1875 / 282 p. 2 (Deutscher Reichsanzeiger, Tue, 30 Nov 1875 18:00:01 GMT) scan diff

werde, die noch vorhandenen Hindernisse im Laufe doe handlungen zu beseitigen. Es sei ja von der überwiegenden Mehrzahl der Redner anerkannt, daß der Entwurf eine aus⸗ reichende Basis sei, auf der man weiter bauen könne. Die in den Verhandlungen geäußerten Ansichten würden vom Kirchen⸗ regimente auf das Sorgfältigste geprüft werden, doch hege die Behörde die Erwartung, daß die Synode sich den Gründen nicht verschließen werde, die in dem vorgelegten Ent⸗ wurfe zur Geltung kommen. Was das Verhältniß des Ent⸗ wurfes zur Bekenntnißfrage betreffe, so werde letztere völlig in⸗ takt erhalten. Wenn man den Vorschlag empfohlen habe, in der General⸗Synodalordnung selbst dafür zu sorgen, daß das Be⸗ kenntniß niemals Gegenstand der Verhandlungen in der Gene⸗ ralsynode sein dürfe, so sei dies insofern zu billigen, da bin⸗ dende Beschlüsse über Glaubenssätze nur von einem Organ aus⸗ gehen können, das die Infallibilität für sich in Anspruch nimmt; ein solches Organ aber verwirft die evangelische Kirche. Gleich⸗ wohl sei die Annahme dieses Vorschlages nicht zu empfehlen, da er eine Quelle schwerer Verwicklung werden, die Generalsynode in allen möglichen Punkten zur Unthätigkeit verdammen und Gelegenheit bieten könne, der Generalsynode in den verschiedensten Dingen die Kompetenz zu bestreiten.é Der Entwurf wahre vollkommen die Freiheit und die Selbständigkeit der Kirche. Wenn man gesagt habe, daß die in §. 5 Al. 3 enthaltene Bestimmung, daß ein von der Generalsynode angenommenes Gesetz Sr. Majestät dem Kaiser nicht früher zur Sanktion vorgelegt werden dürfe, als bis der Minister für die geistlichen ꝛc. Angelegenheiten nichts dagegen zu erinnern gefunden, ein der erhabenen Person Sr. Majestät nicht würdiges Placet sei, so müsse er behaupten, daß gerade zur Bewahrung der Würde des Königs diese Bestimmung getroffen sei. Man dürfe den Vertreter des landesherrlichen Kirchen⸗ regiments nicht in Kollision mit dessen Pflichten als Staats⸗ oberhaupt gerathen lassen. Wenn der Kultus⸗Minister ein von der Generalsynode ausgehendes Gesetz vor dessen Vorlegung an Se. Majestät prüfe, so sei die Möglichkeit gegeben, eine etwa bestehende Differenz zwischen dem Minister und der Synode auszugleichen und zwar in einer Art und Weise, welche die Allerhöchste Person nicht berührt. Dies sei aber nicht möglich, wenn der Widerspruch erst geltend gemacht wird, wenn die Königliche Sanktion bereits erfolgt ist. Was die Kompetenz der Generalsynode betreffe, so seien ihrer Legislative nur diejenigen Gegenstände überwiesen, welche ohne Zweifel der landeskirchlichen und nicht der provinzialkirchlichen Ordnung zu unterstehen haben. Es seien sowohl juristische als auch praktische Gesichtspunkte, daß im §. 8 gesagt sei, daß bei allgemeinen Aenderungen, welche die Liturgie oder die kirchlichen Lehrbücher betreffen, die Provinzialsynoden nur „in der Regel“ gehört werden sollen. Das Kirchenregiment habe die Hoffnung, recht bald die erste ordentliche General⸗ synode einzuberufen, um derselben eine neue Trauordnung vor⸗ zulegen, und es würde sich als unpraktisch erweisen, wenn man bei folchen Gelegenheiten erst die Generalsynode befragen wolle. Auch §. 17 enthalte nichts von einem centralistischen Zuge. Die angefochtene landesherrliche Ernennung von Synodalen liefere der Synode einen durchaus unentbehrlichen Bestandtheil, da in der Synode sich die drei Faktoren: Laien, Lehrstand und Regi⸗ ment zu gemeinsamer Arbeit zu verbinden haben. Er bitte nochmals, die Vorlage genau zu prüfen und sie im Großen und Ganzen anzunehmen.

Der Synodale Melbeck (Solingen) erklärte, er glaube, daß der Schwerpunkt unseres kirchlichen Lebens in der Gemeinde und in der Provinzialgemeinde liege; die Selbständigkeit derselben dürfe nur so weit beinträchtigt werden, als es die Einheit der Landeskirche absolut nothwendig mache. Der §. 9 des Entwurfs enthalte in seinem Reservatrechte für Rheinland und Westfalen allerdings ein Stück Partikularismus, doch können immerhin die Provin⸗ zialkirchen ihre Eigenthümlichkeiten behalten, soweit die Einheit der Landeskirche Kwahrt bleibt. Im Uebrigen halte er es für ein Unglück, wenn die Generalsynode auseinandergehe, ohne etwas zu Stande gebracht zu haben.

Der Synodale Wiesmann (Münster) begrüßte vom pasto⸗ ralen Standpunkte aus viele Paragraphen mit Freude, wenn auch einzelne Bestimmungen amendirt werden müßten. Der Landtag werde sich schwerlich in interne kirchliche Angelegen⸗ heiten mischen, da die demfelben zugehende Vorlage sich mit diesen Angelegenheiten nicht befasse. Bei den Wahlen tauge das Prinzip der Kopfzahl nicht, man dürfe nur kirchlich tüchtige Männer berücksichtigen.

Der Synodale Dr. Geß (Breslau) folgerte aus dem all⸗ gemeinen Priesterthum der evangelischen Lehre keineswegs eine aus allgemeinen Wahlen hervorgehende Synode.

Der Synodale Dr. Schultze (Elbing) lehnte in entschiedener Weise die Schlußbestimmungen ab, da dieselben nach seiner An⸗ sicht rechtlich unzulässig und der Kirche nicht sörderlich seien; auch fänden dieselben in der augenblicklichen Zeitlage keine Be⸗ gründung.

Nach einer kurzen berichtigenden Bemerkung des Synodalen Dr. Beyschlag (Halle) ergriff der Vertreter der Königlichen Staatsregierung, Unter⸗Staatssekretär Dr. Sydow, das Wort, um zu betonen, daß in Betreff so vielfach angefochtener Schluß⸗ bestimmungen rechtliche Bedenken nicht maßgebend sein können, da Se. Majestät der König bereits im Allerhöchsten Erlaß vom 10. September 1873 Sich in Betreff der Bildung der General⸗ synode freie Hand vorbehalten habe.

Ein wiederholter Antrag auf Schluß der Generaldiskussion wurde angenommen.

Die Versammlung wählte alsdann eine Kommission von 29 Mitgliedern, welche die gelegentlich der Spezialdiskussion ihr zu deemesane⸗ Abschnitte der Vorlage zu prüfen hat.

Schluß der Sitzung 4 Uhr 15 Minuten.

Der Minister des Innern hat in einem Spezialbescheide vom 19. v. M. eine Entscheidung darüber getroffen, ob die Ortsschulzen nach Einführung der Kreisordnung vom 13. De⸗ zember 1872 noch ferner als zur selbständigen Abhaltung von Haussuchungen berechtigt anzusehen sind. Das betref⸗ fende Landrathsamt hatte angenommen, daß die den Gemeinde⸗ Vorstehern im §. 11 des Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit vom 12. Februar 1850 eingeräumte Befugniß zur Vor⸗ nahme von Haussuchungen durch die Kreisordnung aufgehoben sei, weil in den §§. 29 und 30 daselbst, in welchen die Rechte und Pflichten der Gemeindevorsteher aufgezählt seien, das fragliche Recht nicht mitaufgeführt stehe. Der Minister hat sich dieser Auffassung nicht angeschlossen. Die Motive zu den, in den §§. 29 und 30 l. c. enthaltenen Bestimmungen sprechen ausdrücklich die Absicht aus, die bisher schon den Gemeindevorstehern nach der Natur der Sache zugestandene obrigkeitliche Gewalt und das Recht und die Pflicht des ersten polizeilichen Einschreitens gesetzlich anzu⸗ erkennen, zu befestigen und thunlichst zu „was um so mehr geboten erscheine, als es nur auf diese Weise möglich werde, bei der nothwendigen er für die Ortspoli⸗

zeiverwaltung zu bildenden Amtsbezirke den Anforderungen des Publikums gerecht zu werden. So wenig es hiernach in der Absicht des Gesetzgebers gelegen habe, die bereits bestehenden Be⸗ fugnisse der Gemeindevorsteher zu schmälern, ebensowenig spre⸗ chen die §§. 29 und 30 der Kreisordnung eine Schmälerung der Befugnisse der Gemeindevorsteher in Betreff der Abhaltung von Haussuchungen wirklich aus. Wenn im §. 30 das Recht, Haussuchungen vorzunehmen, unter den dort speziell aufgezähl⸗ ten Rechten und Pflichten der Gemeindevorsteher nicht mit auf⸗ geführt ist, so lasse sich als Grund hierfür anehmen, daß diese Befugniß von dem Gesetzgeber als eine derjenigen ge⸗ dacht worden ist, welche den Gemeindevorstehern schon nach §. 29 1. c. zustehen. Dieser letztere Paragraph erkläre den Ge⸗ meindevorsteher „zum Organe des Amtsvorstehers für die Polizei⸗ verwaltung“ und legt ihm „vermöge dessen das Recht und die Pflicht auf, da, wo die Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Ord⸗ nung und Sicherheit ein sofortiges polizeiliches Einschreiten noth⸗ wendig macht, das dazu Erforderliche vorläufig anzuordnen und ausführen zu lassen.“

Zu den gedachten vorläufigen Maßregeln, zu deren Ergrei⸗ fung hiernach der Gemeindevorsteher berechtigt ist, müsse die Vor⸗ nahme von Haussuchungen gerechnet werden, da Haussuchungen in eiligen Fällen, in welchen die Entscheidung des Amtsvor⸗ stehers oder des Staatsanwaltes zu spät kommen würde, als im Interesse der öffentlichen Sicherheit nothwendige Anordnungen anzusehen, und als solche auch in dem Gesetze zum Schutze der persönlichen Freiheit, insofern dort (§. 11) die Befugniß der Kommunalbehörden zur Vornahme von Haussuchungen anerkannt worden ist, angesehen worden sind.

Der Landrath ist der Meinung, daß die im §. 29 gedachten Anordnungen nur auf die Fälle des polizeilichen Zwangsver⸗ fahrens zu beziehen seien, weil am Schlusse dieses Paragraphen der §. 79 allegirt sei, welcher von dem Zwangsverfahren der Behoͤrden des Kreises handle.“ Eine solche Bedeutung kann dem Allegate nicht beigelegt werden, wie sich schon aus der Entstehungsgeschichte des §. 29 l. c. ergiebt. In den ursprüng⸗ lichen Entwurf dieses Paragraphen der Kreisordnung waren folgende Bestimmungen aufgenommen worden:

„Der Gemeindevorsteher hat das Recht und die Pflicht, da, wo die Erhaltung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicher⸗ heit ein sofortiges polizeiliches Einschreiten nothwendig macht, das dazu Erforderliche vorläufig anzuordnen und ausführen zu lassen. Gegen Diejenigen, welche seinen amtlichen Anordnungen Folge zu leisten sich weigern, kann der Gemeindevorsteher Geld⸗ bußen bis zu 1 Thaler als Exekutionsmittel, nach vorgängiger Androhung, verfügen und nöthigenfalls einziehen.“

Dort waren also das dem Gemeindevorsteher zustehende Recht des ersten Angriffs in polizeilichen Angelegenheiten und das Exekutivrecht des Gemeindevorstehers zur Erzwin⸗ gung des Gehorsams nebeneinander in getrennten Sätzen hingestellt. Später ist der zweite Satz in den §. 79 ver⸗ legt und zum Hinweise hierauf am Schlusse des §. 29 der §. 79 in Klammern allegirt worden. Hieraus ergiebt sich, daß bei der Redaktion des Gesetzes das polizeiliche Recht des ersten Angriffs, zu welchem auch das Recht der Haussuchung in dringenden Fällen zu rechnen ist, von dem Zwangsrechte der Polizeibehörde getrennt gedacht worden ist, und daß daher die Befugnisse, welche dem Gemeindevorsteher in dem ersten Satze eingeräumt waren, sich nicht blos auf die Fälle des später in den §. 79 übernommenen zweiten Satzes beziehen. Es würde auch ein reiner Widerspruch darin liegen, wollte man annehmen, daß das Gesetz dem Gemeindevorsteher die Befugniß zur Vor⸗ nahme von Haussuchungen hat verweigern wollen, während es demselben im §. 30 unter Nr. 1 das weit wichtigere und mit größerer Verantwortlichkeit verbundene Recht der vorläufigen Festnahme und Verwahrung einer Person nach den Vorschriften des §. 2 Nr. 1 und des §. 6 des Gesetzes zum Schutze der persönlichen Freiheit eingeräumt hat.“

Bei dieser Sachlage trägt der Minister kein Bedenken, die Gemeindevorsteher nach wie vor zur selbständigen Vornahme von Haussuchungen in allen denjenigen Fällen für berechtigt zu erachten, in welchen Gefahr im Verzuge ist, und zu besorgen steht, daß durch eine vorgängige Emholung der Entscheidung des Amtsvorstehers der des Staatsanwaltes der Zweck der Haus⸗

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suchung verfehlt werden würde

Ein Lehrer, welcher einem Schüler gegenüber das ge⸗ setzlicch begründete Züchtigungsrecht ühberschreitet, ist, nach einem Erkenntniß des Ober⸗Tribunals vom 4. November d. J., als Beamter, der in Ausübung seines Amtes vorsätzlich eine Körperverletzung begeht, auf Grund des §. 340 Straf⸗ gesetzbuchs auch ohne Strafantrag zu bestrafen. „Das gesetzlich begründete Züchtigungrecht des Lehrers schließt allerdings, so weit es reicht, das Vergehen der Mißhandlung an sich aus, denn nach Nr. 5 der Kabinets⸗Ordre vom 14. Mai 1825 sollen Züchtigungen, welche in den der Schulzucht gesetzten Schran⸗ ken verbleiben, gegen den Lehrer als Mißhandlungen nicht angesehen werden. Wenn dagegen in Ueber⸗ schreitung des Züchtigungsrechts dem Kinde eine wirkliche Ver⸗ letzung zugefügt wird, so ist der Lehrer nach den bestehenden Gesetzen im Wege des gerichtlichen Verfahrens zu bestrafen. Das bestehende Gesetz ist nun eben der §. 340 des Str. G. B., dessen sämmtliche Voraussetzungen, eine von einem Beamten in Ausübung seines Amtes vorsätzlich begangene Körperverletzung, hier vorliegen. Der Angeklagte war daher, wie geschehen, aus §. 340 und nicht aus §. 223 des Str. G. B. (der allgemeinen Bestimmung über vorsätzliche Körperverletzung) zu bestrafen, und konnte somit von einer Einstellung des Verfahrens wegen Rück⸗ nahme des Strafantrages keine Rede sein.“

Ein Schlächter, welcher es verabsäumt, die zu seinem Gewerbebetriebe geschlachteten Schweine auf Trichinose mikroskopisch untersuchen zu lassen, ist wegen fahrlässiger Tödtung zu bestrafen, falls der Genuß des von ihm feil⸗ gehaltenen Schweinefleisches den Tod eines Menschen zur Folge hat. Diese Strafe kann selbst in den Fällen zur Anwendung gelangen, daß dem Schlächter die Krankheit des verkauften Fleisches unbe⸗ kannt war und eine Polizeiverordnung, betreffend die mikro⸗ skopische Untersuchung des Schweinefleisches, nicht existirt. „Es kann nicht für rechtsirrthümlich erachtet werden, daß einem Schlächtermeister vermöge dieses seines Gewerbebetriebes die Verpflichtung auferlegt wird, mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln dafür Sorge zu tragen, daß die von ihm in den Verkehr gebrachten Fleischwaaren nicht von die Gesundheit oder gar das Leben der Konsumenten gefährden⸗ der Beschaffenheit seien, und wenn die Instanzrichter hieraus speziell für den Angeklagten auch die Verpflichtung herleiten, daß er die zu seinem Gewerbebetriebe geschlachteten Schweine habe auf Trichinose mikroskopisch untersuchen lassen müssen, so beruht diese weitere Feststellung auf den besonderen konkreten Verhältnissen, und läßt ebensowenig einen Rechtsirrthum erken⸗

nen, da sich aus der vom Appellationsrichter als unbedenklich beibehaltenen Feststellung des ersten Richters zugleich ergiebt, daß dem Angeklagten das Mittel der mikroskopischen Unter⸗ suchung, dessen Nichtanwendung ihm zur Fahrlässigkeit zugerech⸗ net worden ist, hinlänglich bekannt war. Die gedachte, aus dem Gewerbebetrieb hergeleitete Verpflichtung zu besonderer Sorgfalt kann auch rechtlich nicht davon abhängig gemachtwerden, daß dem Ange⸗ klagten die Durchsetzung des von ihm verkauften Fleisches mit Trichinen bekannt gewesen, oder daß die vorgängige Untersu⸗ chung auf Trichinen polizeilich geboten oder wenigstens that⸗ sächlich von den dortigen Schlächtern gehandhabt sei; und in⸗ wiefern hierauf im konkreten Falle gerücksichtigt werden könne, fällt dergestalt dem thatsächlichen Ermessen der Instanzrichter

anheim, daß eine Erörterung darüber in der Nichtigkeitsinstanz

ausgeschlossen erscheint.’“ (Erkenntniß des Ober⸗Tribunals

vom 3. November d. J.)

In Betreff der Zusammensetzung der demnächst zusammentretenden Landtage der Provinzen Preußen, Brandenburg, Pommern, Schlesien und Sachsen er⸗ geben die Angaben des Mitgliederverzeichnisses (Nr. 10 der Gesetzesbeilagen des Deutschen Reichs⸗Anzeigers), folgende Gruppirungen der Mitglieder:

Provinz Preußen 134 Abgeordnete:

16 Landräthe, 7 Kreisdeputirte, 31 Großgrund⸗ und Rittergutsbesitzer, 1 Domänenpächter, 46 Guts⸗ und Hof⸗ besitzer, Schulzen und Amtsvorsteher, 30 Bürgermeister, Stadträthe und Stadtverordnete, 3 Richter; 3

Provinz Brandenburg 88 Abgeordnete:

15 Landräthe, 1 Kreisdeputirter, 20 Ritterguts⸗ besitzer, 3 Domänenpächter, 20 Gutsbesitzer, Schulzen ꝛc., 29 Bürgermeister ꝛc.;

Provinz Pommern 82 Abgeordnete (von denen einer die Wahl abgelehnt hat):

10 Landräthe, 4 Kreisdeputirte, 27 Ritterguts⸗ besitzer, 1 Domänenpächter, 12 Gutsbesitzer, Schulzen ꝛc., 23 Bürgermeister, Stadtverordnete ꝛc., 4 Richter;

Provinz Schlesien 125 Abgeordnete:

24 Landräthe, 8 Kreisdeputirte, 44 Ritterguts⸗ besitzer, 14 Gutsbesitzer, Schulzen ꝛc., 35 Bürgermeister, Stadtverordnete ꝛc.; 1“

Provinz Sachsen 103 Abgeordnete:

22 Landräthe, besitzr, 1 Domänenpächter, 23 Gutsbesitzer, Schulzen ꝛc 35 Bürgermeister ꝛc., 1 Richter;

in sämmtlichen 5 Provinzen 532 Abgeordnete:

87 Landräthe, 23 Kreisdeputirte, 140 Großgrund⸗ und Rittergutsbesitzer, 6 Domänenpächter, 115 Guts⸗ besitzer, Schulzen, Amtsvorsteher, 152 Bürgermeister, Stadt⸗ verordnete ꝛc., 8 richterliche Beamte.

Die Statuten des in diesem Blatte bereits mehrfach er⸗ wähnten Preußischen Beamtenvereins haben unterm 29. Ok⸗ tober cr. die Allerhöchste Genehmigung erhalten und sind demselben gleichzeitig die Rechte einer juristischen Person verliehen worden. Dieser auf Gegenseitigkeit gegründete Verein bezweckt die Förde⸗ rung der materiellen Interessen des Beamtenstandes; er wird demnächst seine Thätigkeit mit einer Lebens⸗ und einer Kapital⸗ Versicherungs⸗Abtheilung beginnen. Zur Aufnahme in den Ver⸗ ein sind berechtigt: 1) die unmittelbaren und mittelbaren deutschen Reichsbeamten, 2) die preußischen Staats⸗, ständischen und Kom⸗ munalbeamten, 3) die innerhalb der deutschen Reichslande und des preußischen Staates angestellten Kirchen⸗ und Schuldiener, 4) die bei der Verwaltung des Vereins angestellten Beamten, 5) die auf Ruhegehalt oder Wartegeld gesetzten Personen obiger vier Klassen. Sitz des Vereins ist Hannover. Die Statuten selbst werden wir in den nächsten Tagen in der Form der Ge⸗ setzesbeilagen des Reichs⸗ und Staats⸗Anzeigers veröffentlichen, wie wir auch als Publikationsorgan des Vereins sämmtliche denselben betreffende Bekanntmachungen ꝛc. mit⸗ theilen werden.

Der Bevollmächtigte zum Bundesrathe, Wirkliche Ge⸗ heime Rath und Kaiserliche Ober⸗Präsident von Möller ist aus Straßburg hier eingetroffen.

Der General⸗Major von Helden⸗Sarnowski, Com⸗ mandeur der 14. Feld⸗Artillerie⸗Brigade, ist zur Begleitung Sr. Königlichen Hoheit des Prinzen Carl von Preußen nach St. Petersburg zur Beiwohnung des St. Georgs⸗Festes kom⸗ mandirt worden und hier eingetroffen.

Cöln, 29. November. (W. T. B.) Bei der heutigen Stadtrathswahl in der ersten Klasse wählten von 360 Wahl⸗ berechtigten 280. Sämmtliche liberale Kandidaten wurden mit 200 Stimmen Majorität wiedergewählt.

Bayern. München, 28. November. Der König hat wegen des Ablebens des Kardinals⸗Fürstbischofs Ritters v. Rauscher dem Metropolitan⸗Domkapitel zu Wien durch den dortigen Gesandten Grafen v. Bray sein Beileid ausdrücken lassen. Das Kriegs⸗Ministerium hat dem Reglement über „die Dienstverhältnisse in der Königlich bayerischen Armee“ ein neues Kapitel angefügt, welches die „Beschwerden“ behandelt und in drei Abschnitten den Beschwerdeweg und die Behandlung von Beschwerden der Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten, sowie der Militärbeamten vorzeichnet. Neu ist darin die Bestimmung, daß die Abweichung von dem vorgeschriebenen Beschwerdewege bei Personen des Sol⸗ datenstandes, gleichviel ob dieselben aktiv sind oder dem Beur⸗ laubtenstande (Reserve und Landwehr) angehören, disziplinarisch geahndet wird, daß ferner dem Beschwerdeführer zur Anbringung der Beschwerde eine dreitägige Frist belassen wird, innerhalb deren er von der Beschwerdeführung über einen Vorgesetzten abgemahnt und auf event. Bestrafung aufmerksam gemacht werden soll; daß gegen die getroffene Entscheidung von beiden Theilen Berufung hier⸗ auf bis schließlich zur Allerhöchsten Stelle ergriffen werden kann, bei Beschwerden mehrerer Personen die Vorbringung derselben nur zweien gestattet ist, und bei Offizieren (auch der Reserve und Landwehr) vor Stellung der Beschwerde erst ein Vermittler auf⸗ gestellt werden soll. Mannschaften der Reserve und Landwehr haben ihre Beschwerden beim Bezirksfeldwebel, wenn aber die Beschwerde gegen diesen gerichtet ist, ihrem Landwehr⸗Bezirks⸗ Commandeur mündlich oder schriftlich vorzutragen.

Baden. Karlsruhe, 27. November. Das Finanz⸗ Ministerium sagt in den Motiven zu dem Budget für 1876/77, daß das Ergebniß der neuen Katastrirung des land⸗ wirthschaftlichen Geländes erst für 1877 der Besteuerung zu Grunde gelegt werden solle. Dabei werde keine Erhöhung der Steuer eintreten, sie werde sogar um etwa ½ im Prozentsatz er⸗ mäßigt werden. Bezüglich der in diesem Jahr zum ersten Mal erhobenen Kapitalrentensteuer sei die Absicht der gleichmäßigen

1 Besteuerung erreicht worden, indem die Steuerkapitalien in den

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3 Kreisdeputirte, 18 Ritterguts⸗

ländlichen Bezirken sich gemindert, in den städtischen dagegen sich erhöht hätten, die Abnahme aber durch die Erhöhung mehr

1 „So belaufe sich die Zunahme des Steuer⸗ kapitals in Mannheim auf 27 Mill. ℳ, in Karlsruhe aaf 9 Mill. ℳ, im Ganzen auf 7 Proz. Nach einem den Ständen vorgelegten Gesetzentwurf wird das unterm 20. Mai d. J. zur

als ausgeglichen sei.

Einlösung aufgerufene Staats⸗Papiergeld aus den Jahren 1849, 1854 und 1866 im Gesammtbetrage von 6 ½ Mill. Gulden am 31. Dezember d. J. seine Gültigkeit verlieren.

Oldenburg. Oldenburg, 26. November. Der Land⸗ tag nahm heute folgende Gesetzentwürfe ohne weitere Debatte auch in zweiter Lesung an: 1) den Gesetzentwurf für das Herzogthum Oldenburg, betreffend Abändernng des Gesetzes vom 4. April 1865, betreffend die Reorganisation der Er⸗ sparungskasse; 2) den Entwurf eines Gesetzes wegen Bestrafung des Handels mit Negersklaven; 3) den Gesetzentwurf für das Fürstenthum Birkenfeld, betreffend das Obersteiner⸗Idarer Fabrikwesen; 4) den Entwurf eines Gesetzes, betreffend die Förderung der Pferdezucht im Herzogthum Oldenburg; 5) den Gesetzentwurf für das Fürstenthum Lübeck, betreffend die Auf⸗ hebung der Feldgenossenschaften. Sodann ertheilte der Landtag seine Zustimmung zu einem Gesetzentwurfe, wonach es dem Er⸗ messen des evangelischen Ober⸗Schulkollegiums überlassen wird, eine neue Schulacht auf der Insel Wangerooge wieder zu er⸗ richten. Es war nämlich durch das Gesetz vom 16. Juli 1860, welches sich auf die Verhältnisse der Insel Wangerooge bezieht, die Schulacht Wangerooge für aufgehoben erklärt worden; mittlerweile aber haben sich die Verhältnisse in Wangerooge so gebessert, daß es wünschenswerth erscheint, die Möglichkeit an⸗ zubahnen, eine neue Schulacht wieder ins Leben rufen zu können. Ferner erklärte sich der Landtag damit einverstanden, daß das die beiden auf dem Langlütjensand erbauten Forts umgebende und zwischen denselben belegene Terrain dem Deutschen Reiche zu Eigenthum überwiesen werde, ertheilte seine Zustimmung zur Veräußerung des zum oldenburgischen Domanium gehörigen Theils des großen Miethhops in der Weser unter der Bedin⸗ gunz, daß ein zweimaliger öffentlicher Aufsatz stattfinde. End⸗ lich genehmigte der Landtag, daß behufs Beseitigung der einzel⸗ nen Ueberschreitungen der Eisenbahnbetriebskasse pro 1870/72 nachträglich die ausgedehnte Ueberrechnungsbefugniß wie pro 1873/75 stattfinden dürfe, so daß die Minderverwendungen bei den einzelnen Stationen, die Gehalte ausgenommen, zur Deckung der Ueberschreitungen dienen können.

Die Verwendung des dem Großherzogthume zu⸗ gefallenen Antheiles an der Kriegsentschädigung hat der La ndtag nach den Anträgen der Staatsregierung gut⸗ geheißen. Dieser Antheil beträgt 3,694,383 und soll unter Hinzuziehung des Werthes der auf das Großherzogthum. ge⸗ fallenen Reichskassenscheine von 915,076 und eines kleineren Rückstandes von der zur Unterstützung der Reservisten bestimm⸗ ten Summe mit einem Kapitalbestande von rund 4,625,000 der Centralkasse des Großherzogthums nutzbar verbleiben, welche im Gegensatze zu den finanziell selbständig gestellten Kassen der drei Landestheile, des Herzogthums und der Fürstenthümer Lübeck und Birkenfeld, die Ausgaben für die gemeinsamen Centralbehörden und die Beiträge zu Reichszwecken bestreitet.

Neuß j. L. Gera, 26. November. Der Landtag nahm in seiner heutigen Sitzung zunächst die Wahl eines bürgerlichen Mitgliedes und dessen Stellvertreters zur Ober⸗ Ersatzkommission vor, darauf wurde die Wahl des Abg. Groß in Hohenleuben für ungültig erklärt. Weitere Gegenstände der Tagesordnung betrafen Beamtengehaltserhöhung, sowie Sub⸗ ventionsgewährung aus Staatsmitteln für eine Gemeinde zu deren Schulbau. Sodann folgten noch verschiedene Inter⸗ pellationen, von denen die eine neue Anregung zur Lösung der Domänenfrage geben soll, eine andere die verspätete Betriebs⸗ fähigkeit der Weimar⸗Geraer Bahn betraf.

Sachsen⸗Altenburg. Altenburg, 28. November. Mit dem Beginne des neuen Jahres werden 75 Standes⸗ ämter im Herzogthum ins Leben treten. Von diesen fallen 10 auf die zehn Städte und 65 auf das platte Land.

Lippe. Detmold, 29. November. Das „Reg. u. Anz. Bl.“ veröffentlicht über das Befinden des Fürsten folgendes Bulletin:

In dem Krankheits⸗Zustande Sr. Durchlaucht des Fürsten ist eine Aenderung eingetreten, welche auf Besserung hoffen laͤßt.

Detmold, 29. November 1875.

Hofrath Dr.

Hamburg, 29. November. Der Senat hat der Bürger⸗ schaft eine Erwiderung auf ihre Mittheilung in Betreff des Reichs⸗Civilehegesetzes vom 10. November d. J. zugehen lassen. Er ist zwar nach wie vor der Ansicht, daß die von ihm vorgeschlagenen Gehaltssätze ausreichend und ähnlichen Stellungen entsprechend bemessen seien, will aber, da die Wahl der betreffenden Beamten nicht wohl länger ausgesetzt werden kann, dem Be⸗ schluß der Bürgerschaft beitreten.

Eschenburg.

Oesterreich⸗Ungarn. Wien, 28. November. In der Sitzung des Abgeordnetenhauses vom 26. November sind (wie bereits telegraphisch gemeldet worden) die Interpellaͤ⸗ tionen in der Zoll⸗ und Handelsfrage durch den Han⸗ dels⸗Minister v. Chlumecky beantwortet worden. Die Antwort lautete, anschließend an die in der Interpellation des Abg. Baron Eichhoff gestellten Fragen, wörtlich wie folgt:

Die Regierang hat bereits mit Note vom 18. Oktober d. J. den Kaiserlichen und Königlichen Minister des Aeußern aufgefordert, den Handelsvertrag zwischen Oesterreich und Großbritannien vom 16. De⸗ zember 1865 sammt der Nachtragskonvention vom 30. Dezember 1869, jowie den Handelsvertrag zwischen Oesterreich und Frankreich vom 11, Dezember 1866 noch vor Ablauf des Jahres 1875 zu kündigen und die deutsche Regierung zu vermögen, in eine Revision des mit den deuischen Staaten abgeschlossenen Handels⸗ und Zollvertrages vom 9. März 1863 noch vor Eintritt des Kündigungstermines einzugehen. Sie ist nunmehr in der Lage, auf das Bestimmteste zu erklären, daß dieser Aufforderunzg in der allernächsten Zeit entsprochen sein wird. Eine Kündigung des Handels⸗ und Schiffahrtsvertrages mit Belgien vom 23. Februar 1867 und mit den Niederlanden vom 26. März 1867 ecrachtet die Regierung zur Zeit nicht für nothwendig, weil in diesen Verträgen keine Zolltarifsätze vereinbart sind. Es liegt in der Absicht der Regierung und ihre ernsten Bestrebungen sind darauf ge⸗ richtet, den Entwurf eines neuen Zolltarifes so bald als möglich zur verfaffungsmäßigen Behandlung zu bringen und damit unserem Ver⸗ ehre eine dauernde, auf längere Zeit unabänderliche Grundlage zu sichern. Sie glaubt, dies aber nicht früher thun zu können, als bis einerseits die staatsrechtlich gebotene Uebereinstimmung mit der Königlich ungarischen Regierung erzielt ist, und andersseits die fur die ftäͤtige Entwickelung langgewohnter und vielfacher wechselseitiger Ver⸗ ehrsbeziehungen unbedingt nothwendigen Grundlagen eines neuen Handels⸗ und Zollvertrages mit Deutschland und mit Frankreich ver⸗

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lich durch die Handels⸗ und Gewerbekammern vertretenen Beduͤrfnisse des Handels und der heimischen Indusrrie die reiflichste Prüfung und jede zulässige Berücksichtigung finden. In der Erwartung, daß diese Vereinbarungen zu einem unseren wirthschastlichen Interessen entsprechenden Ergebnisse führen, hält die Regierung es für ge⸗ boten, den Entwurf eines allgemeinen Zolltarifes gleichzeitig mit jenen beiden Verträgen zur verfassungsmäßigen Behandlung vorzulegen. Mit Großbritannien, ferner mit denjenigen Staaten, zu welchen wir auch heute vertragsmäßig lediglich auf dem Fuße der meistbegünstigten Nationen stehen, sollen nach Absicht der Regierungen keine Abmachungen über Zolltariffätze getroffen werden. Die Regie⸗ rung verkennt durchaus nicht, daß die gegenwärtige Handhabung des Appreturverfahrens zu mannigfachen Mißbräuchen geführt hat; sie wird es ihre ernste Sorge sein lassen, daß in Zukunft das Appretur⸗ verfahren und die verwandten Erleichterurgen des internationalen Verkehrs nur in der Weise und in dem Umfange zugelassen werden, wie es den Interessen der heimischen Industrie entspricht. In diesen Erklärungen liegt zugleich die Antwort der Regierung auf sene Fra⸗ gen, welche in derselben Sitzung von dem Herrn Grafen Hohenwart, Dr. Grocholski und Genossen gestellt wurden.

Pest, 29. November. In der heutigen Sitzung des Ab⸗ geordnetenhauses wurde die Regierung in der Frage wegen der Kündigung des austro⸗ungarischen Zollbündnisses interpellirt. Der Minister⸗Präsident Tisza versprach, die Interpellation in der morgenden Sitzung zu beantworten. In einer heute Abend stattgehabten Konferenz der Mitglieder der liberalen Partei erklärte der Minister⸗Präsident Tisza be⸗ züglich der in der heutigen Sitzung des Abgeordnetenhauses ein⸗ gebrachten Interpellation, betreffend die Kündigung des austro⸗ ungarischen Zollbündnisses, daß die ungarische Regierung aller⸗ dings gestern der österreichischen Regierung die Kündigung des Vertrages schriftlich angezeigt habe. Er hoffe indessen bestimmt, eine Einigung mit der österreichischen Regierung zu erzielen, um so mehr, als sich dieselbe geneigt zeige, alles Mögliche zur Auf⸗ rechterhaltung des gemeinsamen Zollgebietes zu thun. Der Mi⸗ nister forderte schließlich die Mitglieder auf, sich keinen Illusionen hinsichtlich der Restitution der Verzehrungssteuer hinzugeben.

Schweiz. Bern, 25. November. In seiner letzten Sitzung hat der Große Rath des Kantons Bern das Budget für 1876 mit einer Einnahme von 14,927,800 Frcs. und einer Ausgabe von 14,890,000 Frcs., also 37,800 Frcs. Ueberschuß, unverändert nach der Regierungsvorlage angenom⸗ men. Bei der Rubrik „Kirchenwesen“ stellte Folletéte von Pruntrut, ultramontan, den Doppelantrag, den Ansatz von 110,000 Fres. für Besoldung der Geistlichen der katho⸗ lischen Kirche auf 90,000 Frcs. herabzusetzen und die Regie⸗ rung einzuladen, Vorschläge für Subventionirung auch des römisch⸗katholischen Kultus vorzulegen, worauf Regierungs⸗Rath Bodenheimer erwiderte, es sei selbstverständlich, daß, wenn sich die Römischkatholischen den Staatsgesetzen unterwerfen, dieselben gleich den Christkatholischen ebenfalls der Staatssubvention theil⸗ haftig seien; eine besondere Subvention für die römische Kirche könne der Staat nicht zugeben. Das Budget unterscheide blos zwei Kulte im Allgemeinen, die protestantische und die katholische Kirche und mache bei der ersten auch keinen Unterschied zwischen den beiden Richtungen, den Orthodoxen und den Reformern. Mit großer Mehrheit wurden die beiden Anträge Folletéte’s ver⸗ worfen.

30. November. (W. T. B.) Die Regierung von Ostindien hat ihren Beitritt zum Weltpostverein ange⸗ meldet. Am 17. Januar wird in Folge dessen hier eine Kon⸗ 8 88½ von Vertretern der betheiligten Postverwaltungen statt⸗

nden.

Großbritannien und Irland. London, 29. No⸗ vember. (W. T. B.) Der „Globe“ erklärt sämmtliche Nachrichten von einer beabsichtigten frühzeitigeren Einberufung des Parlaments für unbegründet.

30. November. (W. T. B.) Ein Communiqué theilt mit, daß der Generalschatzmeister und Mitglied des Parlaments, Sir Stephan Cave, sich in besonderer Mission nach Aegyp⸗ ten begeben wird.

Aus Penang, 26. November, wird telegraphirt: Die Küsten von Perak sind englischerseits in Blokade zustand erklärt worden. Die Malayen befinden sich augenscheinlich in großer Bedrängniß.

Frankreich. Paris, 28. November. Auszuge telegraphisch mitgetheilte Note, welche das amt⸗ liche Blatt vom 27. veröffentlichte, lautet in der Ueber⸗ setzung: Versammlungen, welche von einer privaten nur den Namen haben und in denen die heftigsten Angriffe gegen die Ordnung, die Gesellschaft und die Landesgesetze unter⸗ nommen worden sind, haben die öffentliche Meinung in lebhafte Bewegung versetzt. Der General⸗Gouverneur von Paris ist auf Grund einer Entscheidung des Ministerraths entschlossen, in Zu⸗ kunft von den ihm übertragenen Gewalten Gebrauch zu machen und die Wiederkehr solcher Mißbräuche zu verhindern. Um den mit denselben verbundenen Gefahren vorzubeugen, wird er jede Versammlung verbieten, welche ihm geeignet scheint, eine Störung der öffentlichen Ruhe herbeizuführen. Das amtliche Blatt veröffentlicht das Gesetz, welches den Präsidenten der Republik zur Ratifikation des zwischen Frankreich und Deutschland abgeschlossenen Vertrags über die internationalen Postanweisungen ermächtigt; ferner die Ernennung des Erzpriesters Germain an der Ka⸗ thedrale von Bayeux zum Bischof von Coutances an Stelle Bravard's, welch letzterer seine Entlassung nehmen mußte, weil er dem Vatican zu liberal war. Der ehemalige Präsident des gesetzgebenden Körpers, Direktor und Hauptaktionär der Eisenwerke von Creuzot, Eugen Schneider, ist, wie schon mitgetheilt, am 27. im Alter von 70 Jahren gestorben. Seine industriellen Fähigkeiten hatten sich so früh entwickelt, daß er schon im Alter von 25 Jahren mit der Direktion der Eisenhämmer von Bazeilles betraut wurde. Bald darauf trat er mit seinem älteren Bruder an die Spitze des Etablissements von Creuzot, welches ihm einen großen Auf⸗ schwung zu danken hat. Im Jahre 1845 ersetzte er seinen Bruder nach dessen Tode in der Deputirtenkammer. Unter dem Kaiserreich wurde er in die Konsultativkommission berufen, bald darauf zum Vize⸗Präsidenten und nach dem Tode Mornys, als Walewski sich in diesen Funktionen nicht bewährte, zum Präsi⸗ denten des gesetzgebenden Körpers ernannt. Auf diesem Posten behauptete er sich bis zum 4. September 1870, seitdem hat er das Privatleben nicht mehr verlassen und sich, soweit es sein schwer erschütterte Gesundheit erlaubte, ausschließlich der Direkeion des Creuzot gewidmet. In den parlamentarischen Kreisen hinter⸗ läßt er das Andenken eines geschäftskundigen, taktvollen und unparteiischen Präsidenten.

Der Eid, welchen die Professoren der katholischen

Die schon im

Universitäten leisten müssen, lautet nach der „Köln. Ztg.“ wie folgt ö1 8— 111““ C“

einbart fein werden. Bei diesen Verhandlungen werden die nämenk⸗;

Ich lasse die heilige Schrift mit dem Sinne zu, welchen die Lirche ihr giebt und gegeben hat, der es zusteht, den wahren Sinn und Die wahre Auslezung der heiligen Schriften zu beurtheilen, und ich werde se niemals anders verstehen oder anders auslegen, als dieses die Kirc väter einstimmig geihan „zben. Ich erkenne die römische, katholische a—nd apostolische Kirche für die veur. und 8 aller Kirchen au. Ich schwoͤre und verspreche dem römischen r , Stellvertreter Jesu Caristi, Nachfolger von St. Petrus, Fürsteit der Apostel, aafrichtigen Gerhorsam. Ich bekenne mich auch gewißlich 2u allen anderen, von der Trad⸗tion überlieferten, von den heiligen Kanon und von den ökumenischen Konzilen, irsbesondere vom heiligen und geheiligten Konzil von Triem ausgesprochenen Lehren; desgleichen verdamme, verwerfe und verfluche ich alle entgegensetzten Lehren und alle Ketzereien, welche sie auch sein moͤgen, und die von der Kirche verdammt, verworfen und verflucht worden sitid. Ich also, N. N., schwöre, verspreche und verpflichte mich, beständig und bis zu mei⸗ nem letzten Athemzug mit Hüͤlfe Gottes die Integrität dieses wahr⸗ haften Glaubens, des katholischen Glaubens, zu wahren und zu beobachten, außerhalb dessen Niemand selig werden kann, und zu dem ich mich gegenwärtig aus freiem Willen bekenne, und den ich in voller Wahrheit besitze; ich schwöre und verspreche, ihn in Anwendung zu bringen, so viel es an mir steht, damit er von denen gepredigt, ge⸗ lehrt und gewahrt werde, welche von mir abhangen oder die meiner Sorge anvertraut sind. So wahr mir Gott helfe und die heiligen Schriften, die ich mit meiner Hand berühre. 1—

29. November. (W. T. B.) Lesseps hat ein Cir⸗ kular veröffentlicht, in welchem er daran erinnert, daß zur Zeit, als die Subskription auf die Suezkanalaktien eröffnet wurde, ein bedeutender Theil derselben für England reservirt worden sei, welches damals an der Subskription nicht nur nicht Theil nahm, sondern den Bau des Kanals bekämpfte. Heute erhalte England den Theil, der ihm damals loyaler Weise re⸗ servirt worden sei. In Folge dessen müsse England notzwen⸗ diger Weise von jener feindseligen Haltung ablassen, die es ehe dem den Aktionären gegenüber, die das Unternehmen gründeten, beobachtet habe. Lesseps glaubt, die mächtige Solidarität, welche jetzt zwischen den englischen und französischen Kapitalien behufs einer rein industriellen und somit friedlichen Ausbentung des Suezkanals eintreten werde, vielmehr als eine glückliche That⸗ sache ansehen zu dürfen.

Versailles, 29. November. (W. T. B.) Die Natio nalversammlung setzte in ihrer heutigen Sitzung die dritte Berathung des Wahlgesetzes fort. Nach Ablehnung sämmtlicher zu Art. 14 gestellter Amendements wurde derselbe schließlich mit 401 gegen 200 Stimmen angenommen mit der einzigen Modifikation, daß die Untereintheilung derjenigen Ar⸗ rondissements, deren Bevölkerung 100,000 Einwohner übersteigt, nur durch ein besonderes Gesetz geändert werden solle. Im weiteren Verlaufe der Sitzung wurden die Art. 15—18 chne erhebliche Debatte genehmigt. Ein zu Art. 19 des Wahlgesetzes („Jedes Departement in Algerien ernennt einen Deputirten*) gestelltes Amendement, nach welchem Algerien 6 Deputirte, also jedes Departement 2 wählen solle, wurde mit 379 gegen 330 Stimmen abgelehnt.

Italien. Rom, 29. November. (W. T. B.) In der heu⸗ tigen Sitzung der Deputirtenkammer wurde die Regierung über die Maßregeln interpellirt, welche zum Schutze der italieni⸗ schen Besitzer türkischer Obligationen Seitens der italienischen Regierung getroffen seien. Der Minister der aus⸗ wärtigen Angelegenheiten, Visconti⸗Venosta, erklärte, die Regie⸗ rung habe sich mit den anderen Mächten ins Einvernehmen gesetzt; dieselbe werde zwar die Nothwendigkeit nicht aus dem 8 Gesichte verlieren, die Schwierigkeiten der dermaligen Lage nicht noch zu vermehren, werde indeß für die italienischen Inhaber tür⸗ kischer Obligationen dieselben Garantien beanspruchen, wie solche anderen Gläubigern gewährt würden.

Türkei. Konstantinopel, 22. November. (Polit. Corr.) Erst vorgestern sind die detaillirten Relationen Reuf und Halil Paschas über die am 10. und 11. November vorgefallenen blutigen Treffen zwischen Gacko und Goransko auf der hohen Pforte eingelangt.

Auf die Kunde, daß die Insurgenten sich um Piva, im gleich⸗ namigen Distrikte gelegen, konzentriren, rückte Schefket Pascha mit einer zehn Bataillone starken Brigade gegen sie. Am 9. November kamen die türkischen Kolonnen nur bis Glassovitza, wo sie Nachtruhe hielten. Am 10. Nevember Morgens brach Schefket Pascha mit seiner ganzen Macht auf und stieß nach einstündigem Marsche bei Moravitza (alias Muratovich) auf den Feind. Die Insurgenten, in der beiläufigen Stärke von 10,000 Mann, nahmen sehr feste Stellunsen auf dem stark hügeligen, bewaldeten und schwer zugänglichen Terrain ein. Schefket traf sofort die erforderlichen Dispositionen und nachdem seine Truppen in die Gefechtsstellung übergegangen waren, begann gegen Mittags auf der ganzen Linie eine sehr lebhafte Füsillade. 8

Der Kampf dauerte volle sechs Stunden, bis tief in das Dunkel der Nacht, und endigte mit der Niederlage der Insurgenten. Unsere Truppen, sagt die kürkische Relation, bivonakirten auf den Posttio⸗ nen, die sie innehatten, und befestigten dieselben provisorisch. Die Insurgenten holten ihre Todten vom Schlachtfelde beim Scheine der auf den Höhen angezündeten Feuer. Man sah auch ihre Signale um Verstärkungen. In Wirklichkeit trafen auch am darauf folgenden Morgen (11. November) neue Insurgenten⸗ banden ein. Der Ober⸗Kommandant der Insurgenten, Peko Pavlo- vitch, ließ verschiedene Positionen im benachbarten Gebirge von seinen Schaaren besetzen und beobachtete mit seinen in zwölf Kolonnen ge⸗ theilten Streitkräften die Bewegungen der türkischen Truppen.

Schefket Pascha gab alsbald seinerseits die nothwendigen Be⸗- fehle und es entwickelte sich eine neue Schlacht. 8 Dieser zweite Kampf endete, Dank der Tapferkeit der Kaiser⸗ lichen Truppen, mit der Niederlage der Insurgenten. Nach dem Kampfe ließ Schefket Pascha zur Feier des Sieges Artilleriesalven geben und führte hierauf seine Truppen nach Gacko zurück.

Diese zweitägige Schlacht ist ohne Zweifel die bedeutendste, weiche seit Beginn der Insurrektion geschlagen worden ist.

Die Insurgenten haben viele Leute verloren, da, abgerechnet von den Todten und Verwundeten, welche sie in der Nacht entfernt haben, mehr als 450 Todte auf dem Schlachtfelde gefunden wurden b

„Im Vergleiche zu diesen Verlustziffern sind die Verluste der Kaiserlichen Truppen verhältnißmäßig unbedeutend. 8 30. November. (W. T. B.) Der ehemalige Großvezir, bisher Gouverneur von Smyrna, Essad Pascha ist ge⸗ storben. Gutem Vernehmen nach hat der Justiz⸗Minister Mithad Pascha seine Demission eingereicht. Die Re⸗ gierung hat den. Gouverneuren der Provinzen den Befehl zugehen lassen, alle eingehenden Gelder sofort nach Kon⸗ stantinopel zu senden. Dieselben sollen bei der ottomanischen Bank hinterlegt werden, um die Einlösung des Jannar⸗ coupons der Staatsschuld zu sichern.

Rumänien. Bukarest, 29. November. (W. T. B.) Die Deputirtenkammer wählte in ihrer heutigen Sihung den Fürsten Ghika einstimmig zum Präsiden!en, bei der Wahl der Vize⸗Präfidenten wurden die früheren Bize⸗Präsidenten, unter denen sich auch der ehemalige Minister der auswärtigen Angelegenheiten, Boerescu, befindet, wiedergewählt. Das gesammte Bureau der Deputirtenkawmener gilt als regierungs⸗ freundlich 8 .“ 1““