrath, die Konsistorien und General⸗Superintendenten***), sowie aus einer größeren Reihe von Besoldungen und Znschüssen an Geist⸗ liche sich bildet. Außerdem partizipirt die Landeskirche an bedeuten⸗ den Fonds zu Gehaltszulagen für Geistliche, an Fonds zu Unter⸗ stützungen für deren Hinterbliebene und Feerttirte Geistliche, sowie

kirchen⸗

8

an verschiedenen kleineren Fonds.

*) So im Gesetz vom 20. Juli 1875. as Allgemeine Land⸗ recht (II. 11, 176) erfordert Staatsgenehmigung nur für die Er⸗ bauung neuer Kirchen. Es wird übrigens wichtig sein, zu konstatiren, daß auf die Wiederersetzung bisher vorhandener Gebäude durch Um⸗ oder Neubau mit dieser Bestimmung nicht gerücksichtigt ist. Andernfalls würde jeder Wiederaufbau von Kirchen⸗ und Dienstge⸗ bäuden, außer der baupolizeilichen Genehmigung, und außer der etwa durch landesherrliches Patronat begründeten Mitwirkung der Staats⸗ behörde, noch einer besonderen Staatsgenehmigung bedürfen.

**) Auf die Benutzung kirchlicher Gebäude zu anderen, als den bestimmungsmäßigen Zwecken, wie VA in den Kirchen, Vermiethen von Räumen im Pfarrhause, ist diese Bestim⸗ mung selbstredend nicht zu beziehen.

***) Dazu verschiedene Posten an sächlichen Ausgaben, zu Reise⸗

kosten, für 1 ꝛc., die der Etat in einer Summe für sämmtliche Konsistorien im Staat aufführt.